T 0666/99 () of 1.4.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T066699.20030401
Datum der Entscheidung: 01 April 2003
Aktenzeichen: T 0666/99
Anmeldenummer: 94909118.5
IPC-Klasse: E02F 05/02
E02D 17/13
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum exakten Einhalten der vertikalen Aushubrichtung einer Schlitzwand
Name des Anmelders: STAHL- UND APPARATEBAU HANS LEFFER GmbH
Name des Einsprechenden: Bauer Spezialtiefbau GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
Schlagwörter: Verspätete Änderung der Patentansprüche und Einreichung von Hilfsanträgen in der mündlichen Verhandlung - nicht zugelassen
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. März 1999, zur Post gegeben am 26. April 1999, den auf den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gestützten Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 690 943 zurückzuweisen. Die Einsprechende (im folgenden Beschwerdeführerin) hat am 29. Juni 1999 die Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr gezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 6. September 1999 eingegangen.

II. Das Patent enthält zwei unabhängige Ansprüche 1 und 4 und davon jeweils abhängige Ansprüche 2 und 3 bzw. 5 bis 7. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 haben den folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum exakten Einhalten der vertikalen Aushubrichtung einer Schlitzwand (40) unter Verwendung eines mit einem Bagger zusammenwirkenden hydraulischen Schlitzwandgreifers, dessen vertikale Lage kontinuierlich durch einen Neigungsdetektor überwacht wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Schlitzwandgreifer mit einem äußeren Führungskörper (11) und einem die Greifervorrichtung aufnehmenden Innenkörper (10), versehen ist, und daß die vertikale Lage des Innenkörpers (10) und/oder des Führungskörpers (11) überwacht und dessen Signale auf eine Regeleinrichtung übertragen werden, welche im Falle einer Abweichung der Körper von der vorgegebenen vertikalen Richtung diese durch eine der Abweichung entgegengesetzt gerichtete Schwenkbewegung des Innenkörpers (10) relativ zum Führungskörper (11) kompensiert."

"4. Vorrichtung zum exakten Einhalten der vertikalen Aushubrichtung einer Schlitzwand (40) mit einem hydraulischen Schlitzwandgreifer und einem diesem zugeordneten Führungskörper (11), wobei dieser in der Breite des Greiferschaufeln (1) ausgebildet ist und am Kopfende ein Geschirr zum Anhängen an eine Tragseilanordnung oder an ein Teleskopgestänge aufweist, gekennzeichnet durch die Merkmale:

- daß der Führungskörper (11) als äußerer Rahmen (12) ausbildet (sic!) ist, in welchem ein Innenkörper (10) mit daran angelenkten Greiferschaufeln (1) und deren hydraulischer Betätigungsvorrichtung (2) angeordnet ist;

- daß der Innenkörper (10) im Führungskörper (11) mittels horizontaler in Richtung der Schlitzwand (40) angeordneter Lagerzapfen (20) quer zum vertikalen Verlauf der Schlitzwand (40) schwenkbar angelenkt ist;

- daß zwischen dem Führungskörper (11) und dem Innenkörper (10) hydraulische Verschwenkungsmittel (30) vorgesehen sind;

- daß am Innenkörper (10) und/oder am Führungskörper (11) ein Lagedetektor (25) zum Überwachen der vertikalen Lage angeordnet ist und der Bagger eine von diesem beherrschte Regeleinrichtung zur Betätigung der Verschwenkungsmittel (30) aufweist."

III. Als Stand der Technik wurden im Verfahren insbesondere die folgenden Druckschriften berücksichtigt:

D1: DE-C-36 15 068

D2: JP-A-56-77423, erste und letzte Seite, mit der von der Beschwerdeführerin vorgelegten deutschen Übersetzung (D3) der gesamten Schrift

D5: EP-A-0 109 907

IV. Mit einem Bescheid vom 11. Dezember 2001 und einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 18. Juli 2002 hatte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage und dabei insbesondere ihre Bedenken hinsichtlich der Patentfähigkeit des Anspruchs 1 zur Kenntnis gebracht. Die mündliche Verhandlung fand am 1. April 2003 statt. In dieser Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) erstmals den Antrag gestellt, den erteilten Anspruch 1 durch einen geänderten Anspruch zu ersetzen, bei dem zwischen die Worte "aufnehmenden" und "Innenkörper" ein Komma und der Text "im Führungskörper schwenkbar angelenkten" eingefügt wird und der Text "des Führungskörpers (11) überwacht und dessen Signale" durch "des Führungskörpers (11) durch einen Neigungsdetektor überwacht wird, dessen Signale" ersetzt wird.

Diese Antragsänderung wurde von der Kammer als verspätet abgelehnt. Die Einreichung zweier weiterer Hilfsanträge, die eine Kombination des Verfahrensanspruchs mit weiteren Vorrichtungsmerkmalen des Anspruchs 4 (Hilfsantrag I) bzw. die Streichung der Verfahrensansprüche 1 bis 3 (Hilfsantrag II) zum Gegenstand hatten, wurde aus dem gleichen Grund nicht zugelassen.

V. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Im schriftlichen Verfahren hat sie im wesentlichen die folgenden Argumente zur Stützung ihres Antrags vorgebracht:

Beim Verfahrensanspruch 1 komme es nicht auf das von der Einspruchsabteilung herausgestellte Vorrichtungsmerkmal des im Führungskörper liegenden Innenkörpers, sondern nur auf die Lehre an, das Trägerelement für den Greifer relativ zu einem ortsfesten Element beweglich anzuordnen und in Abhängigkeit von Messwerten Korrekturbewegungen durchzuführen. Diese Lehre sei aber sowohl aus der D1 als auch aus der D2 in Verbindung mit der D3 zu entnehmen, insbesondere wenn man als den zutreffenden Fachmann einen Diplomingenieur mit langjähriger Berufserfahrung in Betracht ziehe. Bei der D1 erzeuge ein äußerer Führungsrahmen einen ortsfesten Bezugspunkt, relativ zu dem ein innenliegender Greiferrahmen längsbeweglich geführt werde. Der Führungsrahmen stehe im Kontakt mit dem Erdreich, während der Greiferrahmen für die Relativbewegung beabstandet zum Erdreich und damit "innenliegend" sein müsse. Bei der D2/D3 liege das die Greifervorrichtung aufnehmende Bauteil weiter innen als der Führungsrahmen und stelle daher einen Innenkörper dar, der zur Grabungskorrektur verschwenkt werden könne. Eine Regelung der Grabungsrichtung mit Meßwertaufnahme und Rückkopplung sei aus beiden Druckschriften bekannt, wobei die genaue Ausbildung der Meßeinrichtung zweitrangig sei.Ein Unterschied könne daher allenfalls darin gesehen werden, daß aus der D2/D3 eine intermittierende und keine kontinuierliche Neigungsüberwachung und -korrektur entnehmbar sei. Dies sei aber eine geläufige Maßnahme und werde auch durch die kontinuierliche Neigungsanzeige bei der D1 oder die kontinuierliche Ermittlung der Neigung des Bohrkopfs bei der D5 nahegelegt.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin noch auf folgendes hingewiesen:

Der Gegenstand von Anspruch 1 und Anspruch 4 sei neuheitsschädlich aus der D2/D3 vorbekannt. Der bekannte Schlitzwandgreifer sei gemäß Seite 5, 2. Absatz, der D3 hydraulisch betätigt und weise einen Führungskörper (19) auf, der in der aus den Figuren ersichtlichen Weise der Breite der Greiferschaufeln entspreche und an einem Teleskopgestänge befestigt sei. Betrachte man den unteren Ansatz am Führungskörper mit dem Querstift (20) als Teil des Führungskörpers, was gemäß Satz 3 des zweiten Absatzes der Seite 6 von D3 zulässig sei, so sei auch das die Greiferschaufeln tragende Teil als "Innenkörper" über den horizontalen Querstift als Lagerbolzen am Führungskörper angelenkt und rage zumindest mit dem Lagerbereich in den Führungskörper hinein. Der Hydraulikzylinder (22) bilde die zwischen dem Innenkörper und dem Führungskörper vorgesehenen Verschwenkungsmittel und der am Führungskörper (19) befestigte Prüfdraht (13) entspreche einem Lagedetektor, der über den Hängekörper (11) einen Neigungsmesser (16) beaufschlage, dessen Signale gemäß dem die Seiten 2 und 3 übergreifenden Text der D3 einem eine Regeleinrichtung bildenden Computer zur Drehung bzw. Verschwenkung zugeleitet würden. Obwohl nach dem die Seiten 7 und 8 übergreifenden Absatz der D3 die Messung in bestimmten vorgegebenen Tiefen erfolgen solle, ergebe sich insofern kein Unterschied zur kontinuierlichen Überwachung gemäß Anspruch 1 des Patents, da diese nach technischem Verständnis ebenfalls regelmäßig in diskreten Abständen und nicht permanent erfolge.

Sollte in der Anlenkung des Innenkörpers im Führungskörper und in der kontinuierlichen Messung ein Unterschied gesehen werden, so sei dieser nicht erfinderisch, da der Fachmann im Hinblick auf die D5 eine Verlängerung des Führungskörpers derart, daß die Anlenkung des Innenkörpers im Führungskörper liege, bei erhöhten Stabilitätserfordernissen, beispielsweise beim Anhängen an ein Kranseil, wählen und die störanfällige und aufwendige Meßmethode bei der D3 durch eine zum Zeitpunkt des Prioritätstags des Patents gängige, modernere Neigungsmessung ersetzen werde, wie sie aus der D1 oder der D5 bekannt gewesen seien.

Die Änderung der Anträge durch die Beschwerdegegnerin sei verspätet, da sie aufgrund der Bedenken gegen die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 erfolgt sei, die aber bereits seit dem ersten Bescheid der Kammer vom 11. Dezember 2001 bekannt gewesen seien.

VI. Im schriftlichen Verfahren hat sich die Beschwerdegegnerin im wesentlichen auf die folgenden Argumente gestützt:

Bei der D1 sei der Greiferrahmen im Führungsrahmen nur vertikal verschiebbar gelagert, sodaß keine Verschwenkung zur Neigungskorrektur zwischen beiden Rahmen möglich sei. Diese Korrektur werde vielmehr durch Steuerung der einzelnen Druckplatten am Führungsrahmen vorgenommen. Bei der D2/D3 seien nur die Baggereimer verschwenkbar, wobei die entsprechende Verschwenkeinrichtung unterhalb und nicht innerhalb des Führungskörpers angeordnet sei. Ferner solle die Neigungsmessung mittels eines Prüfdrahts, die intermittierend in Form einer Steuerung und nicht als kontinuierliche Regelung erfolge, eine Gesamtabweichung von der Vertikalrichtung unabhängig von der momentanen Neigung zur Vertikalen ermitteln, sodaß ein Ersatz dieser Messung durch einen Neigungsmesser einen Rückschritt darstelle und daher vom Fachmann nicht in Betracht gezogen werde. Die kontinuierliche Kompensation durch die Regelung der Schwenkbewegung beim Patent stelle dagegen einen enormen technischen Fortschritt dar.

In der mündlichen Verhandlung hat sie ferner noch folgendes vorgebracht:

Bei einer Interpretation der Ansprüche in Übereinstimmung mit der Patentschrift ergebe sich, daß der "Innenkörper" im Führungskörper angeordnet und angelenkt sein müsse und allenfalls unwesentlich über den Führungsrahmen hinausstehe. Damit liege kein Interpretationsspielraum derart vor, daß das die Baggereimer aufnehmende, schwenkbare Teil der D2/D3 einen Innenkörper im Sinne des Anspruchs 1 darstelle. Vielmehr würden dort nur die Baggereimer verschwenkt. Auch sei das vom Führungskörper (19) unten abstehende Teil nicht Teil des Führungskörpers, sondern das untere Ende des Innenkalibers als Bestandteil des Teleskopgestänges, sodaß sich auch die Schwenkachse (20) nicht im Führungskörper befinde. Deshalb sei der Einwand der mangelnden Neuheit nicht zutreffend.

Mit der Anlenkung im Führungkörper werde bei der Erfindung die Stabilität des Gesamtsystems erhöht, beispielsweise bei Aufhängung an einem Tragseil, während eine Anlenkung unterhalb des Führungskörpers wie bei der D2/D3 nur für teleskopierbare Kaliber geeignet sei. Die kontinuierliche Messung gemäß Anspruch 1 definiere eine praktisch ununterbrochene Arbeitsweise der Neigungsüberwachung, sodaß Abweichungen unverzüglich erkannt und korrigiert werden könnten. Die intermittierende Arbeitsweise der D3 führe dagegen zu Fehlgrabungen, die nachträglich behoben werden müßten.

Die Änderung der Anträge sei nicht verspätet, da erst durch die während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente klar geworden sei, daß Anspruch 1 in der erteilten Fassung möglicherweise keinen Bestand haben könne.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Vorrichtungsansprüche 4 bis 7 richtet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde genügt den Erfordernissen der Regel 65(1) EPÜ und ist somit zulässig.

2. Neuheit

2.1. Der Einwand mangelnder Neuheit wurde von der Beschwerdeführerin erst im Beschwerdeverfahren erhoben. Gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 0007/95 (ABl. 1996, 626) handelt es sich damit um einen neuen Einspruchsgrund, der nicht ohne das Einverständnis der Beschwerdegegnerin in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden darf. Da die Beschwerdegegnerin sich nicht gegen diesen neuen Einspruchsgrund ausgesprochen hat, sondern im Gegenteil hierzu in der Sache Stellung genommen hat, kann von einem stillschweigenden Einverständnis ausgegangen werden. Im übrigen könnte die entsprechende Argumentation der Beschwerdeführerin, die in diesem Fall den Neuheitseinwand auf den nächstliegenden Stand der Technik, nämlich die D2/D3, stützt, gemäß dieser Entscheidung der großen Beschwerdekammer bei der Entscheidung über den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit in Betracht gezogen werden.

2.2. Im Hinblick auf die D2 bzw. die D3 argumentiert die Beschwerdeführerin im wesentlichen, daß hieraus sowohl die Anlenkung des Innenkörpers im Führungskörper gemäß Anspruch 4 als auch die kontinuierliche Neigungsüberwachung gemäß Anspruch 1 bekannt sei. So könne man im Hinblick auf Satz 3 des zweiten Absatzes der Seite 6 von D3 den unteren Ansatz am Führungskörper (19) mit dem Querstift (20) als Teil des Führungskörpers, ansehen, womit das die Greiferschaufeln tragende Teil als "Innenkörper" über den horizontalen Querstift als Lagerbolzen am Führungskörper angelenkt sei und zumindest mit dem Lagerbereich in den Führungskörper hineinrage. Die Neigungsüberwachung erfolge mit dem am Führungskörper befestigten Prüfdraht (13) in bestimmten vorgegebenen Tiefen, woraus sich aber insofern kein Unterschied zur kontinuierlichen Überwachung gemäß Anspruch 1 des Patents ergebe, da diese nach technischem Verständnis ebenfalls regelmäßig in diskreten Abständen und nicht permanent erfolge.

2.3. Beide Argumente sind nicht überzeugend. Es ist schon fraglich, ob das beispielsweise in Figur 3 der D3 gezeigte, vom Führungskörper (19) nach unten hervorstehende und den Querstift (20) tragende Teil als Teil des Führungskörpers oder des Innenkalibers anzusehen ist. Die entsprechenden Aussagen in den Sätzen 3 und 4 des zweiten Absatzes der Seite 6 von D3 sind in dieser Hinsicht widersprüchlich. Doch selbst wenn man dieses Teil zum Führungskörper rechnen würde, wäre das am Querstift 20 angelenkte und die Baggereimer tragende Bauteil kein im Führungskörper angeordneter Innenkörper, da er zum größten Teil außerhalb dieses Teils liegt. Hierin liegt auch der Unterschied zu den Ausführungbeispielen des Patents, bei denen der Innenkörper zwar mit dem die Greifer tragenden Ende aus dem Führungskörper herausragt, aber doch im wesentlichen innerhalb des Führungskörpers angeordnet ist.

Die Neigungsüberwachung erfolgt bei der D3 "in bestimmten Abständen von beispielsweise 5m, 10m, 15m oder dergleichen" (siehe den die Seiten 7 und 8 überspannenden Absatz der D3). Es handelt sich also um ein intermittierendes Verfahren, bei dem jeweils nach einer festgelegten Mehrzahl von Grabungsvorgängen in vorgegebenen Tiefen eine Messung und gegebenenfalls Korrektur vorgenommen wird. Dies entspricht nicht der kontinuierlichen Überwachung gemäß Anspruch 1, mit der eine Abweichung von der Vertikalrichtung unverzüglich erkannt und kompensiert werden soll (siehe Seite 2, Zeilen 27 bis 30, des Patents). Auch wenn diese kontinuierliche Überwachung technisch in diskreter Weise und in kurzen Abständen vorgenommen wird, sind damit diese Abstände nur durch die Meßwertaufnahme und -übertragung und nicht durch Tiefenabstände vorgegeben. Die Überwachung soll damit praktisch fortlaufend ohne Unterbrechung der Grabung und ohne Festlegung auf bestimmte Tiefen erfolgen.

2.4. Der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 4 gilt damit als neu.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Unstrittig ist als nächstkommender Stand der Technik die Druckschrift D2 bzw. deren englische Übersetzung D3 anzusehen, die ebenfalls einen mit einem Bagger zusammenwirkenden hydraulischen Schlitzwandgreifer mit Überwachung und gegebenenfalls Korrektur der vertikalen Aushubrichtung betrifft. Hierzu ist der bekannte Schlitzwandgreifer an einem Teleskopgestänge des Baggers mit Innenkaliber (17) und Außenkaliber (8) befestigt und umfaßt einen das untere Ende des Innenkalibers umgebenden Führungskörper (19) sowie eine darunter angebrachte Vorrichtung zum seitlichen Verschwenken der Greifervorrichtung bzw. der Baggereimer (21) um eine von einem Querstift (20) gebildete horizontale Achse relativ zum Innenkaliber bzw. Führungskörper. Diese Vorrichtung enthält in der aus den Figuren ersichtlichen Weise ein am Querstift (20) angelenktes Teil, an dem die Baggereimer befestigt sind und ein Hydraulikzylinder (22) zum Verschwenken angreift. Dieses Teil liegt von allen Seiten gesehen weiter innen als der allseits auskragende Führungskörper, was auch durch die Verschwenkungmöglichkeit in der Schlitzwand notwendig ist, sodaß es gegenüber dem "äußeren" Führungskörper als ein "Innenkörper" bezeichnet werden kann.

Dies war von der Beschwerdegegnerin mit dem Argument bestritten worden, daß es aus der Beschreibung insbesondere der Ausführungsbeispiele des Patents zweifelsfrei hervorgehe, daß der Innenkörper innerhalb des Führungsrahmens angeordnet sein müsse, und daß daher kein Interpretationsspielraum für eine andere Auslegung des Begriffs des Innenkörpers bestehe. Dieses Argument, auf das sich ebenfalls die angefochtene Entscheidung gestützt hatte, ist aber nicht überzeugend. Eine Auslegung eines Begriffs im Anspruch durch Rückgriff auf die Beschreibung ist im Hinblick auf Artikel 69 EPÜ nur bei Unklarheit des Begriffs möglich, die hier nicht vorliegt und auch nicht geltend gemacht wurde, sodaß eine Einschränkung dieses allgemeinen Begriffs auf die beabsichtigte engere Bedeutung eine entsprechende Definition im Anspruch erfordert hätte, die aber nicht vorhanden ist.

3.2. Die Überwachung und Korrektur der vertikalen Aushubrichtung erfolgt beim bekannten Stand der Technik gemäß Seite 7 unten bis Seite 8, zweiter Absatz, der D3 dadurch, daß in bestimmten Tiefenabständen ein an der Führung für das Teleskopgestänge pendelnd aufgehängter Hängekörper mittels eines zwischen diesem und dem Führungsrahmen gespannten Prüfdrahts in Grabungsrichtung ausgerichtet und diese Richtung mittels eines am Hängekörper angebrachten Neigungsmessers (16) ermittelt wird. Gemäß den letzten Merkmalen im Patentanspruch von D3 wird der ermittelte Neigungswert in einen Computer eingegeben und durch eine gegebenenfalls "automatische, leichte Drehung" der Baggereimer die Grabungsrichtung korrigiert. Der Computer wirkt damit als Regeleinrichtung, die in der auf Seite 8 und 9 im Zusammenhang mit Figur 5 beschriebenen Weise eine Abweichung von der vertikalen Grabungsrichtung ermittelt und in Abhängigkeit von dieser Abweichung eine Schwenkbewegung des Innenkörpers mit der Greifervorrichtung bewirkt, wobei diese Schwenkbewegung entgegengesetzt gerichtet sein muß, um die beabsichtigte Korrektur der Abweichung zu bewirken.

3.3. Ein Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem Stand der Technik kann damit nur darin gesehen werden, daß beim Anspruch 1 die Überwachung der vertikalen Lage kontinuierlich erfolgt, während sie beim Stand der Technik intermittierend in festgelegten Tiefen stattfindet. Dieser Unterschied kann jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen. Der Fachmann wird nämlich anhand der offensichtlichen Nachteile des bekannten Verfahrens, bei dem die Grabung zur Messung unterbrochen werden muß, ein durch das Spannen des Prüfdrahts recht aufwendiges und störanfälliges Meßverfahren angewendet wird und zudem eine bereits eingetretene Abweichung nur nachträglich korrigiert werden kann, ein geeigneteres Verfahren suchen, mit dem diese Nachteile vermieden und die Einhaltung der exakten Vertikalrichtung genauer, einfacher und schneller durchgeführt werden kann.

Hierfür bietet es sich an, einen direkt am auszurichtenden Gegenstand, also dem Führungskörper oder dem Innenkörper, angebrachten Neigungsmesser zu verwenden, wie dies aus der D1 und der D5 ebenfalls im Zusammenhang mit der Einhaltung einer vertikalen Aushubrichtung bei der Erzeugung einer Schlitzwand bekannt ist (siehe D5, Spalte 5, Zeilen 26 bis 28, und D5, Seite 5, Zeilen 4 bis 9). Diese Neigungsmesser dienen der kontinuierlichen Überwachung der Vertikallage, sodaß eine eventuelle Korrektur durch Verschwenken der Greifervorrichtung unverzüglich erfolgen kann, ohne eine größere Abweichung abwarten und den Grabungsbetrieb unterbrechen zu müssen. Ein Einsatz derartiger kontinuierlicher Neigungsmesser beim Verfahren nach der D2/D3 ist ohne Schwierigkeiten und ohne weitere Eingriffe möglich.

3.4. Die Beschwerdegegnerin argumentiert hiergegen, daß die intermittierende Neigungsmessung mittels des Prüfdrahts bei der D2/D3 eine Gesamtabweichung von der Vertikalrichtung unabhängig von der momentanen Neigung zur Vertikalen ermitteln solle, sodaß ein Ersatz dieser Messung durch einen Neigungsmesser einen Rückschritt darstelle und daher vom Fachmann nicht in Betracht gezogen werde. Dieses Argument verkehrt einen Nachteil der bekannten Methode in einen Vorteil. Die Ermittlung der Gesamtabweichung setzt nämlich bereits eine Fehlgrabung voraus, die offensichtlich eine genaue Einhaltung der Vertikalrichtung verhindert und damit einen Nachteil darstellt. Umso mehr wird der Fachmann nach einer Verbesserung suchen, die diesen Nachteil vermeidet.

3.5. Im Unterschied zu Anspruch 1 ist der auf eine Vorrichtung gerichtete Anspruch 4 nicht auf eine kontinuierliche Überwachung der Vertikallage beschränkt, sodaß die in den obenstehenden Absätzen 3.3 und 3.4 dargelegten Überlegungen zur erfinderischen Tätigkeit hier keine Rolle spielen. Der verbleibende Unterschied zum Gegenstand der D2/D3 liegt vielmehr darin, daß der Innenkörper in dem Führungskörper, der als Rahmen ausgebildet und an eine Tragseilanordnung oder an das Teleskopgestänge angehängt ist, angeordnet und angelenkt ist.

Auch diese Maßnahme kann jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen. Es ist dem Fachmann nämlich bekannt, daß der Schlitzwandgreifer entweder wie bei der D2/D3 am unteren Ende eines Teleskopgestänges befestigt oder wie bei der D1 oder der D5 mittels eines Kopfgeschirrs über ein Tragseil angehängt werden kann. Bei der D5 handelt sich zwar um eine Schlitzwandfräse, für die aber bezüglich der vertikalen Ausrichtung die gleichen Probleme und Überlegungen gelten. Bei der Befestigung am Teleskopgestänge sind die Anforderungen an die Führung des Schlitzwandgreifers in der Schlitzwand naturgemäß geringer, da der Greifer bereits durch das Teleskopgestänge ausgerichtet und stabilisiert wird. Ein über ein Tragseil angehängter Schlitzwandgreifer erfordert dagegen eine verbesserte Führung, die wie bei der D1 und der D5 durch einen längeren Führungsrahmen mit oder ohne zusätzliche Führungselemente erhalten werden kann.

Soll nun der Schlitzwandgreifer der D2/D3 für die Aufhängung an einem Tragseil modifiziert werden, so wird der Fachmann daher den Führungskörper 19 entsprechend verlängern, um die erforderliche Stabilität zu erhalten. Bei einer derartigen Verlängerung gibt es nur zwei Möglichkeiten für die Anlenkung des Innenkörpers: entweder sie verbleibt wie bei der D2/D3 unterhalb des Führungskörpers oder der Führungskörper wird auch nach unten über die Anlenkung hinaus verlängert, wodurch der Innenkörper im Führungskörper angelenkt und auch zumindest der größte Teil des Innenkörpers im Führungskörper angeordnet ist. Der Fachmann wird zwischen beiden Möglichkeiten wählen, wobei die zweite sich aus praktischen Gründen, beispielsweise wegen der geringeren Bauhöhe, anbietet.

Der Gegenstand des Anspruchs 4 ergibt sich damit ausgehend von der D2/D3 aufgrund von fachüblichen Überlegungen unter Berücksichtigung der D1 bzw. der D5.

3.6. Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 4 der Patents in der erteilten Fassung beruht damit nicht auf erfinderischer Tätigkeit, sodaß das Patent zu widerrufen ist.

4. Anträge der Beschwerdegegnerin

4.1. Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, Anspruch 1 durch eine geänderte Fassung zu ersetzen. Die Änderungen betreffen zum einen die Aufnahme des auch im Anspruch 4 enthaltenen Merkmals, daß der Innenkörper im Führungskörper schwenkbar angelenkt ist, und zum anderen eine Klarstellung insofern, als sich das Wort "dessen" im Kennzeichen auf einen Neigungsdetektor beziehen soll.

Dieser Antrag wurde von der Beschwerdegegnerin gestellt, nachdem in der mündlichen Verhandlung die Beschwerdeführerin zur Patentfähigkeit der erteilten Ansprüche Stellung genommen und die Beschwerdegegnerin hierauf erwidert hatte. Im Hinblick auf Artikel 113 (1) EPÜ sollen Änderungen der Ansprüche so früh wie möglich eingereicht werden, mindestens aber vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung, um der anderen Seite ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ohne triftigen Grund verspätet, insbesondere kurz vor oder in der mündlichen Verhandlung, eingereichte Ansprüche können nach ständiger Praxis der Beschwerdekammern unberücksichtigt bleiben, wenn sie nicht eindeutig gewährbar sind (vgl. Singer/Stauder, EPÜ, Art. 110 Rdnr. 88 und weitere Rechtsprechungsnachweise in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 4. Auflage, Kapitel VII D, 14.2). Hier liegt weder ein triftiger Grund für das späte Einreichen vor, noch sind die beantragten Änderungen erfolgversprechend.

4.2. Zum Vorliegen eines triftigen Grunds für das späte Einreichen des geänderten Anspruchs 1 hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, daß ihr erst durch die während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente klar geworden sei, daß Anspruch 1 in der erteilten Fassung möglicherweise als nicht patentfähig angesehen werden könne. Dieses Argument läßt sich aber vor dem Hintergrund der tatsächlichen Umstände nicht halten. So wurden den Parteien bereits im Absatz 4 des Bescheids vom 11. Dezember 2001 die Gründe mitgeteilt, die gegen die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 zu sprechen scheinen, und auf den Unterschied zum Anspruch 4 verwiesen, bei dem auch noch die Anordnung und Anlenkung des Innenkörpers im Führungskörper eine Rolle spielt. Dieselben Punkte wurden im Absatz 2a) der Mitteilung vom 18. Juli 2001 nochmals angesprochen.

Der Beschwerdegegnerin hätte daher bereits wesentlich früher klar sein müssen, daß erhebliche Bedenken gegen den Anspruch 1 bestehen. Trotzdem hat sie keinen Anlaß gesehen, eine Änderung der Ansprüche, möglicherweise in Form eines Hilfsantrags, vorzunehmen. Dies kann durchaus auch als ein Zeichen dafür gesehen werden, daß sie das Patent nur in der erteilten Fassung zu verteidigen beabsichtigte, was eine Änderung dieses Antrags in der mündlichen Verhandlung eher überraschend erscheinen läßt.

Es trifft zwar zu, daß in der mündlichen Verhandlung zusätzlich zu den im schriftlichen Verfahren behandelten Argumenten von der Beschwerdeführerin eine erweiterte, auf mangelnde Neuheit im Hinblick auf die D2/D3 zielende Argumentation vorgebracht wurde. Diese neue Argumentation hat sich aber ebenso gegen den Gegenstand des Anspruchs 4 gerichtet, sodaß sie keineswegs einen Grund dafür bieten kann, den Anspruch 1 durch ein Merkmal einzuschränken, das in gleicher Form im Anspruch 4 enthalten ist.

Es liegt damit kein triftiger Grund dafür vor, den Antrag auf Änderung des Anspruchs 1 erst in der mündlichen Verhandlung zu stellen.

4.3. Auch kann die beantragte Anspruchsänderung nicht als erfolgversprechend angesehen werden. Inhaltlich wird damit das Verfahren auf die Verwendung eines Innenkörpers eingeschränkt, der im Führungskörper schwenkbar angelenkt ist. Es ist für das Verfahren selbst jedoch unerheblich, ob die schwenkbare Anlenkung des Innenkörpers mit der Greifervorrichtung am Führungskörper je nach Definition des Führungskörpers bei der D2/D3 gerade unterhalb oder am unteren Ende des Führungskörpers erfolgt, oder ob die entsprechende Schwenkachse bis in den Führungskörper hinein verschoben ist. In beiden Fällen ist der Führungskörper in seiner Lage durch die Wände der Schlitzwand fixiert und der Innenkörper wird zur Kompensation einer eventuellen Abweichung von einer Solllage verschwenkt.

4.4. Damit kann dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Änderung des Anspruchs 1 nicht stattgegeben werden.

4.5. Die von der Beschwerdegegnerin angekündigten, aber nicht vorgelegten Hilfsanträge I und II betreffen ebenfalls eine Änderung bzw. Streichung des Verfahrensanspruchs 1. Diese Anträge sind damit ebenso wie der zunächst geänderte Hauptantrag als eine verspätete Reaktion auf die Einwände gegen Anspruch 1 anzusehen und deshalb aus denselben Gründen, nämlich mangels triftigem Grund für das verspätete Einreichen und mangels Erfolgsaussicht, nicht zuzulassen.

4.6. Schließlich hat die Beschwerdegegnerin beantragt, "die Beschwerde zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Ansprüche 4 bis 7 richtet". Sie hat bestätigt, daß dieser Antrag den einzigen Antrag darstellen und inhaltlich dem Hilfsantrag II entsprechen solle, daß also das Patent nur noch im Umfang der Ansprüche 4 bis 7 verteidigt werde. Da sich dieser Antrag lediglich als Umgehung von Hilfsantrag II erweist, kann er nicht zu einem anderen Ergebnis führen als dieser Hilfsantrag. Da somit von seiten der Beschwerdegegnerin kein zugelassener Antrag vorliegt, bleibt es bei der unter Punkt 3.6 getroffenen Feststellung.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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