T 0447/99 () of 22.1.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T044799.20020122
Datum der Entscheidung: 22 Januar 2002
Aktenzeichen: T 0447/99
Anmeldenummer: 94200063.9
IPC-Klasse: H01M 2/38
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bleiakkumulator und Verwendung einer Elektrolytumwälzeinrichtung für Bleiakkumulatorenzellen
Name des Anmelders: DETA-Akkumulatorenwerk GmbH
Name des Einsprechenden: HAWKER GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 117(1)(d)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Zeugenvernehmung erforderlich (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1311/05

Sachverhalt und Anträge

I. Der gegen das europäische Patent Nr. 0 620 605 (Anmeldenummer 94 200 063.9) eingelegte Einspruch wurde von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens hatte die Einsprechende insbesondere eine offenkundige Vorbenutzung durch die Firma OLDHAM geltend gemacht, zu deren Beweis sie im schriftlichen Verfahren ein Prospektblatt der Firma OLDHAM (Dokument E9), eine interne Zeichnung dieser Firma mit der Identifikationsnummer 20071 (Dokument E10) und eine eidesstattliche Erklärung des Herrn Lenain, der bei der Firma OLDHAM für technische Produkte und Produktentwicklung verantwortlich war (Dokument E11), eingereicht hatte. Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hatte die Einsprechende noch weitere interne Unterlagen der Firma OLDHAM, wie Bestellungsbestätigungen und Rechnungen, vorgelegt, und ein auf Anregung der Einspruchsabteilung gefertigtes Modell (E14) des Gegenstandes der vermeintlichen Vorbenutzung vorgeführt.

Zu der geltend gemachten offenkundlichen Vorbenutzung durch die Firma OLDHAM hat die Einspruchsabteilung in ihrer den Einspruch zurückweisenden Entscheidung festgestellt, daß sie nicht zweifelsfrei belegt worden sei. Nachdem sie auf mehrere Widersprüche zwischen den Ausführungen in der eidesstattlichen Erklärung E11 und den aus den Dokumenten E9, E10 und dem Modell E14 entnehmbaren Konstruktionsmerkmalen gestoßen war, erklärte sie, daß diese Widersprüche ihr Anlaß gäben, auf eine von der Einsprechenden auch beantragte Befragung von Zeugen zu verzichten (vgl. den Punkt 3 der Entscheidungsgründe).

II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung erhob die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde und beantragte, das Patent zu widerrufen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte ihrerseits, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. In ihrer Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin weiterhin die offenkundige Vorbenutzung durch die Firma OLDHAM geltend, wobei sie sich noch auf eine Reihe von weiteren Beweismitteln stützte, insbesondere verschiedene Unterlagen der Firma OLDHAM, wie Bestellungsbestätigungen und Rechnungen zum Nachweis von mehreren Kaufvorgängen, einen technischen Bericht vom 11. Mai 1992, eine weitere eidesstattliche Erklärung des Herrn Lenain sowie zwei neue eidesstattliche Erklärungen der Herren Delmotte und Jacobs und die technische Zeichnung A2 P24362.

Für den Fall, daß die behauptete offenkundige Vorbenutzung weiterhin bestritten würde, beantragte sie die Ladung der Herren Lenain, Delmotte, Jacobs sowie des nachträglich noch genannten Herrn Konarski als Zeugen.

IV. In ihrer Antwort zu der Beschwerdebegründung bestritt die Beschwerdegegnerin weiterhin die behauptete offenkundige Vorbenutzung, die ihrer Meinung nach weder durch die verschiedenen eidesstattlichen Versicherungen noch durch die firmeninternen Unterlagen der Firma OLDHAM nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden sei.

V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die die Kammer beiden Parteien als Anlage zu einer Ladung für die beantragte mündliche Verhandlung hat zukommen lassen, äußerte die Kammer die vorläufige Meinung, daß die Frage, ob die geltend gemachte Vorbenutzung durch die Firma OLDHAM stattgefunden habe oder nicht, für die Beurteilung der Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes von entscheidender Bedeutung erscheine, und daß die behauptete Vorbenutzung durch die Gesamtheit der bislang eingereichten Beweismittel und Erklärungen zumindest soweit glaubhaft gemacht worden sei, daß die angebotene Zeugenvernehmung gerechtfertigt erscheine.

Die Kammer teilte den Parteien ferner mit, daß sie eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ erwäge.

VI. Nachdem beide Parteien sich mit der von der Kammer erwogenen Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung einverstanden erklärt hatten, wurde die bereits anberaumte mündliche Verhandlung abgesetzt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das angefochtene Patent betrifft die Verwendung einer Elektrolytumwälzeinrichtung für Bleiakkumulatorenzellen, deren Zellendeckel einen zentral angeordneten Entlüftungsstopfen und Diagnoseöffnungen aufweist, an welche sich jeweils ein nach innen ragender Rohrstutzen anschließt und die bei normalem Aufbau zwischen der Gefäßwand und dem Rand der Elektroden üblicherweise einen Zwischenraum aufweisen, sowie einen Bleiakkumulator mit einer solchen Elektrolytumwälzeinrichtung. Um den nachträglichen Einbau einer solchen Elektrolytumwälzeinrichtung in übliche fertigmontierte Akkumulatorenzellen zu ermöglichen, weist diese insbesondere ein aus einem flexiblen und formstabilen Kunststoff bestehendes Luftleitrohr auf, dessen Außendurchmesser so klein ist, daß es in den üblicherweise vorhandenen Zwischenraum einsteckbar ist und welches mit seinem oberen Ende über den Schenkel eines Zwischenstückes abdichtend in einer der Diagnoseöffnungen eingesteckt ist (vgl. die unabhängigen Patentansprüche 1 und 2 und die Beschreibung, Spalte 2, Zeilen 3 bis 14).

3. Nur bei der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Vorbenutzung durch die Firma OLDHAM wird ein dünnes Luftleitrohr über eine Öffnung im Zellendeckel in einen zwischen Gefäßwand und Elektroden bereits vorhandenen Zwischenraum für den Zweck eines einfachen Nachrüstens von handelsüblichen Bleiakkumulatoren eingeführt.

Aus diesem Grund erscheint die Frage, ob diese Vorbenutzung tatsächlich stattgefunden hat oder nicht für die Beurteilung der Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes von entscheidender Bedeutung.

Dies hat auch die Einspruchsabteilung insofern erkannt, als sie die auf diese Vorbenutzung basierende Argumentation und die entsprechenden schriftlichen Beweismittel zugelassen hat, obwohl diese erst mit dem Brief vom 15. April 1998 - achteinhalb Monate nach Ablauf der Einspruchsfrist - eingereicht wurden.

4. Die Einspruchsabteilung hat jedoch in dem ihr vorliegenden Beweismaterial keinen zweifelsfreien Beleg für die behauptete offenkundige Vorbenutzung erkennen können, weil sie auf Widersprüche gestoßen war, die ihr "Anlaß gaben, auf eine verspätet, d. h. während der mündlichen Verhandlung beantragte Befragung von Zeugen zu verzichten" (vgl. den Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe).

Dieser Auffassung kann sich die Kammer jedoch nicht anschließen. Es trifft zwar zu, daß die Vorrichtungen gemäß dem in der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Lenain erwähnten Prospektblatt E9 und der dort ebenfalls erwähnten Zeichnung Nr. 20071 (E10) konstruktive Unterschiede aufweisen hinsichtlich der genauen Lage des Luftleitrohres in Bezug auf die Elektroden und der Ausgestaltung des Verbindungsstückes an seinem oberen Ende.

Zum einen stellt die Figur auf dem Prospektblatt E9 jedoch keine Konstruktionszeichnung dar, sondern ist lediglich eine schematische Darstellung des Arbeitsprinzips der darin angepriesenen Elektrolytumwälzeinrichtung, so daß eine genaue Wiedergabe von im Hinblick auf den Zweck eines solchen Prospekts unbedeutenden technischen Detailmerkmalen nicht zu erwarten ist.

Zum anderen wäre eben die von der Beschwerdeführerin angebotene Anhörung des Herrn Lenain als Zeuge ein geeignetes Mittel gewesen, allenfalls noch offene Fragen zu klären. Entgegen den Ausführungen der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung wurde die Vernehmung von Herrn Lenain als Zeuge übrigens nicht erst während der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 1999 beantragt, sondern bereits mit dem Brief vom 12. Oktober 1998 angeboten.

5. Nach Auffassung der Kammer wurde die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung durch die Firma OLDHAM durch die bereits im Einspruchsverfahren eingereichten sowie die nachträglich noch eingeführten Beweismittel und Erklärungen zumindest soweit glaubhaft gemacht, daß eine Zeugenvernehmung im Sinne von Artikel 117 (1) d) EPÜ gerechtfertigt erscheint. Nur so können nämlich die nach der Untersuchung der schriftlich eingereichten Beweismittel noch bestehenden Zweifel entweder ausgeräumt oder bestätigt werden.

Nachdem eine solche Zeugenvernehmung durch die Einspruchsabteilung noch nicht erfolgt ist und sie zu einer neuen, von der Einspruchsabteilung noch nicht bewerteten Sachlage in Bezug auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes führen könnte, scheint es der Kammer angebracht, zur Vermeidung des Verlustes einer Instanz die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

Beide Parteien haben sich mit einer solcher Zurückverweisung ausdrücklich einverstanden erklärt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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