T 0594/99 () of 16.1.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T059499.20010116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 2001
Aktenzeichen: T 0594/99
Anmeldenummer: 93107408.2
IPC-Klasse: E01B 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 26 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schienenanordnung
Name des Anmelders: Phoenix Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Continental AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja) nach Änderung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 569 867 (Anmeldenummer: 93 107 408.2).

II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat gegen das erteilte Patent Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent mangels Patentfähigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ i. V. m. Artikel 52 (1) und 56 EPÜ zu widerrufen. Sie hat sich dabei auf die folgenden Druckschriften berufen:

D1: US-A-4 609 144

D2: DE-A-3 506 505

D3: DE-A-2 745 220

D4: DE-B-1 231 739

D5: DE-A-3 935 354.

III. Mit am 4. Mai 1999 zur Post gegebener Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent widerrufen.

Sie hat ihren Widerruf darauf gestützt, daß die Lehre des Patentanspruchs durch Zusammenschau der Druckschrift D2 mit der als nächstkommender Stand der Technik berücksichtigten Druckschrift D1 nahegelegt sei.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 28. Mai 1999 Beschwerde ein. Am 4. Juni 1999 wurde die vorgeschriebene Gebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 26. August 1999 eingereicht.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und als Hauptantrag die Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang auf der Grundlage des zusammen mit der Beschwerdebegründung am 26. August 1999 vorgelegten Patentansprüchen 1 bis 3, der gleichzeitig vorgelegten angepaßten Beschreibung sowie der Figuren 1 bis 8 wie erteilt, hilfsweise auf der Grundlage der am 14. Dezember 2000 als Hilfsantrag eingegangenen Patentansprüche 1 bis 9, der ebenfalls gleichzeitig vorgelegten angepaßten Beschreibung sowie der Figuren 1 bis 8 wie erteilt.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Schienenanordnung bestehend aus

- einem Schienenstrang (1) mit Befestigungsmitteln (2);

- Schwellen (3) aus Holz, Beton oder dgl.;

- einem Schotterbett (4) auf dem die Schwellen gelagert sind; sowie aus

- einer auf der Unterseite (8) der Schwellen angeordneten elastischen Unterlagen (5, 5'), die im wesentlichen aus zwei Schichten (6, 7, 7') besteht, wobei die der Unterseite (8) der Schwellen zugewandte Schicht (6) ein elastomerer Werkstoff ist;

dadurch gekennzeichnet, daß

(i) die vom Schotterbett umgebende Schicht (7, 7') ein Vliesstoff ist, und

(ii) die Schicht (6) aus elastomerem Werkstoff zur Unterseite, d. h. zur Vliesstoffseite hin mit einer Verstärkungseinlage (10) vorgesehen ist, wobei

(iii) die Schicht (6) aus elastomerem Werkstoff sowie die Schicht (7, 7') aus Vliesstoff a) jeweils planflächig und

b) einstückig ausgebildet sind."

VI. Zur Stützung ihres Antrags trug die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:

Aus dem zitierten Stand der Technik seien verschiedene Konzepte von Schienenanordnungen bekannt, die mit einer elastischen Lagerung in Verbindung mit den Körperschall reduzierenden Maßnahmen stehen; im einzelnen seien dies:

a) Gleisbettmatte (Unterschottermatte) D2,

b) Schwellenunterlage/Schwellenschuh Streitpatent und D1,

c) Schienenfußunterlage D3,

d) Metall-Gummi-Lager EP-B-0 198 158.

Den Schienenanordnungen gemäß a) bis d) liege ein völlig unterschiedlich konstruktives Umfeld zugrunde, wobei bei der Suche nach Problemlösungen auch individuelle Wege beschritten werden müßten. Es sei daher überhaupt nicht praxisrelevant, beispielsweise den Bereich a) lösungstechnisch auf die Bereiche b), c), d) übertragen zu wollen. Der Argumentation in Punkt 3.7 der angefochtenen Entscheidung, daß es sich bei den Unterlagsmatten gemäß D1 und D2 um dasselbe Fachgebiet handle, sei zu widersprechen, da es sich gemäß D2 um eine Gleisbettmatte beim Unterschotterbau handle, weil gemäß D1 und Streitpatent es um einen Schwellenschuh bei Oberschotterbau gehe. Der Offenbarungsgehalt der D2 sei in sehr erheblichem Maße an den mehrlagigen Aufbau der elastischen Schicht der Matte gemäß der einzigen Figur geknüpft, weil es sich nach dem Streitpatent um eine einstückige Schichtgestaltung der Schienenanordnung handle. Ein Nahelegen aus D1 in Verbindung mit D2 sei deshalb geradezu abwegig, wie auch aus dem der am 14. Dezember 2000 eingereichten Eingabe beigefügten Prospektmuster hervorgehe.

VII. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Zur Begründung ihres Antrags hat sie im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die aus Entgegenhaltung D2 bekannte Matte enthielte an ihrer Oberseite eine Vliesstoffschicht 2 (siehe z. B. Anspruch 1), die dem Schotter zugewandt sein sollte, wenn die Matte zwischen einem Gegenstand und dem Schotter eingebettet werde. Dadurch sollte verhindert werden, daß die Unterseite der Matte, die aus elastischem Werkstoff bestehe, durch den scharfkantigen Schotter zerstört werde.

Der neu formulierte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei durch eine Kombination D1 mit D2 nahegelegt, weil das dem ursprünglich erteilten Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal, daß die Schicht aus elastomerem Werkstoff sowie die Schicht aus Vliesstoff jeweils planflächig und einstückig seien, dem neu formulierten Anspruch 1 nicht die notwendige erfinderische Tätigkeit verliehe. Es sei bereits aus D2 bekannt, daß die Schicht aus elastomerem Werkstoff und die Schicht aus Vliesstoff jeweils planflächig auszubilden seien.

Darüber hinaus sei es für den Fachmann naheliegend, die aus der Entgegenhaltung D2 bekannten Schichten 1 und 3 aus elastomeren Werkstoff zu einer einstückigen Schicht zusammenzufassen, in der die dazwischenliegende Vliesstoffschicht 2 eingelagert sei und die so entstandene einstückige Schicht aus elastomeren Werkstoff mit einer weiteren einstückigen Vliesstoffschicht 2 abzudecken. Die Schichtfolge der einzelnen aus der Entgegenhaltung D2 bekannten Schichten ändern sich hierdurch nämlich nicht. Vielmehr werde hierdurch lediglich eine Zusammensetzung der einzelnen Schichten in zwei einstückige Einheiten vorgenommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderung

2.1. Der geltende Anspruch 1 ist gegenüber dem Anspruch 1 gemäß angefochtener Entscheidung dahingehend geändert, daß in ihn die Merkmale des Anspruchs 6 in der erteilten Fassung eingefügt worden sind.

2.2. Alle Merkmale gemäß geltendem Anspruch 1 ergeben sich somit durch bloße Zusammensetzung bisheriger Ansprüche, ohne gegen Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ zu verstoßen.

2.3. Die Aufnahme der Merkmale bezüglich der planflächigen und einstückigen Ausgestaltung der Schichten (6, 7, 7') in dem geltenden Anspruch 1 stellt eine Beschränkung des Schutzumfanges des unabhängigen Anspruchs dar, ohne gegen Artikel 123 (3) EPÜ zu verstoßen.

2.4. Insgesamt ist somit die Neufassung des Schutzbegehrens aus der Sicht des Artikels 123 EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

Die Neuheit war schon im Verfahren vor der Einspruchsabteilung nicht strittig und ist auch nach Auffassung der Kammer gegeben. Damit erübrigen sich ins Detail gehende Erörterungen bezüglich der Neuheitsfrage.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Bei gegebener Neuheit der Schienenanordnung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist nun noch die Frage zu beantworten, ob diese Schienenanordnung auf erfinderischer Tätigkeit beruht oder nicht.

4.2. Die Kammer stellt fest, daß von den im bisherigen Verfahren berücksichtigten Entgegenhaltungen die Druckschrift D1 den nächstkommenden Stand der Technik bildet.

Aus dieser Druckschrift sind nur die Merkmale des Oberbegriffs gemäß geltendem Anspruch 1 bekannt, nicht aber die des Kennzeichenteils, so daß gegen die Abgrenzung dieses Anspruchs nichts einzuwenden ist.

4.3. Von D1 ausgehend ist die mit der vorliegenden Erfindung gemäß Anspruch 1 objektiv zu lösende technische Aufgabe in Übereinstimmung mit Spalte 1, Zeilen 42 bis 47 der Streitpatentschrift im wesentlichen darin zu erblicken, bei einer Schienenanordnung, bei der die Schwellen auf einem Schotterbett gelagert sind, den Körperschall zu reduzieren, insbesondere im Rahmen der Nachrüstung vorhandener Strecken, ohne daß ein zeitaufwendiger Schotterabtrag erfolgt.

4.4. Diese Aufgabe ist bei einer gattungsgemäßen Schienenanordnung gemäß geltendem Anspruch 1 durch die im Absatz V oben spezifizierten Merkmale i) bis iii) gelöst. Diese Merkmale - in Kombination miteinander - sind weder im vorliegenden Stand der Technik offenbart noch durch ihn angeregt. Es ist zu beachten, daß es - aufgrund der funktionellen Wechselwirkung dieser Kombinationsmerkmale - unerheblich ist, ob diese Merkmale jeweils für sich bekannt sind.

4.5. Für einen Fachmann auf dem Gebiet der Schienenanordnungen gibt es - gerade wenn es um die Körperschallreduzierung und die Verhinderung der langfristigen Zerstörung der elastomeren Matten durch den Gleisschotter geht - zwei fundamental unterschiedliche Schienenkonzepte, nämlich einerseits den gattungsgemäßen Oberschotterbau, bei dem die Schwellen auf einem Schotterbett gelagert sind und andererseits den in Entgegenhaltung D2 behandelten Unterschotterbau, bei dem als Unterlage eine für eine Schotterbettung dienende Matte aus elastischem Werkstoff verwendet wird.

4.6. Gerade dieser gattungsbedingte Unterschied bringt völlig unterschiedliche Betrachtungen insofern hervor, als das Anbringen der Schienenanordnung beim Oberschotterbau mit Schwierigkeiten verbunden ist, sei es im Bereich der Befestigung (z. B. im Hinblick auf die Abstützung der elastischen Schichten auf der Unterseite der Schwellen), sei es im Bereich der Stabilität (z. B. im Hinblick auf die Verschleißfestigkeit der vom Gleisschotter umgebenen Anordnung), die von einem Fachmann auf diesem Gebiet nicht einfach beiseite geschoben werden können. Im Bereich von einfachen Erfindungen sind gerade diese Betrachtungen nicht unerheblich.

4.7. Der Offenbarungsgehalt der D2 ist in sehr erheblichem Maße an den mehrlagigen Aufbau der elastischen Schicht der Schienenanordnung gemäß der einzigen Figur geknüpft; die D2 beinhaltet allenfalls eine großflächige Mattenkonstruktion aus den oben erwähnten mehrlagigen Schichten, die aus Vliesstoff und elastomerem Werkstoff bestehen, ohne aber in irgendeiner Weise auf einstückige Schichten hinzulenken.

Damit wird der Fachmann von der "Einstückigkeit" der vom Gleisschotter umgebenen Mattenschichten der Schienenanordnung weggelenkt, womit auch klar erkennbar ist, daß die Entgegenhaltungen D1 und D2 in diametrale Richtungen weisen, in dem die erste ganz auf die Einstückigkeit, die zweite gerade auf das Gegenteil, nämlich mehrlagige Schichtkonstruktion, setzt.

4.8. Die Voraussetzungen für ein gleichzeitiges Befolgen von Einzellehren - das ist gleichzusetzen mit einer "Betrachtung in Kombination" - gemäß Entgegenhaltungen D1 bzw. D2 sind vorliegend demnach nicht gegeben, es sei denn, es werden Merkmale rein formalistisch aus ihrem technischen Zusammenhang gerissen und neu zusammengesetzt. Ein solches Vorgehen ist aber dem Wesen der Beurteilung erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ fremd und somit zurückzuweisen.

4.9. Selbst wenn der Fachmann aber so vorgehen würde, verbleibt die Kombination der kennzeichnenden Merkmale der Schichtfolge, der Verstärkungseinlage und der Einstückigkeit der Schichten immer noch ohne Vorbild im hier zu berücksichtigenden Stand der Technik; diese Tatsache spricht für sich für das Vorliegen eines erfinderischen Beitrages zum bisherigen Stand der Technik.

4.10. Das bereits in Punkt 3.8 der angefochtenen Entscheidung verwendete und seitens der Beschwerdegegnerin wiederholte Argument, wonach es auf der Hand lag, die elastische Unterlage der D1 durch die Matte gemäß D2 zu ersetzen, entspringt einer ex-post-Betrachtung der D2 und ist deshalb zurückzuweisen, weil diese Ersetzung auf eine völlige Neugestaltung der Schienenanordnung hinausliefe, angefangen von der Umdrehung der Schichtfolge bis zur einstückigen Neugestaltung der Mattenschichten. Zu alledem kommt noch hinzu, daß aufgrund der unterschiedlichen Schwingungsverhältnisse oberhalb und unterhalb des Schotterbettes hinsichtlich der Reduzierung des Körperschalls nach unterschiedlichen Lösungsansätzen zu suchen ist, wobei D2 betreffend Schienenanordnung im Oberschotterbau keine Anregung zu vermitteln vermag.

4.11. Den verbleibenden, während des Beschwerdeeinspruchsverfahrens erwähnten Druckschriften D3 bis D5 sind Anregungen, die zur beanspruchten Kombination führen können, nicht zu entnehmen.

4.12. Vorstehenden Überlegungen zur Kombination von Anspruchsmerkmalen des geänderten Anspruchs 1 und zur Relevanz des hier zu berücksichtigenden Standes der Technik lassen für die Kammer nur den Schluß zu, daß der Fachmann erfinderisch tätig werden mußte, um von D1 ausgehend, den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatentes zu schaffen.

4.13. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht mithin auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

5. Das Patent hat deshalb Bestand und ist daher aufgrund des geänderten unabhängigen Anspruchs 1 und der abhängigen Ansprüche 2 bis 13, welche besondere Ausführungsarten der im Anspruch 1 definierten Erfindung darstellen, aufrechtzuerhalten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche: 1 bis 13 wie eingereicht am 26. August 1999,

Beschreibung: Spalten 1 bis 3 wie eingereicht am 26. August 1999,

Zeichnungen: Figur 1 bis Figur 8 wie erteilt.

Quick Navigation