T 0545/99 (Numerisch gesteuerte Werkzeugmaschine/TORNOS-BECHLER SA) of 16.1.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T054599.20010116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 2001
Aktenzeichen: T 0545/99
Anmeldenummer: 91119587.3
IPC-Klasse: G05B 19/414
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betrieb einer numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine und Werkzeugmaschine zur Ausübung des Verfahrens
Name des Anmelders: Tornos-Bechler SA
Name des Einsprechenden: AGIE S.A.
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechthaltung des europäischen Patents in geändertem Umfang.

Der aufrechterhaltene Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut (mit den von der Einspruchsabteilung benutzten Bezeichnungen der Merkmale):

"Verfahren zum Betrieb einer numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine zur Bearbeitung von Werkstücken mit mehreren unabhängig voneinander zu berechnenden Achsen- und Spindelbewegungen zur Steuerung der Werkzeuge, sowie mit weiteren den Betrieb der Werkzeugmaschine steuernden Betriebs-, Hilfs- und Kontrollbefehlen, wobei

(a) die für alle Achsensteuerungen (4) zu berechnenden Wegbahnen schon vor der Bearbeitung des Werkstücks von einer externen Programmier-Einheit (1,13) berechnet werden, dadurch gekennzeichnet, daß

(b) von einem Compiler (14) in jeweils einer Zuordnungstabelle in Form eines Objektfiles (15-18) der berechnete Verlauf der Bahngeschwindigkeit-Zeit für jede Achse getrennt in beliebiger digitaler Form in die Werkzeugmaschine eingespeichert wird, und daß

(c) zur Steuerung der Achsen bzw. Spindeln die Objektfiles (15-18) synchron bei Bearbeitung des Werkstücks unter Taktung durch eine zentrale Uhr (19) in beliebiger Geschwindigkeit vorwärts oder rückwärts ablaufen,

wobei der Zeittakt der zentralen Uhr (19) im Automatikmodus in Abhängigkeit von einem Frequenzgenerator abläuft, der manuell in einem Bereich von 0-100% variabel einstellbar ist und daß in einem Handbetrieb die zentrale Uhr (19) aufwärts- oder abwärts zur Umkehr der Drehrichtung der Achssteuerung (4) zählt."

Der aufrechterhaltene Anspruch 4 hat folgenden Wortlaut:

"Werkzeugmaschine zur Bearbeitung von Werkstücken mit mehreren unabhängig voneinander zu berechnenden Achsen- und Spindelbewegungen zur Steuerung der Werkzeuge, sowie mit weiteren den Betrieb der Werkzeugmaschine steuernden Betriebs-, Hilfs-, und Kontrollbefehlen zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß

(a) die Werkzeugmaschine eine Zentraleinheit (12), einen Compiler (14) und eine manuell einstellbare zentrale Uhr (19) enthält, wobei

(b) der Compiler (14) Zuordnungstabellen, in Form von Objektfiles (15-18) von durch eine externe Programmier-Einheit (1,13) berechneten Wegbahnen in die Werkzeugmaschine einspeichert und

(c) die Zentraleinheit (12) die für jede zu steuernde Achse und Spindel als Funktion der Zeit abgespeicherten Objektfiles (15-18) unter dem Takt der zentralen Uhr (19) abarbeitet."

II. In der Entscheidung der Einspruchsabteilung ist festgestellt worden, daß der Gegenstand sowohl des Anspruchs 1 als auch des Anspruchs 4 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Ausgehend von den Ausführungen der Entgegenhaltung D1a (EP-A-0 270 059), welche als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, sei es nicht nahegelegt, zu der Erfindung zu gelangen. Auch nehme die Entgegenhaltung D8 (EP-A-0 474 603), die eine Entgegenhaltung im Sinne von Artikel 54 (3) und 54 (4) EPÜ darstelle, die Neuheit der Erfindung nicht vorweg.

III. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Beschwerde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. In ihrer Beschwerdebegründung hat sie "vorsorglich" noch auf vier zusätzliche Entgegenhaltungen D9 bis D12 verwiesen, um zu zeigen, daß die manuelle Einstellung des Zeittaktes und der Richtungsumkehr in Handbetrieb bei CNC-gesteuerten Werkzeugen schon seit mehr als 20 Jahren bekannt sei.

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Beide Parteien haben hilfsweise eine mündliche Verhandlung beantragt.

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung am 16. Januar 2001 hat die Kammer ausgeführt, daß der Gegenstand der Entgegenhaltung D8 für den Gegenstand der Ansprüche 1 oder 4 nicht neuheitsschädlich im Sinne des Artikels 54 3) EPÜ zu sein scheine, weil aus D8 jedenfalls keine während der Bearbeitung manuell einstellbare zentrale Uhr zu entnehmen sei.

Bezüglich der neu zitierten Entgegenhaltungen D9 bis D12 hat die Kammer zum Ausdruck gebracht, daß diese zwar bekannte Verfahren zum Ändern (auch manuell) der Vorschubgeschwindigkeit von Werkzeugmaschinen offenbaren, daß aber daraus kein Zusammenhang mit den anderen Merkmalen der Erfindung erkennbar sei.

V. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgetragen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei aus dem Stand der Technik bekannt (Entgegenhaltung D1a), zumindestens aber nahegelegt. Ausgangspunkt der Lehre der D1a sei ein System bestehend aus einem Grobinterpolator 1 und einem Feininterpolator 2. Bei diesem bekannten Steuersystem arbeite der Grobinterpolator in einem festen Zeitraster, in dem ebenfalls der dem Grobinterpolator nachgeschaltete lineare Feininterpolator arbeite. Diese Arbeitsweise führe bei der Interpolation für schwach gekrümmte Konturen zu einem unnötig kleinen Stützpunktabstand und führte bei dem bekannten System zu einer unnötigen Belastung des Grobinterpolators. Diesen Nachteil wolle die Lehre der D1a vermeiden und schlage deshalb vor, daß eine zeitrasterunabhängige Geometrieberechnung vom Grobinterpolator durchgeführt werde, welche zeitlich unabhängig von einer nachfolgenden Feininterpolation sein müsse. Also erreiche man auch in D1a eine völlige Entkopplung von Grob- und Feininterpolator. Der Grobinterpolator sei also für die eigentliche Interpolation zuständig und reduziere dabei die Geometrie auf Geradenabschnitte. Die Interpolationsdaten würden zusammen mit weiteren Steuerinformationen an einen Feininterpolator 2 weitergeleitet, wobei der Feininterpolator seinerseits Informationen über Systemzustand, Prozeßzustand oder erreichte Geometriepunkte an den Grobinterpolator zurückmelden könne. Obwohl der Feininterpolator also als "Interpolator" in D1a bezeichnet worden sei, sei er nicht ein Interpolator im Sinne des Wortes, sondern ein Teil des Systems, der die Abarbeitung des Werkstückes durchführen soll, welche von dem Grobinterpolator berechnet und vorgeschrieben sei. Es sei zu bemerken, daß auch gemäß Streitpatent in der Werkzeugmaschine eine Wege- und Korrekturberechnung der im voraus berechneten Bahnsegmente stattfinde, die genau so eine "Feininterpolation" darstelle.

Das Merkmal (a) sei zweifelsfrei aus der Figur 9 der D1a (Beschreibung, Seite 17, letzter Absatz) zu entnehmen. Diese Figur zeige die Einrichtungen für vier unterschiedliche Prozesse in schematischer Form. Ein übergeordneter Rechner, der Grobinterpolator, der nicht Bestandteil der Werkzeugmaschine sei, berechne somit genau wie im Patent vorgeschlagen für die Prozesse 3 und 4. schon vor der Bearbeitung des Werkstücks die Wegbahnen (die Bahnelemente L1 bis Ln).

Merkmal (b) sei der D1a zu entnehmen, und zwar jedenfalls aus dem Prozeß 3 gemäß Figur 9. Diese Figur zeige deutlich, daß der Feininterpolator 2 nicht mit dem Grobinterpolator gekoppelt sei und nur die Daten von einem nichtflüchtigen Speichermedium 15 benutze. Auch sei der Prozeß 4 gemäß D1a, mit dem in Groß-Serien immer die gleichen Teile produziert werden sollten, dauerhaft programmiert, wobei der Feininterpolator ganz selbständig arbeite. In Anspruch 15 der D1a heißt es, daß "in den Zwischenspeicher alle Informationen einspeicherbar sind, die das System benötigt, um einen Prozeß beliebig oft zu wiederholen". Diese Daten seien so eingespeichert, daß sie vom Feininterpolator weiterbearbeitet werden können. Es sei für den Fachmann selbstverständlich, daß den Bahnelementen Zeittakte zugeordnet seien und daß sie gemäß einem entsprechenden Taktsignal gespeichert würden. Die Bahndaten seien für alle Achsen in dem Zwischenspeicher mit einer gewissen Ordnung abgelegt und mit Adressen versehen, die beim Abrufen der Bahnelemente inkrementiert würden (D1a, Seite 5, Zeilen 21 bis 22). Diese Ordnung im Speicher der D1a könne als "tabellenartig" bezeichnet werden, so daß die auf die bekannte Weise gespeicherten Bahndaten nichts anderes als "Zuordnungstabellen" oder "Objektfiles" im Sinne des Streitpatents seien. Ein technischer Unterschied zum Patentgegenstand könne nicht festgestellt werden.

Auch sei der erste Teil des Merkmals (c) des Anspruchs 1 (vor "wobei") aus D1a bekannt, oder zumindest, wie auch die Einspruchsabteilung festgestellt habe, für den Fachmann nahegelegt. Es sei nämlich bei Betrachtung der gesamten Lehre der D1a für den Fachmann selbstverständlich, eine zentrale Uhr zur Taktung zu benutzen und diese mit beliebiger Geschwindigkeit vorwärts und rückwärts ablaufen zu lassen. Aus der Entgegenhaltung sei zu entnehmen (D1a, Seite 6, Zeilen 9 bis 16), daß bei der Bearbeitung des Werkstückes auf einer Maschine die gespeicherten Bahnelemente aus den Objektfiles des Zwischenspeichers 3 synchron unter Taktung durch das einzige (zentrale) Taktsignal "T" im Feininterpolator abgearbeitet würden, d. h. die Achssteuerungsbefehle für alle Achsen der Maschine würden in dieser Weise generiert. Je nach Wahl des zentralen Richtungsignals "R" würden die abgespeicheten Bahnelemnete vorwärts oder rückwärts interpoliert. In Anspruch 21 der D1a sei deutlich angegeben, daß, wenn das Signal "R" eine negative Richtung anzeige, die Daten aus dem Zwischenspeicher (3) in umgekehrter Reihenfolge ausgelesen und geordnet würden, wobei die Rückwärtsfeininterpolation höchstens bis zum Startpunkt zurück ausgeführt würde. Aus der D1a sei auch zu entnehmen (Seite 18, Zeilen 27 bis 29), daß Prozesse, die keine Servosignale erzeugen, über einen steuerbaren Oszillator in Bahngeschwindigkeit geführt werden können (vgl. auch Anspruch 23 der D1a). Die Steuerung des steuerbaren Oszillators 13 erfolge über die Prozeßsparameter S, K. Der Oszillator (in Figur 9 der D1a für den Prozeß 2 benutzt) sei durchaus als zentral anzusehen, und zwar in Bezug auf die mehreren von dem Feininterpolator 12 unabhängig voneinander zu berechnenden Achsen.

Auch den zweiten Teil des Merkmals (c) des Anspruchs 1, nämlich die manuelle Einstellung des Zeittaktes und die Richtungsumkehr im Handbetrieb, lese der Durchschnittsfachmann in der Druckschrift mit; zumindest werde es ihm durch D1a nahegelegt. In D1a (Anspruch 14, sowie Seite 6, Zeilen 16 bis 22) werde ausgeführt, daß der Feininterpolator über den Grobinterpolator manuell eingegebene Kommandos direkt in den Prozeß einleite. Dies bedeute, daß manuelle Kommandos während der Werkstückbearbeitung auch bei laufendem Prozeß eingegeben und ausgeführt würden. Auch wenn der Grobinterpolator kein Bestandteil der Werkzeugmaschine sei, schließe dies nicht aus, daß auch während der Bearbeitung vom Grobinterpolator aus manuelle Kommandos zur Beeinflussung der Bearbeitung des Werkstücks eingegeben werden könnten. Der Grobinterpolator könne diese Kommandos offenbar mit Hilfe der Prozeßparameter S, K durchführen. Wie oben ausgeführt können aber die Prozeßsparameter S, K für die Steuerung des steuerbaren Oszillators benutzt werden (Seite 18, Zeilen 29 bis 31). Es dürfte deshalb für den Fachmann selbstverständlich sein, die Werkzeugmaschine während der Bearbeitung per Hand durch Verstellen eines steuerbaren Oscillators schneller oder langsamer zu betreiben.

Im übrigen seien die manuelle Einstellung des Zeittaktes und die Richtungsumkehr in Handbetrieb seit mehr als 20. Jahren bekannt. Dies gehe aus den von der Beschwerdeführerin zitierten zusätzlichen Dokumenten D9 bis D12 hervor.

Da Anspruch 4 des Patents noch breiter als Anspruch 1 formuliert sei, gelte hier genauso wie bei Anspruch 1, daß der Gegenstand des Anspruchs nicht neu oder zumindest nahegelegt sei.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen:

Auch mit Hilfe einer Ex-post-facto-Analyse habe die Beschwedeführerin nicht zeigen können, daß die Erfindung für den Fachmann nahegelegt sei. Die Entgegenhaltung D1a weise eine ganz andere Einrichtung auf als das vorliegende Patent. Das System gemäß D1a arbeite zeitrasterunabhängig und führe damit eine geometrieabhängige adaptive Steuerung durch, bei der nur eine minimale Datenmenge erzeugt werde. Bei der Erfindung werde gerade das Gegenteil erreicht, nämlich eine relativ große "Datenflut", da in den Objektfiles alle Werte für ein bestimmtes Werkstück in einem festen Inkrement berechnet werden, unabhängig davon, ob eine Konturänderung und damit ein Vorschub eines Werkzeuges notwendig sei, oder nicht. Dies werde in Kauf genommen, da die Daten nur einmal berechnet würden und danach immer wieder mit den Verhältnissen angepaßter Geschwindigkeit abgespielt würden. Beim Gegenstand des Patentes würden die Wertetabellen bezogen auf ein festes Weg/ bzw. Zeitinkrement vorausberechnet. Nur dadurch lasse sich eine synchrone taktweise Steuerung der Achsen durch eine zentrale Uhr verwirklichen, wobei Geschwindigkeit und Drehrichtung beliebig vorgegeben werden können.

Aus D1a sei keine zentrale Uhr zu entnehmen und noch weniger ein Verändern der Taktrate während des Betriebs der Werkzeugmaschine. Die Entgegenhaltung beschreibe zwar, daß manuell eingegebene Kommandos direkt in den laufenden Prozeß eingegeben werden können, aber nirgends sei zu entnehmen, daß es sich hierbei um eine Veränderung der Taktrate handle.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Wie schon in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, ist die Kammer der Auffassung, daß der Gegenstand des Patents gegenüber der Entgegenhaltung D8 neu ist (Artikel 54 (3) EPÜ). Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung darauf verzichtet, gegen diese Auffassung der Kammer zu argumentieren.

Auch ist der Gegenstand des Patents neu (Artikel 54 (2) EPÜ) gegenüber der Entgegenhaltung D1a, schon weil dieser Stand der Technik jedenfalls keine zentrale Uhr, die manuell einstellbar ist, aufweist.

3. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit ist die Kammer der Meinung, daß das Merkmal (a) des Anspruchs 1 als aus D1a als bekannt angesehen werden kann. Man kann sicherlich, z. B. im Prozeß 3 in Figur 9 der D1a, den Grobinterpolator 1 als eine externe Programmier-Einheit auffassen, die die für den Prozeß 3 notwendigen Daten der Wegbahnen schon vor der Bearbeitung des Werkstücks berechnet. Daß der Grobinterpolator für diese Berechnung zuständig ist, geht wohl deutlch aus der Tatsache hervor, daß ein Pfeil von dem Speicher 15 in Prozeß 2, wo der Grobinterpolator am Feininterpolator angeschlossen ist, in Richtung des Speichers 15 in Prozeß 3 zeigt, wobei in Figur 9 in Prozeß 3 kein Grobinterpolator dargestellt ist und an der endgültigen Werkstückbearbeitung also nicht mitwirkt.

Was Merkmal (b) betrifft, so sind sich die Parteien nicht einig, wie D1a zu interpretieren ist. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, daß dieses Merkmal als Ganzes der Entgegenhaltung zu entnehmen sei, während die Beschwerdegegnerin meint, daß D1a nicht dem Zeitaspekt der Erfindung Rechnung trägt, d. h. daß die Bahndaten gemäß dem Stand der Technik bei der Übertragung zum Feininterpolator nicht mit einem festen Zeit/Wegraster gespeichert würden. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin zu, daß aus der Lehre der D1a nicht zu entnehmen ist, wie diese Speicherung genau ausgeführt wird. Die Beschwerdeführerin meint aber, daß auch bei dem Verfahren gemäß D1a die Daten mittels eines Taktsignales eingespeichert werden müßten. Nach Auffassung der Kammer kann diese Frage nicht völlig geklärt werden.

Wie schon die Einspruchsabteilung kommt auch die Kammer zu dem Schluß, daß der erste Teil des Merkmals (c) neu ist. Anders als die Einspruchsabteilung meint sie jedoch, daß dieser Teil des Merkmals, ausgehend von der Lehre der D1a, für den Fachmann nicht zwingend nahegelegt ist. Die Kammer kann in der Lehre der Entgegenhaltung in der Tat weder eine zentrale Uhr hineininterpretieren, noch daß die Objektfiles synchron bei Bearbeitung des Werkstücks unter Taktung durch eine solche Uhr in beliebiger Geschwindigkeit vorwärts und rückwärts ablaufen, wie von Merkmal (c) gefordert wird.

Es ist zwar richtig, daß in der Lehre der D1a (aber nur mit Bezug auf eine Einrichtung, wo der Grobinterpolator1 und der Feininterpolator 2 zusammengekoppelt sind - Figur 1 und Beschreibung, Seite 6) ausgeführt ist, daß der Feininterpolator von einem zentralen Servowegraster-Taktsignal T getaktet wird. Wie aber die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat, kann dieses Signal nicht dem Signal einer zentralen Uhr gleichgestellt werden, weil es z. B. von einer rotierenden Achse abgeleitet wird. Auch der Hinweis auf Seite 18 der D1a, "Prozesse, die keine Servosignale erzeugen, können dabei über einen steuerbaren Oszillator 13 in der Bahngeschwindigkeit geführt werden", bedeutet nicht, daß dies ein Hinweis auf die Benutzung einer zentralen Uhr mit veränderbarem Taktsignal im Sinne der Erfindung wäre. Dieser Hinweis bezieht sich auf Prozeß 2 in Figur 9 in D1a, in dem sowohl der Grobinterpolator als auch der Feininterpolator beteiligt sind und in dem der Oszillator 13 in der genannten Figur nach dem eigentlichen Feininterpolator 2, aber vor einem untergeordneten Feininterpolator 12, welcher eine Schaltmatrix 14 steuert, dargestellt ist. Die Kammer vermag nicht einzusehen, daß dieser Hinweis den Fachmann auf den Gedanken bringen würde, die Objektfiles unter Taktung durch eine zentrale Uhr vorwärts oder rückwärts mit beliebiger Geschwindigkeit ablaufen lassen. In D1a wird der Oszillator 13 offenbar benutzt, um mehrere Antriebsachsen mit unterschiedlichen Taktsignalen zu versorgen.

Wie die Einspruchsabteilung ist die Kammer der Auffassung, daß auch der zweite Teil des Merkmals (c) aus D1a nicht zu entnehmen ist. Die Kammer kann in dem Hinweis auf Seite 6 in D1a, daß die Prozeßparameter S, K als direktes, manuelles Kommando ausgegeben werden können und aus dem Hinweis auf Seite 18, daß die Steuerung des Oszillators über die Prozeßparameter S, K erfolgt, keinen Hinweis dafür erkennen, daß der Fachmann eine zentrale Uhr mit manuell veränderbarem Clocksignal einsetzen würde. Erstens ist im ersten Hinweis (Seite 6) keine Rede von Geschwindigkeit, zweitens ist, worauf die Einspruchsabteilung hingewiesen hat, der zweite Hinweis (Seite 18) nicht schlüssig, weil der Grobinterpolator im Prozeß 3, welcher der Erfindung entsprechen soll, bei der Abarbeitung des Werkstücks nicht vorhanden ist und drittens geht aus dem zweiten Hinweis (Seite 18) nicht hervor, daß eine Geschwindigkeitsänderung im Sinne der Erfindung stattfindet; es dürfte vielmehr nur um unterschiedliche Taktsignale für unterschiedliche Achsen gehen.

Die Kammer sieht auch keinen Grund, ihre Auffassung bezüglich der spät eingereichten Dokumenten D9 bis D12 zu ändern (siehe unter IV oben), nämlich daß aus diesen kein Zusammenhang zu den anderen Merkmalen der Erfindung erkennbar ist und sie deshalb die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht stützen können. Die Beschwerdeführerin hat diese Dokumente zwar in der mündlichen Verhandlung genannt, aber sie in ihrer Argumentation nicht mehr in Bezug genommen.

Um festzustellen, ob eine erfindersche Tätigkeit vorliegt oder nicht, ist zu prüfen, ob der Fachmann, wenn er das Dokument D1a am Prioritätsdatum in der Hand gehabt hätte, tatsächlich zu der Erfindung gelangt wäre. Wie die Beschwerdeführerin gezeigt hat, kann die Lehre der D1a zwar so interpretiert werden, daß die meisten Merkmale des Anspruchs 1 aus der Entgegenhaltung in irgendeiner Weise mit Hilfe entsprechender Interpretation zu entnehmen sind. Die Kammer stellt aber fest, daß diese Hinweise zu den verschiedenen Merkmalen des Anspruchs, wie oben gezeigt, von vielen unterschiedlichen Teilen der Entgenhaltung stammen, die überdies nicht immer untereinander in Zusammenhang stehen. Insbesondere ist zu bemerken, daß sich die meisten dieser Hinweise nicht auf den Prozeß 3 (oder Prozeß 4), der dem Prozeß der Erfindung entsprechen soll, beziehen, sondern auf die Prozesse 1 und 2, die eine Systemstruktur benutzen, die die Erfindung vermeiden will. Die Kammer stimmt auch mit der Beschwerdegegnerin darin überein, daß die Beschreibungseinleitung der D1a schon von sich aus den Fachmann, wie von die Beschwerdeführerin behauptet, nicht in Richtung der Erfindung führt. Im Gegenteil scheint beim ersten Blick der oben genannte Hinweis (siehe unter VI) auf "eine geometrieabhängige adaptive Steuerung, bei der nur eine mimimale Datenmenge erzeugt wird" von der Erfindung wegzuleiten. Bei dieser wird doch immer eine große aber gleichmäßige "Datenflut" (in feste Weg/ bzw. Zeitinkremente) in Kauf genommen, welche später mit beliebiger Geschwindigkeit abgespielt werden kann. Weil aus der D1a auch nicht ohne weiteres eine zentrale Uhr - und noch weniger ein (manuell) einstellbares zentrales Clocksignal - zu entnehmen ist, kommt die Kammer zum Schluß, daß das Verfahren des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht naheliegend ist.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

4. Auch der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 4, der das Verfahren des Anspruchs 1 ausführen soll, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil in D1a bei einer Werkzeugmaschine nicht eine manuell einstellbare zentrale Uhr vorgesehen ist, durch die unabhängig vom Grobinterpolator die Bearbeitungsgeschwindigkeit während der Werkstückbearbeitung variiert werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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