T 0820/99 (Urethane/BAYER) of 19.5.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T082099.20030519
Datum der Entscheidung: 19 Mai 2003
Aktenzeichen: T 0820/99
Anmeldenummer: 92114287.3
IPC-Klasse: C08G 18/65
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von flammgeschützten Urethangruppen aufweisenden Hartschaumstoffen
Name des Anmelders: BAYER AG
Name des Einsprechenden: Huntsman International LLC
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Änderung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0157/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Feststellung der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, daß das europäische Patent Nr. 0 535 358 im geänderten Umfang gemäß dem der Entscheidung zugrunde liegenden dritten Hilfsantrag den Erfordernissen des Übereinskommens genüge.

Dieser der Entscheidung zugrunde liegende dritte Hilfsantrag bestand aus sechs Ansprüchen. Der einzige unabhängige Anspruch lautete:

"1. Verfahren zur Herstellung von flammgeschützten harten Urethangruppen aufweisenden Schaumstoffen mit einer Dichte zwischen 30 bis 50 kg/m3 durch Umsetzung von

1) Polyisocyanaten mit

2) mindestens zwei gegenüber Isocyanaten aktive Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen vom Molekulargewicht 400 bis 10 000 in Gegenwart von

3) Wasser und C1-C6-Kohlenwasserstoffe als organische Treibmitteln und von

4) Flammschutzmitteln sowie von

5) Verbindungen mit mindestens zwei gegenüber Isocyanaten reaktionsfähigen Wasserstoffatomen und einem Molekulargewicht von 32 bis 399 als Vernetzer und gegebenenfalls in Gegenwart von

6) an sich bekannten Hilfs- und Zusatzstoffen,

dadurch gekennzeichnet, daß die Komponente 2) mindestens einen Phthalsäureeinheiten enthaltenden Polyester enthält und einen Aromatenanteil von 5 bis 80 Gew.-% aufweist und daß man sie, das Flammschutzmittel 4) und die Vernetzerkomponente 5) als Formulierung einsetzt, in der

die Komponente 2) zu 45 bis 75 Gew.-Teilen,

die Komponente 4) in einer Menge von 20 bis 50 Gew.-Teilen und

die Komponente 5) in einer Menge von 5 bis 15 Gew.-Teilen

enthalten ist, wobei sich die Gew.-Teile dieser Komponenten zu 100 ergänzen." (Hervorhebung durch die Kammer)

Insbesondere war die Einspruchsabteilung der Meinung, das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ sei erfüllt, da die zusätzliche Spezifizierung, daß die Komponente 2) mindestens einen Phthalsäureeinheiten enthaltenden Polyester enthält, im Hinblick auf die in den Beispielen genannten Polyester auf Phthalsäurebasis durch die ursprünglichen Unterlagen gestützt sei.

II. Mit Schreiben vom 4. April 2003 hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) einen Satz von sechs Ansprüchen eingereicht. Der Wortlaut dieses Anspruchssatzes unterschied sich vom Wortlaut des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden dritten Hilfsantrages dadurch, daß der hervorgehobene Text in Anspruch 1 durch den Wortlaut "mindestens einen Polyester enthält, der erhältlich ist durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglycol, und" ersetzt ist.

III. Am 19. Mai 2003 hat vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat geltend gemacht, weder der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende dritte Hilfsantrag noch der mit Schreiben vom 4. April 2003 eingereichte Anspruchssatz erfülle das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ. Einerseits offenbare die allgemeine Beschreibung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung weder die Verwendung von Phthalsäureeinheiten enthaltenden Polyestern noch die Verwendung von Polyestern, die durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglycol erhältlich sind, als Komponente 2). Andererseits stelle die Definition der anspruchsgemäßen Komponenten 2) eine unzulässige Verallgemeinerung der in den erfindungsgemäßen beschriebenen Beispielen dar.

V. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, in der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung seien aromatische Polyester als bevorzugte Verbindungsklasse der Komponenten 2) genannt und in allen erfindungsgemäßen Ausführungsbeispielen seien als Polyolkomponente Phthalsäureeinheiten enthaltende Polyester eingesetzt worden. Damit offenbare die Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung dem Fachmann Verbindungen als Komponente 2), die sich aus mindestens einen Phthalsäureeinheiten enthaltenden Polyester zusammensetzen.

Weiterhin hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, die Präzisierung in Anspruch 1 des mit Schreiben vom 4. April 2003 eingereichten Anspruchssatzes, daß die Komponente 2) mindestens einen Polyester enthält, der durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglykol erhältlich ist, ergebe sich aus den erfindungsgemäßen Beispielen der ursprünglich eingereichten Unterlagen.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 535 358.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder, als Hilfsantrag, das Patent auf der Basis der mit Schreiben vom 4. April 2003 eingereichten Ansprüche 1 bis 6 aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 (2) EPÜ

2.1. Bei der Prüfung, ob Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden dritten Hilfsantrags (jetzt vorliegenden Hauptantrag) in der Weise geändert wurde, daß dessen Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, ist die Frage wesentlich, ob die nunmehr beanspruchte Einschränkung der Polyester in den Verbindungen der Komponente 2) als verallgemeinernde technische Lehre unmittelbar und eindeutig der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen ist, nämlich die Einschränkung auf Phthalsäureeinheiten enthaltenden Polyester vom Molekulargewicht 400 bis 10 000 die mindestens zwei gegenüber Isocyanaten aktive Wasserstoffatome aufweisen und einen Aromatenanteil von 5 bis 80 Gew.-% aufweisen.

Dieselbe Frage stellt sich für die weitere Einschränkung der Komponente 2) im Anspruch 1 des jetzt vorliegenden Hilfsantrags auf Polyester, die durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglykol erhältlich sind.

2.2. Eine allgemeine Beschreibung der Komponente 2) ist lediglich dem Absatz auf der Seite 5, Zeile 16 bis Seite 6, Zeile 6 der ursprünglich eingereichten Anmeldung zu entnehmen. In diesem Absatz werden zwar Polyester als eine der bevorzugten Verbindungsklassen der Komponente 2) genannt, nirgendwo aus diesem Absatz geht jedoch hervor, daß solche Polyester Phthalsäureeinheiten enthalten müssen, geschweige denn, daß sie durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglykol erhältlich sein müssen.

Als geeignete Verbindungen wird weiterhin in diesem Absatz auf Hydroxylgruppen aufweisende Verbindungen verwiesen "wie sie für die Herstellung von homogenen und von zellförmigen Polyurethanen an sich bekannt sind und wie sie z. B. in der DE-OS 28 32 253, Seiten 11 bis 18, beschrieben werden." In diesem Abschnitt der Offenlegungsschrift werden Polyester neben Polyäther, Polythioäther, Polyacetale, Polycarbonate und Polyesteramide als geeignete Verbindungen mit mindestens zwei gegenüber Isocyanaten reaktionsfähigen Wasserstoffatomen beschrieben und als in Frage kommende Hydroxylgruppen aufweisende Polyester werden solche aus Carbonsäuren aliphatischer, cycloaliphatischer, aromatischer und/oder heterocyclischer Natur beschrieben. Als Beispiele solcher Carbonsäuren werden zwar Phthalsäure und deren Derivate erwähnt, daneben werden jedoch auch Carbonsäuren anderer Natur, wie Bernsteinsäure und Maleinsäure, beschrieben. Dem Absatz auf der Seite 5, Zeile 16 bis Seite 6, Zeile 6 der ursprünglich eingereichten Anmeldung in Zusammenhang mit der Lehre der darin verwiesenen Offenlegunsschrift ist somit nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, daß als Komponente 2) verwendete Polyester Phthalsäureeinheiten enthalten müssen oder daß sie durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglykol erhältlich sein müssen.

2.3. Die Kammer kann zwar der Beschwerdegegnerin insofern zustimmen, daß in den erfindungsgemäßen Beispielen Verfahren beschrieben werden, in denen ein Polyester hergestellt durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglykol eingesetzt wird. Diesen Beispielen kann jedoch lediglich entnommen werden, daß die spezifisch darin beschriebenen Polyester als Komponente 2) für das beanspruchte Verfahren geeignet sind. Nirgendwo kann aus den Beispielen jedoch ein Hinweis entnommen werden, daß alle Polyester, die ein Molekulargewicht von 400 bis 10. 000 aufweisen und durch Propoxylierung eines Umsetzungsproduktes von Phthalsäure, Sorbit und Diethylenglykol erhältlich sind, geschweige denn, daß alle Polyester, die ein Molekulargewicht von 400 bis 10 000 aufweisen und Phthalsäureeinheiten enthalten in dieser spezifischen Merkmalskombination für das beanspruchte Verfahren geeignet sind.

2.4. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine Verallgemeinerung eines in einem Ausführungsbeispiel beschriebenen Merkmals nicht zulässig, wenn ein Fachmann der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung die Verallgemeinerung der beanspruchten Kombination der Merkmale nicht entnehmen kann (siehe T 157/90). Da im vorliegenden Fall eine solche Offenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht zu entnehmen ist (siehe Punkt 2.2 oben), verstößt die vorgenommene Verallgemeinerung der in den erfindungsgemäßen Beispielen beschriebenen Komponenten 2) auf alle in Punkt 2.3 genannte Polyester gegen das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.

2.5. Da eine wie in Punkt 2.1 oben definierte Komponente 2) somit weder aus der allgemeinen Beschreibung noch aus den Beispielen der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, wurde durch die Änderung im Anspruch 1 gemäß dem vorliegenden Haupt- und Hilfsantrag die Patentanmeldung in der Weise geändert, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, womit ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliegt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen

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