T 0733/99 (Wiedergewinnung von Spänen/FRAUNHOFER) of 2.10.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T073399.20011002
Datum der Entscheidung: 02 October 2001
Aktenzeichen: T 0733/99
Anmeldenummer: 95913030.3
IPC-Klasse: B27N 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Wiedergewinnung von Spänen und Fasern aus Holzwerkstoffreststücken, Altmöbeln, Produktionsrückständen, Abfällen und anderen holzwerkstoffhaltigen Materialien
Name des Anmelders: FRAUNHOFER-GES. ZUR FÖRDERUNG DER ANGEWANDTEN FORSCHUNG E.V.
Name des Einsprechenden: Pfleiderer Unternehmensverwaltung GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung (verneint)
Erweiterung des Schutzbereiches (verneint)
Neuheit (bejaht) - erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Schwerer Verfahrensfehler (bejaht)
Zurückverweisung (verneint)
Zurückzahlung Beschwerdegebühr (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das auf die Anmeldung Nr. 95 913 030.3 erteilte europäische Patent Nr. 0 697 941 wurde mit der am 5. März 1999 verkündeten und am 11. Juni 1999 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten.

Die Einspruchsabteilung vertrat die Auffassung, die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Patents in der geänderten Fassung seien neu und wiesen eine erfinderische Tätigkeit gegenüber folgenden Dokumenten des Standes der Technik auf:

D1: DE-B-1 201 045

D2: G. Schlipphak, "Das Sandberg-Verfahren zur Rückgewinnung von Spänen aus Spanplattenabfällen", Holz als Roh- und Werkstoff, 23. Jahrgang, Heft 4, April 1965

D3: DE-A-4 224 629.

II. Am 6. Juli 1999 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Mit der dem EPA am 14. Oktober 1999 übermittelten Beschwerdebegründung hielt sie ihre Einwände unter Artikel 100 a) und c) EPÜ aufrecht. Sie stützte sich dabei auf die oben genannten Dokumente und legte einen Bericht (D4) über Vergleichsversuche vor. Sie bemängelte, daß die Ansprüche in einer Fassung aufrechterhalten worden waren, die am 18. März 1999, d. h. erst nach der mündlichen Verhandlung, eingereicht wurde und nicht übereinstimme mit der Fassung, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen habe.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2000 entgegnete die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) der Beschwerde und reichte eine Kopie einer handschriftlichen Fassung der Ansprüche 1 und 2, mit dem Datum 5.III.99 ein. Letztere sei die in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung besprochene Fassung dieser Ansprüche.

III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammer legte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu den im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen und zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 dar. Die Kammer gehe vorläufig davon aus, daß die von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Kopie der handschriftlichen Fassung der Ansprüche 1 und 2 mit der in der mündlichen Verhandlung besprochenen Fassung dieser Ansprüche übereinstimme.

Die Beschwerdeführerin reagierte darauf mit ihrem Schreiben vom 6. August 2001 und legte einen Bericht über weitere Vergleichsversuche vor.

IV. Am 2. Oktober 2001 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Ihren mit Schreiben vom 6. August 2001 erhobenen Einwand der unzureichenden Offenbarung und ihren Antrag auf Zurückverweisung an die 1. Instanz, um genau die Fassung der von dieser Instanz aufrechterhaltenen Ansprüche festzustellen, zog sie zurück.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in geänderter Fassung auf der Basis folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Beschreibung: Seiten 1 und 2 (handschriftlich numeriert), eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2001, Seiten 4 bis 8 gemäß Zwischenentscheidung der 1. Instanz,

Ansprüche: 1 bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2001, 8. bis 24 gemäß Zwischenentscheidung der 1. Instanz,

Figuren: Seiten 1/2 und 2/2 gemäß Zwischenentscheidung der 1. Instanz.

V. Die Fassung der geltenden Ansprüche 1 und 2 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Wiedergewinnung von Spänen und Fasern aus mit Harnstoff-Formaldehyd-Bindemitteln oder mit anderen hydrolysierbaren oder chemisch aufschließbaren Bindemitteln verleimten Ho1zwerkstoffreststücken, Altmöbeln, Produktionsrückständen, Abfällen und anderen holzwerkstoffhaltigen Materialien, bei dem in einem ersten Schritt den Holzwerkstoffstücken eine Tränk- bzw. Imprägnierlösung im Überschuß zugegeben wird, die restliche Flüssigkeit abgelassen wird, nachdem die Ho1zwerkstoffstücke mindestens 50 % ihres Eigengewichtes an Tränk- bzw. Imprägnierlösung aufgenommen haben, und bei dem die so imprägnierten Holzwerkstoffstücke auf 80. C bis 120 C erwärmt werden, und das so aufgeschlossene Holzwerkstoffmaterial anschließend durch eine Siebung und/oder Windsichtung sortiert wird.

2. Verfahren zur Wiedergewinnung von Spänen und Fasern aus mit Harnstoff-Formaldehyd-Bindemitteln oder mit anderen hydrolysierbaren oder chemisch aufschließbaren Bindemitteln verleimten Holzwerkstoffreststücken, Altmöbeln, Produktionsrückständen, Abfällen und anderen holzwerkstoffhaltigen Materialien, bei dem den Holzwerkstoffstücken eine Tränk- bzw. Imprägnierlösung zugegeben wird, die so bemessen ist, daß die gesamte Flüssigkeit durch die Holzwerkstoffstücke aufgenommen wird, wenn die Holzwerkstoffstücke mindestens 50 % ihres Eigengewichtes an Tränk- bzw. Imprägnierlösung aufgenommen haben, und bei dem die so imprägnierten Holzwerkstoffstücke auf 80 C bis 120 C erwärmt werden, und das so aufgeschlossene Holzwerkstoffmaterial anschließend durch eine Siebung und/oder Windsichtung sortiert wird."

VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Nach dem jetzigen Anspruch 5 sei es möglich, daß die Temperatureinwirkung und die Imprägnierung gleichzeitig stattfinden, ohne daß dies im Aufschlußbehälter zu sein brauche. Nach den miteinander verbundenen Ansprüchen 3 und 5 in der erteilten Fassung sei dies auf den Aufschlußbehälter beschränkt. Die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ seien damit nicht erfüllt.

Gleiches gelte für die Ansprüche 1 und 2; in der erteilten Fassung sei beansprucht worden, daß die Holzwerkstoffstücke bei erhöhter Temperatur aufgeschlossen wurden, daß das Verfahren aus einem ersten Schritt (der Imprägnierung) und einem zweiten, dem ersten nachfolgenden Schritt (der Erwärmung) bestand und daß die Holzwerkstoffstücke imprägniert und vorgequollen wurden. Diese Merkmale fehlten jetzt.

Anspruch 1 müsse auch noch das Merkmal, daß das gesamte Holzwerkstoffmaterial durch die Tränk- bzw. Imprägnierlösung bedeckt sei, enthalten, weil dies im erteilten Anspruch 11 so beansprucht gewesen sei.

Weiterhin sei in den Ansprüchen 1 und 2 unklar, ob das Material auf eine Temperatur gebracht werde, die zwischen 80 und 120 C liege, oder ob das Material einer kontinuierlichen Erwärmung unterzogen werde, so daß es den genannten Temperaturbereich durchlaufe.

Zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 bemerkte sie, daß nach Römpp, Chemielexikon, eine Imprägnierlösung, wie beansprucht, auch eine Lösung eines Gases in Luft sein könne und damit das nach D1 und D2 verwendete Wasserdampf-Luftgemisch auch als Imprägnierlösung zu betrachten sei. Nachdem das Material nach D1 oder D2 mehrere Stunden dem Dampf ausgesetzt werde, müsse auch ein Überschuß von Imprägnierlösung vorhanden sein. Nach D4, Seite 1B, werde eine Gewichtszunahme von 75 - 85 % bereits nach 2 Stunden bei 1 bar erreicht, was die beanspruchte Mindestzunahme von 50 % des Eigengewichtes an Flüssigkeit einschließe. Gleiches folge aus Seite 2B der D4, wonach unter gleichen Umständen 150 - 160 % Dickenzunahme erreicht werde. In D2 müsse man ihres Erachtens D1 hineinlesen, denn auf Seite 155 dieses Dokuments werde auf das "patentierte Verfahren" hingewiesen. Damit könne nur D1 gemeint sein. Am Ende des Verfahrens nach D1 werde der restliche Dampf abgelassen, genauso wie die beanspruchte überflüssige Imprägnierlösung abgelassen werde. Bei dem nach D1 oder D2 verwendeten Druck sei ebenfalls gewährleistet, daß die Temperaturbehandlung im Bereich zwischen 80 und 120 C stattfinde.

Zum Gegenstand des Anspruchs 2 bemerkte sie, daß die kombinierte Veröffentlichung D1-D2 alle Merkmale dieses Anspruchs offenbare, weil durch die Verwendung von heißen Dampf in einem Autoklaven die Tränkung und die Erwärmung in einem Schritt stattfinden, so wie es auch nach Anspruch 2 in Verbindung mit Anspruch 5 stattfinden werde. Das Gleiche gelte für D3, weil die höheren Temperaturen von 140 bis 180 C nur als bevorzugte Temperaturen offenbart seien. Auch niedrigere Temperaturen seien nach D3 offenbart, wenn man nur den abgelassenen Dampf betrachte, der zur Vorwärmung einer neuen Charge der Holzwerkstoffstücke verwendet werde.

VII. Die Beschwerdegegnerin vertrat die Meinung, daß eine Behandlung mit Wasserdampf nicht gleichgestellt werden könne mit der beanspruchten Tränkung bzw. Imprägnierung mit einer Flüssigkeit. Nächstliegender Stand der Technik sei damit das in D1 erwähnte Kochverfahren. Wenn man Wasserdampf verwende wie in D1, D2 oder D3, bei Drücken von 1 - 5 atü, seien die Temperaturen höher als 120 C. Es finde keine Wasseraufnahme statt, sondern eine Auflösung der im Spanmaterial vorhandenen Spannung, was aus der Tatsache, daß nur die Dicke, aber nicht die Länge und Breite der Holzwerkstoffstücke zunehme, folge. Die Vergleichsversuche seien nicht relevant, weil sie nur mit wenigen kleinen Stücken, zu den der Dampf freien Zutritt gehabt habe, durchgeführt worden seien und nicht nach einem der Verfahren entsprechend D1, D2 oder D3, die alle eine dichtgepackte Schüttung von Material in einem Autoklaven beträfen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

2.1. Das erteilte Patent enthielt einen unabhängigen Anspruch 1 für ein Verfahren zur Wiedergewinnung von Spänen und Fasern, wobei in einem ersten Schritt das Material imprägniert und vorgequollen wurde bis es mindestens 50 % seines Eigengewichtes an Imprägnierlösung aufgenommen hatte, in einem zweiten Schritt das imprägnierte Material erwärmt wurde und in einem dritten Schritt das so aufgeschlossene Material durch Siebung und/oder Windsichtung sortiert wurde. Wieviel Imprägnierlösung verwendet wurde, war nicht erwähnt.

Der jetzige unabhängige Anspruch 1 schränkt den obigen Gegenstand weiter ein auf eine Menge Imprägnierlösung, die in Überschuß zugegeben wird und erst abgelassen wird, nachdem das Material mindestens 50 % seines Eigengewichtes an Imprägnierlösung aufgenommen hat.

Der jetzige unabhängige Anspruch 2 schränkt den obigen Gegenstand weiter ein auf eine Menge Imprägnierlösung, die so bemessen ist, daß, wenn die gesamte Flüssigkeit durch das Material aufgenommen ist, dies mindestens 50 % seines Eigenwichtes entspricht.

Der Schutzbereich des Patents, der durch den Anspruch mit dem breitesten Schutzumfang, d. h. Anspruch 1 in der erteilten Fassung, bestimmt wird, ist somit nicht erweitert.

Diese beiden Ansprüche gehen auf die Kombination von Anspruch 1 mit Anspruch 11 bzw. Anspruch 9 in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen zurück.

2.2. Die Beschwerdeführerin hat noch ausgeführt, daß in Anspruch 11 zusätzlich beansprucht wurde, daß das gesamte Material durch die Imprägnierlösung bedeckt ist. Dieses Merkmal sei jetzt in Anspruch 1 nicht enthalten, wodurch der Schutzbereich erweitert sei.

Der erteilte Anspruch 1 hat nicht spezifiziert, wieviel Imprägnierlösung in Bezug auf die Materialmenge verwendet werden soll. Im jetzigen Anspruch 1 ist die Einschränkung aufgenommen, dem Material die Imprägnierlösung in Überschuß zuzugeben. Somit kann von einer Erweiterung des Schutzbereiches keine Rede sein.

2.3. Die Beschwerdeführerin hat bemängelt, daß nach den jetzigen Ansprüchen Imprägnierung und Erwärmung gleichzeitig stattfinden können, ohne daß dies auf die Anwesenheit des Materials im Aufschlußbehälter beschränkt sei. Dies sei in den erteilten Ansprüchen durch den Rückbezug des Anspruchs 5 auf den Anspruch 3 gewährleistet gewesen.

Die gleichzeitige Imprägnierung und Erwärmung ist nach dem jetzigen Anspruch 5 auf das Verfahren nach Anspruch 2 beschränkt, wobei nur soviel Imprägnierlösung zugegeben wird, daß das Material mindestens 50 % seines Eigengewichtes an Lösung aufgenommen hat, wenn diese Menge an Lösung aufgenommen ist. Wenn das Material gleichzeitig einer Imprägnierung und Erwärmung unterworfen wird, kann dies nur in ein und demselben Behälter stattfinden, der damit ein "Aufschlußbehälter" ist, weil das Material durch die vorherige Imprägnierung und die Temperatureinwirkung aufgeschlossen wird.

Nach dem jetzigen Anspruch 1 ist die Imprägnierung von der Temperatureinwirkung dadurch getrennt, daß dazwischen der Schritt des Ablassens der restlichen Flüssigkeit stattfindet. Eine Gleichzeitigkeit von Imprägnierung und Erwärmung ist nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 somit ausgeschlossen.

Der Schutzbereich des Patents ist somit nicht erweitert worden.

2.4. Wenn das Material, wie jetzt in den Ansprüchen 1 und 2 beansprucht, auf eine Temperatur gebracht wird, die zwischen 80 und 120 C liegt, und das "so aufgeschlossene" Material anschließend sortiert wird, dann ist damit offenbart, daß das Material bei "erhöhter Temperatur" aufgeschlossen wird.

Wenn im jetzigen Anspruch 1 davon die Rede ist, daß dem Material in einem ersten Schritt eine Lösung im Überschuß zugegeben wird und das Material mindestens 50. % seines Eigengewichtes an Lösung aufnimmt, danach die restliche Flüssigkeit abgelassen wird, danach das "so imprägnierte" Material auf 80 bis 120 C erwärmt wird und das "so aufgeschlossene" Material sortiert wird, ist deutlich, daß dieses Verfahren in vier Schritten stattfindet. Es ist nur die Bezeichnung "zweiten Schritt", jedoch nicht den zweiten Schritt an sich, entfernt worden.

Wenn es im jetzigen Anspruch 2 heißt, daß dem Material in einem ersten Schritt eine Lösung zugegeben wird, die so bemessen ist, daß die gesamte Flüssigkeitsmenge aufgenommen ist, wenn das Material mindestens 50 % seines Eigengewichtes an Lösung aufgenommen hat, danach das "so imprägnierte" Material auf 80 bis 120 C erwärmt wird und das "so aufgeschlossene" Material sortiert wird, ist deutlich, daß dieses Verfahren in drei Schritten stattfindet. Es sind damit nur die Bezeichnungen "erster" und "zweiter" Schritt, aber nicht die Schritte an sich entfernt worden. Dies ändert sich nicht, wenn nach dem Unteranspruch 5 die Imprägnierung und die Erwärmung in einem Schritt zusammengefaßt werden; dies war in dem erteilten Anspruch 9, zurückbezogen auf die Ansprüche 5, 3 und 1, auch der Fall. Es bleiben immerhin noch zwei Schritte übrig. Der Schutzbereich ist somit nicht erweitert worden.

2.5. Wenn das Material in einem ersten Schritt die Imprägnierlösung zu mindestens 50 % seines Eigengewichtes aufnimmt und in einem zweiten Schritt erwärmt wird, ist gewährleistet, daß das Material imprägniert und vorgequollen wird.

2.6. Die sonstigen Änderungen in den Ansprüchen und in der Beschreibung betreffen notwendige Klarstellungen, Anpassungen an die geänderten Ansprüche 1 und 2 und die Würdigung des bekannten Standes der Technik, ohne über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen hinauszugehen oder den Schutzbereich des Patents zu erweitern.

2.7. Die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und (3) EPÜ sind somit erfüllt.

3. Klarheit und Stütze in der Beschreibung (Artikel 84 EPÜ)

3.1. Aus dem Zusammenhang des Wortlauts der Ansprüche 1 und 2 ("... die so imprägnierten Holzwerkstoffstücke auf 80 C bis 120 C erwärmt werden ...") wird deutlich, daß das Material auf eine Temperatur erwärmt wird, die zwischen 80. und 120 C liegt und nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, einer kontinuierlichen Erwärmung unterzogen wird, so daß es diesen Bereich durchläuft.

3.2. Wenn man den in Punkt 2.2 genannten Einwand so versteht, daß der jetzige Anspruch 1 durch die Aufnahme nur eines Teils des Anspruchs 11 nicht von der Beschreibung gestützt sei, oder daß nicht alle wesentlichen Merkmale im Anspruch 1 enthalten seien (Artikel 84 EPÜ), gilt folgendes.

Nachdem im jetzigen Anspruch 1 beansprucht ist, daß die Imprägnierlösung im "Überschuß" zugegeben wird und die Stücke (d. h. das gesamte Material) imprägniert werden bis sie mindestens 50 % ihres Eigengewichtes an Lösung aufgenommen haben, ist damit implizit offenbart, daß das gesamte Material von der Lösung bedeckt ist. Dieser Einwand unter Artikel 84 EPÜ greift daher auch nicht.

4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

4.1. Die Kammer ist der Auffassung, daß die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 sich von den Verfahren nach dem entgegengehaltenen Stand der Technik D1, D2 und D3 bereits dadurch unterscheiden, daß letztere Dokumente Verfahren mit einer Dampfbeaufschlagung betreffen, wobei nicht offenbart ist, daß das Material mindestens 50 % seines Eigengewichtes an Flüssigkeit aufnimmt.

4.2. Die Beschwerdeführerin stützte sich auf die Vergleichsversuche D4, Seite 1B, wonach bei 3 von 5. Probestücken die Massenzunahme zwischen 75 und 85 % lag, nachdem sie in einem Probekorb während 2 Stunden heißem Wasserdampf unter einem Druck von 1 bar ausgesetzt waren.

Die Kammer vermag nicht einzusehen, wie diese Vergleichsversuche, die grundsätzlich von den Verfahren gemäß D1, D2 oder D3 abweichen, indem sie keine Aufschüttung des Materials in einem Autoklaven, sondern nur eine geringe Zahl von Probestücken in einem Probekorb in einem Fermenter betreffen, relevant für die Beurteilung der Verfahren nach Anspruch 1 oder 2 sein können.

4.3. Die Beschwerdeführerin vertrat hierzu noch die Meinung, daß nach Römpp's Chemielexikon eine "Lösung" auch ein Gas-in-Gas-Gemisch sein könne. Das nach den in D1, D2 oder D3 offenbarten Verfahren verwendete Dampf-Luftgemisch sei somit als "Tränk- bzw. Imprägnierlösung" zu betrachten.

Die Kammer teilt diese Meinung nicht, weil nach dem Wortlaut der Ansprüche 1 bzw. 2 ("... Lösung in Überschuß zugegeben wird, die restliche Flüssigkeit abgelassen wird ..." bzw. ".... Lösung zugegeben wird, die so bemessen ist, daß die gesamte Flüssigkeit .. aufgenommen wird") es um die Imprägnierung mit einer Flüssigkeit und nicht mit einem Dampf-Luftgemisch geht.

4.4. Die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 sind somit neu (Artikel 54 EPÜ).

5. Nächstliegender Stand der Technik

Nachdem das Material nach den Verfahren gemäß D1, D2 oder D3 mit Dampf und nicht mit der in Anspruch 1 beanspruchten Flüssigkeit, die im Überschuß dazugegeben wird, behandelt wird, ist das in D1 als bekannter Stand der Technik genannte Kochverfahren (Spalte 1, Zeilen 34 - 45) für Anspruch 1 als nächstkommender Stand der Technik zu betrachten.

Nach Anspruch 2 wird dem Material eine bestimmte Menge Flüssigkeit dazugegeben, die so bemessen ist, daß die gesamte Menge vom Material aufgenommen wird und dann mindestens 50 % des Eigengewichtes des Materials ausmacht. Nächstliegender Stand der Technik für diesen Anspruch ist nach Meinung der Kammer nur das in D3 (Spalte 2, Zeilen 53 - 64) offenbarte Vorwärmverfahren, wobei eine Charge Material durch den abgelassenen Dampf eines vorangegangenen Aufschließschrittes an einer anderen Charge vorgewärmt wird. Dabei ist zu erwarten, daß durch die Kondensation auf das vorzuwärmende Material der abgelassene Dampf flüssig wird und als solcher vom Material aufgenommen wird.

6. Erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1

6.1. Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich vom vorbekannten Kochverfahren dadurch, daß die Verfahrensschritte Imprägnierung und Erwärmung nicht gleichzeitig stattfinden, sondern dadurch getrennt sind, daß zuerst Restflüssigkeit abgelassen wird, nachdem das Material mindestens 50 % seines Eigengewichtes an Flüssigkeit aufgenommen hat.

Dieses Merkmal trägt zur Lösung der Aufgabe bei, das bekannte Kochverfahren zur Wiedergewinnung von Spänen und Fasern umweltschonender und ökonomischer zu gestalten und hochwertigeres Spanmaterial zu gewinnen (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeilen 33 - 35). Es fällt weniger zu entsorgende Kochlauge oder Abwasser an, das Spanmaterial wird bei niedrigerer Temperatur wiedergewonnen und somit weniger in Mitleidenschaft gezogen. Das Bindemittel bleibt für eine weitere Nutzung vorhanden, weil es nicht ausgekocht wird.

6.2. Keines der Dokumente D1 bis D3 legt dem Fachmann diese Lösung nahe, weil das Material nach diesen bekannten Verfahren mit kontinuierlich zugeführte Dampf beaufschlagt wird und nicht mit einer Flüssigkeit imprägniert wird. Auch wenn von einer Kondensation auf dem Material die Rede sein könnte, ist bei diesen Verfahren weder ein Ablassen der Restflüssigkeit vor der Erwärmung vorhanden, noch ist irgendwo offenbart, daß das Material mindestens 50% seines Eigengewichtes an Flüssigkeit aufnimmt.

Aus den Gründen, wie oben unter Punkt 4.2 dargelegt, vermag die Kammer auch hier nicht zu erkennen, daß die Vergleichsversuche (D4 - Seite 2B), die als Beweis dafür dienen sollten, daß zu einer 2- bis 3-fachen Dickenvergrößerung, so wie sie in der D2 offenbart ist, eine Flüssigkeitsaufnahme von mindestens 50 % des Eigengewichtes des Materials gehört, relevant sind.

6.3. Das Verfahren nach Anspruch 2 unterscheidet sich von dem aus D3 vorbekannten Vorwärmverfahren dadurch, daß dem Material nur soviel Tränk- bzw. Imprägnierflüssigkeit zugegeben wird, daß die gesamte Flüssigkeit durch das Material aufgenommen wird, wenn es mindestens 50 % seines Eigengewichtes an Flüssigkeit aufgenommen hat.

Dieses Merkmal dient der Lösung der gleichen Aufgabe wie unter Punkt 6.1 genannt.

Auch hier legt keines der Dokumente D1 bis D3 dem Fachmann diese Lösung nahe, weil das Material nach den bekannten Verfahren mit kontinuierlich zugeführten Dampf und nicht mit einer Flüssigkeit beaufschlagt wird. Auch wenn von einer Kondensation auf dem Material die Rede sein könnte, ist bei diesen Verfahren nicht offenbart, daß die dadurch entstehende Flüssigkeit vom Material in einer Menge aufgenommen wird, die mindestens 50 % des Eigengewichtes des Materials entspricht.

6.4. Aufgrund der obigen Ausführungen kommt die Kammer zum Schluß, daß die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 auf erfinderische Tätigkeit beruhen (Artikel 56 EPÜ).

7. Prozedurale Fragen

7.1. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung wurde die mündliche Verhandlung damit abgeschlossen, daß das Patent in einer Fassung aufrechterhalten wurde, die während der mündlichen Verhandlung durch Änderung der Ansprüche und Anpassung der Beschreibung entstanden ist. Das Deckblatt des Protokolls bezeichnet diese Fassung als "die unten angegebene Fassung".

Die Kammer stellt fest, daß weder das Protokoll noch die Akte ein Exemplar der Patentunterlagen enthält, die in der mündlichen Verhandlung besprochen wurden und als die von der Patentinhaberin genehmigte Fassung, in der das Patent laut der in der mündlichen Verhandlung verkündeten Entscheidung aufrechterhalten wurde, gelten können.

7.2. Um eine ordnungsgemäße Aktenführung zu gewährleisten, muß das EPA dafür sorgen, daß entscheidungserhebliche Akteneingaben unverzüglich zur Akte kommen. Im vorliegenden Fall liegt die Entscheidungserheblichkeit darin, daß es um Unterlagen geht, die den Antrag der Patentinhaberin bilden, die der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden müssen und die die Basis der am Ende der mündlichen Verhandlung verkündeten Entscheidung gebildet haben.

Falls Unterlagen in einer mündlichen Verhandlung eingereicht werden, obliegt es der Einspruchsabteilung, diese Funktion wahrzunehmen und dafür zu sorgen, daß den formellen Bestimmungen, wie z. B. die Leserlichkeit der Unterlagen, das Vorhandensein der Unterschrift, die Zustellung an die anderen Verfahrensbeteiligten und die Aufnahme in die Akte mit Eingangsdatum, entsprochen wurde.

7.3. Die Kammer kann im vorliegenden Fall nur feststellen, daß diese Unterlagen in der Akte völlig fehlen.

Dies ist als schwerer Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung zu bewerten. Erstens sind Dritte dadurch nicht in der Lage, über Akteneinsicht zu erfahren, in welcher Fassung das Patent am Ende der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten wurde. Zweitens wird damit zumindest der Öffentlichkeit die Möglichkeit genommen, zu überprüfen, ob die von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 18. März 1999, d. h. nach der mündlichen Verhandlung, eingereichten Unterlagen, die von der Einspruchsabteilung als Basis für die schriftliche Abfassung der angefochtenen Entscheidung verwendet wurden, tatsächlich denselben Inhalt haben wie die Unterlagen, die in der mündlichen Verhandlung diskutiert wurden und zur verkündeten Entscheidung geführt haben.

7.4. Die Kammer stellt fest, daß die von der Beschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 25. Februar 2000 eingereichten Kopien einer handschriftlichen Version der Ansprüche 1 und 2, datiert mit 5.III.99, mit den zur angefochtenen Entscheidung gehörenden, mit Schreiben vom 18. März 1999 eingereichten Ansprüchen 1 und 2 übereinstimmt.

Die Beschwerdeführerin führte aus, daß diese Version nicht genau mit der Fassung, die sie aus der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung in Erinnerung hat, übereinstimme. Sie verzichte allerdings aus Effizienzgründen auf ihren Antrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz zur Feststellung der genauen Fassung der Ansprüche. Für die weitere Diskussion im Beschwerdeverfahren reiche diese Fassung der Ansprüche und Beschreibung aus.

Die Kammer sieht keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß die mit "5.III.99" datierte handschriftliche Fassung der Ansprüche 1 und 2 die tatsächlich in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diskutierte Fassung dieser aufrechterhaltenen unabhängigen Ansprüche ist.

7.5. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß im vorliegenden Fall eine Zurückverweisung an die erste Instanz der Verfahrensökonomie nicht dient und die vorliegende Beschwerde ohnehin nicht durch den oben genannten Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung veranlaßt war, wäre ein Aufheben der angefochtenen Entscheidung und eine Zurückverweisung an die erste Instanz nicht angebracht. Deshalb würde auch eine Zurückerstattung der Beschwerdegebühr nicht der Billigkeit entsprechen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

Seiten 1 und 2 (handschriftlich numeriert), eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2001, Seiten 4 bis 8 gemäß Zwischenentscheidung der 1. Instanz,

Ansprüche:

1. bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2001, 8. bis 24 gemäß Zwischenentscheidung der 1. Instanz,

Figuren:

Seiten 1/2 und 2/2 gemäß Zwischenentscheidung der 1. Instanz.

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