European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T078199.20020507 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Mai 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0781/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93107395.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B66C 23/70 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Teleskopausleger für Fahrzeugkrane o. dgl. | ||||||||
Name des Anmelders: | LIEBHERR-WERK EHINGEN GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Deutsche GROVE GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegtes Techniklexikon (berücksichtigt) Neuheit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II (nein) Erweiterung durch Änderung - Hilfsanträge I und III (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 583 552 (Anmeldenummer 93 107 395.1).
Patentanspruch 1 lautet:
"Teleskopausleger für Krane, vorzugsweise Fahrzeugkrane, bestehend aus einem auf dem Fahrzeug bzw. dessen Oberwagen schwenkbar lagerbaren, äußeren Anlenkstück (1), in dem mehrere teleskopartig zusammenschiebbare und ausfahrbare Teleskopschüsse gehaltert sind, wobei jeder Schuß mit Lagerungen (26) für den in diesem geführten Schuß versehen und mit diesem Schuß verriegelbar ist und wobei eine hydraulische Druckmittelkolbenzylindereinheit (5, 18) zum Aus- und Einfahren der einzelnen Schüsse vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Anlenkstück (1) und die Schüsse (Tele I, Tele II, Tele III, Tele V) aus Schalen bildenden Profilen bestehen, von denen jedes in der horizontalen, auf das Fahrzeug geschwenkten Lage einen unteren angenähert runden und einen oberen halbkastenförmigen Teil aufweist, deren gegeneinandergerichtete Schenkel miteinander verschweißt sind, und daß jede Schale mit angenähert rundem Profil aus relativ zueinander abgekanteten Streifen besteht, von denen aufeinanderfolgende jeweils stumpfe Winkel miteinander einschließen."
II. Die Beschwerdegegnerin legte gegen das erteilte Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.
Sie berief sich im Einspruchsverfahren u. a. auf
D3: DE-U-9 113 981
D7: Querschnittszeichnung des Auslegers des Liebherr-Krans LTM 1160/1
D11: Taschenbuch der Mathematik, Bronstein 1964, Seiten 143, 144, 176, 177.
Der Liebherr-Kran LTM 1160/1 und die Zeichnung D7 wurden von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) ausdrücklich als Stand der Technik anerkannt.
III. Mit am 15. Juli 1999 zur Post gegebener Entscheidung wurde das europäische Patent widerrufen, und zwar mangels Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem Liebherr-Kran LTM 1160/1 (Zeichnung D7) bzw. mangels erfinderischer Tätigkeit beim Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag gegenüber D3 und D7.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 4. August 1999 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde am gleichen Tag eingereicht.
V. Es wurde am 7. Mai 2002 vor der Kammer mündlich verhandelt.
Zu Beginn der Verhandlung wurde seitens der Beschwerdegegnerin das
rororo Techniklexikon "Fertigungstechnik und Arbeitsmaschinen", Juli 1972, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Seiten 76 bis 79 (D12)
überreicht.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den erteilten Unterlagen (Hauptantrag), hilfsweise mit den Unterlagen zu den Hilfsanträgen I bis III vom 20. März 2002.
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I wird der erteilte Patentanspruch 1 (Hauptantrag) durch das Merkmal ergänzt, daß "die geraden Schenkel des angenähert runden Profilteils und die geraden Schenkel des oberen Profilteils, die miteinander verschweißt sind, in einer Ebene liegen".
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II wird der erteilte Patentanspruch 1 (Hauptantrag) durch das Merkmal ergänzt, daß jede Schale "angenähert die Form einer halben Ellipse mit durch den kleinen Radius gebildetem Scheitel besitzt".
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III lautet:
"Teleskopausleger für Krane, vorzugsweise Fahrzeugkrane, bestehend aus einem auf dem Fahrzeug bzw. dessen Oberwagen schwenkbar gelagerten, äußeren Anlenkstück (1), in dem mehrere teleskopartig zusammenschiebbare und ausfahrbare Teleskopschüsse gehaltert sind, wobei jeder Schuß mit Lagerungen (26) für den in diesem geführten Schuß versehen und mit diesem Schuß verriegelbar ist, wobei eine hydraulische Druckmittelkolbenzylindereinheit (5, 18) zum Aus- und Einfahren der einzelnen Schüsse vorgesehen ist und wobei das Anlenkstück (1) und die Schüsse (Tele I, Tele II, Tele III, Tele IV) aus Schalen bildenden Profilen bestehen, von denen jedes in der horizontalen, auf das Fahrzeug geschwenkten Lage einen unteren angenähert runden und einen oberen halbkastenförmigen Teil aufweist, deren gegeneinander gerichteten Schenkel miteinander verschweißt sind, dadurch gekennzeichnet, daß jede Schale mit angenähert rundem Profil aus relativ zueinander abgekanteten Streifen besteht, von denen aufeinanderfolgende jeweils stumpfe Winkel miteinander einschließen, daß die unteren Profilteile jeder Schale jeweils angenähert die Form einer halben Ellipse mit durch den kleinen Radius gebildetem Scheitel besitzen, daß die Breite (B6, B5, B4) der Streifen eines jeden angenähert runden Profilteils zu dessen Scheitel hin zunimmt und daß die Winkel (W3, W2, W1) zwischen den abgekanteten Streifen eines jeden angenähert runden Profilteils zu dessen Scheitel hin kleiner werden."
VI. Zur Stützung ihrer Anträge brachte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) im wesentlichen folgendes vor:
i) Neuheit - Hauptantrag:
Das Profil des Auslegers gemäß der Zeichnung D7 schaffe schon deshalb keinen neuheitsschädlichen Stand der Technik, weil sich der untere Profilteil des Auslegeranlenkschusses, der durch vier Abkantungen gebildet sei, und mindestens die unteren Profilteile der austeleskopierbaren Schüsse, die flache durch zwei Abkantungen gebildete trapezförmige Profile aufwiesen, nicht als "angenähert rund" im Sinne des Streitpatents bezeichnen ließen.
Des weiteren enthalte der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 1 das Merkmal, daß die Schenkel des unteren angenähert runden Profilteils und die Schenkel des oberen halbkastenförmigen Profilteils gegeneinander gerichtet sind. "Gegeneinander gerichtet" bedeute, daß die Schenkel in ihrem miteinander verschweißten Bereich in einer Ebene lägen. Diese Ausgestaltung sei aber bei den Profilen gemäß D7 nicht verwirklicht, weil die Schenkel des oberen Profilteils und des flachen schalenförmigen unteren Profilteils winkelig zueinander verliefen und damit gerade nicht im Sinne des Streitpatents "gegeneinander gerichtet" seien.
Demgemäß sei der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) neu gegenüber diesem Stand der Technik.
Er beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf diesen Stand der Technik, auch in Zusammenschau mit D3.
ii) Artikel 123 (2) EPÜ - Hilfsantrag I:
Das im erteilten Patentanspruch 1 hinzugefügte Merkmal sei der Figur 15 des Streitpatents ohne weiteres zu entnehmen.
Die Zeichnungen seien integraler Bestandteil der die Erfindung offenbarenden Unterlagen und in ihrer Bedeutung den anderen Teilen der ursprünglichen Anmeldung gleichzustellen. Die Tatsache, daß Merkmale ausschließlich in den Zeichnungen offenbart seien, schließe nicht aus, daß diese Merkmale im Verlaufe des Verfahrens wesentliche Bedeutung erlangten.
Gerade im vorliegenden Fall sei die Bedeutung der Figur 15 für die Offenbarung der Erfindung ohne weiteres ersichtlich. Bereits in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen sei klar herausgestellt worden, daß Gegenstand der Erfindung die besondere Form des Querschnittprofils des Kranauslegers sei. Insofern werde der Fachmann, für den als Techniker stets die Zeichnung das beste Kommunikationsmittel sei, gerade die Zeichnung Figur 15, die das erfindungsgemäße Profil darstelle, besonders genau anschauen und ohne weiteres entnehmen, daß die miteinander verschweißten Schenkel des unteren Profilteils und des oberen Profilteils in einer Ebene liegen. Obendrein weise auch die Streitpatentschrift noch darauf hin, daß die in der Zeichnung gezeigten Winkel des Abkantprofils von Bedeutung seien (vgl. den allerletzten Absatz der Streitpatentschrift).
Der geänderte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I verstoße daher nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
Sein Gegenstand sei gegenüber dem verfügbaren Stand der Technik neu und erfinderisch.
iii) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II:
Aus D3 sei ein Teleskopausleger bekannt, dessen Anlenkstück und Schüsse aus Profilen bestehen, von denen jedes einen unteren runden, und zwar halb-elliptischen und einen oberen halbkastenförmigen Profilteil aufweise, deren gegeneinander gerichtete Schenkel miteinander verschweißt seien.
Da die Herstellung runder oder ovaler Schalen relativ aufwendig sei (Spalte 2, Zeilen 41, 42 der Streitpatentschrift), sei die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen - wie in der Streitpatentschrift im wesentlichen angegeben - einen Teleskopausleger mit oberem, halbkastenförmigem Profilteil und unterem runden Profilteil zu schaffen, der sich durch eine einfache und wirtschaftlich herstellbare Konstruktion auszeichne, und zwar unter Beibehaltung der großen Biege- und Beulsteifigkeit seiner einzelnen Schüsse.
Diese Aufgabe solle durch die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II gelöst werden.
D7 sei eine Zeichnung ohne Beschreibung. Sie gebe dem Fachmann keinen Hinweis, von dem dort gezeigten, durch Abkantung hergestellten unteren Profilteil Gebrauch zu machen, um eine einfache und wirtschaftlich herstellbare Konstruktion zu ermöglichen und gleichzeitig die gute Beulsteifigkeit der Schüsse beizubehalten, sogar zu verbessern. Die in D7 gezeigten langen seitlichen Wandungen des Anlenkstücks bzw. der Schüsse seien im besonderen Maße gegen Beulen gefährdet. Dementsprechend würde der Fachmann bei der Suche nach Lösungen für eine solche Aufgabe die Lehre dieser Zeichnung nicht in Betracht ziehen.
Demgemäß sei beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 die notwendige erfinderische Tätigkeit gegeben.
iv) Artikel 123 (2) EPÜ - Hilfsantrag III:
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III übernehme sämtliche Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 2 im Wortlaut. Zudem seien die Merkmale aufgenommen worden, daß die Breite der Streifen eines jeden angenähert runden Profilteils zu dessen Scheitel hin zunimmt und daß die Winkel zwischen den abgekanteten Streifen eines jeden angenähert runden Profilteils zu dessen Scheitel hin kleiner werden.
Diese Merkmale seien der ursprünglichen Figur 15 und der zugehörigen Tabelle zu entnehmen. Zudem verweise auch die Beschreibung explizit auf die Bedeutung der in Figur 15 gezeigten Abmessungen der Streifen und Winkel zwischen den abgekanteten Streifen (vgl. Spalte 10, Zeilen 6 bis 8 der Streitpatentschrift). Der Fachmann werde daher Figur 15, insbesondere der Tabelle mit den Winkeln W1 bis W3 und den Streifenbreiten B4 bis B6, ohne weiteres entnehmen, daß die Streifen des abgekanteten Profils im Scheitelbereich eine größere Breite haben als im Übergangsbereich zum oberen Profilteil und daß die Streifen im Scheitelbereich stärker abgekantet seien als im Übergangsbereich zum oberen Profilteil, d. h. die stumpfen Winkel zwischen den abgekanteten Streifen im Scheitelbereich kleiner seien als zwischen den Streifen zu dem oberen Profilteil hin.
Der geänderte Patentanspruch gemäß Hilfsantrag III verstoße daher nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
Da gerade zum letztgenannten Merkmal jeglicher Hinweis im Stand der Technik fehle, sei er auf jeden Fall auch patentfähig.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) widersprach detailliert in allen Punkten dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
Sie beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit - Hauptantrag
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) offenbart die Zeichnung D7 nicht die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1, daß
- die unteren Profilteile ein angenähert rundes Profil aufweisen
- die Schenkel des oberen Profilteils und die Schenkel des unteren Profilteils "gegeneinander gerichtet" sind.
Dem kann sich die Kammer nicht anschließen.
Der in D7 gezeigte untere Profilteil des Anlenkstücks, der mit vier Abkantungen, also mit fünf Streifen ausgeführt ist, ist vielmehr als "annähernd rund" zu bezeichnen. Wie aus dem "Taschenbuch der Mathematik" (D11) hervorgeht, liegt bei einem gedanklich ergänzten Vieleck mit entsprechender Seitenzahl das Verhältnis zwischen Außen- und Innenradius schon nahe an 1, wobei das Verhältnis zwischen Außen- und Innenradius im Grenzfall beim Übergang zum Kreis zu 1 wird. Auch aus den geringfügigen Abweichungen zwischen dem Verlauf der drei abgekanteten Streifen der teleskopierbaren Schüsse und dem der fünf abgekanteten Stufen des Anlenkstücks ist zu erkennen, daß auch die unteren Profilteile der Schüsse gemäß D7 als "angenähert rund" verlaufen.
Die Beschwerdeführerin trug im wesentlichen vor, "angenähert rund" im Sinne des Streitpatents bedeute, daß zwischen den einzelnen die Rundung bildenden Abkantungen nur Streifen von geringer Breite vorhanden seien, die nicht beulenempfindlich seien und daher nicht mehr besonders ausgesteift zu werden brauchten.
Dieses Vorbringen beruht auf der geringen Breite der Streifen, d. h. einem Merkmal, das im erteilten Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden hat. Da jedoch nur der Inhalt des Patentanspruchs 1 bei der Beurteilung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist, müssen diese Ausführungen der Beschwerdeführerin außer Betracht bleiben.
Daß bei dem Teleskopausleger nach D7 das Anlenkstück und die Schüsse mit eingeschweißten Beulsteifen versehen sind, kann ebenfalls die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nicht begründen, da der Patentanspruch 1 dies nicht ausschließt, also auch Teleskopausleger mit solchen eingeschweißten Beulsteifen umfaßt.
Auch der Interpretation der Beschwerdeführerin bezüglich des Begriffs "gegeneinander gerichtet" vermag die Kammer nicht zu folgen. Die Kammer legt dabei ihrer Beurteilung die eindeutige, wörtliche Bedeutung dieses Ausdrucks zugrunde, nämlich daß die Schenkel des oberen Profilteils gegen die Schenkel des unteren Profilteils gerichtet sind. Wie aus D7 hervorgeht, schließen die Schenkel des oberen Profilteils mit den Schenkeln des unteren Profilteils stumpfe Winkel ein und sind an ihrer Stoßstelle miteinander verschweißt. Das heißt eindeutig, daß die Schenkel des unteren Profilteils und die Schenkel des oberen Profilteils, auch wenn sie nicht in einer Ebene liegen, gegeneinander gerichtet sind.
Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag wegen fehlender Neuheit nicht patentfähig ist. Dem Hauptantrag kann daher nicht stattgegeben werden.
3. Artikel 123 (2) EPÜ - Hilfsantrag I
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I wird der Inhalt des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) durch das Merkmal ergänzt, daß die geraden Schenkel des angenähert runden Profilteils und die geraden Schenkel des oberen Profilteils, die miteinander verschweißt sind, in einer Ebene liegen.
Dieses Merkmal ist aus Figur 15 ersichtlich, jedoch weder in der Beschreibung noch in den Patentansprüchen erwähnt.
Das in dieser Figur gezeigte Profil des äußeren Anlenkstücks bzw. der Teleskopschüsse eines Teleskopauslegers besteht aus einem unteren halb-elliptischen Profilteil und einem oberen kastenförmigen Profilteil, deren Schenkel in einer horizontalen Trennebene miteinander verbunden sind. Die Schenkel des oberen halbkastenförmigen Profilteils sind mit dem oberen Stegteil durch Schweißen verbunden. Der untere halb-elliptische Profilteil besteht aus relativ zueinander abgekanteten Streifen, von denen aufeinanderfolgende jeweils stumpfe Winkel miteinander einschließen.
Laut ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es durchaus zulässig, Patentansprüchen Merkmale hinzuzufügen, die nur aus den Zeichnungen entnommen werden, sofern die Merkmale bezüglich Funktion und Struktur für den Fachmann unmittelbar vollständig und eindeutig aus den Zeichnungen ersichtlich sind (siehe insbesondere T 169/83, ABl. EPA 1985, 193).
Das ist hier aber nicht der Fall. Es mag sein, daß der Fachmann beim Studium dieser Figur mit hinreichender Deutlichkeit entnimmt, daß die Schenkel des oberen Profilteils und die Schenkel des unteren halb-elliptischen Profilteils in einer Ebene liegen, oder anders ausgedrückt, einen Winkel von 180 bilden. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die Funktion dieses gezeichneten Merkmals bezüglich des erleichterten Anbringens der die Profilteile verbindenden Schweißnähte aus dieser einzigen Figur nicht ohne weiteres herleitbar ist, zumal solche Schweißnähte in der Figur 15 nicht dargestellt sind. Von einer zeichnerisch nachdrücklichen Hervorhebung dieses Merkmals kann keine Rede sein.
Des weiteren ist, wie nachstehend ausgeführt, die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen, das Anlenkstück und die Schüsse eines Teleskopauslegers zu schaffen, die sich durch eine einfache und wirtschaftlich herstellbare Konstruktion auszeichnen und zwar unter Beibehaltung der großen Biege- und Beulsteifigkeit des Anlenkstücks und der einzelnen Schüsse. Wenn aber die Schenkel des oberen Profilteils und die Schenkel des unteren halb-elliptischen Profilteils in einer Ebene liegen, so bewirkt dies eine Verlängerung der geraden seitlichen Wände des Anlenkstücks bzw. der Schüsse, welche im besonderen Maße gegen Beulen gefährdet sind. Das heißt, daß das in Rede stehende, zeichnerisch dargestellte Merkmal nicht für die Lösung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Aufgabe geeignet ist. Dementsprechend ist die Funktion eines solchen Merkmals für den Fachmann keinesfalls klar und eindeutig erkennbar.
Aus alledem folgt, daß für das hinzugefügte Merkmal keine ausreichende Offenbarungsgrundlage vorhanden ist. Diese Hinzufügung geht deshalb über das ursprünglich Offenbarte hinaus und ist demgemäß im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig.
Dem Hilfsantrag I kann daher nicht stattgegeben werden.
4. Hilfsantrag II
4.1. Zulässigkeit des verspätet eingereichten Techniklexikons D12
Das Lexikon D12, aus dem das allgemeine Fachwissen auf dem betreffenden technischen Gebiet hervorgeht, wurde erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer seitens der Einsprechenden überreicht.
Laut ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe T 1002/92, ABl. EPA 1995, 605) sollten im Verfahren vor den Beschwerdekammern verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel, die über die in Regel 55 c) EPÜ in der Einspruchsschrift zur Stützung der vorgebrachten Einspruchsgründe angegebenen "Tatsachen und Beweismittel" hinausgehen, nur dann zum Verfahren zugelassen werden, wenn sie prima facie hoch relevant in dem Sinne sind, daß sie höchstwahrscheinlich der Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents entgegenstehen. Dabei sollten auch andere relevante Faktoren des jeweiligen Falls berücksichtigt werden, insbesondere ob und mit welcher Begründung die Patentinhaberin Einwände gegen die Zulässigkeit der verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel erhebt und welche Verfahrenskomplikationen die Zulassung dieser Unterlagen voraussichtlich mit sich bringt (Punkt 3.4 der Entscheidungsgründe).
Aus der nachstehenden Bewertung des verspätet eingereichten Techniklexikons (D12) ergibt sich, daß dieses Dokument insofern relevant ist, als es in Zusammenschau mit weiterem Stand der Technik die Aufrechterhaltung des Patents in Frage stellt.
Des weiteren ist eine kurze Definition aus einem Techniklexikon nicht einer z. B. 30-seitigen Entgegenhaltung gleichzusetzen. Im vorliegenden Fall geht es nur um ein Zitat aus einem Techniklexikon, durch das der technische Begriff "Biegeverfahren" und das Fachwissen bezüglich des Abkantens in wenigen Worten erklärt werden.
Gemäß der Streitpatentschrift (Spalte 2, Zeilen 56 bis 58) sind die zur Abkantungen erforderlichen Fertigungseinrichtungen verhältnismäßig einfach und in üblichen Betrieben vorhanden. Das kurze Zitat aus dem Lexikon D12 bestätigt und ergänzt diese Aussage: Es wird nämlich angegeben, daß auf Abkantpressen fast beliebige Profile erzeugt werden können, wobei auf Abkantpressen vorwiegend lange Produkte hergestellt, während auf Pressen kürzere Werkstücke bearbeitet werden.
Aus vorstehenden Gründen war das verspätet eingereichte Techniklexikon D12 im Beschwerdeverfahren zuzulassen.
4.2. Erfinderische Tätigkeit
4.2.1. Es ist unbestritten, daß D3 alle Ausführungsformen gemäß Streitpatentschrift bis auf Figur 15 offenbart.
Aus dieser Druckschrift ist ein Teleskopausleger bekannt, dessen Anlenkstück und Schüsse aus Profilen bestehen, von denen jedes in der horizontalen Lage einen unteren halb-elliptischen Profilteil und einen oberen halbkastenförmigen Profilteil aufweist, deren gegeneinander gerichtete Schenkel miteinander verschweißt sind.
Dieses bekannte Profil ist anhand der Figuren 12 bis 14 in der Streitpatentschrift beschrieben.
Laut der Streitpatentschrift (Spalte 2, Zeilen 34 bis 40) weisen derartige halbrunde Profile nicht nur günstige Flächenträgheits- und Widerstandsmomente auf, so daß sie eine große Biegesteifigkeit besitzen, sondern sie gewähren durch ihren runden Querschnitt auch eine große Sicherheit gegen Beulen, so daß auf zusätzliche Maßnahmen zum Schutz gegen Beulen verzichtet werden kann.
Solle ein rundes Profil der Schalen erzeugt werden, müßten die entsprechenden Zuschnitte gewalzt werden. Da Walzen von Längen, die den Schußlängen entsprächen, nicht vorhanden seien, könnten lange Profile nicht aus einem Stück gewalzt werden. Daher sei es erforderlich, die einzelnen Abschnitte an ihren Stoßstellen miteinander zu verschweißen (Spalte 2, Zeilen 48 bis 55).
Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe kann daher darin gesehen werden, einen unteren Profilteil für das Anlenkstück bzw. Teleskopschüsse eines Teleskopauslegers zu schaffen, welcher sich einerseits besonders beulsteif verhält und sich andererseits über eine größere Länge wirtschaftlich herstellen läßt.
Diese Aufgabe wird ausgehend von einem Teleskopausleger nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 mit dem folgenden im kennzeichnenden Teil aufgeführten Merkmal gelöst, wonach der untere Profilteil, der angenähert die Form einer halben Ellipse besitzt, aus relativ zueinander abgekanteten Streifen besteht, von denen aufeinanderfolgende jeweils stumpfe Winkel miteinander einschließen.
4.2.2. Die Zeichnung D7 zeigt ein Anlenkstück eines Teleskopauslegers, in dem mehrere teleskopartig zusammenschiebbare und ausfahrbare Schüsse gehaltert sind. Das Anlenkstück und die Schüsse bestehen aus Profilen, von denen jedes einen oberen halbkastenförmigen Profilteil und einen unteren konvexen Profilteil aufweist, deren gegeneinander gerichteten Schenkel miteinander verbunden sind. Der untere konvexe Profilteil besteht aus mehreren relativ zueinander abgekanteten Streifen, von denen aufeinanderfolgende jeweils stumpfe Winkel miteinander einschließen.
Als Fachmann ist hier ein in der Entwicklung und in der Konstruktion von Teleskopauslegern der in Rede stehenden Art tätiger Techniker oder Ingenieur mit langjähriger Berufserfahrung zu sehen. Als Konstrukteur kennt er das Biegeverfahren, bei dem ein ebenes Halbzeug durch Abkantpressen zu Profilen umgeformt wird. Wie durch das Techniklexikon D12 dokumentiert ist, weiß er auch, daß auf Abkantpressen "vorwiegend lange Profile" hergestellt werden. Ihm ist auch bewußt, daß solche Abkantpressen "verhältnismäßig einfach und in üblichen Betrieben" vorhanden sind (siehe Spalte 2, Zeilen 56 bis 58 der Streitpatentschrift).
Im vorliegenden Fall führt dies dazu, daß der zuständige Fachmann im Zuge der Beseitigung der Nachteile des aus D3 bekannten unteren halb-elliptischen Profilteils bezüglich der relativ aufwendigen Herstellung halb-elliptischer Profilteile durch Walzen und deren mehrstückiger Konstruktion die Zeichnung D7 einer besonders eingehenden Betrachtung unterziehen wird. Er wird bei dem dargestellten unteren konvexen Profilteil, der aus mehreren abgekanteten Streifen besteht, davon ausgehen, daß sich dieser lange Profilteil aus einem Stück durch Mehrfachkantungen fertigen läßt. Somit wird der Fachmann dazu angeregt, den aus D3 bekannten mehrstückig ausgebildeten halb-elliptischen Profilteil einstückig durch einfachere und kostengünstigere Mehrfachkantungen herzustellen.
Hieraus folgt, daß es keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, um zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
4.2.3. Demgegenüber machte die Patentinhaberin geltend, daß bei D7 die unteren Profilteile nur durch wenige Abkantungen gebogen wurden. Diesem Stand der Technik könne der Fachmann keine Anregungen entnehmen, die unteren Profilteile von Auslegerschüssen durch zahlreiche aufeinanderfolgende Abkantungen in eine angenähert halb-elliptische Form zu biegen.
Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen: Untere Profilteile, die etwa die Form einer halben Ellipse aufweisen, sind schon aus dem nächstkommenden Stand der Technik gemäß D3 bekannt. Es ist zwar richtig, daß die unteren konvexen Profilteile der Zeichnung D7 relativ flach sind; ihr Zentriwinkel beträgt nämlich höchstens 90. . Jedoch können, wie durch das Techniklexikon D12 belegt ist, durch Abkantung "fast beliebige Profile bzw. Werkstücke erzeugt werden". Mithin war der Fachmann nicht davon abgehalten, verhältnismäßig komplizierte Profile wie halb-elliptische Schalen durch Abkantung zu bilden.
4.2.4. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der Patentanspruch 1 ist mithin nicht patentfähig, weshalb dem Hilfsantrag II nicht stattgegeben werden kann.
5. Hilfsantrag III
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III wird der Inhalt des Patentanspruchs 1 (Hilfsantrag II) durch das Merkmal ergänzt, daß die Breite (B6, B5, B4) der Streifen eines jeden angenähert runden Profilteils zu dessen Scheitel hin zunimmt und daß die Winkel (W3, W2, W1) zwischen den abgekanteten Streifen eines jeden angenähert runden Profilteils zu dessen Scheitel hin kleiner werden.
Die Beschwerdeführerin hat die Ansicht vertreten, daß dieses Merkmal in der ursprünglichen Figur 15 und der zugehörigen Tabelle der Streifenbreiten und Winkel zu entnehmen ist.
Die Hinzufügung eines technischen Merkmals ist dann im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zulässig, wenn für das hinzugefügte Merkmal in den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine eindeutige Offenbarungsgrundlage vorhanden ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist dies hier nicht der Fall. Weder die Figur 15 noch die zugehörige Tabelle zeigen die angesprochene kontinuierliche Zunahme der Breite der Streifen, sondern nur drei verschiedene Breiten B4, B5, B6 für sechs Streifen, wobei vier Streifen von insgesamt sechs die gleiche Breite B5 besitzen. Von einer generellen Zunahme der Breite der Streifen ausgehend von dem Scheitel des runden Profils kann daher keine Rede sein. Der fachmännische Leser kann höchstens davon ableiten, daß die Breite B6 des auf die Schweißstelle folgenden Streifens kleiner ist als die Breite B5 der vier folgenden Streifen.
Auch die Winkel zwischen den abgekanteten Streifen nehmen nur drei verschiedene Werte W1, W2 und W3, wobei der Winkel W2 für drei Winkelwerte gleich bleibt.
Aus alledem folgt, daß die hinzugefügten Merkmale über das ursprünglich Offenbarte hinausgehen und demgemäß diese Änderung im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ unzulässig ist. Dem Hilfsantrag III kann daher ebenfalls nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.