European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T035699.20010517 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Mai 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0356/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95106923.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G 64/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Durch ihre Endgruppen UV-stabilisierte aromatische Polycarbonate | ||||||||
Name des Anmelders: | BAYER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (bejaht) Entscheidung über die Beschwerde - Ermessensausübung |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die am 8. Mai 1995 unter Beanspruchung der Priorität einer deutschen Voranmeldung (4417748) vom 20. Mai 1994 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 95. 106 923.6 mit der Veröffentlichungsnummer 0 683 192 und dem Titel "Durch ihre Endgruppen UV-stabilisierte aromatische Polycarbonate" wurde von der Prüfungsabteilung mit Entscheidung vom 4. Februar 1999 zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte auf der Grundlage eines am 24. Dezember 1998 eingereichten einzigen Anspruchs folgenden Wortlauts, der zum ursprünglich eingereichten Anspruch 1 wortgleich war:
"Verfahren zur Herstellung von aromatischen Polycarbonaten mit UV-Absorberendgruppen und mit mittleren Molekulargewichten w (Gewichtsmittel, ermittelt durch Lichtstreuung) zwischen 1 500 und 150 000, gegebenenfalls im Gemisch mit bekannten aromatischen Polycarbonaten mit w (Gewichtsmittel, ermittelt durch Lichtstreuung) zwischen 1 500 und 150 000 aus Diphenolen, 0,001 bis 1 Mol, pro Mol Diphenol, Kettenabbrecher, Kohlensäurespender und gegebenenfalls Verzweiger nach den bekannten Polycarbonatherstellungsmethoden des Phasengrenzflächenverfahrens, des Verfahrens in homogener Lösung oder des Umesterungsverfahrens in der Schmelze, dadurch gekennzeichnet, daß man Kettenabbrecher der Formel (I)
FORMEL (I)
worin
R1 H, C1-C18-Alkyl, C3-C6-Cycloalkyl und C6-C10-Aryl bedeutet,
R² H, Cl und C1-C12-Alkyl bedeutet,
X eine Einfachbindung, C1-C12-Alkylen, C5-C6-Cycloalkylen und C6-C10-Arylen bedeutet und
Y ein unter den Reaktionsbedingungen der Polycarbonatherstellungsverfahren reaktiver Rest ist,
gegebenenfalls in Kombination mit anderen bekannten Kettenabbrechern verwendet."
II. Als Grund für die Zurückweisung nannte die angefochtene Entscheidung fehlende Neuheit des Gegenstandes des einzigen Anspruchs gegenüber der Lehre der Druckschrift
D2: JP-A-6-107 805 in Form einer englischen Übersetzung.
i) D2 offenbare UV-stabile Polycarbonate (PC), in denen PC mit Benztriazolen umgesetzt würden. Die dort zitierte Verbindung 3-(2H-Benztriazol-2-yl)-4-hydroxy-benzoesäure entspreche der Formel (I) des Anspruchs. Da die Verfahren der Anmeldung und von D2 gleich seien, nämlich eine Umesterung in der Schmelze, und sie mit den gleichen Produkten durchgeführt würden, würden in beiden Fällen die Benztriazole durch die Carboxylgruppe als Endgruppen an das PC gebunden. Ein Gewichtsmittel zwischen 1500 und 150000 sei konventionell für PC, so daß es zwangsläufig auch in D2 erhalten werde. Außerdem werde das Benztriazol als Kettenabbrecher verwendet und bestimme deshalb das Molekulargewicht. Da es in D2 und in der Anmeldung in gleichen Mengen eingesetzt werde, hätten die PC der Anmeldung und das von D2 das gleiche Molekulargewicht.
ii) Die Formulierung des Anspruchs gebe lediglich eine Aufzählung der zur Herstellung benötigten Einzelkomponenten wieder, nicht jedoch das gemäß Anmelderin wichtige Unterscheidungsmerkmal, die Zugabe des Kettenabbrechers schon bei der Synthese der PC. Da im Anspruch explizit auf die "bekannten Polycarbonatherstellungsmethoden" verwiesen werde, werde sie der Fachmann wie in den allgemein bekannten Verfahren verwenden.
III. Am 17. März 1999 hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) gegen diese Entscheidung unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde erhoben und gleichzeitig unter Beibehaltung des oben genannten Anspruchs als Hauptantrag und Einreichung eines weiteren Anspruchs als Hilfsantrag die Beschwerde begründet. Hilfsweise beantragte sie eine mündliche Verhandlung.
i) Zur Stützung ihrer Beschwerde hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgetragen, In D2 würden polymere PC mit substituierten UV-Absorbern umgesetzt, wohingegen gemäß Anmeldung niedermolekulare Verbindungen, u.a. auch UV-Absorber, nach bekannten Polycarbonatherstellungsmethoden polymerisiert würden. Die in einem Bescheid von der Prüfungsabteilung vorgeschlagene Einfügung des Merkmals "Zusatz des Benztriazols schon bei der Synthese" zur Herstellung der Neuheit gegenüber D2 würde ihrer Ansicht nach jedoch kein weiteres technisches Merkmal in den Patentanspruch einführen, sondern wäre im Zusammenhang mit dem Wortlaut des Anspruchs bloße Tautologie und liefe daher dem Erfordernis der Knappheit gemäß Artikel 84. EPÜ zuwider.
ii) Darüber hinaus gab die Beschwerdeführerin weitere Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit und verwies auf Vergleichsversuche, datiert vom 23. Dezember 1998.
IV. In einem Bescheid vom 17. November 2000 verglich der Berichterstatter die Offenbarung von D2 mit dem Wortlaut des Hauptantrags und stellte der Beschwerdeführerin anheim, weitere Erklärungen zu den von ihr vorgetragenen Argumenten über Unterschiede der Verfahren gemäß Anmeldung und D2, über gegenüber D2 geltend gemachte Eigenschaftsänderungen sowie die Vergleichbarkeit der Verfahrensmerkmale in den Beispielen und Vergleichsversuchen abzugeben.
V. Mit Schreiben vom 19. Januar 2001, eingegangen am 24. Januar 2001, zog die Beschwerdeführerin daraufhin ihren Hauptantrag zurück und verfolgt nunmehr ihren vormaligen "2. Hilfsantrag" als Hauptantrag weiter. Zur Stützung Ihres Vortrags zu einigen der angesprochenen Fragen reichte sie Kopien der Seiten 119 bis 124 aus H. Schnell, Chemistry and Physics of Polycarbonates, Interscience Publishers, 1964, ein.
Der nun einzige Anspruch unterscheidet sich vom oben wiedergegebenen ursprünglichen Wortlaut von Anspruch 1 nur durch die Einfügung von "schon bei der Synthese des Polycarbonats" in die letzten beiden Zeilen des Anspruchs, die nun lauten:
"gegebenenfalls in Kombination mit anderen bekannten Kettenabbrechern schon bei der Synthese des Polycarbonats verwendet."
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage dieses Antrags zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123 (2) EPÜ
Die neue Fassung des einzigen Patentanspruchs erfüllt die Bedingungen des Artikel 123 (2) EPÜ. Die Änderung des Anspruchs wird durch Seite 8, Zeilen 16/17 der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung gestützt.
3. Neuheit
3.1. D2 beschreibt die Herstellung polyesterartiger Harze, die ein Additiv in einer Form enthalten, durch welche dessen Funktion über lange Zeiten erhalten bleibt.
3.1.1. Im einzelnen wird die Umesterung des Polymers in der Schmelze als eine vorteilhafte Methode zur Verankerung des Additivs, das entsprechend eine Carboxyl-, Hydroxyl- oder Aminogruppe als Endgruppe oder eine Estergruppe enthält, beschrieben (Anspruch 5). Als eine weiter bevorzugte Ausführungsform wird die Anbindung eines solchen Benzophenon- oder Benztriazol-Derivats als UV-Absorber an ein Polycarbonat genannt (Anspruch 7). Der UV-Absorber kann sich wegen seiner chemischen Bindung an die Endgruppen des Polymers nicht verflüchtigen, so daß die hervorragende UV-absorbierende Funktion und damit eine vorteilhafte Wetterbeständigkeit für lange Zeit erhalten bleiben (Seite 9, Absatz [0016]). 3.1.2. Als Beispiel für solche UV-Absorber wird u.a. 2-(2'-Hydroxy-5'-carboxyphenyl)benztriazol genannt (Seite 10, Zeilen 4/5 von Absatz [0018]). Als Mengen werden 0,01 bis 10 Gewichtsteile pro 100 Gewichtsteile Harz empfohlen (Seite 10, Zeilen 7 bis 5 von unten). In den Beispielen 2 und 5 wird diese spezielle Verbindung verwendet, ohne daß dort die Zusammensetzung des eingesetzten Polycarbonats im einzelnen angegeben ist. Daraus folgt jedoch, daß sich auch die in Anspruch 1 angegebene Menge von 0,001 bis 1 mol Kettenabbrecher pro Mol Diphenol nicht direkt und unmittelbar aus den dortigen Mengenangaben von 0,8 bzw. 1,0 Gewichtsteilen pro 100 Gewichtsteilen des Polycarbonats entnehmen läßt.
3.2. Neuheit gegenüber D2 ist folglich anzuerkennen. Aus diesem Grund ist die ausschließlich mit fehlender Neuheit begründete Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben.
4. Antrag
4.1. Die Beschwerdeführerin hat die Erteilung eines Patents auf die vorliegende Anmeldung mit dem nun einzigen Antrag, der auf einem einzigen oben genannten Anspruch (siehe Abschnitt V) beruht, beantragt.
4.2. Da in der Antwort der Beschwerdeführerin auf den Bescheid vom 17. November 2000 nicht alle darin erhobenen Fragen (Punkt 6) vollständig abgehandelt worden sind, sieht sich die Kammer derzeit nicht in der Lage, diesem Antrag zu folgen.
4.2.1. Auch die dieser Antwort beigefügte Literaturstelle "Schnell" scheint nach derzeitigem Erkenntnisstand keine vollständige Klarheit zu liefern:
Bei der Messung der Viskosität zur Bestimmung des mittleren Molekulargewichts handelt es sich nicht um eine Absolutmethode (Seite 119, Absatz 1 unter der Kapitelüberschrift E). Es sind neben einer Kalibrierung weitere Bedingungen zu beachten: Schergradient (Seite 119, Zeile 3 von unten), Konzentration der Polymerlösung (Seite 120, beide Absätze zwischen den Gleichungen (V-9) und (V-10)). In der Literaturstelle wird zudem stets auf die Grenzviskosität [ ] als Ausgangspunkt für die Berechnung des Molekulargewichts verwiesen. In den vorliegenden Unterlagen (Beispiel der Anmeldung und Versuchsbericht vom 21. Dezember 1998) sind jedoch nur relative Lösungsviskositäten von 0,5%igen Lösungen in Methylenchlorid angegeben.
4.2.2. Aus diesen Gründen scheint in der vorliegenden Sache, insbesondere zur erfinderischen Tätigkeit, noch weiterer Klärungsbedarf zu bestehen. Zudem hat die Prüfungsabteilung hat noch keine Stellung zu den Ergebnissen des genannten, ihr bereits vorgelegenen Versuchsberichtes genommen und keine Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit gefällt.
4.3. Daher macht die Kammer von der ihr in Artikel 111 (1) EPÜ gegebenen Ermächtigung Gebrauch und verweist die Sache zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurück.
5. Da einerseits dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung der Zurückweisungsentscheidung stattgegeben wird und andererseits in der Sache derzeit keine endgültige Entscheidung über die Anmeldung getroffen werden kann, also keine Entscheidung ergeht, die gegen die antragstellende Partei und ihr Recht auf rechtliches Gehör gerichtet ist, kann der Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung im gegenwärtigen Beschwerdeverfahren in Übereinstimmung mit gefestigter Rechtsprechung hintangestellt werden (Rspr BK, 3. Auflage 1999, Kapitel V. C. 3.4, Seite 300).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung unter Zugrundelegung des nun einzigen Anspruchs (gemäß "2. Hilfsantrag", datiert "12.03.1999") zurückverwiesen.