European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T026999.20011214 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Dezember 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0269/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91917660.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G 69/42 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Feuchtigkeitshärtbare Polyamide | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einheitlichkeit (bejaht) Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) - nicht naheliegende Kombination von Merkmalen |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die am 8. Oktober 1991 unter Beanspruchung der Priorität einer deutschen Voranmeldung (4032911) vom 17. Oktober 1990 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 91 917 660.2, die auf die internationale Patentanmeldung Nr. PCT/EP91/01911 zurückgeht, mit der Veröffentlichungsnummer WO-A-92/07020 (EP-A-0 553 142) und dem Titel "Feuchtigkeitshärtbare Polyamide" wurde von der Prüfungsabteilung mit Entscheidung vom 27. Juli 1998 zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte auf der Grundlage eines Anspruchssatzes mit fünf Ansprüchen, wobei die Ansprüche 1 und 2 mit Schriftsatz vom 4. Juni 1998, die Ansprüche 3 bis 5 mit Schriftsatz vom 25. September 1997 eingereicht worden waren und folgenden Wortlaut besaßen:
"1. Verfahren zur Herstellung feuchtigkeitshärtbarer, reaktive Alkoxysilangruppen enthaltender Polyamide, dadurch gekennzeichnet, daß estergruppenterminierte Polyamide mit einem aminoterminierten Alkoxysilan des Typs
Formel (II)
umgesetzt wird, wobei n = 0, 1 oder 2 R1 und R4 = Kohlenwasserstoffreste, R3 ein Wasserstoff und R2 = eine Alkylgruppe sind.
2. Verfahren zur Herstellung feuchtigkeitshärtbarer, reaktive Alkoxysilangruppen Alkoxysilangruppen [sic] enthaltender Polyamide, dadurch gekennzeichnet, daß ein aminogruppenhaltiges Polyamid mit einem esterterminierten Alkoxysilan des Typs
Formel (III)
wobei n = 0, 1, 2, R1 und R4 = Kohlenwasserstoffreste, R3 = Wasserstoff, R2 = eine Alkylgruppe, R6 und R5 = ein aliphatischer Rest ist, umgesetzt wird.
3. Verfahren nach einem der vorstehenden Verfahrensansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Verfahren als zweistufige Eintopfreaktion durchgeführt wird.
4. Verwendung der feuchtigkeitshärtenden, reaktive Alkoxysilangruppen enthaltenden Polyamide gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3 als Dichtstoffe, Schmelzklebtoffe [lies: "Schmelzklebstoffe"] und/oder Vergußmassen, insbesondere als Schmelzklebstoffe.
5. Verwendung der feuchtigkeitshärtbaren, reaktive Alkoxysilangruppen enthaltenden Polyamide gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3 zum Verguß von Elektro- und/oder Elektronikbauteilen, zur Herstellung von Formteilen, zur Fixierung von Substraten in Nähe von Wärmequellen, zur Verklebung von Ölfiltern, zur Herstellung von Kabelmanteln [lies: "Kabelmänteln"], zur Herstellung von Schichtmantelkabeln, als Beschichtung oder Formulierungsbestandteile für wärmeschrumpfende Bauteile, zur Verklebung von Kunststoffen und/oder Glas mit sich selbst oder anderen Materialien, zur Herstellung von hoch-belastbaren Vliesen sowie als Reparaturset für Röhrensysteme."
II. Die Zurückweisung wurde mit fehlender Neuheit der Ansprüche 4 und 5 gegenüber
D1: DE-A-3 917 926,
D2: US-A-3 341 501 bzw.
D3: DE-A-3 339 981
sowie mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Ansprüche 1. bis 3 gegenüber D1 und D2 begründet.
Die fehlende Neuheit der beiden Verwendungsansprüche gegenüber D1 wurde damit begründet, daß diese Druckschrift Reaktionsprodukte von durch Carboxylgruppen terminierten Polyamiden mit Silanen beschreibe, die neben hydrolysierbaren Gruppen auch Aminogruppen aufwiesen. Diese Produkte erfüllten die in der vorliegenden Anmeldung angegebene Formel
Formel
(I)
und dienten zur Herstellung von Spritzgußteilen, Röhren und Kabelumhüllungen.
D2 beschreibe ebenfalls Polyamide, die mit Aminogruppen enthaltenden Alkoxysilanen modifiziert worden seien und auch unter die Formel (I) fielen. Diese Polyamide würden als Klebstoffe benutzt.
In D3 würden Produkte beschrieben, die zur Herstellung von Formkörpern dienten. Sie seien die Reaktionsprodukte von mit Carboxylgruppen terminierten Polyamiden und Isocyanatosilanen. Bei dieser Reaktion würden die im übrigen Alkoxygruppen enthaltenden Silane durch Amidgruppen an die Polyamide gebunden.
Unter Hinweis auf die Prüfungsrichtlinien sei die Anmelderin darauf hingewiesen worden, daß ein Produkte nicht dadurch neu werde, daß es durch ein neues Verfahren hergestellt worden ist. Es sei aber nicht gezeigt worden, daß sich die Produkte der beanspruchten Verfahren von denen der drei Dokumente unterschieden. Die Verwendung solcher Polyamide mit reaktiven Alkoxyendgruppen zur Herstellung von Formteilen, Klebstoffen oder Vergußmassen sei daraus aber bekannt.
Die Ansprüche 1 bis 3 seien nicht erfinderisch, da die Herstellung von Alkoxysilangruppen enthaltenden Polyamiden durch Umsetzung eines durch Carboxylgruppen terminierten Polyamids mit einem Aminosilan aus D1 bekannt sei. Davon unterscheide sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 hauptsächlich durch den Einsatz eines durch Estergruppen terminierten Polyamids.
Es sei aber nicht gezeigt worden, daß mit dem genannten Unterschied ein überraschender Effekt verbunden sei. So seien die Vergleichsversuche ohne Aussagekraft, da sie nicht dem nächstliegenden Stand der Technik D1 entsprächen.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 18. September 1998 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein und beantragte Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines europäischen Patents.
Die Beschwerde wurde in einem am 4. Dezember 1998 eingelangten Schriftsatz begründet. Damit gleichzeitig reichte sie eine neue Seite mit den Ansprüchen 1 und 2 ein, die zusammen mit den vorherigen Ansprüchen 3 bis 5 Grundlage des Hauptantrags bilden sollten. Dieselbe Fassung der Ansprüche 1 bis 3 wurde im Rahmen eines Hilfsantrags weiterverfolgt.
Gegenüber D1 wurde argumentiert, dort werde ein Verfahren zur Herstellung vernetzter Polyamid-Formkörper, nicht aber schmelzbarer Polyamide zur Verwendung als Dichtstoffe, Schmelzklebstoffe und/oder Vergußmassen beschrieben. Infolgedessen habe es nicht nahegelegen, D1 in Betracht zu ziehen, wenn es darum gegangen sei, ein alkoxysilan-terminiertes Polyamid zur Verfügung zu stellen, das vor allem ohne nennenswerte Zunahme der Viskosität hergestellt werden könne. Aus der Vielzahl der in D1 angegebenen Kombinationsmöglichkeiten von funktionellen Gruppen am Polyamid bzw. Silan sei in den Vergleichsbeispiele 1 und 2. eine Ausführungsform nachgearbeitet worden, mit dem Ergebnis des Ansteigens der Viskosität. Im Gegensatz hierzu zeigten die Beispiele 1 bis 4, daß die Aufgabe erfindungsgemäß gelöst werde.
Die Verwendungsansprüche seien neu, da in D1 und D3 von vernetzten Formkörpern die Rede sei, in D2 nur von Klebstoff, nicht aber von Schmelzklebstoff.
IV. In einem am 8. Dezember 2000 erlassenen Bescheid des Berichterstatters der Kammer wurden neben einigen Einwänden zum Wortlaut der Ansprüche im wesentlichen diesselben Einwände wie in der angefochtenen Entscheidung gegen die Neuheit der Verwendungsansprüche 4. und 5 erhoben, da die in den beiden Druckschriften verwendeten Produkte vor ihrer Vernetzung nicht von den Verfahrensprodukten gemäß Anmeldung zu unterscheiden und sich die dort offenbarten Verwendungen mit denen der beiden Ansprüche 4 und 5 zu überlappen schienen.
Daneben wurde wegen der nicht erkennbaren Unterschiede zwischen den nach den beanspruchten Verfahren herstellbaren Produkten, deren Verwendung den Gegenstand der Ansprüche 4 und 5 bildete, und den Produkten der Dokumente D1 und D2 die Frage der Einheitlichkeit gemäß Artikel 82 EPÜ aufgeworfen.
Außerdem folgte ein Hinweis, daß die Beurteilung der Patentfähigkeit und der Lösung der technischen Aufgabe insbesondere auf Grundlage vorliegender Versuchsergebnisse erfolgen werde.
V. Daraufhin wurden mit einer Eingabe vom 18. Juni 2001 Patentansprüche 1 bis 5, deren Wortlaut der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Fassung entsprach, sowie eine Stellungnahme zu den erhobenen Einwänden vorgelegt. Darin widersprach die Beschwerdeführerin dem Einwand mangelnder Einheitlichkeit, da ein technischer Zusammenhang zwischen den Verfahrensansprüchen und den Verwendungsansprüchen offensichtlich sei und eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklicht werde, nämlich ein einfaches Verfahren ohne nennenswerte Neben- und/oder Rückreaktionen und ohne nennenswerte Zunahme der Viskosität zur Verfügung zu stellen.
Auf dieser Grundlage machte sie auch das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit geltend.
VI. In der am 14. Dezember 2001 auf den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin abgehaltenen mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin einen weiteren modifizierten Anspruchssatz vor, der sich von dem Wortlaut der im obigen Abschnitt I wiedergegebenen Fassung durch die Streichung von Anspruch 2 sowie die Umnumerierung der dortigen Ansprüche "3" bis "5" in "2" bis "4" unterschied. In diesen Ansprüchen wurde auch der Rückbezug angepaßt, im nunmehrigen Anspruch 2 lautet der Anfang von Zeile 1 nun "Verfahren nach nach Anspruch 1, dadurch" (das zweite "nach" ist überflüssig), die Anfänge der beiden anderen Ansprüche "Verwendung der ... Polyamide gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 oder 2".
Zum beanspruchten Anmeldungsgegenstand sowie den in der angefochtenen Entscheidung entgegengehaltenen Druckschriften trug die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor:
a) Das nun beanspruchte Verfahren beruhe auf der polymeranalogen Reaktion einer speziellen Auswahl von Ausgangsverbindungen, bei der sich die Struktur des eingesetzten Polyamids nicht verändere, da keine Nebenreaktionen aufträten. Es finde nur die Aminolyse-Reaktion eines esterterminierten Polyamids mit einem aminoterminierten Alkoxysilan der Formel (II) zu amidgebundenen Silylgruppen statt, die allein das Polyamid vernetzbar machten. Der Vergleich der Schmelzviskositäten der esterterminierten Ausgangspolyamide mit den jeweiligen Verfahrensprodukten nach jeweils zwei-stündiger Umsetzung mit 3-Aminopropyltrimethoxysilan zeigten deutlich, daß sich das Polyamidgerüst dabei nicht ändere: Polyamid (1) mit 4400 mPas bei 175 C (Vergleichsbeispiel 1) ergebe ein Produkt mit 4200 mPas bei 175 C (Beispiel 1); Ausgangs-Polyamid mit 3300 mPas bei 150 C (Beispiel 3a) liefere ein Aminolyse-Produkt mit 3600 mPas bei 150 C (Beispiel 3b) (Seiten 11 bis 13).
b) D1 beschreibe die unspezifische Herstellung von Polyamid-Formkörpern, bei der eine Reihe funktioneller Gruppen an Polyamiden und Silanen in unterschiedlichen Kombinationen miteinander umgesetzt würden. Einerseits sei durch die Vergleichsbeispiele in der vorliegenden Anmeldung gezeigt worden, daß bei Einsatz von Isocyanat-Gruppen, einer der in D1 bevorzugten Ausführungsformen, eine deutliche Viskositätserhöhung durch Harnstoffgruppenbildung auftreten könne; andererseits sei, wie in der Beschreibungseinleitung dargelegt, bei Einsatz anderer in D1 bevorzugter Gruppen, z. B. von Epoxygruppen, wegen dadurch hervorgerufener Vernetzungen ebenfalls mit höheren Viskositäten zu rechnen (Seite 1 und Seite 2, Absatz 1 der Anmeldung).
c) In D2 werde die Herstellung eines Polyamids durch base-katalysierte, im wesentlichen wasserfreie anionische Polymerisation von Lactam in Gegenwart eines Silans beschrieben, das aus einer Reihe von Verbindungen mit unterschiedlichen reaktiven Gruppen auszuwählen sei. Ausweislich des am nächsten kommenden Beispiels 1, in dem Caprolactam in Gegenwart von Aminopropyltriethoxysilan und einem equimolaren Gemisch von Natriumhydrid und Phenylisocyanat polymerisiert werde, trete dort schon nach kurzer Zeit Gelierung, d. h. Vernetzung, ein (innerhalb von 15 min bei 160 C; Spalte 6, Zeilen 61/62). Gelbildung werde auch in Beispiel 4 beobachtet. Dies lasse deutliche Zweifel über die Aussagekraft der allgemeinen Ausführungen zur Bildung linearer Polyamid mit Silyl-Endgruppen in der Beschreibung aufkommen, die zu den Beispielen in klarem Widerspruch stünden (Spalte 4, Zeile 57 bis Spalte 5, Zeile 48). Ein nachgestellter Vergleichsversuch habe allenfalls die schlechten Resultate der dortigen Beispiele bestätigen können. Auch die lange Zeitdauer zwischen der Veröffentlichung von D2 und dem Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung sollte berücksichtigt werden. Sie zeige, daß die gefundene spezielle Kombination der funktionellen Gruppen zur Lösung der Aufgabe keineswegs nahegelegen habe.
d) D3 beschreibe ebenso wenig die spezielle Kombination von Ausgangsmaterialien.
e) Bei dieser Sachlage könne nicht in Frage gestellt werden, daß das direkte Verfahrensprodukt von Anspruch 1 sich deutlich von den Produkten der genannten Literatur unterscheide, so daß hierin auch das gemeinsame, einen Beitrag zum Stand der Technik leistende technische Merkmal der Verfahrens- und der Verwendungs-Ansprüche gesehen werden müsse, auch wenn das Produkt selbst nicht beansprucht werde. Daher sei Einheitlichkeit gegeben.
Aus den genannten Gründen seien auch Neuheit und erfinderische Tätigkeit der Ansprüche gegeben.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis der Ansprüche 1 bis 4 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hauptantrag, hilfsweise auf Basis der Ansprüche 1 und 2 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Wortlaut der Ansprüche
2.1. Artikel 123 (2) EPÜ
Gegen den Wortlaut der vorliegenden Ansprüche ist seitens der Prüfungsabteilung kein Einwand gemäß Artikel 123 (2) EPÜ erhoben worden. Die Kammer hat keinen Anlaß, von dieser Beurteilung abzuweichen.
2.2. Artikel 84 EPÜ
Die Kammer sieht, abgesehen von den oben angesprochenen Schreibfehlern, die nunmehrige Fassung der Ansprüche als hinreichend klar an.
3. Einheitlichkeit
Einheitlichkeit kann anerkannt werden, wenn die unabhängigen Ansprüche (hier Verfahrensanspruch 1 und Verwendungsansprüche 3 und 4) eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen (Artikel 82 EPÜ).
3.1. Es ist daher zu entscheiden, ob das in Artikel 82 EPÜ geforderte Kriterium durch das verbindende Merkmal der verschiedenen Anspruchskategorien, das Verfahrensprodukt des beanspruchten Verfahrens, erfüllt wird. Die aufgeworfene Frage zur Einheitlichkeit gründet im wesentlichen auf den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung, daß ein Produkt nicht dadurch neu werde, daß es durch ein neues Verfahren hergestellt worden sei, und daß das durch das beanspruchte Verfahren hergestellte, Alkoxysilan-Endgruppen aufweisende Polyamid nicht von den Alkoxysilan-Endgruppen aufweisenden Polyamiden aus D1, D2 oder D3 unterschieden werden könne (Entscheidung: Punkte 2.5.1 und 2.5.2).
3.2. Die nähere Betrachtung der Offenbarung der in der angefochtenen Entscheidung in Betracht gezogenen Druckschriften ergibt hierzu folgendes:
3.2.1. D1 beschreibt die Herstellung vernetzter Polyamidformkörper durch die Umsetzung von Polyamiden, die zu mindestens 30 Gew.-% verzweigte Polymerketten enthalten, in der Schmelze mit einem Silan der Formel
Y-Si(Z)n-A(3-n) (1)
und Formgebung der dabei erhaltenen Umsetzungsprodukte zu Formkörpern, die anschließend mit Wasser oder Feuchtigkeit in Berührung gebracht werden (Anspruch 1).
Die Symbole in der Silan-Formel (1) bedeuten: n = 0, 1 oder 2; Z einen inerten organischen Rest; Y einen zweiwertigen organischen, mit dem Siliciumatom verbundenen Rest, der eine funktionelle Gruppe enthält, die mit Aminogruppen, Carboxylgruppen oder Amidgruppen der Polyamide in der Schmelze unter Ausbildung einer chemischen Bindung reagiert. Beispiele für solche funktionelle Gruppen des Silans sind Epoxy-, Isocyanat-, Säureanhydrid-, Amino- sowie Carbonsäureestergruppen aromatischer Alkohole mit 6 bis 14 C-Atomen. Die bei Feuchtigkeitszutritt hydrolysierbaren Reste A umfassen vorzugsweise die Gruppe -OR, besonders bevorzugt die Methoxy-, Ethyoxy- und/oder 2-Methoxyethoxy-Reste (Seite 2, Zeilen 31 bis 38; Seite 4, Zeilen 5 bis 15).
Als bevorzugte Endgruppen der als Ausgangsverbindungen eingesetzten Polyamide werden -NH2, -NHR bzw. -COOH genannt, wovon wiederum -NHR bevorzugt ist (Seite 3, Zeilen 10/11).
Die Reaktionsprodukte der Polyamide mit Silanen gemäß Formel (1) vor Formgebung und hydrolytischer Vernetzung sind nirgends charakterisiert. Dies gilt selbst für die Beispiele und Vergleichsversuche, in denen durch hydrolytische Vernetzung hergestellte Formkörper solcher Reaktionsprodukte aus Polyamiden, deren terminale Aminogruppen ausschließlich mit unterschiedlichen Mengen an Glycidoxypropyltrimethoxysilan zur Reaktion gebracht worden sind, hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften untersucht werden.
3.2.2. D2 betrifft die Herstellung linearer Polyamide mit Silan-Endgruppen durch basenkatalysierte Polymerisation von Lactamen (im Gegensatz zur hydrolytischen Polymerisation, die in D1: Seite 2, letzte Zeile, genannt wird), in Gegenwart von Silanen der Formel
Formel (2),
worin T ein C1- bis C8-Alkylrest, x eine ganze Zahl von 2 bis 3, T' Wasserstoff oder C1- bis C8-Alkylrest und Z ein zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest ausgewählt aus C3- bis C6-Alkylen oder Phenylen sind, oder Silanen, die sich von den Verbindungen der Formel (2) durch den Ersatz der Aminogruppe -NHT' durch eine Hydroxylgruppe oder eine Gruppe der Formel -COOT unterscheiden. Als ein bevorzugtes Beispiel für Silane wird Aminopropyltriethoxysilan genannt (Spalte 2, Zeilen 22 bis 58).
Die Herstellung der modifizierten Polyamide erfolgt durch base-katalysierte Polymerisation von Lactamen über die Bildung eines Iminium-Ions. Das Silan, ein Katalysator, z. B. ein basisches Metall oder Metall, das Lewissäuren bilden kann, sowie vorzugsweise ein Initiator, z. B. ein Isocyanat, werden dem Reaktionsgemisch nach Entfernung aller Wasserspuren zugesetzt (Spalte 3, Zeile 63 bis Spalte 4, Zeile 24; Spalte 4, Zeile 57 bis Spalte 5, Zeile 58).
In den Beispielen 1 und 4 wird -Caprolactam mittels Natriumhydrid und equimolaren Mengen von Aminopropyltriethoxysilan und Phenylisocyanat bzw. Toluyldiisocyanat polymerisiert. In beiden Fällen entstehen mindestens Gelanteile. Diese Tatsache verdeutlicht den Ausführungen der Beschwerdeführerin zufolge, daß sich die Produkte von D2 deutlich von denen des Verfahrens gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 unterscheiden, bei deren Herstellung auch bei längeren Reaktionszeiten keine Gelbildung erfolgt.
3.2.3. D3 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung hochviskoser bzw. thermisch formstabiler, mindestens teilvernetzter Polyamide. Dazu wird wasserfreies Polyamid in erster Stufe mit einem Silan der Formel
Y-Si(Z)n-A(3-n) (3)
in der Schmelze umgesetzt und das Umsetzungsprodukt dann mit Wasser in Berührung gebracht.
Im Silan der Formel (3) haben die Gruppen A, Y und Z sowie der Index n mit zwei Ausnahmen die gleichen Bedeutungen wie in D1 (siehe Punkt 3.2.1, oben): Y kann keine Aminogruppe, jedoch eine aktivierte Vinylgruppe enthalten (Anspruch 1; Seite 8, letzter Absatz bis Seite 10, Zeile 4; Seite 12, Zeile 13 bis Seite 14, Absatz 1). In den Beispielen sind ausschließlich Isocyanato- und Epoxysilane eingesetzt worden.
Für die Ausgangs-Polyamide gilt das Gleiche, das bereits zu D1 ausgeführt worden ist (siehe obigen Punkt 3.2.1). Besonders herausgehoben sind in D3 die Polyamide mit NH2-Endgruppen (Seite 10, letzte zwei Zeilen bis Seite 12, Zeile 12). Darüber hinaus wird noch die COOH-Gruppe genannt (Seite 12, Zeile 9).
3.3. Unter Berücksichtigung des Vortrags der Beschwerdeführerin (Abschnitt V., oben) und der Beschreibungseinleitung zum Stand der Technik kommt die Kammer zu dem Schluß, daß sowohl in D1 wie in D3 zwar durch die breiten und sehr allgemein gefaßten Definitionen der Ausgangsverbindungen, Polyamid und Silan, viele Kombinationen von Reaktionen der funktionellen Gruppen der Polyamid- und der Silankomponenten denkbar sind, diese aber anders als die Aminolyse gemäß Anspruch 1 zu einem breiten Spektrum möglicher Nebenreaktionen und Nebenprodukten sowie Viskositätserhöhungen führen können. In den Beispielen der beiden Druckschriften wird konkret lediglich die Modifizierung von Polyamid mit -Glycidoxypropyltrimethoxysilan bzw. -Isocyanatopropyltriethoxysilan beschrieben. Solche Produkte entsprechen jedoch nicht einem Produkt, das durch die gemäß Anspruch 1 der Streitanmeldung definierte Aminolyse hergestellt werden kann. Zudem tritt in den Vergleichsbeispielen der Anmeldung bei Einsatz von Isocyanatgruppen enthaltenden Silanen eine deutliche Viskositätserhöhung ein.
Bei der völlig andersartigen Reaktion in D2 entstehen ebenso offensichtlich Produkte, die sich ausweislich der in den dortigen Beispielen 1 und 4 beschriebenen Bildung von Gelanteilen ebenfalls von den gemäß Anmeldung hergestellten unterscheiden.
3.4. Daher stellen die nicht als bekannt nachgewiesenen Verfahrensprodukte mit ihrem besonderen Charakter infolge des einfachen Herstellungsverfahrens ohne nennenswerte Neben- und/oder Rückreaktionen und ihrer unerheblichen Viskositätszunahme ein technisches Merkmal dar, auf das die in Artikel 82 EPÜ genannte Bedingung für die Einheitlichkeit der Verfahrens- und Verwendungsansprüche zutrifft. Die Bedingungen des Artikel 82 EPÜ werden folglich erfüllt.
4. Neuheit
4.1. Die Neuheit der Verfahrensansprüche ist nicht in Frage gestellt worden. Die Kammer hat keinen Anlaß, von dieser Beurteilung abzuweichen.
4.2. Hinsichtlich der Neuheit der Verwendungsansprüche sind die bereits zur Frage der Einheitlichkeit angesprochenen Fakten und Argumente in Betracht zu ziehen. Aus den vorstehenden Feststellungen unter den Punkten 3.2 bis 3.3. folgt, daß Identität der bekannten Produkte mit den Verfahrensprodukten von Anspruch 1 nicht festgestellt werden kann. Daraus ergibt sich folgerichtig auch die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 3 und 4.
5. Aufgabe und Lösung
5.1. Die in Rede stehende Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Herstellung feuchtigkeitshärtbarer Polyamide und ihre Verwendung.
5.2. Ein solches Verfahren ist bereits aus D1 bekannt. Die sehr allgemeine Offenbarung der Druckschrift ist bereits unter Punkt 3.2.1 abgehandelt worden. Die einzige im einzelnen beschriebene Ausführungsform ist die Umsetzung der Aminoendgruppen verzweigter Polyamide aus Lactamen bzw. w-Aminosäuren mit epoxyfunktionellem Silan (Seite 4, Zeilen 16 bis 19; die Beispiele ab Seite 5). Das dortige Verfahren dient zur Herstellung vernetzter Polyamid-Formkörper.
5.3. Wie in der Beschreibungseinleitung der vorliegenden Anmeldung dargelegt, besitzen viele der bekannten Reaktionen Nachteile durch mögliche Nebenreaktionen, wie z. B. die Reaktion von bei der Ringöffnung von Epoxidringen entstehenden Hydroxylgruppen mit den hydrolysierbaren Gruppen der Silane, die sich beispielsweise in einer Zunahme der Viskosität äußern. Gemäß Seite 2, Zeilen 11 bis 16, der vorliegenden Patentanmeldung kann daher die demgegenüber zu lösende technische Aufgabe in der Definition eines Verfahrens gesehen werden, durch das solche Nebenreaktionen und Viskositätserhöhungen vermieden werden.
5.4. Von dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß D1 unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren durch die Auswahl von Polyamiden mit Esterendgruppen und aminogruppenterminierten Silanen, die gemäß der gefundenen Lösung durch polymeranaloge Reaktion abreagieren, d. h. ohne Strukturänderung des Polyamidgerüsts. Wie dem Vergleich der Viskositäten der als Ausgangsverbindung eingesetzten Polyamide mit denen der Endprodukte in Vergleichsbeispiel 1/Beispiel 1 und Beispiel 3a/b zu entnehmen ist, wird diese Aufgabe glaubhaft gelöst.
6. Erfinderische Tätigkeit
Es bleibt zu entscheiden, ob sich die gefundene Lösung aus dem im Prüfungsverfahren herangezogenen Stand der Technik für den Fachmann in naheliegender Weise ergibt.
6.1. Wie bereits oben festgestellt, und Gleiches gilt auch für D3, sind in D1 eine ganze Reihe von Reaktionen zwischen den funktionellen Gruppen des Polyamids und des Silans denkbar, jedoch gibt es nirgends einen Hinweis auf den Einsatz esterterminierter Polyamide, vielmehr werden in beiden Druckschriften deutlich aminofunktionelle Polyamide bevorzugt. Überdies wird die oben genannte Aufgabe nirgends in Betracht gezogen.
Folglich können weder D1 noch D3 das beanspruchte Verfahren nahelegen.
6.2. Zwar wird in D2 aminoterminiertes Silan als eine bevorzugte Ausgangssubstanz bezeichnet, diese wird aber, wie unter Punkt 3.2.2 dargelegt, in einem völlig anderen Reaktionstyp eingesetzt, der sich noch dazu grundlegend von der hydrolytischen Polymerisation zum Polyamid unterscheidet (D2: Spalte 3, 63 bis 66; D1: Seite 2, Zeile 67 bis Seite 2, Zeile 1).
Schon auf Grund der Tatsache heraus, daß D2 keine Reaktion beschreibt, die auch im weitesten Sinn eine Anregung für eine polymeranaloge Umsetzung geben könnte, kann die Druckschrift keine Lehre in Richtung auf die gefundene Lösung geben.
6.3. Aus dem Gesagten folgt zwangsläufig, daß auch die Kombination der Dokumente für den Fachmann keineswegs nahelag, und zudem, daß selbst eine unter unzulässiger Rückschau ins Auge gefaßte Kombination nicht zur gefundenen Lösung der zugrundeliegende Aufgabe führen würde.
6.4. Gleiches gilt auch für die Ausgestaltung des Verfahrens gemäß Anspruch 2.
6.5. In Anbetracht der vorstehend festgestellten Unterschiede zwischen den Produkten der verschiedenen Verfahren kann auch die Verwendung der Verfahrensprodukte von Anspruch 1 für die angegebenen Einsatzgebiete nicht als naheliegend bezeichnet werden.
7. Daher ist die Kammer zum Schluß gekommen, daß der Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Aus diesem Grund konnte der gestellte Hilfsantrag außer Betracht bleiben.
8. Die Beschreibung wird gerade im Hinblick auf die Streichung des bisherigen Anspruchs 2, wie er im obigen Abschnitt I wiedergegeben ist, und den dadurch bedingten Wegfall eines alternativen Verfahrens mit seinen andersartigen Ausgangsverbindungen und Verfahrensmaßnahmen genau an den jetzigen in der Anmeldung verbliebenen Wortlaut der Ansprüche anzupassen sein. Insoweit enthält die Beschreibung derzeit noch Sachverhalte, die nun als offensichtlich belanglos und unnötig sowie als im Widerspruch zu Anspruch 1 stehend zu streichen sein werden (Artikel 84 und Regel 34 (1) c) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Fall wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, ein Patent zu erteilen auf Basis der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember vorgelegten Hauptantrag mit einer daran angepaßten Beschreibung.