European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T082199.20010517 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Mai 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0821/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93108441.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01C 17/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schleuderdüngerstreuer | ||||||||
Name des Anmelders: | Amazonen-Werke H. Dreyer GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Rauch Landmaschinenfabrik GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf den Gegenstand der am 19. Mai 1988 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 93 108 441.2, die als Teilanmeldung aus der europäischen Patentanmeldung Nr. 88 108 032.9 (nachfolgend Stammanmeldung) ausgeschieden worden war, wurde das europäische Patent Nr. 559 242 erteilt, dessen unabhängiger Anspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Schleuderdüngerstreuer mit einem Vorratsbehälter und zumindest zwei rotierend angetriebenen und Wurfschaufeln aufweisenden Schleuderscheiben, denen über einstellbare Dosierorgane der sich im Vorratsbehälter befindliche Dünger in einstellbaren Mengen zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Schleuderscheiben (11) mit einer Drehzahl von 600 bis 1000 U/min, vorzugsweise 700 bis 900 U/min, rotierend angetrieben sind, daß die auf den Schleuderscheiben (11) angeordneten Wurfschaufeln (15) mit ihren äußeren Enden Umlaufbahnen (16,17) mit einem Durchmesser (A,B) von größer als 80 cm, vorzugsweise 90 bis 100 cm, beschreiben, daß der Dünger aus dem Vorratsbehälter (1) über die Dosierorgane (5,6) in der Nähe der Rotationsachse (18) der Schleuderscheiben (11), etwa maximal 5 bis 15 cm von der Rotationsachse (18) entfernt auf die Schleuderscheiben (11) aufgegeben wird, daß die Wurfschaufeln (14,15) in Scheibenebene winkelverschwenkbar gegenüber der Radialen angeordnet und mittels Skalen oder Markierungselemente (19,20) exakt einstellbar sind."
Gegen dieses Patent wurde ein sich nur auf Artikel 100 a) EPÜ stützender Einspruch eingelegt mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung wies mit ihrer am 24. Juni 1999 zur Post gegebenen Entscheidung den Einspruch zurück.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 18. August 1999 unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 29. Oktober 1999 begründet.
III. Die Beschwerdeführerin hat sich u. a. auf folgende Druckschriften berufen:
D1: einen sechsseitigen Sonderdruck eines Artikels von K.DOBLER und J.FLATOW, "Berechnung der Wurfvorgänge beim Schleuderdüngerstreuer" aus "Grundlagen der Landtechnik", Bd. 18, Nr. 4 (1968), Seiten 129 bis 134;
D2: DE-A-2 908 949;
D5: einen "Maschinenprüfbericht" der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Nr. 686, Gruppe 4 a/3, mit dem Titel "Schleuderdüngerstreuer 'Rotast'", Dezember 1961, Seiten 1 bis 7;
D6: Streutabelle "ZA-M" der Firma Amazonen-Werke H. Dreyer GmbH & Co. KG (MH 126 - DS 485 (D)-1.95), Frontseite und Seiten 1 bis 109.
IV. Am 17. Mai 2001 ist mündlich verhandelt worden.
V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen vorgetragen, daß - ausgehend von einem Schleuderdüngerstreuer nach der Druckschrift D2 und im Hinblick auf die Druckschriften D1 und D5 - der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat diesen Ausführungen widersprochen.
VI. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Stand der Technik
2.1. Die Druckschrift D2 (siehe insbesondere die Figuren 12 und 13 im Zusammenhang mit den Figuren 1 bis 3) beschreibt einen Schleuderdüngerstreuer mit einem Vorratsbehälter 14 und zwei rotierend angetriebenen und Wurfschaufeln aufweisenden Schleuderscheiben 47, denen über einstellbare Dosierorgane 27 der sich im Vorratsbehälter 14 befindliche Dünger 26 in einstellbaren Mengen zugeführt wird. Die Wurfschaufeln 48. sind in Scheibenebene winkelverschwenkbar gegenüber der Radialen angeordnet und mittels Skalen 59 exakt einstellbar.
2.1.1. Die Druckschrift D2 enthält keine Angaben in bezug auf den Abstand zwischen dem Aufgabepunkt des Düngers und der Rotationsachse der Schleuderscheibe, auf den Durchmesser der Umlaufbahn der Abwurfkante der Wurfschaufel und auf die Drehzahl der Schleuderscheibe.
2.1.2. Es ist aufgrund der Angaben auf Seite 16 (letzter Absatz) davon auszugehen, daß die Wurfschaufeln so eingestellt werden können, daß jede Wurfschaufel einen unterschiedlichen Anstellwinkel ( , ', '') aufweist.
Bei diesem Schleuderdüngerstreuer sind die Endteile 51 der Wurfschaufeln 48 in der vertikalen Ebene winkelverstellbar, so daß der aufrechte Abwurfwinkel der Wurfschaufel verändert werden kann. Beim Einsatz des Schleuderstreuers zur Spätdüngung wird der Abwurfwinkel vergrößert, d. h. die Endteile der Wurfschaufel werden hochverschwenkt, so daß die Düngerpartikel frei über die aufgewachsenen Pflanzen fliegen können, die sich neben den bei der Feldbestellung hergestellten Fahrgassen befinden (siehe Figur 2). Durch diese Vergrößerung des Abwurfwinkels würde sich eine Erhöhung der effektiven Streubreite ergeben, wenn man keine Maßnahmen zur Verringerung der Wurfweite der Düngerpartikel vornähme. Bei dem Ausführungsbeispiel, auf das sich die Figuren 12 und 13 beziehen, besteht die Maßnahme zur Verringerung der Wurfweite der Düngerpartikel (und somit der Streubreite) im wesentlichen darin, daß der waagerechte Anstellwinkel jeder Wurfschaufel geändert wird.
Das Merkmal, nach dem die Wurfschaufeln in Scheibenebene winkelverschwenkbar gegenüber der Radialen angeordnet und mittels Skalen einstellbar sind, ist somit als Maßnahme zur Verringerung der Wurfweite der Düngerpartikel offenbart.
2.1.3. Darüber hinaus wird in der Beschreibung der Druckschrift D2 auch auf andere bekannte Maßnahmen zur Verringerung der Wurfweite bzw. der Streubreite hingewiesen, unter anderem auf die Verringerung der Antriebsgeschwindigkeit der Schleuderorgane, auf die Verringerung des Durchmessers der Umlaufbahn der Abstreukante und auf die Vergrößerung des Abstandes zwischen der Rotationsachse der Scheibe und dem Aufgabepunkt des Düngers (siehe Seite 7, letzter Absatz bis Seite 8, erster Absatz).
2.2. Die Druckschrift D1 gibt allgemeine Fachkenntnisse im Zusammenhang mit dem Wurfvorgang eines Schleuderdüngerstreuers wieder. Es geht z. B. aus dieser Druckschrift hervor, daß die Wurfweite von Düngerpartikeln u. a. von deren Abwurfgeschwindigkeit abhängig ist und daß die Abwurfgeschwindigkeit der Düngerpartikel u. a. von der Drehzahl der Schleuderscheibe, dem Durchmesser dieser Schleuderscheibe und dem Aufgaberadius (d. h. vom Abstand zwischen den Dosierorganen und der Rotationsachse der Schleuderscheibe) abhängig ist.
2.3. Die Druckschrift D5 betrifft einen 1961 veröffentlichten Prüfbericht des Düngerstreuers des Typs "Rotast" der Fa. "H. Niemeyer Söhne". Es geht aus dieser Druckschrift hervor, daß dieser Düngerstreuer eine Schleuderscheibe mit einem Durchmesser von 90 cm aufweist, mit der bei der Drehzahl von 540 U/min, bei richtiger Einstellung und bei gekörntem Dünger die Arbeitsbreite von 10 bis 13. m erreicht wird. Dem Bild 2 auf Seite 5, das sich auf die Verteilung von gekörnten Superphosphat bezieht, kann eine Arbeitsbreite von 14,75 m entnommen werden.
3. Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ. Die Neuheit wurde nicht bestritten.
4. Der nächstkommende Stand der Technik und die zu lösende Aufgabe
4.1. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich der nächstkommende Stand der Technik aus der Druckschrift D2. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
4.1.1. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß dem Schleuderdüngerstreuer, der im Zusammenhang mit den Figuren 12 und 13 der Druckschrift D2 beschrieben ist, nicht nur die im Oberbegriff des Anspruchs 1 des erteilten Patentes aufgeführten Merkmale zugeschrieben werden können, sondern auch das letzte kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1, nach welchem "die Wurfschaufeln in Scheibenebene winkelverschwenkbar gegenüber der Radialen angeordnet und mittels Skalen exakt einstellbar sind".
Es ist aber zu bemerken, daß dieses letzte kennzeichnende Merkmal - im Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 - eine einfache Anpassung der Wurfschaufel an die verschiedenen Düngersorten bezweckt (siehe die Beschreibung des Patentes, Spalte 2, Zeilen 11. bis 20).
4.2. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des angefochtenen Patentes unterscheidet sich vom Schleuderdüngerstreuer nach der Druckschrift D2 dadurch, daß
a) die Schleuderscheiben mit einer Drehzahl von 600 bis 1000 U/min rotierend angetrieben sind,
b) die auf den Schleuderscheiben angeordneten Wurfschaufeln mit ihren äußeren Enden Umlaufbahnen mit einem Durchmesser von größer als 80 cm beschreiben,
c) der Dünger aus dem Vorratsbehälter über die Dosierorgane in der Nähe der Rotationsachse der Schleuderscheiben aufgegeben wird, etwa maximal 5 bis 15. cm von der Rotationsachse entfernt.
4.2.1. Das Merkmal a) definiert einen Drehzahlbereich, dessen Werte oberhalb des üblichen Wertes von 540 U/min liegen. Durch dieses Merkmal wird daher die Abwurfgeschwindigkeit der Düngerpartikel und somit die Wurfweite erhöht.
Durch das Merkmal b) wird nicht nur die Abwurfgeschwindigkeit der Düngerpartikel und somit die Wurfweite erhöht, sondern auch eine schonende Beschleunigung der Düngerpartikel auf die Abwurfgeschwindigkeit erreicht, ohne daß ein Zerschlagen dieser Partikel stattfindet (siehe die Beschreibung des Patentes, Spalte 2, Zeilen 20 bis 27).
Das Merkmal c) macht es möglich, daß der Aufgabepunkt (d. h. der geometrische Schwerpunkt der Dosieröffnung) so nah wie möglich an der Rotationsachse der Schleuderscheibe angeordnet wird. Auch dadurch wird eine langsame und schonende Beschleunigung des Düngers erreicht, so daß die Gefahr der Zerschlagung der Düngerpartikel vermindert wird (siehe die Beschreibung des Patentes, Spalte 1, Zeile 58 bis Spalte 2, Zeile 11). Außerdem wird durch die Verlängerung des Beschleunigungsweges der Partikel auf der Schleuderscheibe die Abwurfgeschwindigkeit dieser Partikel und somit die Wurfweite erhöht.
4.3. Die in der Beschreibung angegebene Aufgabe besteht darin, "mit einfachsten Maßnahmen einen Schleuderdüngerstreuer zu schaffen, mit welchem Arbeitsbreiten von 36 m und mehr mit einer äußerst gleichmäßigen Düngerverteilung zu erzielen sind" (siehe Spalte 1, Zeilen 38 bis 42).
Während der mündliche Verhandlung waren die Beteiligten sich einig, daß die übliche Arbeitsbreite, die mit den vorbekannten Schleuderdüngerstreuern erreicht werden konnte, 24 m betrug.
4.3.1. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, daß die Merkmale a), b) und c) derart zusammenwirken, daß mit dem beanspruchten Schleuderdüngerstreuer Arbeitsbreiten von 36. und mehr mit gleichmäßiger Düngerverteilung in einfacher Weise erreicht werden. Dieses Ergebnis sei vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patentes in der Fachwelt für unerreichbar gehalten worden (siehe hierzu die Beschreibung des Patentes, Spalte 3, Zeilen 8 bis 12).
Durch das Zusammenwirken der Merkmale a) bis c) sei die in der Beschreibung angegebene Aufgabe gelöst.
4.3.2. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patentes Arbeitsbreiten von mehr als 24 m nicht möglich gewesen seien, weil die zu dieser Zeit vorhandenen Dünger schlechte Flugeigenschaften hatten. Die Flugeigenschaften (insbesondere hinsichtlich des Masse/Luftwiderstand Verhältnisses) einiger Düngersorten seien später verbessert worden, so daß größere Arbeitsbreiten möglich gemacht worden seien.
Die Beschwerdeführerin hat auch vorgetragen, daß selbst heute mit Schleuderdüngerstreuern des Typs ZA-M, die durch die Beschwerdegegnerin hergestellt werden und dem Gegenstand der Stammanmeldung entsprechen, es immer noch Dünger gebe, die sich mit einem die Merkmale a) bis c) aufweisenden Schleuderdüngerstreuer nicht auf 36 m ausbringen lassen.
In Zusammenhang mit der Druckschrift D6, die sich auf den Schleuderdüngerstreuer des Typs ZA-M bezieht, hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß mit den meisten Düngern, die in den Streutabellen auf Seiten 31 bis 37 aufgelistet sind, die Arbeitsbreite von 36 m entweder unerreichbar ist oder nur dank weiterer Maßnahmen erreicht werden kann, die nicht den Merkmalen a) bis c) entsprechen. Diesbezüglich hat sie vorgetragen, daß die in der Beschreibung des Patentes angegebene Aufgabe insofern nicht gelöst werde, als die Wurfweite vom Düngertyp abhänge und bei vielen Düngertypen die Arbeitsbreite von 36 m nicht erreichbar sei.
4.3.3. Aus den folgenden Gründen kann die Kammer diesen Argumenten der Beschwerdeführerin nicht folgen:
i) Das Vortragen der Beschwerdeführerin, nach welchem Arbeitsbreiten von mehr als 24 m nicht möglich gewesen seien, steht in Widerspruch mit der unwidersprochenen Angabe in der Beschreibung des angefochtene Patentes, daß mit Wurfwalzen (siehe Prospekt "Precilarge") Arbeitsbreiten von mehr 32 m erreicht werden.
ii) Die in der Beschreibung des Patentes angegebene Aufgabe besteht nicht darin, bei allen Düngertypen die Arbeitsbreite von 36 zu erreichen. Stattdessen muß die Aufgabe so verstanden werden, daß sie darin besteht, einen Schleuderscheibenstreuer zu entwickeln, der eine Arbeitsbreite von 36 m mit denjenigen Düngern erreicht, mit welchen die vorbekannten Schleuderscheibenstreuer nur Arbeitsbreiten von 24. m erreichen konnten.
Es ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß in der Patentschrift angegeben ist (siehe Spalte 1, Zeilen 12 bis 14), daß selbst bei vorbekannten Schleuderdüngerstreuern, nämlich bei einem Düngerstreuer nach der Druckschrift DE-C-2 835 011, "eine Arbeitsbreite von 24 m ... nicht mit allen Düngern ... möglich" ist.
4.3.4. Es ist daher für die Kammer glaubhaft, daß die in der Beschreibung des Patentes angegebene Aufgabe durch die Kombination der im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale für eine große Anzahl von Düngern gelöst wird.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Der Stand der Technik, der mit Schleuderscheiben versehene Düngerstreuer betrifft, enthält keinen Hinweis auf das zu erzielende Ergebnis (Arbeitsbreite von 36 m). Es ist aber glaubhaft, daß ein Landwirt den Wunsch gehabt hat, die Arbeitsbreite beim Düngen weit über 24 m zu vergrößern (siehe hierzu die Beschreibung des Patentes, Spalte 2, Zeile 52 bis Spalte 3, Zeile 8). Auf jeden Fall wäre dieser Wunsch ganz allgemein ausgedrückt worden und nicht unbedingt im Zusammenhang mit einem mit Schleuderscheiben versehenen Düngerstreuer.
Wie die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, waren Düngerstreuer mit einer Streubreite von 32 m vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patentes bereits bekannt. Diese Düngerstreuer waren aber nicht mit Schleuderscheiben, sondern mit Wurfwalzen ausgestattet (siehe hierzu die Beschreibung des Patentes, Spalte 1, Zeilen 20 bis 31). Daher hätte der Fachmann, der sich mit der Aufgabe befaßt, die Arbeitsbreite eines Düngerstreuers weit über 24. m zu vergrößern, nicht nur die Möglichkeit gehabt, einen mit Schleuderscheiben versehenen Düngerstreuer hinsichtlich der Wurfweite weiterzuentwickeln, sondern auch die Möglichkeit, einen Düngerstreuer mit Wurfwalzen aufzugreifen.
Mit anderen Worten, der Fachmann, der sich ausgehend vom einem Schleuderscheibenstreuer nach der Druckschrift D2 mit der Lösung der oben genannten Aufgabe befaßt, muß zuerst auf die Idee kommen, daß eine Arbeitsbreite von 36. m mit einem Schleuderdüngerstreuer überhaupt erreicht werden kann.
5.2. Die Druckschrift D2 befaßt sich mit einer spezifischen Aufgabe, die sich daraus ergibt, daß beim Einsatz des Schleuderdüngerstreuers zur Spätdüngung der Abwurfwinkel der Düngerpartikel vergrößert wird, so daß die Wurfweite dieser Partikel sich unerwünschterweise über das vorgegebene Maß vergrößert. Zur Lösung der Aufgabe, diese unerwünschte Vergrößerung rückgängig zu machen, wird in der Druckschrift D2 auf Maßnahmen zur Verringerung der Wurfweite bzw. der Streubreite hingewiesen, die sich auf Parameter beziehen, die sich auf die Wurfweite auswirken, wie z. B. die Scheibendrehzahl, der Durchmesser der Umlaufbahnen der Abstreukante der Wurfschaufel und der Abstand zwischen dem Aufgabepunkt des Düngers und den Abwurfkanten der Wurfschaufeln der Schleuderscheibe. Diesbezüglich wird u. a. vorgeschlagen, diese Parameter zu verkleinern bzw. zu verkürzen. Mit anderen Worten: Die Druckschrift D2 vermittelt die Lehre, daß die Wurfweite bzw. Streubreite - einerseits - einfach durch Vergrößerung des Abwurfwinkels der Düngerpartikel erhöht werden kann, und - andererseits - durch Verkleinerung bzw. Verkürzung der oben genannten Parameter verringert werden kann. Es ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß die Verkleinerung bzw. Verkürzung dieser Parameter keine technische Schwierigkeiten voraussetzt, weil einerseits - wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht wurde - es sich hier um kleine Änderungen handelt und andererseits es sich um bereits erreichte Größen handelt. Die Information, daß zu jeder gewollten Vergrößerung der Streubreite die oben genannten Parameter zu vergrößern sind, entnimmt der Fachmann der Druckschrift D2 somit nicht ausdrücklich. Demgegenüber liegt dem angefochtenen Patent eine Aufgabe zugrunde, die sich auf eine deutliche (von 24 auf 36 m) Vergrößerung der Streubreite bezieht. Zur Lösung dieser Aufgabe werden einfache Maßnahmen vorgeschlagen, die darin bestehen, die oben genannten Parameter zu vergrößern, was das Überwinden von technischen Schwierigkeiten voraussetzt, die z. B. aufgrund der erhöhten Zentrifugalkraft im äußeren Randbereich der Wurfschaufeln entstehen. Mit anderen Worten: Der Fachmann, der ausgehend von einem Schleuderdüngerstreuer nach der Druckschrift D2 zum beanspruchten Gegenstand kommen will, muß gegen die Lehre dieser Druckschrift handeln und mit technischen Schwierigkeiten rechnen, auf welche diese Druckschrift nicht hinweisen kann.
Darüber hinaus ist zu bemerken, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patentes einen Schleuderdüngerstreuer betrifft, bei dem für alle drei oben genannten Parameter dimensionelle Bereiche festgelegt werden. Demgegenüber beziehen sich die Ausführungsbeispiele, die in der Druckschrift D2 im Zusammenhang mit den Zeichnungen und in den Ansprüchen 2 bis 5 beschrieben sind, im wesentlichen auf eine einzige Maßnahme, die darin besteht, den waagerechten Anstellwinkel der Wurfschaufeln zu ändern, obwohl in der Beschreibungseinleitung und im Patentanspruch 1 der Druckschrift D2 allgemein auf Maßnahmen zur Verringerung der Wurfweite hinwiesen wird, die sich auf die oben genannten Parameter beziehen. Mit anderen Worten, der Fachmann kann der Druckschrift D2 nicht die Lehre entnehmen, die Wurfweite durch die Kombination dieser drei Parameter zu vergrößern, geschweige denn durch die Kombination spezifischer Bereiche.
Es ist außerdem zu bemerken, daß der Fachmann, der ausgehend von einem Schleuderdüngerstreuer nach der Druckschrift D2 zum beanspruchten Gegenstand kommen will, dieser Druckschrift im Umkehrschluß entnehmen muß, wie durch die Parameter zur Verringerung der Wurfweite eine Vergrößerung der Arbeitsbreite erreicht werden kann. Diesbezüglich möchte die Kammer darauf hinweisen, daß die Auslegung einer Druckschrift mittels Umkehrschlusses normalerweise die Folge einer rückschauenden Betrachtungsweise darstellt.
Daher kann der Fachmann der Druckschrift D2 keine Anregungen entnehmen, die ihn zum beanspruchten Gegenstand führen könnte.
5.3. In der Druckschrift D1 werden Scheibendrehzahl, Scheibengröße und Aufgabeort des Streugutes als Einflußfaktoren bezeichnet, die sich auf die Wurfweite auswirken. Die Beschwerdeführerin hat u. a. vorgetragen, daß den Diagrammen dieser Druckschrift, insbesondere den Bildern 8 und 9 auf Seite 3, Werte für den Scheibenradius (bis 0,5 m), für den Aufgabepunkt des Düngers (0,05 m und 0,10 m) und der Drehzahl der Schleuderscheibe (750 U/min und 1000 U/min) entnommen werden könnten, die innerhalb der Bereiche liegen, die durch die Merkmale a), b) und c) definiert sind. Diese Diagramme gäben konkrete Untersuchungsergebnisse für die Größenbereiche des Anspruchs 1 wieder.
5.3.1. Aus den nachstehenden Gründen kann die Kammer diesem Argument nicht folgen:
i) Die Druckschrift D1 befaßt sich mit einer theoretischen Analyse der Wurfvorgänge bei einem Schleuderdüngerstreuer und stellt mathematische Berechnungsmodelle vor, nach welchen die Abwurfgeschwindigkeit von Düngerpartikeln berechnet werden kann. Daher geben die Diagramme in der Druckschrift D1 keine konkreten Daten wieder, da sie sich nicht aus einer experimentellen Untersuchung, sondern aus einem Berechnungsmodell ergeben.
ii) Darüber hinaus enthält die Druckschrift D1 keinen Hinweis darauf, daß die Arbeitsbreite eines Schleuderdüngerstreuers von 24 m auf 36 m erhöht werden kann. Dem Bild 14 der Druckschrift D1 können nur numerische Werte für die Wurfweite eines Partikels entnommen werden, wobei der höchste Wert, der dem minimalen Luftwiderstand (K = 0,050; siehe Kurve 6 im Diagramm für vA = 40. m/s) entspricht, knapp über 14 m liegt und somit nicht zu der Arbeitsbreite von 36 m führen kann.
5.3.2. Daher würde der Fachmann, der versucht, die Arbeitsbreite des Düngerstreuers nach der Druckschrift D2 auf 36 m zu erhöhen, nicht auf die Druckschrift D1 zurückgreifen.
5.4. Im Hinblick auf die Druckschrift D5 hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgetragen, daß diese Druckschrift sich auf einen Düngerstreuer mit einer einzigen Schleuderscheibe beziehe, mit dem schon aufgrund des Durchmessers der Schleuderscheibe (90 cm) eine beachtliche Arbeitsbreite erreicht werden könne.
Die Kammer hält dieses Argument für nicht relevant, weil die Druckschrift D5 sich auf einen Schleuderdüngerstreuer bezieht, mit dem nicht einmal die übliche Arbeitsbreite von 24 m erreicht werden kann. Der Fachmann - der die Arbeitbreite eines Schleuderdüngerstreuers von 24 m auf 36 m bringen will, würde daher diese Druckschrift nicht heranziehen.
5.5. Die Beschwerdeführerin hat auch vorgetragen, daß die unterschiedlichen an sich bekannten Parameter zur Lösung der Aufgabe einfach unabhängig voneinander optimiert werden können. Diesem Argument kann die Kammer nicht folgen, weil es dazu führen würde, daß jede Streubreite erreichbar wäre. Diese theoretische Überlegung wird aber durch den Stand der Technik nicht belegt. Tatsache ist, daß - obwohl das Bedürfnis vorhanden war - eine Streubreite von mehr als 24 m mit einem Schleuderdüngerstreuer nicht erreicht wurde. Von Versuchen in diese Richtung liegen der Kammer keine konkrete Beweise vor.
5.6. Angesichts der obigen Ausführungen ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).
Die Ansprüche 2 bis 11 stellen besondere Ausführungsarten des im Anspruch 1 definierten Schleuderstreuers dar.
6. Daher hat das erteilte Patent Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.