T 0475/99 () of 9.9.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T047599.20020909
Datum der Entscheidung: 09 September 2002
Aktenzeichen: T 0475/99
Anmeldenummer: 92114047.1
IPC-Klasse: B21B 1/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Erzeugung von Warmbreitband
Name des Anmelders: SMS Demag AG
Name des Einsprechenden: Voest-Alpine Industrieanlagen GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 0 531 755 eingelegte Einspruch, der auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützt war, führte zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die im Einspruchsverfahren u. a. genannten Druckschriften

D1: EP-A-0 320 846

D2: EP-B-0 264 459

D4: Handbuch der Fertigungstechnik, Band 2/1, "Umformen", SPUR, G. und SCHMOECKEL, D., Carl Hanser Verlag München Wien, 1983, Seite 240

durch die am 5. März 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 29. April 1999 bei rechtzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 14. Juli 1999 eingegangen.

III. In einer Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung hat die Beschwerdekammer auf die aus den Seiten 229 bis 231 der D4 bekannten Walzverfahren mit Warmbreitbandstraßen und auf die gemäß Seite 240 eingesetzte Coilbox zur Erzeugung einer konstanten Eintrittstemperatur des Breitbandes in das folgende Walzgerüst hingewiesen. Des weiteren wurde betont, daß in diesem Zusammenhang der Inhalt der D1 zu beachten sei, gemäß dem es zwecks Warmhaltens bzw. Speicherns von Bändern bekannt sei, entweder eine Coilbox oder einen Rollenherdofen zu benutzen. Es wurde weiter festgestellt, daß insbesondere bei der D1 beim Eintritt des Vorbandes in die Fertigstraße die gleichen Betriebszustände vorlägen wie beim Streitpatent, und die Frage zu stellen sei, ob es infolgedessen naheliegend sei, anstelle des bekannten "Speed cone"-Betriebes der Fertigstraße einen Betrieb mit konstanter Walzgeschwindigkeit und die daran anschließenden Verfahrensschritte vorzusehen.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin die Aufhebung der anberaumten Verhandlung und die schriftliche Fortführung des Verfahrens auf der Grundlage ihres bisherigen Hilfsantrags II, nämlich Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents mit den am 24. April 2002 eingegangenen Ansprüchen 1 und 2, der gleichzeitig eingegangenen Beschreibung und der erteilten Zeichnung.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Der demnach geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Erzeugung von Warmbreitband in einer kontinuierlich arbeitenden Walzstraße, bestehend aus einer ein- oder mehrgerüstigen Vorstraße (1) mit einer mehrgerüstigen Fertigstraße (2), der eine Hochdruckentzunderung (3) und eine Schopfschere (4) vorgeordnet sind, wobei zwischen der Vorstraße und der Schopfschere ein Rollenherdofen (5) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Warmbreitband aus dem letzten Gerüst (1) der Vorstraße kommend in einer Induktionsheizstrecke (6) aufgeheizt wird, bevor es in den Rollenherdofen (5) eingeführt wird, dass das Warmbreitband in dem Rollenherdofen (5) auf eine über die gesamte Bandlänge konstante Temperatur eingestellt und auf dieser eingestellten Temperatur gehalten wird, dass das Warmbreitband mit dieser einheitlichen und konstanten Temperatur den Rollenherdofen (5) mit einer Geschwindigkeit verläßt, die der Anstichgeschwindigkeit im ersten Gerüst der Fertigstraße (2) entspricht, und dass zur Einhaltung einer konstanten Endwalztemperatur des Warmbreitbandes die Fertigstraße mit konstanter Walzgeschwindigkeit betrieben wird und dass das Warmbreitband aus dem letzten Gerüst der Fertigstraße (2) kommend in einer nachgeordneten Kühlstrecke (8) mit innerhalb der Kühlstrecke gleichen Kühlgeschwindigkeiten auf eine konstante Haspeltemperatur gekühlt wird."

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die Figuren 3 und 4 der D1 zeigten die auf Seite 214 der D4 beschriebene Verwendung einer vor der Fertigstraße angeordneten Coilbox, die erst die in Rede stehenden Vorteile bringe. Da die Formulierung des geltenden Anspruchs 1 die Verwendung einer Coilbox ausschließe, könne eine Kombination der D1 und der D4 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen. Auch erhalte der Fachmann aus der D1 in Verbindung mit der D4 keine Hinweise, wie die beanspruchte Walzstraße bei Weglassung der Coilbox mit konstanter Walzgeschwindigkeit betrieben werden könne. Außerdem sei diesen Druckschriften nichts über eine nachgeordnete Kühlstrecke mit gleichen Kühlgeschwindigkeiten zu entnehmen. Auch die D2 zeige lediglich das Vorhandensein einer Kühlstrecke. Die in der D1 in Figur 1 gezeigten Rollenherdöfen seien dem Reversiergerüst zugeordnet und erfüllten ihre Aufgabe nur in Verbindung mit diesem. Es sei somit nicht gerechtfertigt, ein völlig unterschiedliches Konzept einer Walzstraße mit Reversiergerüst und Coilbox gemäß D1 bzw. D4, ggf. mit angeschlossener Kühlstrecke gemäß D2, mit dem Streitpatent zu vergleichen. Der Fachmann habe daher das beanspruchte Verfahren mit kontinuierlich arbeitender Walzstraße nicht in naheliegender Weise aus einer diskontinuierlich arbeitenden Walzstraße mit Coilbox entnehmen können. Desgleichen sei die weitere im geltenden Anspruch 1 aufgeführte Aufheizung des aus dem letzten Gerüst der Vorstraße kommenden Warmbreitbandes in einer vor dem Rollenherdofen angeordneten Induktionsheizstrecke für den Fachmann nicht selbstverständlich. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents beruhe demnach auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Es sei für einen fachmännischen Leser der D2 offensichtlich, daß aufgrund der unmittelbar dem Speicherofen nachgeordneten Fertigstraße das mit völlig gleichmäßiger Temperatur aus dem Speicherofen kommende Walzgut vom Anfang bis zum Ende mit einer bestimmten Geschwindigkeit gewalzt werde. Dabei sei es auch selbstverständlich, daß die der Fertigstraße 9 (Figur 1) nachgeordnete Kühlstrecke 10 eine gleichmäßige Kühlung des fertig gewalzten Bandes bewirke, da es widersinnig sei, das Band an verschiedenen Stellen unterschiedlich zu kühlen. Der Kerngedanke des Streitpatents, nämlich die Walzgeschwindigkeit vom Bandanfang bis zum Bandende konstant zu halten, ohne daß Walztemperaturen in den einzelnen Gerüsten sich verändern, sei demnach für den Fachmann sofort erkennbar in dem Offenbarungsinhalt der D2 enthalten. Dies gelte im wesentlichen auch für die D1, die bezüglich Temperaturausgleich und konstanter Walzgeschwindigkeit ebenfalls schon den Kern des Streitpatents vorwegnehme. Im übrigen sei es naheliegend, zusätzlich zu den bekannten Rollenherdöfen eine Aufheizung, z. B. mittels einer Induktionsheizstrecke vorzusehen, wenn sich in der Praxis herausstellen sollte, daß der Rollenherdofen nicht ausreichend sei. Das beanspruchte Verfahren beruhe demnach nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

Der geltende Anspruch 1 umfaßt den Text der erteilten Ansprüche 1 und 3, wobei die Walzstraße ergänzend als "kontinuierlich arbeitend" bezeichnet ist. Das letztere Merkmal folgt unmittelbar aus der Darstellung der Figur, während die weiteren Merkmale den ursprünglichen Ansprüchen und der ursprünglichen Beschreibung zu entnehmen sind.

Der Anspruch 1 entspricht demnach unbestritten den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Neuheit

In dem Handbuch der Fertigungstechnik gemäß D4 sind auf den Seiten 229 bis 231 eine Warmbreitbandstraße und ein mit ihr durchzuführendes Walzverfahren dargestellt bzw. beschrieben, bei denen eine mehrgerüstige Vorstraße, eine mehrgerüstige Fertigstraße und eine Kühlstrecke zur Anwendung kommen. Der Fertigstraße sind eine Schopfschere und eine Hochdruckentzunderung vorgeschaltet. Abweichend vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sind zwischen der Vor- und der Fertigstraße ein Zwischenrollgang und eine Vorbandabzieh- und Zerteilanlage anstelle des beim Streitpatent an dieser Stelle vorhandenen Rollenherdofens vorgesehen.

Gemäß Seite 240 der D4 kann in eine Warmbreitbandstraße vor der Schopfschere der Fertigstaffel eine Coilbox eingebaut werden, die eine Walzung in der Fertigstraße mit fast konstanter Eintrittstemperatur und Geschwindigkeit ermöglicht und somit an die Stelle des beim Streitpatent vorhandenen Rollenherdofens tritt.

Bei dem Walzverfahren zur Erzeugung von Warmbreitband nach der D1 ist gemäß den Figuren 1 bis 3 zwischen einer reversierenden Vorstraße und einer mehrgerüstigen Fertigstraße ein Rollenherdofen angeordnet, der einen Temperaturverlust des Bandes vor Eintritt in die Fertigstraße vermeidet. Abgesehen davon, daß es sich bei der D1 aufgrund der reversierenden Vorstraße nicht um ein kontinuierliches Walzverfahren handelt, ist in der Beschreibung der D1 nichts Näheres darüber angegeben, ob die Fertigstraße wie beim Streitpatent mit konstanter Walzgeschwindigkeit betrieben wird.

Bei der D2 dient ein an eine Stranggießmaschine angeschlossener Temperaturausgleichsofen als Speicherofen, der das Bandmaterial mit in Längsrichtung gleichmäßigem Temperaturprofil an eine Fertigstraße und eine anschließende Kühlstrecke weiterleitet. Ein Vorstraße wie beim Streitpatent ist nicht vorhanden.

Der D3 ist mangels Übersetzung des japanischen Textes nichts über die Funktion der in der Figur gezeigten Vor- und Fertigstraße sowie der den beiden zwischengeschalteten Vorrichtung zu entnehmen. Die im Anspruch 1 des Streitpatents geforderten Verfahrensmerkmale bezüglich Walzgeschwindigkeit und Temperatur sind daher der D3 nicht entnehmbar.

Das Walzverfahren nach dem geltenden Anspruch 1 ist somit gegenüber dem aufgedeckten Stand der Technik unbestritten neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

Nach der dem Streitpatent zugrundeliegenden Aufgabenstellung soll eine Warmbandstraße durch geeignete Maßnahmen so verändert werden, daß die Walzgeschwindigkeit in der Fertigstraße vom Bandanfang zum Bandende konstant gehalten werden kann, ohne daß sich die Walztemperaturen in den einzelnen Gerüsten verändern.

Bei der im Handbuch der Fertigungstechnik gemäß D4 auf den Seiten 229 bis 231 offenbarten Warmbreitbandstraße läßt sich die Walzendtemperatur in der Fertigstraße über die gesamte Bandlänge nur dann konstant halten, wenn die Walzgeschwindigkeit der gesamten Staffel nach oder auch schon kurz vor dem Fassen der Haspel erhöht wird, wobei die Geschwindigkeitsverhältnisse der Gerüste untereinander nicht verändert werden. Diese in der Fachsprache als "speed cone" bezeichnete Arbeitsweise dient zum Ausgleich der in Längsrichtung unterschiedlichen Temperaturen einer Bramme, deren vorderes Ende vor Einlauf in das Gerüst geringere Wärmeverluste erleidet als die hinteren Bereiche und damit bei höherer Temperatur gewalzt wird. Durch die vom vorderen bis zum hinteren Ende einer Bramme zunehmenden Walzgeschwindigkeiten wird dieser Temperaturverlust der hinteren Bereiche kompensiert. Mit diesem Verfahren ist es jedoch nicht möglich, ein kontinuierliches Walzverfahren über die gesamte aus Vor- und Fertigstraße bestehende Walzstraße zu verwirklichen.

Andererseits ist es aus dem Handbuch gemäß D4 auch schon bekannt, die Walzung eines Bandes in der Fertigstraße mit fast konstanter Eintrittstemperatur und Geschwindigkeit durchzuführen, wenn zwischen Vor- und Fertiggerüst eine Coilbox eingebaut wird (Seite 240 der D4).

Weiterhin ist es bei Walzverfahren nach den Druckschriften D1 und D2 bekannt, das zu walzende Band dem ersten Gerüst der Fertigstraße unmittelbar aus einem Rollenherdofen kommend zuzuführen. Der in der D1 (Figuren 1 bis 3) bzw. in der D2 gezeigte Rollenherdofen 25. bzw. 5 dient bei der D1 (vgl. z. B. Spalte 5, Zeilen 53 bis 58) und D2 (vgl. Spalte 6, Zeilen 21 bis 31) dazu, einen Temperaturabfall des zu walzenden Materials zu verhindern und ein sehr gleichmäßiges Temperaturprofil in Längsrichtung zu garantieren. Für den Betrieb der Fertigstraße liegen demnach bei der D1 und der D2 beim Eintritt des Vorbandes in die Fertigstraße die gleichen Betriebszustände wie beim Streitpatent vor, nämlich daß das Warmbreitband mit einer einheitlichen und konstanten Temperatur den Rollenherdofen verläßt und, in Längsrichtung betrachtet, mit unveränderter Temperatur in das Fertiggerüst eintritt. Bei den bekannten Walzverfahren nach der D1 und der D2 ist demnach davon auszugehen, daß bei einer praktischen Verwirklichung ihrer Lehren in der Walzstraße mit konstanter Walzgeschwindigkeit gearbeitet wird, was, wie vorstehend erwähnt aus der D4, Seite 240 an sich bekannt ist. Es ist als für einen Fachmann naheliegend anzusehen, bei der Warmbreitbandstraße gemäß D4, Seite 240, anstelle der eine konstante Eintrittstemperatur für die Fertigstraße garantierenden Coilbox einen unmittelbar vor dem ersten Gerüst der Fertigstraße angeordneten Rollenherdofen gemäß D1 bzw. D2 zu verwenden, der ebenfalls eine konstante Eintrittstemperatur und eine konstante Walzgeschwindigkeit garantiert und somit einen kontinuierlichen Betrieb der Gesamtanlage ermöglicht. Bei solchen Walzverfahren, die mit konstanten Walzgeschwindigkeiten in den einzelnen Gerüsten , d. h. ohne "speed cone" arbeiten, ist es selbstverständlich, daß auch die nachgeordnete Kühlvorrichtung aufgrund der unveränderten Bandgeschwindigkeit innerhalb der Kühlstrecke mit gleicher Kühlgeschwindigkeit arbeitet. Außerdem liegt es im Bereich fachmännischer Überlegungen, wie die Beschwerdegegnerin unwidersprochen argumentiert, zusätzlich zur Aufheizung im Rollenherdofen eine Zusatzerhitzung durch einen Induktionsofen vorzusehen, wenn sich herausstellen sollte, daß die Aufheizung des kontinuierlich laufenden Bandes in dem weniger schnell aufheizenden Rollenherdofen nicht ausreichen sollte, um die erwünschte, über die gesamte Bandlänge gleichbleibende Temperatur zu erreichen.

Aus den vorstehenden Gründen kann der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhend angesehen werden.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist daher nicht patentfähig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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