European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T084499.20020612 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 Juni 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0844/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93920584.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02H 3/05 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Anordnung von digitalen Schutzrelais | ||||||||
Name des Anmelders: | ELIN ENERGIEVERSORGUNG GESELLSCHAFT m.b.H. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ABB Schweiz Holding AG | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit, erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 663 114 widerrufen wurde. Die angefochtene Entscheidung wurde mit fehlender erfinderischer Tätigkeit begründet.
II. Im Beschwerdeverfahren ist auf die folgenden bereits im Einspruchsverfahren genannten Dokumente hingewiesen worden:
D1: Brown Boveri Technik, Ausgabe 12-87, W. Fromm et al., "Generatorschutz mit dem digitalem Schutzsystem MODURES 216", Seiten 693 bis 700
D2: Technische Unterlagen zum "Modures 216 Digitales Generator Schutzsystem", ausgeliefert an das Kraftwerk "Nedre Vinstra" in Norwegen, Best. Nr. 1-353 698, 4 Seiten
D3: Relays ABB'stract, Ausgabe 1/92, "Successful REG 216 Trip in Nedre Vinstra", Seite 10
D4: Fragebogen zum "Generatorschutzsystem Typ MODURES 216", Offertnr./Bestellnr. 1-353 698 vom 15.02.90.
Im Beschwerdeverfahren bezog sich die Beschwerdegegnerin zum ersten Mal auf folgende Dokumente:
D5: "User configurable digital protective relay system", M. Chen et al., Vortrag bei "The 15th Annual Western Relay Conference", Spokane, Washington (US), Oktober 1988
D6: Betriebsvorschrift "Numerischer Generatorschutz Typ REG 216/ Typ REG 216 Kompakt", Ausgabe November 1995, Seiten 1-1 und 1-2,
und die Beschwerdeführerin auf die Dokumente:
D7: "ELIN DRS Technischen Daten des Relaissystems", Ausgabe 23.06.99, ZNr. 4-628.305, Seiten 1 bis 14 und Prospekt "Kraftwerkssystemtechnik", 2000/AK-SE010/0796.
III. Der einzige Patentanspruch in der Fassung gemäß dem geltenden Hauptantrag, der im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 24. März 1999 eingereicht worden ist, hat folgenden Wortlaut:
"Anordnung von digitalen Schutzrelais, bei welcher
- mindestens zwei Verarbeitungseinheiten (2) vorgesehen sind, wobei jede Verarbeitungseinheit (2) sämtliche für die Schutzfunktionen erforderlichen Teilfunktionen, insbesondere die Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe von Analog- und/oder Binärsignalen aufweist,
- mindestens ein Eingangswandlerpanel (1) für die gleichzeitige Anspeisung von zwei Verarbeitungseinheiten (2) vorgesehen ist und
- zur Speisung von mindestens einer Verarbeitungseinheit (2) eine Doppel-Stromversorgungseinheit (3), bei der jeder Ausgang für die Gesamtleistung ausgelegt ist, vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, daß
- jeweils zwei Verarbeitungseinheiten (2) über eine direkte Verdrahtung, bestehend aus je einer Steckverbindung je Verarbeitungseinheit, mit ein und demselben Eingangswandlerpanel (1) verbunden sind."
IV. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 12. Juni 2002 statt. Für die Beschwerdeführerin war niemand anwesend, wie mit Schreiben vom 25. Februar 2002 mitgeteilt worden war.
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) argumentierte im schriftlichen Verfahren im wesentlichen wie folgt:
Aus der Druckschrift D1 sei für den Fachmann allenfalls zu entnehmen, daß die zwei im Bild 4 dargestellten Stecker nur für eine redundante Verbindung des Relaisblocks mit einer aus Redundanzgründen doppelt vorgesehenen Untereinheit einer einzigen Verarbeitungseinheit diente. Eine Verbindung eines Relaisblocks mit zwei Verarbeitungseinheiten sei nicht angedeutet.
Eine Absicherung der Anlage gemäß der D1 gegen Fehler in der Verarbeitungseinheit sei dort nicht als Aufgabe zu erkennen. Schon darum sei die beanspruchte Lösung, die zwischen den in D1 beschriebenen Lösungen liege, nicht nahegelegt. Objektiv könne der Offenbarung von D1 nur die Aufgabe entnommen werden, einen Fehler auf dem Parallelbus zu tolerieren. Es wäre aber für den Fachmann unsinnig, bei der in D1 auf Seite 694, mittlere Spalte, unter Buchstabe c) beschriebenen Redundanzstufe auf eine Redundanz im Hinblick auf das Eingangswandlerpanel zu verzichten, da bei derart hohen Redundanzstufen Kostenüberlegen keine Rolle spielten. Das Nicht-Naheliegen der beanspruchten Anordnung sei daran zu erkennen, daß für den Fachmann aus der Offenbarung von D1 eine ausreichende Zahl von möglichen Redundanzstufen entnehmbar waren und er keine Veranlassung hatte, nach weiteren, nicht offenbarten Redundanzmöglichkeiten zu suchen.
Würde der Fachmann ausgehend von D1 aber dennoch zur Realisierung einer Redundanz unter Beibehaltung eines einzelnen Eingangswandlerpanels nach einer Lösung suchen, so bestünden zumindest drei Möglichkeiten: einen redundanten Parallelbus zu verwenden, eine Direktverdrahtung von Analogsignalen einzuführen, oder eine Verdoppelung des Gesamtsystems und sodann eine Verminderung der Eingangswandlerpanele auf ein Eingangswandlerpanel vorzusehen. Keine dieser drei Lösungen sei naheliegend und aus D1 sei keinesfalls ein Hinweis darauf zu entnehmen, welche dieser drei Lösungen als die geeignetste erscheine.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Die Definition des Begriffes der "Verarbeitungseinheit" im Anspruch 1 bedeute nicht, daß diese Einheit notwendigerweise eine bauliche Einheit darstelle. Die Definition der Doppelstromversorgungseinheit im Anspruch 1 sei aus sich selbst zu verstehen und zwar so, daß jeder Ausgang dieser Einheit für die Gesamtleistung einer Verarbeitungseinheit ausgelegt sei.
In der Druckschrift D5 (Seite 5) sei ein digitales Schutzsystem "Modures 216" mit einem Wandlerpanel (Interface Subsystem) und einer Verarbeitungseinheit (Processing Subsystem) dargestellt. Die Verarbeitungseinheit enthalte Geräte, zu welchen auch ein Parallelbus und eine Stromversorgungseinheit zu zählen seien, welche zu Redundanzzwecken doppelt vorgesehen werden könnten (Seite 6). Auf Seite 12 der D5 seien drei Redundanzstufen dargestellt, wobei die zweite eine Verdoppelung der Gesamtheit der Geräte beschreibe, die einer Verdoppelung der Verarbeitungseinheit gleichkomme und die beanspruchte Anordnung vorwegnehme.
Durch die Dokumente D2 bis D4 und D6 sei eine offenkundige Vorbenutzung eines "Modures Reg 216" Schutzsystems belegt, welches am 15. September 1990 ohne jegliche Geheimhaltungsverpflichtung an die Gesellschaft Vinstra Kraftselskap ausgeliefert wurde. Dieses System weise eine doppelte Verarbeitungseinheit bei einfachem Eingangswandlerpanel auf und entspreche somit dem Gegenstand des Anspruchs 1.
In der Druckschrift D1 (Bild 2) sei ein digitales Schutzsystem "Modures 216" mit einem Wandlerpanel (Wandler und Relais-Blöcke) und einer Verarbeitungseinheit (19"-, 6U-Etage) dargestellt, die sämtliche erforderlichen Teilfunktionen gemäß dem Anspruch 1 ausführe. In D1 auf Seite 694, Redundanzstufe c) sei eine Doppel-Konfiguration beschrieben, die einer Verdopplung des ganzen Systems entspreche. Bei der Entwicklung von Schutzsystemen werde der Gesichtspunkt der Kosteneinsparung immer einbezogen. Somit lege diese Doppel-Konfiguration gemäß Stufe c) auch eine Konfiguration mit zwei Verarbeitungseinheiten und nur einem Eingangswandlerpanel nahe.
Eine Verdoppelung "wichtiger Einheiten" gemäß der Redundanzstufe b) sei explizit in der D1 offenbart oder aus D5 zu entnehmen. Somit sei es dem Fachmann ausgehend von Redundanzstufe b) der D1 nahegelegt, alle wichtigen Einheiten zu verdoppeln und so zu einer verdoppelten Verarbeitungseinheit gemäß dem Anspruch zu gelangen. Die beanspruchte Anordnung mit zwei Verarbeitungseinheiten und nur einem Eingangswandlerpanel liege genau zwischen den beiden Redundanzstufen b) und c).
VII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen sowie das Patent auf Grundlage des im Einspruchsverfahren mit dem Schreiben vom 24. März 1999 vorgelegten Patentanspruchs (Hauptantrag), hilfsweise auf Grundlage des mit der Beschwerde vom 12. August 1999 vorgelegten Anspruchs (Hilfsantrag) aufrechtzuerhalten.
VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag - Auslegung des Anspruchs
2. Die Beschwerdegegnerin geht davon aus, daß gemäß dem Wortlaut des Anspruchs mindestens eine Doppel-Stromversorgungseinheit vorgesehen sei, bei der jeder Ausgang für die Gesamtleistung einer der Verarbeitungseinheiten ausgelegt sei.
2.1. Die Beschreibung und die Figuren 1 und 3 des Streitpatents stellen zwei Beispiele einer Anordnung gemäß dem Anspruch dar. Bei diesen Beispielen werden jeweils zwei Verarbeitungseinheiten von einer Doppel-Stromversorgungseinheit versorgt, bei der jeder Ausgang mit beiden Verarbeitungseinheiten verbunden ist. Jeder Ausgang dieser Doppel-Stromversorgungseinheiten muß daher für die Gesamtleistung von zwei Verarbeitungseinheiten ausgelegt sein. Somit ist eine Auslegung des Anspruchs, wonach jeder Ausgang der Doppel-Stromversorgungseinheit für die Gesamtleistung einer einzigen Verarbeitungseinheit ausgelegt ist, von der Beschreibung und den Figuren des Streitpatents nicht gestützt, und die Kammer kann sich der Meinung der Beschwerdegegnerin nicht anschließen.
Hauptantrag - Neuheit
3. Die Beschwerdegegnerin macht zunächst geltend, daß der Gegenstand des Anspruchs im Hinblick auf die Teilredundanzstufe gemäß D5 oder die Vorbenutzung gemäß den Dokumenten D2, D3, D4 und D6 nicht neu sei.
4. Durch die Druckschrift D5 (siehe Figur 2; Seiten 4 bis 6) wird ein Schutzsystem "MODURES 216" offenbart, das folgende Merkmale des Anspruchs aufweist: eine Verarbeitungseinheit (19", 6U rack; processing subsystem), ein Eingangswandlerpanel (interface subsystem), das zur Speisung der Verarbeitungseinheit über eine direkte Verdrahtung vorgesehen ist, und eine Stromversorgungseinheit (DC/DC) zu der Speisung der Verarbeitungseinheit. Die Verarbeitungseinheit der D5 weist Elektronik- und Verarbeitungsgeräte (electronic modules, processing modules) auf, die sämtliche für die Schutzfunktionen erforderlichen Teilfunktionen (insbesondere die Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe von Analog- und/oder Binärsignalen) ausführen und somit funktionell einer Verarbeitungseinheit gemäß dem Anspruch entsprechen.
4.1. In der D5 wird eine Verdoppelung der wichtigen Elektronikgeräte (vital modules), wie der Stromversorgungseinheit oder der Gesamtheit der Verarbeitungsgeräte (processing modules), erwähnt (Seite 6, letzter Absatz; Seite 12, Punkt(2)). Was aber die in der D5 ebenfalls erwähnte Konfiguration mit Teilredundanz betrifft, so wird weder auf eine Verdoppelung des Parallelbuses für den Datenaustausch zwischen den Geräten der Verarbeitungseinheit noch auf eine Verdoppelung aller Elektronikgeräte der Verarbeitungseinheit, die nicht als Verarbeitungsgeräte zu verstehen sind, hingewiesen. D5 zeigt auch keine Stecker für den Anschluß der in der Verarbeitungseinheit eingebauten Geräte mit den im Eingangswandlerpanel eingesetzten Schnittstellen (transformer and relay units). Aus der D5 ist auch nicht zu entnehmen, daß die Einfügung eines zweiten DC-DC Wandlers (Seite 6, letzter Absatz) mit einer Verdoppelung der Stromversorgungseinheit (Seite 12, (2)) zu kombinieren ist.
4.2. Somit führt die in D5 erwähnte Teilredundanz nur zu einer Verarbeitungseinheit, bei der wichtige Elektronikgeräte oder die Gesamtheit der Verarbeitungsgeräte verdoppelt sind, und die zwei Stromversorgungseinheiten aufweist, von denen jede für die Gesamtleistung einer einzigen Verarbeitungseinheit ausgelegt ist. Dadurch wird aber nicht eine Aufteilung der verdoppelten Elektronik- und Verarbeitungsgeräte in zwei baulich getrennte Verarbeitungseinheiten erhalten, die jeweils sämtliche für die Schutzfunktionen erforderlichen Teilfunktionen aufweisen und jeweils durch eine Steckverbindung mit demselben Eingangswandlerpanel verbunden sind. Ebenso wird keine Doppel-Stromversorgungseinheit erhalten, bei der jeder Ausgang für die Gesamtleistung zweier Verarbeitungseinheiten ausgelegt ist. Somit offenbart D5 keine Anordnung von digitalen Schutzrelais gemäß dem Anspruch.
5. Die Konstruktionszeichnungen D2 und der Fragebogen D4 beziehen sich beide auf ein Schutzsystem des Typs "Modures 216" und tragen die gleiche Referenznummer 1-353 698.
5.1. D2 zeigt zwei "Protection Systems" (A, B), deren Komponenten durch die gleichen Kennzeichnungsnummern identifiziert sind, wie die Blöcke des in der D1 offenbarten Schutzsystems "Modures 216". Insofern D2 im Zusammenhang mit der D1 gelesen werden kann, scheint D2 ein Schutzsystem zu zeigen mit zwei Verarbeitungseinheiten (MB1, MB2), von denen jede sämtliche für die Schutzfunktionen erforderlichen Teilfunktionen, wie die Eingabe-, Verarbeitungs- und Ausgabefunktionen (216VE61a, 216EA61a, 216AB61a, 216DB61a) aufweist und mit gemeinsamen (216GW61) und verschiedenen Eingangswandlerblöcken. In D2 werden aber keine Stromversorgungseinheiten zur Speisung der Verarbeitungseinheiten gezeigt. Somit ist aus der D2 nicht zu entnehmen, daß die Verarbeitungseinheiten (MB1, MB2) von einer Doppel-Stromversorgungseinheit versorgt werden, bei der jeder Ausgang für die Gesamtleistung ausgelegt ist, wie im Anspruch vorgesehen.
5.2. D4 (siehe die angekreuzte Variante 2S1 auf der Seite 12) zeigt nur ein Schutzsystem, das mit zwei Systemen (A, B) und gemeinsamen Eingangswandlerblöcken (GW61) versehen ist.
5.3. Somit wird in D2 oder D4 keine Anordnung, die alle Merkmale gemäß dem Anspruch enthält, beschrieben. Angesichts dieses Ergebnisses kann dahingestellt bleiben, ob die behauptete offenkundige Vorbenutzung stattgefunden hat.
6. Im Hinblick auf D1 war die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 nicht bestritten. Folglich ist der Gegenstand dieses Anspruchs gemäß dem Hauptantrag gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu (Artikel 54 EPÜ).
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
7. Die Druckschrift D1 offenbart ein Schutzsystem "MODURES 216", das unterschiedliche Redundanzstufen zuläßt. Zwischen einer Grundkonfiguration a) ohne Redundanz und einer Doppel-Konfiguration c), die der höchsten Redundanzstufe entspricht, werden verschiedene Möglichkeiten gemäß einer Redundanzstufe b) beschrieben, die durch Verdoppelung wichtiger Einheiten erhalten werden (Seite 694, Absätze b) und c)).
7.1. In der Grundkonfiguration der D1 (Figur 2; Seiten 694 bis 697) wird ein Schutzsystem offenbart, das folgende Merkmale des Anspruchs aufweist: eine Verarbeitungseinheit (Figur 2: 19"-, 6U Etage), ein Eingangswandlerpanel (Figur 2: Wandler- und Relaisblöcke), das zur Speisung der Verarbeitungseinheit über eine direkte Verdrahtung mittels Steckverbindungen (Seite 696, Alinea 3) vorgesehen ist, und eine Stromversorgungseinheit (Seite 697: 216NG61, 216NW61). Weil die Verarbeitungseinheit der D1 mit Elektronikgeräten versehen ist, die sämtliche für die Schutzfunktionen erforderlichen Teilfunktionen aufweisen (Bild 2; Seiten 696 und 697, Elektronikgeräte: 216VE61, 216EA61, 216AB61, 216DB61), entspricht diese Einheit funktionell einer der Verarbeitungseinheiten gemäß dem Anspruch.
7.2. D1 zeigt aber weder zwei Verarbeitungseinheiten, die mit ein und demselben Eingangswandlerpanel verbunden sind, noch eine Doppel-Stromversorgungseinheit, bei der jeder Ausgang für die Gesamtleistung der beiden Verarbeitungseinheiten ausgelegt ist.
8. Ausgehend von Dokument D1 kann die Aufgabe, die mit den beanspruchten Merkmalen gegenüber diesem Stand der Technik gelöst wird, darin gesehen werden, eine wirtschaftliche Anordnung von digitalen Schutzrelais auch für kleine Anlagen zu schaffen (siehe die Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 32 bis 35).
9. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin wäre es für den Fachmann, der ausgehend von der in D1 beschriebenen Doppel-Konfiguration gemäß Redundanzstufe c) vor dieser Aufgabe steht, naheliegend, auf eines der Eingangswandlerpanele zu verzichten und beide Verarbeitungseinheiten über je eine direkte Steckverbindung, mit ein und demselben Eingangswandlerpanel zu verbinden.
9.1. Nach Auffassung der Kammer geben aber weder die Druckschrift D1, noch die obengenannte Aufgabe dem Fachmann eine Anregung, auf eines der beiden Eingangswandlerpanele zu verzichten. Darüber hinaus sind, wie es die Kammer während der mündlichen Verhandlung zur Diskussion gestellt hat, bei der Doppel-Konfiguration c) gemäß der D1 zwei getrennte Stromversorgungseinheiten vorhanden, von denen jede für die Versorgung nur einer der verdoppelten Verarbeitungseinheiten ausgelegt ist. Um die beanspruchte Anordnung zu erhalten, müßte der Fachmann jede verdoppelte Stromversorgungseinheit gemäß der Redundanzstufe c) der D1 so ändern, daß ihr Ausgang für die Gesamtleistung beider Verarbeitungseinheiten ausgelegt ist. Dies stellt für den Fachmann einen zweiten Schritt dar, für den es im zitierten Stand der Technik keine Anregung gibt.
10. Nach der abweichenden Auffassung der Beschwerdegegnerin würde der Fachmann, der ausgehend von der Redundanzstufe b) gemäß D1 eine Lösung der oben genannten Aufgabe sucht, in naheliegender Weise alle in der Verarbeitungseinheit der D1 enthaltenen Elektronikgeräte und insbesondere die Stromversorgungseinheit verdoppeln und damit ohne erfinderische Tätigkeit zu einer Anordnung gemäß dem Anspruch gelangen. Eine Anregung zur Verdoppelung aller Elektronikgeräte würde der Fachmann auch in der D5 (Seite 12, Absatz (2)) finden, die das gleiche Schutzsystem "Modures 216" wie die D1 betrifft.
10.1. Die Kammer kann sich dieser Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht anschließen, weil mehrere Schritte notwendig wären, um zu den Merkmalen der beanspruchten Anordnung zu gelangen. Zunächst müßte der Fachmann auf die Idee kommen, alle Geräte der Verarbeitungseinheit zu verdoppeln und diese in zwei getrennten Verarbeitungseinheiten anzuordnen, die jeweils eine eigene Steckverbindung mit ein und demselben Eingangswandlerpanel aufweisen.
10.2. Durch eine Verdoppelung der Stromversorgungseinheit gemäß der Redundanzstufe b) der D1 würde der Fachmann aber nur zwei Stromversorgungseinheiten erhalten, deren Ausgang für die Gesamtleistung jeweils einer Verarbeitungseinheit ausgelegt ist. Um zu einer Doppelstromversorgungseinheit zu gelangen, wie sie im Anspruch angegeben ist, wäre für den Fachmann ein zusätzlicher Schritt nötig, der für sich allein schon nicht naheliegend wäre (vgl. Punkt 9.1).
10.3. Die Redundanzstufe b) der D5, die eine Verdoppelung aller Geräte der Verarbeitungseinheit nicht offenbart (siehe supra 4.1), gibt auch keine Anregung zur solchen Verdoppelung.
11. Die Kammer kommt somit zu dem Schluß, daß der entgegengehaltene Stand der Technik und insbesondere die Kombination der Druckschriften D1 und D5 den Gegenstand des Anspruchs gemäß dem geltenden Hauptantrag nicht nahelegt (Artikel 56 EPÜ).
12. Unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen genügen daher das vorliegende europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens (Artikel 102 (3) EPÜ).
13. Der Hilfsantrag braucht daher nicht behandelt zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Einziger Patentanspruch, eingereicht mit Schreiben vom 24. März 1999;
- Beschreibung, Seite 2, eingereicht mit Schreiben vom 24. März 1999, Seiten 1 und 3, eingereicht mit Schreiben vom 7. Juli 1998;
- Zeichnungen, Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.