T 0801/99 () of 30.4.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T080199.20020430
Datum der Entscheidung: 30 April 2002
Aktenzeichen: T 0801/99
Anmeldenummer: 92918773.0
IPC-Klasse: H05K 7/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elektrisches Gerät, insbesondere Schalt- und Steuergerät für Kraftfahrzeuge
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: I Leopold Kostal GmbH & Co. KG
II ebm Werke GmbH & Co.
III Mannesmann VDO AG
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 111
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Ursprüngliche Offenbarung (nach Änderung) - ja
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 558 712 (Anmeldenummer 92. 918 773.0, internationale Veröffentlichungsnummer WO93/06705) wurde von der Einspruchsabteilung widerrufen, da der Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 1999 eingereichten Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausging (Artikel 123 (2) EPÜ). Die Einspruchsabteilung war insbesondere der Meinung, daß das neu als den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 formulierte Merkmal "daß die wärmeleitende Schicht an den Randbereichen der Leiterplatte angeordnet ist" nur im Zusammenhang mit folgenden weiteren Merkmalen offenbart ist (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 25):

- die wärmeleitende Schicht ist als durchgehende Fläche an den drei freien Stirnseiten der Leiterplatte gebildet;

- das Kühlelement ist das Gehäuse des Steuergeräts.

II. Gegen diese Entscheidung ist vom Patentinhaber (Beschwerdeführer) Beschwerde eingelegt und beantragt worden, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 30. April 2002 eingereichten Anspruchs 1 an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Dieser Anspruch lautet:

"Elektrisches Gerät, insbesondere Schalt- oder Steuergerät für Kraftfahrzeuge, mit einer eine elektronische Schaltung tragenden Leiterplatte (10), auf der Leiterbahnen zur elektrischen Kontaktierung und mindestens ein zu kühlendes Leistungsbauelement (11) angeordnet sind, wobei auf die Leiterplatte (10) zumindest im Bereich des Leistungsbauelements (11) eine wärmeleitende Schicht (13, 21) aufgebracht ist, auf der das Leistungsbauelement (11) aufliegt und wobei die wärmeleitende Schicht (13, 21) eine Leiterbahn ist, die die Wärme von dem Leistungsbauelement (11) direkt zu einem Kühlelement (18) ableitet, wobei die Schichtdicke der Leiterbahnen in den der Wärmeleitung dienenden Bereichen eine größere Dicke aufweist als in den der elektrischen Kontaktierung dienenden Bereichen, dadurch gekennzeichnet, daß die wärmeleitende Schicht (13) bis an den Rand (14) der Leiterplatte (10) reicht und daß das Kühlelement (18) am Rand (14) der Leiterplatte (10) auf der wärmeleitenden Schicht (13) aufliegt."

Der Beschwerdeführer hat argumentiert, daß der Gegenstand dieses Anspruchs im Zusammenhang mit dem anhand der Figuren 1 und 2 beschriebenen ersten Ausführungsbeispiel ursprünglich offenbart sei. Das anhand der Figuren 3 bis 5 beschriebene zweite Ausführungsbeispiel werde von diesem Anspruch nicht mehr umfaßt.

III. Der Beschwerdegegner I (Einsprechender I) hat gegenüber dem gültigen Anspruch 1 keine Bedenken mehr vorgetragen und seinen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde nicht wiederholt.

IV. Der Beschwerdegegner II (Einsprechender II) hat auch gegenüber dem gültigen Anspruch 1 die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Seine Argumente können wie folgt zusammengefaßt werden:

Leiterbahnen dienen der elektrischen Leitung. Diese Funktion wird mit den in den Figuren 1 und 2 gezeigten wärmeleitenden Schichten 13 nicht bewirkt. Die elektrischen Anschlüsse 16 des Leistungsbauelements 11 dagegen sind an nicht gezeigte Leiterbahnen angeschlossen, die jedoch nicht der Wärmeleitung dienen. Diese Widersprüche werden durch den Wortlaut des gültigen Anspruchs nicht beseitigt.

Das im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebene Merkmal ist insofern unvollständig, als das Aufliegen des Kühlelements am Rand der Leiterplatte auf der wärmeleitenden Schicht nur für einen haubenartigen Deckel, dessen umlaufender Rand auf der wärmeleitenden Schicht aufliegt, ursprünglich offenbart ist. Insofern ist Artikel 123 (2) EPÜ weiterhin verletzt.

V. Der Beschwerdegegner III (Einsprechender III) hat seinen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde gegenüber dem gültigen Anspruch 1 aufrechterhalten (er hat sich der Argumentation des Beschwerdegegners II angeschlossen).

VI. Eine mündliche Verhandlung hat in Anwesenheit aller Parteien stattgefunden. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

Die Beschwerde entspricht den in Regel 65 (1) EPÜ genannten Erfordernissen und ist daher zulässig.

2. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

2.1. Hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung wird im folgenden prinzipiell auf die ursprünglichen Unterlagen, wie sie in WO93/06705 veröffentlicht sind, Bezug genommen. Aus Gründen der einfacheren Zitierung wird hinsichtlich der anhand der Figuren 1 bis 5 beschriebenen Ausführungsbeispiele auf die Patentschrift verwiesen, die diese Beschreibungsteile in unveränderter Form enthält.

2.2. Der Anspruch 1 in einer nach Merkmalen gegliederten Fassung lautet:

a) Elektrisches Gerät, insbesondere Schalt- oder Steuergerät für Kraftfahrzeuge, mit einer eine elektronische Schaltung tragenden Leiterplatte (10),

b) auf der Leiterbahnen zur elektrischen Kontaktierung und mindestens ein zu kühlendes Leistungsbauelement (11) angeordnet sind, wobei

c) auf die Leiterplatte (10) zumindest im Bereich des Leistungsbauelements (11) eine wärmeleitende Schicht (13, 21) aufgebracht ist, auf der das Leistungsbauelement (11) aufliegt und wobei

d) die wärmeleitende Schicht (13, 21) eine Leiterbahn ist,

e) die die Wärme von dem Leistungsbauelement (11) direkt zu einem Kühlelement (18) ableitet,

f) wobei die Schichtdicke der Leiterbahnen in den der Wärmeleitung dienenden Bereichen eine größere Dicke aufweist als in den der elektrischen Kontaktierung dienenden Bereichen,

dadurch gekennzeichnet, daß

g) die wärmeleitende Schicht (13) bis an den Rand (14) der Leiterplatte (10) reicht und daß

h) das Kühlelement (18) am Rand (14) der Leiterplatte (10) auf der wärmeleitenden Schicht (13) aufliegt.

2.3. Die einzelnen Merkmale lassen sich wie folgt aus den ursprünglichen Unterlagen herleiten:

Merkmal a):

Dieses Merkmal findet sich wörtlich in dem ursprünglichen Anspruch 1 und in dem erteilten Anspruch 1, siehe WO93/06705 bzw. Patentschrift, Spalte 6, Zeile 55 bis Spalte 7, Zeile 7.

Merkmal b):

Leiterbahnen zur elektrischen Kontaktierung sind implizit dadurch offenbart, daß die Leiterplatte gemäß Merkmal a) eine elektronische Schaltung trägt. Da gemäß der Beschreibung, siehe Spalte 2, Zeilen 39 bis 42, das zu kühlende Leistungsbauelement Bestandteil der elektronischen Schaltung ist, wird auch dieses von der Leiterplatte getragen und ist somit auf ihr angeordnet, wie auch aus dem folgenden Merkmal c) hervorgeht, wonach das Leistungsbauelement auf der wärmeleitenden Schicht aufliegt.

Merkmal c):

Dieses Merkmal ist wörtlich im ursprünglichen und im erteilten Anspruch 1 angegeben.

Merkmal d):

Bei diesem Merkmal handelt es sich um den Inhalt des ursprünglichen Anspruchs 4 bzw. des erteilten Anspruchs 3. Die Ausbildung der wärmeleitenden Schicht als Leiterbahn ist in der Beschreibung, siehe Spalte 2, Zeilen 46 bis 51, im Einklang mit den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 6 ausdrücklich als Alternative zu einer Ausbildung als Metallkaschierung, Abschirmfläche bzw. Laminat dargestellt. Das sich auf eine Kupferkaschierung bzw. Kupferauflage beziehende Ausführungsbeispiel der Figuren 3 bis 5, siehe Spalte 5, Zeilen 24 bis 30, fällt somit nicht mehr unter den Anspruch 1.

Merkmal e):

Nachdem die wärmeleitende Schicht nunmehr eine Leiterbahn ist, wird durch diese die Wärme abgeleitet, wie es allgemein für die wärmeleitende Schicht in dem ursprünglichen und dem erteilten Anspruch 1 angegeben ist. Daß die Wärmeableitung direkt zu einem Kühlelement erfolgt, wie es im erteilten, nicht aber im ursprünglichen Anspruch 1 angegeben ist, ist eine Klarstellung, die sich ohne Weiteres aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungsform gemäß den Figuren 1 und 2 ergibt.

Merkmal f):

Die sich auf die relative Schichtdicke beziehende Angabe ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 12 bzw. dem erteilten Anspruch 4. Der elektrischen Kontaktierung dienende Bereiche (Verdrahtungsbereich) und der Wärmeleitung dienende Bereiche sind in Zusammenhang mit Angaben zur relativen Schichtdicke der Beschreibung, Spalte 4, Zeilen 13 bis 27, zu entnehmen.

Merkmal g):

Der Wortlaut für dieses Merkmal findet sich in der Beschreibung des in den Figuren 1 und 2 gezeigten ersten Ausführungsbeispiels, nämlich in Spalte 2, Zeilen 43 bis 45. Dabei ist es insbesondere aus der Figur 1 i. V. m. Spalte 3, Zeilen 29 bis 35, ersichtlich, daß eine Beschränkung der wärmeleitenden Schicht auf die Oberseite der Leiterplatte nicht erforderlich ist.

Merkmal h):

In Spalte 3, Zeilen 7 bis 10, ist im Zusammenhang mit den Figuren 1 und 2 angegeben, daß der umlaufende Rand eines haubenartigen Deckels am Rand der Leiterplatte auf derselben und damit auf der wärmeleitenden Schicht aufliegt. Gemäß Spalte 3, Zeilen 14 bis 17, dient der Deckel als Kühlfläche und gemäß Spalte 3, Zeilen 52 bis 56, kann es sich statt des Deckels auch um ein frei zugängliches Kühlelement (z. B. einen Kühlwinkel) handeln. Dies rechtfertigt die ursprüngliche Offenbarung für ein Kühlelement, das am Rand der Leiterplatte auf der wärmeleitenden Schicht aufliegt.

3. Argumente der Beschwerdegegner

3.1. Gemäß einem Argument des Beschwerdegegners II dienen Leiterbahnen der elektrischen Leitung. Diese Funktion werde mit den in den Figuren 1 und 2 gezeigten wärmeleitenden Schichten 13 nicht bewirkt. Die elektrischen Anschlüsse 16 des Leistungsbauelements 11 dagegen seien an nicht gezeigte Leiterbahnen angeschlossen, die jedoch nicht der Wärmeleitung dienten. Dies führe zu Widersprüchen.

3.2. Die Beschwerdekammer ist jedoch der Auffassung, daß unter dem Ausdruck "Leiterbahn" bei einer Leiterplatte Bereiche von Schichten verstanden werden, die geeignet sind, einen elektrischen Strom zu leiten. Das bedeutet nicht, daß sie in jedem Fall auch für diesen Zweck verwendet werden. Insofern ist die Unterscheidung in Bereiche von Leiterbahnen korrekt, die der elektrischen Kontaktierung dienen, und in solche, die der Wärmeleitung dienen, wobei sich diese durch die Schichtdicke unterscheiden, wie es gemäß den obigen Ausführungen ursprünglich offenbart ist.

3.3. Der Beschwerdegegner II hat weiter eingewandt, daß das im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebene Merkmal insofern unvollständig sei, als das Aufliegen des Kühlelements am Rand der Leiterplatte auf der wärmeleitenden Schicht nur für einen haubenartigen Deckel ursprünglich offenbart sei, dessen umlaufender Rand auf der wärmeleitenden Schicht aufliegt.

3.4. Die Kammer ist jedoch der Meinung, daß die Verallgemeinerung sich durch den Hinweis ergibt, der auf die Beschreibung des speziellen Ausführungsbeispiels folgt, wonach die Kühlfläche ein Deckel oder ein frei zugängliches Kühlelement sein kann, d. h. ein (allgemeines) Kühlelement, siehe Spalte 3, Zeilen 52 bis 56.

4. Auch unter der Berücksichtigung der wesentlichen Argumente der Beschwerdeführer ergibt sich daher, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und daher im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ ist.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist, wie oben gezeigt wurde, durch vorgenommene Einschränkungen aus dem Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung hervorgegangen. Damit ist auch die Bestimmung des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt.

6. Da die Einspruchsabteilung das Patent wegen Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ widerrufen hat und zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Streitgegenstands noch nicht Stellung genommenen hat, wird die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Untersuchung dieser von den Einsprechenden genannten Einspruchsgründe zurückverwiesen. Grundlage für diese weitere Untersuchung ist der in der mündlichen Verhandlung am 30. April 2002 eingereichte Anspruch 1. An diesen Anspruch wären die abhängigen Ansprüche noch anzupassen. Dabei wäre insbesondere zu beachten, daß das anhand der Figuren 3 bis 5 beschriebene Ausführungsbeispiel nicht mehr unter den Anspruch 1 fällt, siehe Punkt 2.2 oben, "Merkmal d)". Das wäre auch bei der ebenfalls anzupassenden Beschreibung zu berücksichtigen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1.

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