T 0638/99 () of 10.9.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T063899.20020910
Datum der Entscheidung: 10 September 2002
Aktenzeichen: T 0638/99
Anmeldenummer: 92100719.1
IPC-Klasse: H01G 4/18
C08L 23/12
H01B 3/44
C08J 5/18
B29C 55/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Biaxial gestreckte Polypropylenmonofolie
Name des Anmelders: Trespaphan GmbH
Name des Einsprechenden: KOPAFILM Elektrofolien GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung - Hilfsantrag 1 (nein)
Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (= Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 497 160 (Anmeldung Nr. 92 100 719.1) zurückzuweisen. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) (fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit), 100 b) (nicht ausreichende Offenbarung) und 100 c) EPÜ (unzulässige Erweiterung gestützt. Das Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer biaxial gestreckten Polypropylenmonofolie sowie eine solche Folie. In der angefochtenen Entscheidung ist die Einspruchsabteilung bezüglich des Einspruchsgrunds unter Artikel 100 c) EPÜ zu der Ansicht gelangt, daß in der Definition der Erwärmungstemperatur in der Vorheizzone gemäß dem Anspruch 1 keine Änderung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ zu sehen sei, die über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinausgehe. Bezüglich des Einspruchsgrunds unter Artikel 100 b) EPÜ seien weder die konkreten Bedingungen der von der Einsprechenden durchgeführten Nacharbeitung des Verfahrens gemäß dem Anspruch 1 noch die tatsächlich erzielten Ergebnisse aus den Ausführungen der Einsprechenden ersichtlich. Die Beweispflicht sei somit nicht erfüllt und dem Vorbringen der Einsprechenden nach dem Artikel 100 b) EPÜ könne ebenfalls nicht gefolgt werden.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurde auch dem Vorbringen der Einsprechenden in Zusammenhang mit dem Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ nicht gefolgt, da im Hinblick auf die von der Einsprechenden genannten Druckschriften das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. In der Entscheidung wurden unter anderem die folgenden Druckschriften genannt:

D1 DE-A-32 31 013

D4 DE-A-27 22 087

Ein im Verfahren als

D7 bezeichnetes KOPA Meßprotokoll

stellt nach der Ansicht der Einspruchsabteilung keine öffentliche Vorbenutzung dar.

Den von der Einsprechenden vorgebrachten Argumenten zur Begründung des Naheliegens einer Kombination der Druckschriften D4 und D1 liege eine lediglich mosaikartige Betrachtungsweise zugrunde. Der Fachmann habe aufgrund der Lehre der Druckschrift D1 keinerlei Veranlassung gehabt, von der bekannten Temperaturführung abzugehen und statt dessen zur Temperaturführung gemäß dem Anspruch 1 zu gelangen. Da das beanspruchte Verfahren neu und erfinderisch sei, könne die Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugen, daß die Folie gemäß dem Erzeugnisanspruch 5 nicht erfinderisch sei, da sie nur aus dem Verfahren gemäß dem Anspruch 1 resultiere. Im übrigen ergebe sich gemäß dem Anspruch 5 eine besondere Oberflächenstruktur, die ohne das Verfahren nicht zugänglich sei.

III. Eine mündliche Verhandlung wurde sowohl von der Beschwerdeführerin als auch von der Beschwerdegegnerin (= Patentinhaberin) hilfsweise beantragt und von der Kammer anberaumt. In einer Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung verwies die Kammer darauf, daß in Zusammenhang mit Artikel 100 b) EPÜ die Beweislast bei der Beschwerdeführerin liege. Die Kammer machte darauf aufmerksam, daß sie nicht imstande war, die Relevanz der in Zusammenhang mit der Ausführbarkeit erwähnten Nacharbeitung des Verfahrens gemäß Anspruch 1 zu beurteilen, da die in diesem Zusammenhang angebotenen Meßprotokolle über Testversuche der Einsprechenden immer noch nicht vorlagen (vgl. Beweisangebot gemäß Seite 10 des Einspruchsschriftsatzes vom 09.11.1997).

IV. Der Standpunkt der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

IV.i Anträge

Widerruf des Patents

IV.ii Argumentation

Artikel 100 c) EPÜ

In Zusammenhang mit der Längsstreckzone sei Anspruch 1 in erteilter Form nicht auf diejenige Seite der Vorfolie beschränkt, die an der Walze anliegt. Daher könnte die "Oberfläche einer Seite" auch die freie Seite der Vorfolie sein, was aber ursprünglich nicht offenbart sei. Anspruch 1 sei auch nicht auf einen bestimmten Temperaturbereich beschränkt. Ursprünglich offenbart sei jedoch nur eine "Temperatur >= 150°C" für die Eingangswalze der Längsstreckzone. Da die Umwandlungstemperatur eine Werkstoffeigenschaft sei und keine universelle Konstante, umfasse der Anspruch 1 auch Umwandlungstemperaturen unterhalb 150° C.

Im Anspruch 1 werde beansprucht, daß "die Vorfolie (...) eine Vorheizzone durchläuft, in der die Erwärmungstemperatur auf beiden Seiten der Folie unterhalb der Temperatur gehalten wird, bei der eine Umwandlung von Beta-Sphärolithe in Alpha-Sphärolithe erfolgt.." Ursprünglich offenbart sei nur eine Temperatur von 125° c bis 141° C, jedoch umfasse der Wortlaut des Anspruchs 1 auch Temperaturen unterhalb 125° C und oberhalb 141° C. Der Ausdruck "Erwärmungstemperatur auf beiden Seiten der Folie" sei ursprünglich nicht offenbart und sage nur aus, welche Temperatur auf die Folie einwirke, jedoch nicht, welche Temperatur die Folie erreiche. Das Merkmal "auf beiden Seiten" sei in Zusammenhang mit der Vorheizzone ursprünglich nicht offenbart.

Artikel 100 b) EPÜ

Obwohl exakt gemäß den Angaben des Anspruchs 1 nachgearbeitet worden sei, sei die Rauhtiefe der Folie nicht erreicht worden. Zur Substantiierungspflicht könne es nicht gehören, entsprechende Beweismittel zum Beweis des substantiierten Vortrags gleichzeitig mit dem Einspruch einreichen zu müssen. In der mündlichen Verhandlung sei dem schriftlichen Vortrag nichts hinzuzufügen.

Angebliche Vorbenutzung gemäß D7

Bezüglich der öffentlichen Vorbenutzung sei das Beweisangebot von Zeugen ignoriert worden, was zu einer Fehlinterpretation der Entgegenhaltung D7 geführt habe. Auch sei der Einsprechenden nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

Hinsichtlich des Hilfsantrags 1 (siehe hinten Punkt V.i) sei D7 allerdings weniger relevant, da am Beginn der Längsstreckzone keine Eingangswalze vorhanden war, die eine Temperatur von >= 150° C aufwies.

Artikel 100 a) EPÜ

Bezüglich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sei in der Entscheidung der Einspruchsabteilung explizit zugestanden worden, daß der einzige Unterschied zwischen der Offenbarung gemäß den Druckschriften D4 und D1 und dem Anspruch 1 des Streitpatents darin liege, daß das verwendete Polypropylen einen Aschegehalt von < 50 ppm aufweise und daß allein in diesem Unterschied nichts erfinderisch zu sehen sei. Nicht beachtet worden sei in der Entscheidung, daß bezüglich des Merkmals der Temperatur während der Längsstreckung oberhalb der Umwandlungstemperatur nicht auf die Druckschrift D1, sondern auf die Druckschrift D4 Bezug zu nehmen sei. Es ergebe sich eindeutig aus Seite 21, Absatz 4 dieser Druckschrift, daß die Recktemperatur am Ausgangspunkt der Reckwirkung in einem Temperaturbereich liege, in dem eine Umwandlung von Beta-Sphärolithe in Alpha-Sphärolithe erfolge. Das einzige in der Druckschrift D4 fehlende Merkmal sei die Vorheizzone. Doch dieses Merkmal könne der Fachmann ohne weiteres der Druckschrift D1 entnehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann dieses Merkmal der Vorheizzone aus der Druckschrift D1 nur deshalb nicht entnehmen solle, weil später im Verfahren eine andere Temperaturführung gefahren werde. Tatsache bleibe nämlich, daß gemäß der Druckschrift D1 eine Vorheizzone vor der Reckung gelehrt werde, welche in einem Temperaturbereich unterhalb der Umwandlungstemperatur von Beta-Sphärolithe in Alpha-Sphärolithe bleibe. Dies sei völlig unabhängig davon, ob in einer nachfolgenden Reckung weiter geheizt, abgekühlt oder sonst irgend ein Temperaturzyklus gefahren werde. Für den Fachmann bleibe diese Vorheizzone gemäß der Druckschrift D1 eine Vorheizzone mit einer Temperatur unterhalb der Umwandlungstemperatur von Beta-Sphärolithe in Alpha-Sphärolithe, welche er ohne weiteres in das Verfahren gemäß der Druckschrift D4 integriere. Außerdem könne die in der Druckschrift D4 angegebene Recktemperatur nicht schlagartig erreicht werden. Eine Vorheizung sei nichts anders als eine zu diesem Zweck durchgeführte Annäherung an die Recktemperatur. Weiterhin sei zu betonen, daß der in der Druckschrift D4 verwendete Begriff "mindestens eine Oberfläche" eine oder beide Oberflächen bedeute. Unter Berücksichtigung der Gesamtlehre der Druckschriften D1 und D4 beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Bezüglich Anspruch 5 bleibe nur noch festzustellen, daß mangels Patentfähigkeit des Verfahrensanspruchs eine aus diesem Verfahren resultierende Folie ebenfalls nicht patentfähig sein könne.

V. Der Standpunkt der Beschwerdegegnerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

V.i Anträge

Zurückweisung der Beschwerde oder - als Hilfsantrag 1 - das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen.

V.ii Argumentation

Artikel 100 c) EPÜ

Ob das Merkmal >= 150 °C ein wesentliches Merkmal der Erfindung sei, sei eher eine Frage der Klarheit im Sinne des Artikels 84 EPÜ. Dies sei nicht zu prüfen im Einspruchsverfahren.

Es sei für jeden Fachmann aus der Patentschrift, Spalten 4 und 5, ohne weiteres erkennbar, daß es in der Vorheizzone um einen Verfahrensschritt gehe, der nach Extrusion und Abkühlung der Vorfolie und vor der eigentlichen Längsstreckung erfolge. Der Begriff "vor der eigentlichen Längsstreckung" bedeute, daß es in der Vorheizzone keinen Platz für eine mechanische Behandlung gebe. Es sei beschrieben, wie dabei mit der Vorfolie zu verfahren sei, nämlich eine kontrollierte Temperaturbehandlung der Vorfolie auf beiden Seiten. Artikel 100 b) EPÜ

Die Frage nach der Vorlage von Beweismitteln könne sich nur stellen, wenn ein rechtzeitig vorgetragener Sachverhalt bewiesen werden solle. In der Einspruchsbegründung sei jedoch kein entsprechender Sachverhalt zur Begründung dargelegt worden. Mithin gehe es nicht um die Beweismittel selbst, sondern um die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel. Derartige Angaben seien im Einspruchsschriftsatz nicht enthalten.

Angebliche Vorbenutzung gemäß D7

Zur Durchführung einer Beweisaufnahme sei die Einspruchsabteilung nicht verpflichtet. Aus einer Ablehnung der Zeugenvernahme könne demzufolge eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht abgeleitet werden.

Artikel 100 a) EPÜ

Obwohl eine glatte Oberfläche bei Metallisierungen günstig sei, verursache sie Probleme während der Weiterverarbeitung, da dann der Film kaum mehr vom Wickel zu trennen sei, was beim Schneiden und Wickeln zum sogenannten Blocken führe. Diese Problematik werde in der Druckschriften D1 nicht erkannt. Gemäß der Druckschrift D4 werde eine gute Imprägnierbarkeit mit Öl angestrebt. Wegen der Umwandlung von Beta-Sphärolithe in Alpha-Sphärolithe komme die Druckschrift D4 der Erfindung näher als die Druckschrift D1. Hier werde aber eine Vorheizung nicht erwähnt und der Reckschritt werde in Zeile 9 auf Seite 19 als "nächster Schritt" bezeichnet, was einen Zwischenschritt ausschließe. Es könne von einer Vorbehandlung daher keine Rede sein, wobei auch über die andere Seite der Folie geschwiegen werde. Sollte der Fachmann wirklich Probleme mit einer "schlagartigen" Erwärmung haben, wie dies von der Beschwerdeführerin angedeutet worden sei, wäre zu fragen, was der Fachmann dann machen würde. Wie bereits ausgeführt, gebe es in der Druckschrift D4 keinen Hinweis auf eine zusätzliche Vorrichtung. Somit würde der Fachmann wohl einfach die Geschwindigkeit reduzieren. Die Druckschrift D1 lehre ein anderes Streckverfahren. Hier werde mit einem Blasverfahren angefangen anstelle einer Längsstreckwalze. Auch das in der Druckschrift D1 beschriebene Elektronenbombardement sei ein anderes Verfahren. Das Blasverfahren finde in Schmelzpunktnähe, d. h. bei 150-160°C statt, da 125 °C nicht ausreichten, um Polypropylen aufzublasen. Es gebe keinen Grund, die Lehren der Druckschriften D1 und D4 zu kombinieren. Somit bestehe kein Zweifel, daß das Verfahren des Anspruchs 1 sowie die Folie gemäß dem Anspruch 5 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

V.iii Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche lautet wie folgt:

Hauptantrag

1. Verfahren zur Herstellung einer biaxial gestreckten Polypropylenmonofolie (1) aus reinem Polypropylen, mit einem Aschegehalt < 50 ppm, bei der die Oberflächen (2,3) der beiden Seiten der Polypropylenmonofolie unterschiedliche Rauhtiefen aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß eine Vorfolie der Polypropylenmonofolie nach dem Extrudieren und Abkühlen eine Vorheizzone durchläuft, in der die Erwärmungstemperatur auf beiden Seiten der Folie unterhalb der Temperatur gehalten wird, bei der eine Umwandlung von Beta-Sphärolithen in Alpha-Sphärolithen erfolgt, daß am Beginn einer Längsstreckzone die Oberfläche einer Seite der Vorfolie auf eine Temperatur aufgeheizt wird, bei der die Beta-Sphärolithe aufgeschmolzen und in Alpha-Sphärolithe umgewandelt werden, und daß in einer nachfolgenden Querstreckzone die Temperatur zwischen 150 °C und 165 °C beträgt.

Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 5 und 11 wird nicht angegeben, da über den Hauptantrag bereits auf der Grundlage des Anspruchs 1 entschieden werden konnte (vgl. Ziffer 2 der Entscheidungsgründe).

Hilfsantrag 1

1. Verfahren zur Herstellung einer biaxial gestreckten Polypropylenmonofolie (1) aus reinem Polypropylen, mit einem Aschegehalt < 50 ppm, bei der die Oberflächen (2,3) der beiden Seiten der Polypropylenmonofolie unterschiedliche Rauhtiefen aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß eine Vorfolie der Polypropylenmonofolie nach dem Extrudieren und Abkühlen eine Vorheizzone durchläuft, in der die Erwärmungstemperatur auf beiden Seiten der Folie unterhalb der Temperatur gehalten wird, bei der eine Umwandlung von Beta-Sphärolithen in Alpha-Sphärolithen erfolgt, daß am Beginn einer Längsstreckzone die Eingangswalze der Längsstreckzone eine Temperatur von >= 150 °C aufweist, so daß die Oberfläche der anliegenden Seite der Vorfolie auf eine Temperatur aufgeheizt wird, bei der die Beta-Sphärolithe aufgeschmolzen und in Alpha-Sphärolithe umgewandelt werden, und daß in einer nachfolgenden Querstreckzone die Temperatur zwischen 150 °C und 165 °C beträgt.

4. Biaxial gestreckte Polypropylenmonofolie (1) aus reinem Polypropylen mit einem Aschegehalt < 50 ppm, bei der die Oberflächen (2,3) der beiden Seiten der Polypropylenmonofolie unterschiedliche Rauhtiefen aufweisen, herstellbar nach dem Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 3, wobei die gemittelte Rauhtiefe Rz der glatteren Oberfläche (3), die fibrilenfrei und kraterlos ist, =< 0.25 µm ist, die gemittelte Rauhtiefe Rz der rauheren Oberfläche (2) mindestens 0,02 µm höher liegt und die Bestimmung der Rauhtiefen jeweils bei einem cut-off-Wert von 0,08 mm für die Rauhigkeitsmessung erfolgt.

{Anm. der Kammer: Der offensichtliche Numerierungsfehler "1 bis 4" wurde von der Kammer in "1 bis 3" korrigiert}

10. Verwendung der Polypropylenmonofolie nach den Ansprüchen 4 bis 9 nach Metallisierung als Elektroisolierfolie für die Herstellung von Kondensatoren.

VI. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den in Regel 65 (1) EPÜ genannten Bedingungen und ist somit zulässig.

Hauptantrag

2. Artikel 100 c) EPÜ - ursprüngliche Offenbarung

Der Wortlaut der Offenbarungsstelle (vgl. Spalte 5, Zeilen 4 bis 16 der "A"-Schrift) zur Längsstreckzone lautet wie folgt:

"Danach gelangt die Vorfolie in die Streckzonen, in denen sie biaxial verstreckt wird. Die Eingangswalze der Längsstreckzone weist eine Temperatur >= 150°C auf, so daß in der Oberfläche der anliegenden Seite der Vorfolie die Beta-Sphärolithen eine Phasenumwandlung durchlaufen und in Alpha-Sphärolithen übergehen, während die entgegengesetzte Oberfläche der Vorfolie, die nicht in Kontakt mit der Eingangswalze der Längsstreckzone sich befindet, weiterhin die Kristallstruktur aus Beta-Sphärolithen beibehält."

An dieser Stelle wird die Temperatur als >= 150 °C angegeben, was als Bedingung für den Phasenübergang dargestellt wird. Eine Erwähnung des Phasenübergangs ohne diese Temperaturangabe ist in der ursprünglichen Offenbarung nicht zu finden. Insofern als das beanspruchte Verfahren in der Längsstreckzone auch Temperaturen unterhalb 150 °C umfaßt, stellt sein Gegenstand eine unzulässige Erweiterung dar, da er über den Inhalt der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Um zu dieser Schlußfolgerung zu gelangen, bedarf es keiner Prüfung der Klarheit im Sinne des Artikels 84 EPÜ, was wiederum bedeutet, daß die darauf gerichtete Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht geeignet ist, die Kammer zu überzeugen, von Ihrer Feststellung einer unzulässigen Erweiterung abzusehen.

Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin genügt somit nicht dem Artikel 100 c) EPÜ.

Hilfsantrag 1

3. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Im Anspruch 1 gemäß diesem Antrag existiert die im obigen Punkt 2 genannte unzulässige Erweiterung nicht mehr, da beansprucht wird, daß die Eingangswalze der Längsstreckzone eine Temperatur von >= 150 °C aufweist, so daß die Oberfläche der anliegenden Seite der Vorfolie auf eine entsprechende Temperatur aufgeheizt wird. Diese Änderung findet ihre Stütze an der im obigen Punkt 2 genannten Stelle der ursprünglichen Unterlagen. Da sie eine Einschränkung darstellt, verstößt sie auch nicht gegen den Artikel 123 (3) EPÜ.

Den Zeilen 11-15 in Spalte 5 der Patentschrift (entspricht den Zeilen 46-51 in Spalte 4 der EP-A-497 160) ist folgendes zu entnehmen:

"Vor der eigentlichen Längsstreckung durchläuft die extrudierte Vorfolie eine Luftheizzone, in der eine schonende Erwärmung, unter Vermeidung von Überhitzung, der beiden Seiten der Vorfolie vorgenommen wird."

Die Kammer schließt sich der Meinung der Beschwerdegegnerin an, daß es in der Vorheizzone um den Verfahrensschritt geht, der nach Extrusion und Abkühlung der Vorfolie und vor der eigentlichen Längsstreckung erfolgt. Dieser Verfahrenschritt ist nichts anderes, als der in den Zeilen 11 bis 15 in Spalte 5 der Patentschrift offenbarte Durchlauf der Luftheizzone, worin beide Seiten der Vorfolie schonend erwärmt werden. Es wird keine bestimmte Temperatur als "schonend" angegeben. Die Kammer schließt sich deshalb auch in dieser Hinsicht der Meinung der Beschwerdegegnerin an, daß beidseitig eine kontrollierte Temperaturbehandlung der Vorfolie erfolgt. Aus der nachfolgenden Beschreibung der Vorheizzone wird dann deutlich, daß die betreffende Temperatur, die nicht überschritten wird, diejenige ist, bei der eine Umwandlung von Beta-Sphärolithe in Alpha-Sphärolithe erfolgt. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin geht deshalb nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

Die übrigen Änderungen gemäß dem Hilfsantrag 1 resultieren lediglich aus einer Anpassung an den geänderten Anspruch 1. Somit bestehen seitens der Kammer keine Bedenken unter Artikel 123 EPÜ gegen die Unterlagen gemäß dem Hilfsantrag 1.

4. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

Im Beschwerdeverfahren wurden keine weiteren Einzelheiten über die dem Anspruch 1 nachgearbeiteten Versuche vorgelegt, welche die in der mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgte Argumentation der Beschwerdeführerin zum Artikel 100 b) EPÜ hätten untermauern können. Der Kammer lag lediglich die Behauptung der Beschwerdeführerin vor, die beanspruchten Rauhtiefen seien bei der Nacharbeitung nicht erreicht worden. Übereinstimmend mit der ersten Instanz sieht die Kammer diese Behauptung als unsubstantiiert an. Somit hat die Kammer keinen Grund, die Ausführbarkeit der Erfindung oder der Entscheidung der ersten Instanz in dieser Hinsicht anzuzweifeln.

Der Beschwerdeführerin ist es somit nicht gelungen, die Kammer von der Nichtausführbarkeit der Erfindung zu überzeugen.

Angebliche Vorbenutzung gemäß D7

5.1. Von den 45 im Protokoll D7 aufgelisteten Versuchen wurde nur im Versuch vom 30. August eine Eingangswalze mit einer Temperatur von 155 °C, d. h. über 150 °C, verwendet. In diesem Versuch bildeten sich Blasen. Es wurde keine Querstreckung durchgeführt.

5.2. Da laut Protokoll D7 der einzige Versuch mit Eingangswalze über 150 °C somit offensichtlich nicht erfolgreich war, ist die angebliche Vorbenutzung, auch wenn sie als solche nachgewiesen wäre, nicht geeignet, die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 in Frage zu stellen. Auch die Beschwerdeführerin sah die angebliche Vorbenutzung angesichts der Angabe einer Temperatur über 150 °C im geänderten Anspruch 1 als weniger relevant an. Ihre Argumentation war auf den Gegenstand des Hauptantrags gerichtet, da ihre Lesart die Versuche unter 150 °C einbezieht. Auf Grund der Temperaturangabe im Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 ist deshalb die im Zusammenhang mit dem Verzicht auf das Zeugenangebot durch die erste Instanz aufgeworfene Frage des rechtlichen Gehörs nicht mehr relevant. Die Kammer geht deshalb nicht näher auf D7 ein.

Stand der Technik

6.1. Druckschrift D1

Diese Druckschrift betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Kunstharzfilms mit strukturierter Oberfläche, wobei der Film einem Bombardement mit Teilchen hoher Energie unterworfen und danach zur Erzielung einer rauhen Struktur der bombardierten Oberfläche sowohl in Längs- als auch in Querrichtung gereckt wird (vgl. den 2. Absatz auf Seite 4). Die Höhe (und Tiefe) der Vorsprünge in der Oberfläche wird vom Grad der Bestrahlung sowie dem Reckverfahren gesteuert. In der Figur 2 wird eine schematische Darstellung des Reckverfahrens wiedergegeben, wobei die Reckeinrichtung 20 einen Filmstreifen 21 umfaßt, der von einer oder mehreren gegenüberliegend angeordneten Klammern 22, 23 quer zur Maschinenlaufrichtung und einer oder mehreren Klammern 24, 25 in Maschinenlaufrichtung gegriffen wird. Die Klammern werden auseinander bewegt, um die Filmstreifen permanent zu recken. Vor der Reckung werden die Proben aus Polypropylenextrudat typischerweise einer Bestrahlungsbehandlung unter einem Stichstoffpolster oder Atmosphäre unterzogen. Nach der Bestrahlung und vor der Reckung wird das Polypropylen deutlich über 100°C auf nahe seinem Schmelzpunkt, d.h. auf etwa 150 bis 160°C erwärmt. In der Figur 7 wird gezeigt, wie das Extrudat nach der Bestrahlung durch eine Heizeinrichtung 49 bis auf den Erweichungspunkt erhitzt und dann durch Einführen von Druckluft aufgebläht und damit gereckt wird. Dieses Aufblasen führt zu einer gesteuerten Blase oder einem großen Rohr 50, das den Polypropylenfilm sowohl horizontal als auch vertikal reckt (vgl. Seite 13, Zeile 8). In Zeile 25 auf Seite 13 wird eine Temperatur über etwa 125 °C erwähnt. Quetschwalzen 51 am oberen Ende der Blase recken diese in Längsrichtung, während das Aufblasen die Blase in seitlicher Richtung reckt (vgl. Seite 13, Zeilen 31 bis 32).

6.2. Druckschrift D4

Diese Druckschrift betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer für elektrische Einrichtungen geeigneten Polypropylenfolie. Wird eine ungereckte Polypropylenfolie, die man durch Schmelzverformen eines Harzes erhält, das einen Keimbildner für die Kristallisation in der Beta-Form enthält und die Kristallisation in der Beta-Form aufweist, verstreckt, so ergibt sich eine Folie mit rauhen ungleichmäßigen Mustern auf der Oberfläche. Geeignete Reckverfahren, die man hierfür anwenden kann, schließen sämtliche bekannten Flachreckverfahren mit gleichzeitiger oder aufeinander folgender biaxialer Verstreckung und sämtliche biaxialen Schlauchverfahren ein (vgl. Seite 19). Die Recktemperatur am Ausgangspunkt der Reckwirkung liegt im Bereich von 145 °C bis 176 °C.

Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

7.1. Der Aschegehalt des Polypropylen wird weder in der Druckschrift D1 noch in der Druckschrift D4 erwähnt. Der Reckvorgang gemäß der Druckschrift D1 entspricht nicht demjenigen des Anspruchs 1, da er entweder biaxial auf dem Reckrahmen oder aber in Quer- und dann in Längsrichtung im Aufblas- und nachfolgenden Quetschschritt erfolgt. Auf eine Auswahl eines spezifischen Reckvorgangs wird in der Offenbarung der Druckschrift D4 nicht eingegangen. Außerdem ist eine Vorheizzone in der Druckschrift D4 nicht zu finden.

7.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu sowohl gegenüber der Druckschrift D1 als auch der Druckschrift D4. Da im Verfahren auch keine andere näher kommende Druckschrift genannt wurde, ist der Anspruchsgegenstand neu im Sinne des Artikel 54 EPÜ.

7.3. Entsprechendes gilt für die biaxial gestreckte Polypropylenmonofolie herstellbar nach dem Anspruch 1 mit den angegebenen Eigenschaften sowie die Verwendung dieser Polypropylenmonofolie gemäß dem Anspruch 4 bzw. 10.

Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

8.1. Aufgabe der Erfindung gemäß dem Anspruch 1 ist es, die Schritte zur Herstellung einer biaxial gestreckten Polypropylenmonofolie gezielt auszuwählen, um das Verfahren so zu verbessern, daß die Verarbeitungseigenschaften der Folie verbessert werden, insbesondere ein Blocken der Folie verhindert wird.

8.2. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat die Begründung der Einspruchsabteilung zur Frage der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Druckschrift D1 nicht direkt angegriffen, sondern in erster Linie argumentiert, daß von der Druckschrift D4 auszugehen sei. Die im Sinne der Beschwerdeführerin "vorteilhafteste" Kombination der Druckschriften D4 und D1 würde die Aufnahme der Heizeinrichtung 49 aus der Druckschrift D1 als Vorheizzone in die Lehre der Druckschrift D4 voraussetzen, und zwar mit dem Hinweis auf 125 °C. Außerdem wäre ein nach dem Anspruch 1 definierter Reckvorgang auszuwählen. Die Kammer hat sich deswegen die Frage gestellt, ob der Fachmann die Lehren dieser Druckschriften in dieser Weise bloß kombinieren "könnte" oder tatsächlich auch kombinieren "würde", um zum Anspruchgegenstand zu gelangen. Im letzten Fall wäre die erfinderische Tätigkeit zweifelhaft. Aus der Druckschrift D1 ist zu entnehmen, daß mit der Heizungseinrichtung 49 bis auf den Erweichungspunkt erhitzt wird. Bei einer solchen Aufheizung ist aber eine Umwandlung von Alpha in Beta Sphärolithen nicht ausgeschlossen. Der Fachmann entnimmt der Druckschrift D1 somit keine Vorheizzone im Sinne des Streitanspruchs. Auch kann in diesem Licht der spätere vage Hinweis auf über 125 °C nicht ohne weiteres auf eine Nichtumwandlung deuten. Außerdem wäre ein Verzicht auf den Blasvorgang eine Maßnahme, die aus dem Zusammenhang der Druckschrift D1 gerissen erscheint. Insgesamt spricht deshalb die Offenbarung der Druckschrift D1 gegen die Kombination der Lehren der Druckschriften D4 und D1 im Sinne der Beschwerdeführerin. Zur Spekulation über das Problem einer "schlagartige" Temperaturänderung in der Druckschrift D4 findet die Kammer die Argumentation der Beschwerdegegnerin überzeugender, daß der Fachmann bei eventuellen Schwierigkeiten mit dem Erwärmen der Folie einfach die Verfahrensgeschwindigkeit anpassen würde. Eine zusätzliche Vorheizzone nach dem Anspruch 1 ist auf Grund der Lehre der Druckschrift D4 deswegen nicht angezeigt. Auch dies spricht gegen die Kombination der Druckschriften D4 und D1. Andererseits vermag die Kammer auch in der Druckschrift D1 nichts zu erkennen, beispielsweise in Bezug auf Blockeigenschaften, was für eine Kombination der Druckschriften D1 und D4 sprechen könnte. Die Druckschrift D1 bezieht sich im Gegensatz zur Druckschrift D4 auf ein Verfahren mittels Elektronenbombardement. Somit kann die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht überzeugen, da diese eine rückschauende Betrachtungsweise nicht vermeidet. Die Kammer ist deshalb der Meinung, daß der Fachmann die Lehren der Druckschriften D4 und D1 nicht nur gemäß der Begründung der Einspruchsabteilung von der Druckschrift D1 ausgehend, sondern auch von der Druckschrift D4 ausgehend, nicht kombinieren würde. Aus diesem Grund sieht die Kammer den Gegenstand des Anspruchs 1 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend an.

8.3. Auch eine Einbeziehung der anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften führt nicht zu einem anderen Ergebnis in der Frage der erfinderischen Tätigkeit.

8.4. Die Beschwerdeführerin hat keine Argumentation gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands der Ansprüche 4 und 10 vorgebracht, die über die Argumentation zum Anspruch 1 hinausgeht. Die Kammer sieht deshalb keinen Grund, die erfinderische Tätigkeit dieser Ansprüche in Zweifel zu ziehen. Gleiches gilt wegen ihrer Rückbeziehung für die abhängigen Ansprüchen 2 bis 3, 5 bis 9 und 11.

8.4. Die Kammer kommt deshalb zu dem Ergebnis, daß die Gegenstände der Ansprüche des Streitpatents auch den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ genügen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 11 und Beschreibung, Spalten 3 und 4, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 1 {Anm. der Kammer: Der offensichtliche Numerierungsfehler "1 bis 4" im Anspruch 4 ist in "1 bis 3" zu korrigieren},

- Beschreibung, Spalten 1, 2 und 5 bis 7, sowie Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.

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