European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T067999.20020206 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Februar 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0679/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93924052.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B05D 7/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Pulverklarlack und Verfahren zur Herstellung einer mehrschichtigen Lackierung | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF Coatings Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 01) Du Pont Performance Coatings GmbH & Co.KG 02) PPG Industries, Inc. |
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Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit (ja) Zurückverweisung (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 0 666 779 Beschwerde eingelegt.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die während der mündlichen Verhandlung als einziger Antrag der Patentinhaberin neu eingereichten Ansprüche 1 bis 6, insbesondere Anspruch 1, wegen Mangels an Klarheit den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ nicht entsprächen.
II. Am 6. Februar 2002 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
i) Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 6, wie eingereicht am 15. März 1999, hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Prüfung.
ii) Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin, hilfsweise Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Prüfung.
III. Die zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebende Fassung des unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung einer mehrschichtigen Lackierung auf einer Substratoberfläche, bei dem
(1) ein pigmentierter Basislack auf die Substratoberfläche aufgebracht wird,
(2) aus dem in Stufe (1) aufgebrachten Lack ein Polymerfilm gebildet wird,
(3) auf die so erhaltene Basisschicht ein Pulverklarlack aufgebracht wird, welcher eine Korngrößenverteilung aufweist, bei der
a) höchstens 15 Gew.-% der Pulverklarlackteilchen eine Korngröße aufweisen, die kleiner als 10µm ist,
b) für mindestens 40 Gew.-% der Pulverklarlackteilchen der Zehnerlogarithmus des Quotienten aus der größten und der kleinsten Korngröße kleiner oder gleich 0,25 ist und
c) mindestens 98 Gew.-% der Pulverklarlackteilchen eine Korngröße aufweisen, die kleiner als 100µm ist,
wobei die mittlere Korngröße der in b) definierten Pulverklarlackteilchen d + 0,2 d beträgt, wobei d für die mittlere Schichtdicke der mit dem Pulverklarlack herzustellenden eingebrannten Pulverklarlackschicht steht und die mittlere Korngröße mit einem Laserbeugungsspektrometer ermittelt wird, und anschließend
(4) die Basisschicht zusammen mit der Pulverklarlackschicht eingebrannt wird."
IV. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die anspruchsgemäße Bedingung
"mittlere Korngröße = d + 0,2 d, wobei d für die mittlere Schichtdicke der mit dem Pulverklarlack herzustellenden eingebrannten Pulverklarlackschicht steht"
sei nicht isoliert zu sehen, sondern im Zusammenhang mit den anspruchsgemäßen Merkmalen a), b) und c). Das Merkmal a) lege die untere Grenze und das Merkmal c) die obere Grenze der Korngröße fest. Damit sei die mittlere Korngröße zumindest der Größenordnung nach eingegrenzt. Das Merkmal b) werde in dem Bereich, der durch die untere Grenze a) und die obere Grenze c) gegeben ist, "abgegriffen". Es besage sinngemäß, daß nach dem besonders flachen Anstieg ein besonders steiler Anstieg der Summenverteilungskurve in Abhängigkeit von der Korngröße innerhalb der Grenzen a) und c) erfolge. Hierdurch werde auch festgelegt, daß die mittlere Korngröße innerhalb dieses Bereichs liegen müsse.
Die Tatsache, daß es innerhalb der Grenzen der erfindungsgemäßen Merkmale möglicherweise zu einer Vielzahl von erfindungsgemäß verwendbaren Pulverklarlacken komme, könne der Klarheit des Anspruchs 1 keinen Abbruch tun.
Der Anspruch 1 sei daher klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ.
V. Die Beschwerdegegnerinnen haben im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Gemäß Anspruch 1 werde die mittlere Korngröße des Pulverklarlacks in Abhängigkeit von der mittleren Schichtdicke d der eingebrannten Pulverklarlackschicht bestimmt. Da die mittlere Schichtdicke d der eingebrannten Pulverklarlackschicht von mehreren Einflußparametern (wie z. B. von der aufgetragenen Pulverklarlackmenge pro Flächeneinheit, der chemischen Zusammensetzung, der Einbrenntemperatur und der mittleren Korngröße der Pulverklarlackteilchen) abhängig sei, existierten unendlich viele verschiedene Werte für die mittlere Korngröße, mit welchen bei einem Verfahren gemäß Anspruch 1 und bei entsprechender Veränderung der o. g. Einflußfaktoren nach dem Einbrennen dieselbe mittlere Schichtdicke d der eingebrannten Pulverklarlackschicht erzielt werde. Der Schutzbereich des Anspruchs 1 sei daher hinsichtlich der mittleren Korngröße der Pulverklarlackteilchen nicht eingrenzbar bzw. völlig unbestimmt und somit unklar.
Aus diesem Grund sei auch die Lage der oberen und unteren Grenzen des im Merkmal b) des Anspruchs 1 definierten Bereichs von mindestens 40 Gew.-% der Pulverklarlackteilchen und somit die Korngrößenverteilung insgesamt unbestimmt.
In der gesamten Offenbarung fehle jegliche Zahlenangabe über die Schichtdicke d der eingebrannten Pulverklarlackschicht. Die im einzigen Beispiel des Streitpatents offenbarten Film- bzw. Schichtdicken bezögen sich nicht auf die eingebrannte Lackschicht.
Da es bekannt sei, daß beim Einbrennen eine beträchtliche Schrumpfung der aufgetragenen Pulverlackschichten stattfände, könne eine Korrelation der mittleren Korngröße der Pulverklarlackteilchen mit der Dicke der eingebrannten Pulverklarlackschicht keine eindeutige und klare Lehre für den Fachmann darstellen.
Der Anspruch 1 erfülle daher nicht das Erfordernis der Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Klarheit der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ)
Der Verfahrensanspruch 1 besteht aus zwei Teilen, wobei der erste Teil die Verfahrenschritte (1), (2), (3) und (4) und der zweite Teil Eckwerte der Pulverklarlack- teilchenverteilung in Form der Merkmale a), b) und c) beinhaltet.
Das Merkmal a) legt den Anteil an Feinstpulver in dem zu verwendenden Pulverklarlack fest.
Das Merkmal c) bestimmt die obere Grenze der Korngröße der Pulverklarlackteilchen.
Das Merkmal b) besteht aus zwei Teilmerkmalen:
Der erste Teil des Merkmals b) besagt, daß innerhalb des Bereiches der Korngröße von 10 µm und 100 µm eine Fraktion von mindestens 40 Gew.-% der Pulverklarlackteilchen vorhanden sein muß, bei welcher der Zehnerlogarithmus des Quotienten aus der größten und der kleinsten Korngröße kleiner oder gleich 0,25 ist. Dadurch wird in dem von den Merkmalen a) und c) eingegrenzten Bereich der Korngröße der Pulverklarlackteilchen eine untere Grenze für die Steilheit der Summenverteilungskurve der Pulverklarlackteilchen in Abhängigkeit von der Korngröße angegeben.
Der zweite Teil des Merkmals b) des Anspruchs 1 bestimmt, daß die mittlere Korngröße einer Fraktion der Pulverklarlackteilchen, welche die Bedingungen des ersten Teils des Merkmals b) erfüllt, d + 0,2 d betragen soll, wobei d die mittlere Schichtdicke der eingebrannten Pulverklarlackschicht ist.
Der Ansicht der Beschwerdegegnerinnen, daß die anspruchsgemäße Zuordnung der mittleren Korngröße der Pulverklarlackteilchen zur Dicke der eingebrannten Klarlackschicht den Anspruch 1 unklar mache, vermag die Kammer nicht zu folgen.
Der zweite Teil des Merkmals b) des Anspruchs 1 gibt eindeutig an, welches Verhältnis zwischen der mittleren Korngröße und der mittleren Schichtdicke d bei dem im Verfahrensanspruch 1 benutzten Pulverklarlack gelten soll. Die Tatsache, daß für verschiedene Werte der mittleren Korngröße der Pulverklarlackteilchen, bei entsprechender Veränderung verschiedener Einflußparameter, wie z. B. a) aufgetragene Menge pro Flächeneinheit an Pulverklarlackteilchen, b) die chemische Zusammensetzung der Pulverklarlackteilchen und c) die Einbrenntemperatur, nach dem Einbrennen ein- und dieselbe mittlere Schichtdicke d erzielbar ist, ist für die Klarheit der Aussage des zweiten Teils des Merkmals b) unerheblich.
Es ist für den Fachmann selbstverständlich, daß die o. g. Einflußparameter so eingestellt werden müssen, daß das im Anspruch 1 angegebene Verhältnis erfüllt ist. Diese Parameter können durch routinemäßige Versuchsverfahren entsprechend eingestellt werden. Aus der möglichen Vielzahl der verschiedenen Paare mittlere Korngröße/mittlere Schichtdicke fallen unter den Schutzumfang des Anspruchs 1 nur diejenigen, welche die Erfordernisse der Merkmale a), b) und c) des Anspruchs 1 erfüllen.
Auch der Argumentation, daß die Lage der oberen und unteren Grenze des im ersten Teil des Merkmals b) genannten Bereichs von mindestens 40 Gew.-% der Pulverklarlackteilchen und somit die Korngrößenverteilung der Pulverklarlackteilchen völlig unbestimmt bzw. nicht klar sei, kann sich die Kammer nicht anschließen.
Der erste Teil des Merkmals b) ist auf den Zehnerlogarithmus des Quotienten aus der größten und der kleinsten Korngröße der Pulverklarlackteilchen gerichtet. Dieser erste Teil des Merkmals b) legt eine untere Grenze der Steilheit der Summenverteilungskurve der Pulverklarlackteilchen in Abhängigkeit von der Korngröße innerhalb des durch die Merkmale a) und c) definierten Bereichs fest. Da auch die mittlere Korngröße anhand des zweiten Teils des Merkmals b) in Abhängigkeit von der eingebrannten Pulverklarlackschichtdicke sich innerhalb eines definierten Wertebereichs bestimmen läßt, ist für den Fachmann klar, in welchem Abschnitt der Summenverteilungskurve der Pulverklarlackteilchen sich der im ersten Teil des Merkmals b) genannte Bereich von mindestens 40 Gew.-% befindet.
Daß dies eine für den Fachmann klare Situation beschreibt, zeigt auch die von der Beschwerdegegnerin I in ihrem am 18. März 1997 eingegangenen Einspruchsschriftsatz unter Ziffer 2.2. ausgeführte Berechnung des Zehnerlogarithmus des Quotienten aus der größten und der kleinsten Korngröße einer Pulverklarlackteilchenverteilung aus einem bekannten Stand der Technik. Diese Berechnung wurde ohne den Gebrauch zusätzlicher Information, was die obere und untere Grenze bzw. die mittlere Korngröße der Pulverklarlackteilchen betrifft, aus dem Anspruch durchgeführt.
Auch das Fehlen von konkreten Zahlenwerten über die mittlere Schichtdicke d im Streitpatent bedingt keine Unklarheit des Schutzumfangs des Anspruchs 1. Denn aus den Zahlenangaben gemäß den Merkmalen a) und c) und aus der Korrelation gemäß dem zweiten Teil des Merkmals b) des Anspruchs 1, entnimmt der Fachmann, daß beim Verfahren gemäß Anspruch 1 sich die Werte der mittleren Schickdicke für die eingebrannte Pulverklarlackschicht in einem Größenordnungsbereich zwischen 10 µm und 100 µm bewegen müssen.
Aus diesen Gründen ist der Anspruch 1 klar und erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Das gleiche gilt auch für die abhängigen Ansprüche 2 bis 6, deren Klarheit von den Beschwerdegegnerinnen nicht in Frage gestellt worden ist.
2. Zurückverweisung an die erste Instanz
Da die Einspruchsabteilung über die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) und b) EPÜ noch keine Entscheidung getroffen hat, hält es die Kammer für geboten, die Angelegenheit in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.