European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T059099.20010920 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 September 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0590/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92118831.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G 18/42 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Wäßrige Bindemittelkombination, ein Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | BAYER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (I) ICI PLC (II) BASF Lacke + Farben AG (III) Akzo Nobel N.V. (IV) Herberts GmbH & Co. KG (V) BASF Aktiengesellschaft |
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Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Aufrechterhaltung in geändertem Umfang - Disclaimer Rechtliches Gehör - Gelegenheit zur Stellungnahme (nein) Entscheidung über die Beschwerde-Zurückverweisung (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 542 105 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 118 831.4 der BAYER AG, angemeldet am 3. November 1992, wurde am 24. Januar 1996 mit 10 Ansprüchen bekanntgemacht.
Die unabhängigen Ansprüche 1, 9 und 10 lauteten:
"1. Wäßrige Bindemittelkombination bestehend im wesentlichen aus:
A) einer wäßrigen Lösung oder Dispersion einer wasserverdünnbaren organischen Polyolkomponente und
B) einer Polyisocyanatkomponente einer Viskosität bei 23. °C von 50 bis 10 000 mPa.s, bestehend aus mindestens einem organischen Polyisocyanat, welche in der Komponente A) emulgiert vorliegt, wobei das NCO/OH-Äquivalentverhältnis, bezogen auf die Isocyanatgruppen der Komponente B) und die Hydroxylgruppen der in A) vorliegenden Polyolkomponente bei 0,2:1 bis 5:1 liegt,
dadurch gekennzeichnet, daß die in A) vorliegende, wasserverdünnbare Polyolkomponente eine Mischung von mindestens zwei, Hydroxylgruppen aufweisenden, Polymeren, ausgewählt aus A1), A2), A3), A4) und A5) darstellt, wobei
A1) Hydroxyl-, Urethan- und Carboxylatgruppen enthaltende Polyesterharze mit einem Molekulargewicht Mw = 3000 bis 100 000, einer Hydroxylzahl von 20 bis 240, einer Säurezahl, bezogen auf alle Carboxylgruppen, die dabei zu 25 bis 100 % in der Salzform vorliegen, von 8. bis 60 und einem Urethangruppengehalt
FORMEL
von 1,0 bis 15,0 Gew.-% umfaßt,
A2) Hydroxyl- und Carboxylatgruppen enthaltende, Urethangruppen- und Sulfonatgruppen-freie Polyesterharze mit einem Molekulargewicht Mw von 1000 bis 50 000, einer Hydroxylzahl von 15 bis 240 und einer Säurezahl, bezogen auf alle Carboxylgruppen, die dabei zu 25 bis 100 % in der Salzform vorliegen von 15 bis 90 umfaßt,
A3) Hydroxyl- und Sulfonatgruppen, sowie gegebenenfalls Carboxylatgruppen und/oder Urethangruppen enthaltende Polyesterharze mit einem Molekulargewicht Mw von 1000 bis 50 000, einer Hydroxylzahl von 15 bis 240 und einer Säurezahl, bezogen auf alle Sulfonsäure- und gegebenenfalls Carboxylgruppen, die dabei zu 25 bis 100 % in der Salzform vorliegen, von 3 bis 45 umfaßt,
A4) Hydroxyl-, Carboxylat- und/oder Sulfonatgruppen enthaltende Polyacrylatharze, mit einem Molekulargewicht Mw von 500 bis 100 000, einer Hydroxylzahl von 15 bis 270 und einer Säurezahl, bezogen auf alle Carboxyl- und Sulfonsäuregruppen, die zu 25 bis 100 % in der Salzform vorliegen, von 5 bis 125 umfaßt und
A5) Hydroxyl-, Carboxylat- und/oder Sulfonatgruppen enthaltende acrylatgepfropfte Polyesterharze mit einem Molekulargewicht Mw = 3000 bis 100 000, einer Hydroxylzahl von 20 bis 300 mg KOH/g Substanz und einer Säurezahl, bezogen auf alle Carboxyl- bzw. Sulfonsäuregruppen, die dabei zu 25 bis 100 % in Salzform vorliegen, von 5 bis 75 umfaßt,
wobei in der Polyolkomponente mindestens zwei Vertreter unterschiedlicher Gruppen A1) bis A5) zu jeweils mindestens 5 Gew.-% vertreten sind."
"9. Verfahren zur Herstellung von Bindemittelkombinationen gemäß den Ansprüchen 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß in einer wäßrigen Lösung oder Dispersion einer Polyolkomponente A), die ein Gemisch von wenigstens zwei Einzelkomponenten, ausgewählt aus A1), A2), A3), A4) und A5) der in Anspruch 1 genannten Art darstellt, eine Polyisocyanatkomponente einer Viskosität bei 23 °C von 50. bis 10 000 mPa.s, bestehend aus mindestens einem organischen Polyisocyanat, emulgiert wird, wobei die Mengenverhältnisse der beiden Komponenten einem NCO/OH-Äquivalentverhältnis, bezogen auf die Isocyanatgruppen der Polyisocyanatkomponente und die eingebauten Hydroxylgruppen der Polyolkomponente, von 0,2:1 bis 5:1 entsprechen und wobei die gegebenenfalls mitverwendeten Hilfs- und Zusatz- und gegebenenfalls reaktiven Verdünnungsmittel der Polyollösung und/oder -dispersion vor der Zugabe der Polyisocyanatkomponente einverleibt worden sind."
"10. Verwendung der Bindemittelkombinationen gemäß den Ansprüchen 1 bis 8 als Bindemittel für Lacke, Beschichtungs- und Dichtmassen, sowie für Klebstoffe."
Die Ansprüche 2 bis 8 waren von Anspruch 1 abhängig.
II. Gegen das Patent wurde gestützt auf die Bestimmungen des Artikels 100 a) EPÜ Einspruch erhoben von:
Imperial Chemical Industries PLC (Einsprechende I) am 21. Oktober 1996,
BASF Lacke + Farben AG (Einsprechende II) am 22. Oktober 1996,
Akzo Nobel (Einsprechende III) am 23. Oktober 1996,
Herberts GmbH (Einsprechende IV) am 24. Oktober 1996 sowie
BASF AG (Einsprechende V) am 24. Oktober 1996
und beantragt, das Patent in seinem gesamten Umfang zu widerrufen.
Die Einsprechende I (spätere Beschwerdeführerin I) hat zwar im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 7. August 2001 mitgeteilt, daß ihr Einspruch auf PPG Industries (UK) Ltd. übertragen worden sei, hat aber die von der Kammer mit Bescheid vom 10. September 2001 angeforderten Belege zum rechtlichen Nachweis der erfolgten Übertragung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht vorgelegt. Für die Zwecke dieser Entscheidung hat die beantragte Übertragung daher nicht stattgefunden.
III. Die Einsprüche stützten sich inter alia auf folgende Entgegenhaltungen:
D5: US-A-4 578 426,
D6: WO-A-9 309 157,
D9: WO-A-9 305 087,
D10: EP-A-0 358 979,
D11: EP-A-0 436 941,
D12: EP-A-0 089 497,
D14: DE-A-3 213 160,
D15: EP-A-0 036 975.
IV. Mit ihrer am 16. März 1999 mündlich verkündeten und am 19. April 1999 schriftlich begründeten Zwischenentscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, daß das Patent in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung (damaliger Hauptantrag) den Bedingungen des EPÜ genüge.
Anspruch 1 dieser Fassung unterschied sich von seiner erteilten Version nur durch die Anfügung des Disclaimers
"mit der Maßgabe, daß eine Kombination von A2) und A4) alleine ausgenommen ist."
Um analoge Disclaimer wurden auch die Ansprüche 5 und 9 ergänzt.
V. Die genannte Entscheidung der Einspruchsabteilung stellte fest, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sei, und zwar gegenüber D6 aufgrund des eingefügten Disclaimers und gegenüber D9 wegen der dort fehlenden Offenbarung einer kombinierten Verwendung der Polyolkomponenten A1 und A4.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei auch erfinderisch gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß D10, der die Verwendung einer wäßrigen Bindemittelkombination der patentgemäßen Komponenten A4 und B offenbart, weil weder D10 selbst, noch die übrigen Entgegenhaltungen die patentgemäße Merkmalskombination nahelege. Insbesondere offenbare D11 zwar eine Vielzahl unterschiedlicher Harze, enthalte aber keinen Hinweis auf eine Kombination von Acryl- und Polyurethanharzen und die Entgegenhaltungen D12, D14 und D15 offenbarten alle nur die Verwendung blockierter Polyisocyanate.
VI. Gegen diese Entscheidung haben unter jeweils gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr die Einsprechende I (Beschwerdeführerin I) am 1. Juni 1999 und die Einsprechende V (Beschwerdeführerin II) am 16. Juni 1999 Beschwerde eingelegt.
Die Einsprechende III hat am 17. Juni 1999 ebenfalls Beschwerde eingelegt, zog aber ihren Einspruch mit Schriftsatz vom 17. August 2001 zurück (und wird daher bezüglich des Beschwerdeverfahrens im weiteren als "frühere Einsprechende III" bezeichnet).
Beschwerdebegründungen wurden von der Beschwerdeführerin I mit Schriftsatz vom 23. Juli 1999 (eingegangen am 27. Juli 1999) und von der Beschwerdeführerin II mit Schriftsatz vom 18. August 1999 eingereicht.
Die Beschwerdebegründung der früheren Einsprechenden III ist am 6. August 1999 eingegangen.
Weitere Schriftsätze datieren von der Beschwerdeführerin I am 20. August 2001, von der Beschwerdeführerin II am 2. August 2001 und von der früheren Einsprechenden III am 24. März 2000.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) äußerte sich in Schriftsätzen vom 15. Juli 2001, 19. Juli 2001 und 29. August 2001.
Mit dem letztgenannten Schriftsatz reichte sie Anspruchsfassungen eines Hauptantrags (10 Ansprüche), eines 1. Hilfsantrags (9 Ansprüche) und eines 2. Hilfsantrags (10 Ansprüche) ein.
Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von seiner erteilten Fassung im wesentlichen nur durch den vor der Einspruchsabteilung angefügten Disclaimer (siehe Punkt IV supra) und durch die Präzisierung der Isocyanatkomponente B) durch das Merkmal "bestehend aus mindestens einem organischen Polyisocyanat mit aliphatisch, cycloaliphatisch, araliphatisch und/oder aromatisch gebundenen, freien Isocyanatgruppen".
Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags stellt im wesentlichen eine um den vorzitierten Disclaimer ergänzte Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2 dar.
Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch folgenden erweiterten Disclaimer: "mit der Maßgabe, daß eine Kombination von A2) und A4) sowie A1) und A4) alleine ausgenommen sind."
VIII. Weder die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende I und V), noch die nichtbeschwerdeführenden Einsprechenden II und IV oder die frühere Einsprechende III waren in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2001 vertreten. Die Verhandlung wurde somit gemäß Regel 71 (2) EPÜ nur in Gegenwart der Beschwerdegegnerin durchgeführt.
IX. In ihren schriftlichen Vorbringen machten die Beschwerdeführerinnen (inklusive der früheren Einsprechenden III) im wesentlichen folgende Ausführungen:
i) Die angefochtene Entscheidung beruhe nach Meinung der früheren Einsprechenden III auf zwei wesentlichen Verfahrensfehlern der Einspruchsabteilung, weil diese weder den Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ gegen den Disclaimer, noch die Neuheitseinwände auf der Grundlage der Entgegenhaltungen D5 und D14 zugelassen habe.
ii) Der Disclaimer sei nach T 170/87 gegenüber D5 und D14 unzulässig, weil es sich dabei nicht um zufällige, sondern um erfindungsrelevante Offenbarungen halte.
iii) Der Gegenstand von Anspruchs 1 sei neuheitsschädlich getroffen von den in D5, D9 und D12 offenbarten Bindemittelzusammensetzungen, die Kombinationen der Polyolkomponenten A1 und A4 verwendeten, sowie auch von den in D14 offenbarten Bindemittelzusammensetzungen, die Kombinationen der Polyolkomponenten A2 und A4 verwendeten. Letzteres deshalb, weil der Disclaimer gegenüber D14 keine Wirksamkeit entfalten könne.
iv) Ausgehend von D10 als nächstliegendem Stand der Technik sei die Verwendung jeder der in D11 offenbarten Harzmischungen naheliegend, so auch die der dort offenbarten, den patentgemäßen Polyolen A1 und A2 entsprechenden Polyurethan- und Polyester-Komponenten.
v) Dasselbe gelte für die Kombination von D10 mit D12 oder D15; der Einsatz von blockierten Polyisocyanaten bedeute kein Vorurteil, weil die Frage der Blockierung nur von der angestrebten Topfzeit abhänge; auch offenbare D10 bereits die mögliche Verwendung von unblockierten Polyisocyanaten.
X. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin im schriftlichen und mündlichen Verfahren kann wie folgt zusammengefaßt werden:
i) Zu der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Feststellung der Kammer, daß die von der früheren Einsprechenden III gerügte Nicht-Berücksichtigung des Einwands nach Artikel 100 c) bzw. Artikel 123 (2) EPÜ durch die Einspruchsabteilung ein Verfahrensfehler gewesen sei, nahm die Beschwerdegegnerin nicht konkret Stellung.
ii) Sie bemerkte aber, daß der Disclaimer substantiell gegenüber D5 und D14, den von der früheren Einsprechenden III im Einspruchsverfahren gegen seine Zulässigkeit ins Treffen geführten Entgegenhaltungen, zulässig sei, weil keine dieser Entgegenhaltungen neuheitsschädlich für den Gegenstand eines Disclaimer-freien Anspruchs 1 sei, inter alia weil das Bindemittel gemäß D5 nicht in wäßrigem Medium vorliege und weil D14 nur Systeme mit blockiertem Polyisocyanat beschreibe.
iii) Neuheit sei auch gegenüber D9, deren Offenbarung eine gemeinsame Verwendung von Polymerisations- und Polykondensationsharzen nicht umfasse, und gegenüber D12, die ein ausreagiertes Polyurethan und die Verwendung nur blockierter Polyisocyanate beschreibe, gegeben.
iv) Der Patentgegenstand sei ausgegehend von D10 als nächstliegendem Stand der Technik auch erfinderisch, weil weder dieser Entgegenhaltung noch den Entgegenhaltungen D11, D12, D14 oder D15 ein Hinweis darauf entnommen werden könne, daß durch die beanspruchte Bindemittelkombination die (durch die Ergebnisse des mit Schriftsatz vom 15. Juli 2001 vorgelegten Versuchsberichts belegten) verlängerten Stand- und Verarbeitungszeiten erreichbar seien.
XI. Die Beschwerdeführerinnen beantragten im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den vollständigen Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Sache zur weiteren Bearbeitung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Die frühere Einsprechende III hat zwar durch die Zurückziehung ihres Einspruchs mit Schriftsatz vom 17. August 2001 auch ihren Beschwerdeantrag gegen die Aufrechterhaltung des Streitpatents aufgegeben, bezüglich sie betreffender nicht-materieller Rechtsfragen bleibt sie im Beschwerdeverfahren aber noch Partei. Dies folgt aus der Entscheidung G 8/93 (ABl. EPA 1994, 887), die sich zwar auf die Rücknahme des Einspruchs einer Einsprechenden, die einzige Beschwerdeführerin ist, bezieht, deren Schlußfolgerungen in Punkt 2 der Entscheidungsgründe aber ebenso für den hier vorliegenden Fall noch verbleibender anderer beschwerdeführender Einsprechenden gelten.
Zu den hier interessierenden nicht-materiellen Rechtsfragen, die von der früheren Einsprechenden III ins Beschwerdeverfahren eingeführt wurden, gehört die Frage der Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ.
3. Sowohl der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Anspruch 1, als auch die Ansprüche 1 des geltenden Hauptantrags und des geltenden 1. Hilfsantrags enthalten als zusätzliches Merkmal den zum Ausschluß der Offenbarung von D6 eingeführten Disclaimer "mit der Maßgabe, daß eine Kombination von A2) und A4) alleine ausgenommen ist."
Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags enthält einen demgegenüber erweiterten Disclaimer folgenden Wortlauts: "mit der Maßgabe, daß Kombinationen von A2) und A4) sowie A1) und A4) alleine ausgenommen sind."
Somit schließen die Ansprüche 1 aller geltenden Anträge ebenso wie Anspruch 1 gemäß der angefochten Entscheidung die Verwendung einer Kombination der Polyolkomponenten A2) und A4) alleine aus.
4. Die angefochtene Entscheidung stellt zum in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erhobenen Einwand der Unzulässigkeit des Disclaimers folgendes fest:
"Die Einsprechenden erhoben den Einwand, daß der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag eingeführte Disclaimer eine unzulässige Erweiterung darstelle. Die Patentinhaberin nahm ... lediglich eine Änderung vor, nämlich die Aufnahme des Disclaimers "mit der Maßgabe, daß eine Kombination von A2) und A4) alleine ausgenommen ist". Dieser Disclaimer schließt genau den Gegenstand des älteren Rechtes D6 aus. Dieser Einwand wurde erst in der mündlichen Verhandlung erhoben. Der Einwand gemäß Artikel 100 c) EPÜ wird als verspätet und nicht relevant erachtet und wird daher nicht zugelassen."
Punkt 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (datiert 19. April 1999) enthält inter alia folgende ergänzende Information: "EIII [Einsprechende III] hielt den Disclaimer im Anspruch 1 für nicht zulässig gemäß Artikel 123 (2) EPÜ, da er nicht nur die Offenbarung der älteren Anmeldung D6, sondern auch (angeblich unzulässigerweise) die der vorveröffentlichten Anmeldung D14 ausschließe."
5. Artikel 102 (3) EPÜ lautet: "Ist die Einspruchsabteilung der Auffassung, daß unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Übereinkommens genügt, so beschließt sie die Aufrechterhaltung des Patents in dem geänderten Umfang, ..." [Hervorhebung durch die Kammer].
Entsprechend wurde in Paragraph 19 der Entscheidungsgründe von G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408), die sich u. a. mit der Befugnis einer Einspruchsabteilung gemäß Artikeln 101 und 102 EPÜ auseinandersetzt, festgestellt: "Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei schließlich noch betont, daß Änderungen der Ansprüche oder anderer Teile eines Patents, die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ (z. B. des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ zu prüfen sind." [Hervorhebung durch die Kammer]
6. Es folgt somit, daß die Einspruchsabteilung, sogar ohne entsprechenden Antrag einer Einsprechenden (der aber hier vorlag), die Verpflichtung hatte, den durch die Einführung des Disclaimers geänderten Anspruch 1 auf seine Zulässigkeit nach Artikel 123 (2) EPÜ zu prüfen und jedenfalls nicht berechtigt war, einen diesbezüglichen Einwand der Einsprechenden III als verspätet nicht zuzulassen. Dabei spielt es keine Rolle, daß der Einwand erst in der mündlichen Verhandlung erhoben wurde, weil hier, wie aus dem Wortlaut von Artikel 102 (3) EPÜ hervorgeht, eine ex officio Verpflichtung der Einspruchsabteilung besteht.
7. Was diese Verpflichtung der Einspruchsabteilung betrifft, enthält die angefochtene Entscheidung zwar die Feststellung: "Dieser Disclaimer schließt genau den Gegenstand des älteren Rechtes D6 aus", es fehlt aber völlig die Identifikation der Offenbarungsgrundlage des Disclaimers in diesem Dokument. Dies wäre aber notwendig, weil die kombinierte Verwendung der vom Disclaimer ausgeschlossenen, im Anspruch 1 des Streitpatents (alle Fassungen) durch zahlreiche Merkmale spezifizierten Polyolkomponenten A2 und A4 aus D6 keinesfalls evident hervorgeht und z. B. weder den Ansprüchen noch den Beispielen entnommen werden kann.
8. Die Nichtdurchführung der notwendigen Überprüfung, inwieweit der geänderte Anspruch 1 den Bedingungen von Artikel 123 (2) EPÜ genügt, und die Nichtzulassung des entsprechenden Einspruchsgrundes Artikel 100 c) EPÜ, die einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113 (1) EPÜ gleichkommt, stellen wesentliche Verfahrensfehler dar, die es nach Regel 67 EPÜ billig erscheinen lassen, die Rückzahlung der Beschwerdegebühren anzuordnen.
9. Wegen der gerügten Verfahrensfehler und auch - im Hinblick auf die zweifelhafte Zulässigkeit des Disclaimers nach Artikel 123 (2) EPÜ (siehe Punkt 7 supra) - zur Vermeidung eines Instanzenverlusts, hält es die Kammer für zweckmäßig, die Sache gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
10. Die Kammer weist noch vorsorglich darauf hin, daß die in obigem Punkt 5 angesprochene Verpflichtung der Einspruchsabteilung zur Überprüfung von Anspruchsänderungen auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ, auch Artikel 84 EPÜ einschließt. Dies ist insofern von Bedeutung, als die Definitionen der Polyolkomponenten A1 bis A5 sich teilweise zu überlappen scheinen, so daß ein Ausschluß einzelner Komponenten, wie es im zur Diskussion stehenden Disclaimer der Fall ist, zu Unklarheiten bezüglich des Restumfangs eines solchen Anspruchs führen kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung aller drei Beschwerdegebühren wird angeordnet.