T 0867/99 () of 21.10.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T086799.20021021
Datum der Entscheidung: 21 October 2002
Aktenzeichen: T 0867/99
Anmeldenummer: 94114263.0
IPC-Klasse: H02K 15/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Fixierung von Wickelgütern mit radikalisch polymerisierbaren Massen
Name des Anmelders: E.I. DU PONT DE NEMOURS AND COMPANY
Name des Einsprechenden: BASF Coatings GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die feststellende Entscheidung der Einspruchsabteilung, daß unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 643 467 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Die Patentinhaberin hat keine Beschwerde eingelegt.

II. Anspruch 1, in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Form, lautet:

"Verfahren zur Fixierung von Wickelgütern aus elektrisch leitfähigen Materialien, durch Tränken, wobei das Tränken erfolgt durch Tauchen, Fluten, Vakuumimprägnieren oder Vakuumdruckimprägnieren mit radikalisch polymerisierbaren Massen, und thermisches Härten, dadurch gekennzeichnet, daß die Wickelgüter im vorerwärmten Zustand mit einer radikalisch polymerisierbaren Masse getränkt werden, die eine Hilfsstoffkombination enthält aus

A) einem oder mehreren Acylphosphinoxiden als Photoinitiatoren,

B) einem oder mehreren C-C labilen, auf Wärme ansprechenden Initiatoren und

C) einem oder mehreren Stabilisatoren vom Typ der Hydrochinone, Chinone, Alkylphenole und/oder Alkylphenolether,

und gleichzeitig mit oder nach dem thermischen Härten durch energiereiche Strahlung ausgehärtet wird."

Ansprüche 2 bis 8 sind vom Anspruch 1 abhängig.

III. In der angefochtenen Entscheidung wurden folgende im Einspruchsschriftsatz zitierte Dokumente berücksichtigt:

E1: Proceedings of the Electrical Electronics Insulation Conference, Chicago, 1984, Seiten 16 bis 22;

E2: Beck Informationen, Träufelharze im Elektromaschinenbau, Juni 1973;

E3: WO-A-92/01015.

Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin folgendes Dokument ein:

E4: Vorgelegte Konferenzpapiere bei der Radtech Europe Konferenz, Edinburgh, Schottland, 29. September bis 2. Oktober 1991, Seiten 738 bis 752,

"Study of hybrid curing behaviour of radiation curing systems", Eiju Ichinose et al.

IV. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 21. Oktober 2002 statt.

V. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Wie im Streitpatent, Seite 2, Zeilen 31 bis 34 angegeben, sei Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die Bereitstellung eines Verfahrens zur Beschichtung von Wickelgütern mit Tränkmitteln, die zur Fixierung dreidimensionaler Bauteile mit Drahtwicklungen geeignet seien, die ein gutes Eindringvermögen in den Bauteilen zeigten, eine verringerte Emission von gesundheitsschädlichen flüchtigen Substanzen aufwiesen und einen verringerten Energiebedarf zum Vernetzen benötigten.

Gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents enthalte die radikalisch polymerisierbare Masse eine Hilfsstoffkombination aus den dort definierten Komponenten A), B) und C). Alle diese Komponenten würden in der Entgegenhaltung E3 offenbart: Komponente A) auf Seite 3, Zeile 36; Komponente B) auf Seite 4, Zeile 9 bis Seite 5, Zeile 25; Komponente C) in Verbindung mit Anwendungsbeispiel 1, Seite 12, Zeile 12 und auf Seite 9, Zeilen 7 bis 8.

Was den Schritt der Vorerwärmung betreffe, sei er auch aus dem nächstliegenden Stand der Technik E3 bekannt;

siehe Seite 9, Zeilen 33 bis 35. Er sei auch in dem Dokument E1 offenbart, und zwar in Verbindung mit einem Tränkverfahren; siehe Seite 21, Figur 8 und Tabelle 7.

Es sei richtig, daß E3 auf Seite 10, Zeile 16 ff. ausdrücklich lehre, daß die UV-Bestrahlung vor dem thermischen Aushärten durchzuführen sei, damit ein Entweichen von schädlichen Emissionen durch Bildung einer dünnen Oberflächenschicht weitgehend verhindert werde. Die praktische Erfahrung mit diesem Verfahren habe aber gezeigt, daß das Häutchen aufbreche und somit trotzdem Schadstoffe entwichen. Der Fachmann habe daher einen naheliegenden objektiven Grund, die Reihenfolge der Härtungsschritte umzukehren, um so die Schadstoffemission sicher zu verringern. Diesen Einwand habe die Einspruchsabteilung als nicht belegte Behauptung zurückgewiesen (angefochtene Entscheidung, Ziffer 9), da diese Problematik im Stand der Technik nicht beschrieben werde. Der von der Beschwerdegegnerin mit der Eingabe vom 11. Mai 2000 vorgelegte Versuchsbericht untermauere aber, daß genau diese Problematik des Verfahrens gemäß E3 Anlaß biete, eine Alternative zu suchen, die indes nur in der Änderung der Reihenfolge der Härtungschritte liegen könne.

Die Änderung der Reihenfolge sei dem Fachmann außerdem durch die Entgegenhaltung E1 oder E4 unmittelbar nahegelegt worden.

Aus der Entgegenhaltung E1 gehe bereits ein Tauchverfahren hervor, bei dem Wickelgüter vor dem Tauchen erwärmt würden (E1, Seite 21, Tabelle 7). Zwar geschehe dies im Rahmen der E1 zu Zwecken des Trocknens, indes ändere dies nichts an der Tatsache, daß die polymerisierbare Masse mit dem heißen Werkstück in Berührung komme, wie es auch bei dem hier strittigen Verfahren vorgesehen sei. Der Vorerwärmung sei zwar eine kurze Abkühlungsphase nachgeschaltet, der Entgegenhaltung E1 lasse sich jedoch eine Kurve entnehmen, aus der hervorgehe, daß sich die Temperatur der vorgewärmten Wickelgüter während der Abkühlungsphase nur unwesentlich verringere (E1, Seite 21, Figur 8). Außerdem würden die Wickelgüter auf eine Temperatur vorgewärmt, die der Härtungtemperatur (E1: Seite 21, Tabelle 7, 115 ° C ) entspreche. Der Fachmann entnehme daher der Entgegenhaltung E1, daß er ohne weiteres die Wickelgüter auch im Rahmen eines Tauchverfahrens vorwärmen könne.

Entgegen der in Ziffer 7 der angefochtenen Entscheidung geäußerten Ansicht der Einspruchsabteilung erkenne der Fachmann aber anhand der Tatsache, daß die polymerisierbaren Massen der Entgegenhaltung 1 auf eine Temperatur vorgewärmt würden, die der Härtungstemperatur entspreche, auch, daß sie beim Tauchen auf und in den Wickelgütern gelieren würden, wodurch die Abtropfverluste und die Styrolemissionen in gleicher Weise wie bei dem strittigen Verfahren verringert würden.

Allein schon hierdurch werde der Fachmann dazu angeregt, die Reihenfolge der Härtungsschritte zu ändern, was insbesondere schon deswegen nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könne, weil grundsätzlich nur zwei Varianten zur Verfügung stünden:

I. 1. UV-Härtung und 2. thermische Härtung (Entgegenhaltung E1)

II. 1. thermische Härtung und 2. UV Härtung oder gleichzeitige thermische Härtung und UV-Härtung (Verfahren gemäß Streitpatent).

Demzufolge bestehe auch kein Vorurteil der Fachwelt hinsichtlich einer Vorerwärmung im Rahmen eines Tauchverfahrens, weswegen die entsprechende Anwendung im strittigen Verfahren nicht die erfinderische Tätigkeit untermauern könne. Ebenso wenig könne die Umkehrung der Reihenfolge der Härtungsschritte die erfinderische Tätigkeit begründen, weil sich der Fachmann in einer typischen Einbahnstraßensituation befinde. Dies werde noch untermauert durch die Wendung "combined UV and thermal cure" (Seite 16, rechte Spalte, der Entgegenhaltung E1, die die UV-Härtung vor der thermisch Härtung nenne.

Sollte der Fachmann - wider jegliche Wahrscheinlichkeit- den von der Entgegenhaltung E1 gelieferten Hinweisen nicht nachgehen, werde er spätestens durch die Entgegenhaltung E4 auf die Umkehr der Härtungsschritte stoßen.

Die Entgegenhaltung E4 beschreibe die kombinierte Härtung von Gemischen von strahlenhärtbaren Urethanacrylaten und thermisch härtbaren Zweikomponentensystemen aus Polycaprolactonpolyol und Isophorondiisocyanat (EXP-2 und EXP-3) sowie von strahlenhärtbaren Urethanacrylaten alleine (EXP-1) (vgl. E4: Seite 742 in Verbindung mit Tabelle 2). Die Gemische und das strahlenhärtbare Urethanacrylat enthielten Photoiniatoren. Somit entspreche insbesondere EXP-1 den radikalisch polymerisierbaren Massen des strittigen Verfahrens.

Aus der Figur 2 "Curing Methods for Hybrid Systems" , Seite 745 der Entgegenhaltung E4 gehe des weiteren explizit im einzelnen hervor, daß die radikalisch polymerisierbaren Massen grundsätzlich nach den vorstehend genannten Methoden I und II vernetzt werden könnten. Hierbei entspreche die Methode 2 der Entgegenhaltung E4 der Methode I der Entgegenhaltung E1, und die Methoden 1 und 3 der Entgegenhaltung E4 entsprächen der Methode II, d. h. dem patentgemäßen Verfahren, das somit im Hinblick auf die Entgegenhaltungen E1 und E4 für den Fachmann auf der Hand liege.

VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Einspruchsabteilung gehe in ihrem Beschluß davon aus, daß E3 den nächstkommenden Stand der Technik bilde. E3 betreffe die Fixierung von Wickelgütern durch Tränken mit radikalisch polymerisierbaren Massen. Das Tränken könne zwar gemäß Seite 1, Zeile 13, durch Tauchen erfolgen, jedoch sei die Träufelimprägnierung bevorzugt (Seite 9, Zeile 30). Als radikalisch polymerisierbare Massen könnten im Prinzip solche eingesetzt werden, die auch gemäß Streitpatent Verwendung fänden, jedoch werde eine Hilfsstoffkombination aus den Komponenten A), B) und C) nicht expressis verbis beschrieben. Der Einsatz von Azylphosphinoxiden (Komponente A) werde lediglich unter anderem als eine Möglichkeit von vielen genannt (Seite 3, Zeile 34 bis Seite 4, Zeile 3 von E3). Die spezielle Hilfsstoffkombination des erfindungsgemäßen Verfahrens werde durch E3 nicht angesprochen.

Außerdem erfolge beim Verfahren nach E3 eine UV-Härtung mit anschließender thermischer Härtung; siehe die Figur von E3.

E3 werde in Form der entsprechenden deutschen Patentanmeldung DE-A-40 22 235 in der vorliegenden Patentschrift sowie auch in den ihr zugrundeliegenden Anmeldeunterlagen gewürdigt. Gegenüber E3 habe sich die Erfindung die Aufgabe gestellt, Wickelgüter durch ein Tauchverfahren (einschließlich Fluten, Vakuumimprägnieren und Vakuumdruckimprägnieren) bereitzustellen, das einerseits eine verringerte Emission von gesundheitsschädlichen flüchtigen Substanzen bei geringem Abtropfverlust und andererseits einen verringerten Energiebedarf ermögliche.

Diese Aufgabe sei durch die erfindungsgemäße Kombination gelöst worden. In diesem Zusammenhang werde auf den beigefügten Versuchsbericht hingewiesen.

Die erfindungsgemäße Verfahrensweise werde auch durch eine Kombination von E3 mit E1 nicht nahegelegt. E1 betreffe eine Kombination von UV-Bestrahlung und Erwärmen bei der Härtung von mit verschiedenen Systemen imprägnierten Wickelgütern. Dabei werde entsprechend E3 zunächst mit UV-Strahlung gehärtet und erst anschließend erwärmt. Dies gehe unter anderem auch aus der von der Einsprechenden genannten Tabelle 7 in Kombination mit Figur 8 der Seite 21 von E1 hervor. Zwar erfolge ein Trocknungsschritt durch Vorerwärmung, jedoch schließe sich diesem Trocknungsschritt grundsätzlich eine Kühlstufe an. Dann werde unter weiterer Abkühlung eine UV-Härtung durchgeführt; erst nachdem diese durchgeführt worden sei, erfolge ein thermisches Aushärten. Die Idee des erfindungsgemäßen Verfahrens werde hierdurch in keiner Weise nahegelegt; der Kühlschritt vor der Durchführung der UV-Bestrahlung zeige vielmehr, daß eine Vorerwärmung für gefährlich angesehen werde. Darüber hinaus werde die Kombination der erfindungsgemäßen Verfahrensschritte durch E1 in keiner Weise nahegelegt. E1 bestätige vielmehr die Regel von E3, wonach eine kombinierte Härtung mit UV-Strahlung und Erwärmen grundsätzlich in der Reihenfolge UV-Strahlung und anschließendes Erwärmen durchgeführt werde.

Auch die Entgegenhaltung E4 sei nicht geeignet, in Kombination mit E3 und/oder E1 die erfindungsgemäße Verfahrensweise nahezulegen. E4 betreffe grundsätzlich, wie schon die Überschrift zeige, das Verhalten von mit Strahlung härtenden Systemen, wobei es sich bei den Systemen um Hybridsysteme handele. Es würden Mischungen von Urethanacrylaten und "two pack urethane intermediates", nämlich nicht voll ausreagierten Polyolen und Isocyanaten, eingesetzt. Bei der Härtung würden zwei Reaktionsschritte erfolgen, nämlich die Additionsreaktion von Polyol und Isocyanat unter Bildung eines Urethans sowie die radikalische Polymerisation. Um die Additionsreaktion der "two pack Urethane" durchzuführen, könnten letztere zunächst thermisch umgesetzt werden. Eine vorausgehende thermische Behandlung der in E4 beschriebenen Systeme erfolge ausschließlich an dem Hybridsystem, was beispielsweise aus der Figur 2 auf Seite 745 hervorgehe. Das von der Einsprechenden herangezogene Urethanacrylat allein (EXP-1) der Tabelle 2 auf Seite 744 sei lediglich als Vergleichssubstanz eingesetzt worden; von einer thermischen Härtung mit anschließender UV-Härtung werde an keiner Stelle gesprochen. Sinn und Zweck der Studie von E4 sei es gewesen, die Abhängigkeit der UV-Härtung von der Anwesenheit von Urethanbindungen zu untersuchen. Aus diesem Grunde seien Hybridsysteme mit verschiedenen Umsetzungsgraden von Polyol und Isocyanat bis hin zu 100 % (EXP 1) untersucht worden. Ein Hinweis auf die erfindungsgemäß eingesetzte Polymerisation radikalisch polymerisierbarer Systeme unter Anwendung der erfindungsgemäßen Methoden werde durch E4 nicht ermöglicht. Darüber hinaus dürfe eine Untersuchung der Abhängigkeit der UV-Härtung von Urethanacrylaten von der Anzahl der vorhandenen Urethanstrukturen für den Fachmann auf dem Gebiet der Fixierung von Wickelgütern kaum von Interesse gewesen sein. Eine Kombination von E4 mit E1, gegebenenfalls in weiterer Kombination mit E3 sei somit für den Fachmann weder nahegelegt gewesen, noch habe sie zu der erfindungsgemäßen Verfahrensweise führen können.

VII. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Berücksichtigung des nachgereichten Dokuments E4

Die Beschwerdegegnerin hat gegen die Zulassung des erst im Beschwerdeverfahren genannten Dokuments E4 keine Einwände erhoben.

3. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs 1 ist unbestritten gegeben.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Technischer Hintergrund und Aufgabenstellung im Hinblick auf den unbestritten nächstliegenden Stand der Technik (Entgegenhaltung E3) wurden ausführlich in der Argumentation der Parteien dargelegt und werden hier seitens der Kammer nicht wiederholt.

4.2. Nach der Beurteilung der Kammer hat die Kernaussage der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit in der angefochtenen Entscheidung, nämlich daß beim Verfahren nach dem Patentanspruch 1 der erfinderische Unterschied gegenüber einem Zusammenlesen des nächstliegenden Stands der Technik, der Entgegenhaltung E3, und der Entgegenhaltung E1 im wesentlichen in der Reihenfolge von thermischer und UV-Härtung zu sehen sei, weiterhin Bestand. Die Argumentation der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren betreffend die Lehre dieser Dokumente wurde bereits in der angefochtenen Entscheidung überzeugend entkräftet; siehe insbesondere Ziffern 6 bis 11 der genannten Entscheidung.

4.3. Entgegen der von der Beschwerdeführerin geäußerten Ansicht ist der von der Beschwerdegegnerin mit Eingabe vom 11. Mai 2000 vorgelegte Versuchsbericht nicht geeignet, das in der angefochtenen Entscheidung (Ziffer 9) zum Ausdruck gebrachte Argument zu widerlegen, da der Bericht kein Beleg dafür ist, daß seinerzeit die Problematik des Verfahrens nach E3 offensichtlich war.

4.4. Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die in der Entgegenhaltung E1 offenbarte Vorerwärmung in Verbindung mit Ziffer 7 der angefochtenen Entscheidung vermag die Kammer nicht zu überzeugen, da die Überlegung, daß die Temperatur, die in E1 zum Austrocken benutzt wird, eventuell der Härtungstemperatur entspreche, nur im Falle einer zufälligen neuheitschädlichen Vorveröffentlichung maßgeblich wäre. Die Neuheit ist aber unumstritten gegeben. Das Argument der Beschwerdeführerin wurde in der angefochtenen Entscheidung insofern berücksichtigt, daß die Einspruchsabteilung in der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dem Vorerwärmungs-Merkmal kein Gewicht verliehen hat.

4.5. Im Hinblick auf den durch die Dokumente E1 und E3 belegten Stand der Technik hat die Kammer der Begründung der angefochtenen Entscheidung sonst nichts hinzufügen.

4.6. Der eben genannte Stand der Technik wurde durch das erst im Beschwerdeverfahren genannte Dokument E4 ergänzt.

4.7. Die kritische Offenbarung in E4 ist das Aufzeigen in Figur 2, Seite 745 von drei Methoden 1 bis 3 ("Curing methods for hybrid system") zur Aushärtung von radikalisch polymerisierbaren Massen, bei denen gemäß Methode 1 eine thermische Behandlung ("thermal cure") der U-V Aushärtung vorausgeht und gemäß Methode 3 thermische Behandlung und U-V Aushärtung gleichzeitig stattfinden. Auf den ersten Blick entsprechen daher Methoden 1 und 3 der Entgegenhaltung E4 der im Patentanspruch 1 festgelegten Reihenfolge. Daraus aber zu schließen, daß der Fachmann, der sich ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik E3 die einschlägige Aufgabe stellt, auf die Entgegenhaltung E4 stoßen würde und darin ohne weiteres die von ihm gesuchte Lösung erkennen würde, wäre nach Beurteilung der Kammer eine mit Vorkenntnis der Lehre des Streitpatents behaftete überschnelle Folgerung.

4.8. Das in der Einleitung zu E4 erwähnte Anwendungsgebiet ist das der Farben und Tinten; insbesondere wird auf die bei diesen Produkten geforderten Schichteigenschaften hingewiesen. Wie von der Beschwerdegegnerin überzeugend dargelegt, dürfte der dem Bericht E4 zugrundliegende Untersuchungsgegenstand - die Abhängigkeit der UV-Härtung von Urethanacrylaten von der Anzahl der vorhandenen Urethanstrukturen - für den Fachmann auf dem Gebiet der Fixierung von Wickelgütern a priori kaum von Interesse gewesen sein.

4.9. Nur am Rande - im Rahmen eines Vergleichsbeispiels - befaßt sich E4, mit Urethanacrylat allein. Sonst erfolgt eine vorausgehende thermische Behandlung ausschließlich an Mischungen von Urethanacrylaten und "two-pack urethane intermediates" wobei in einem ersten Reaktionschritt die Additionsreaktion von Polyol und Isocyanat unter Bildung eines Urethans thermisch umzusetzen ist.

4.10. Die Ähnlichkeit, Analogie oder Überlappung zwischen Methoden 1 und 3 der Figur 2 von E4 mit den Lösungsmerkmalen des Patentanspruchs ist daher bei einer fairen Betrachtungweise nur im Nachhinein feststellbar.

5. Unter Berücksichtigung des aktenkundigen und zu berücksichtigenden Standes der Technik ist daher der Gegenstand des vorliegenden unabhängigen Anspruchs nach Beurteilung der Kammer neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Zudem ist, unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Änderungen, die Kammer der Auffassung, daß das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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