European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T024999.20010801 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 August 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0249/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91101597.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 28/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung einer Zementsuspension für eine Verpressung von Rissen in Steinmaterial | ||||||||
Name des Anmelders: | Rödl GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Dyckerhoff AG | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - ja, nicht naheliegende Lösung einer technischen Aufgabe | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 101 597.2 wurde das europäische Patent Nr. 0 455 940 mit 8. Ansprüchen erteilt.
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin Einspruch ein. Der Einspruch wurde darauf gestützt, daß der Patentgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).
Im Einspruchsverfahren wurden 15 Entgegenhaltungen genannt, insbesondere:
D1: Beton und Stahlbetonbau, 49. Jahrgang, Heft 9 (1954), Seiten 205 - 210,
D2: DE-A-2 756 695
D3: Zement Taschenbuch, 48. Ausgabe (1984), Seite 188.
III. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch zurückgewiesen.
Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung einer Zementsuspension für eine Verpressung von Rissen in wasseraufnehmendem Steinmaterial, bei dem pulveriger Feinzement, Verflüssiger, Quellmittel, Quarzmehl und Wasser zu der Zementsuspension vermischt werden und die Suspension frei von grobteilchenförmigen Zuschlägen wie Fasern gehalten wird,
bei dem die angefallene Zementsuspension einem Nachmischvorgang unterzogen wird, der auf mindestens sieben Minuten verlängert wird und bei dem die Temperatur der Zementsuspension kontrolliert und auf maximal 30° C gekühlt wird, dadurch gekennzeichnet,
daß zunächst das Wasser mit wasserrückhaltendem Polyethylenoxid eines Molekulargewichtes von mindestens 40.000. versetzt wird, wobei auf 100 GT Feinzement 0,040 - 0,090 GT Polyethylenoxid zugegeben werden, daß der Feinzement und das Quarzmehl mit einer Korngröße < 40 µm vorgesehen werden und auf 100 GT Feinzement nur 1,5 - 3,2 GT Quarzmehl zugegeben werden und daß das Quellmittel erst zur Mischung der Zementsuspension zugegeben wird."
Ausgehend von D1 als nächstem Stand der Technik wurde die erfinderische Tätigkeit im wesentlichen damit begründet, daß es für die Lösung der Aufgabe, eine Zementsuspension herzustellen, die zum Verpressen von Rissen bis zu 0,1 mm Rißweite besonders geeignet sei, in keiner der Entgegenhaltungen einen Hinweis auf die beanspruchte Kombination von Maßnahmen gegeben habe.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung hat sie ihre Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit auf die Entgegenhaltungen D1 bis D3 gestützt. Während der am 1. August 2001 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde zusätzlich noch auf die in D1 in der Fußnote genannte Druckschrift
D16: Injektionsverfahren als Baumethode, Sonderdruck aus der Schweiz, Bauzeitung 71 (1953), Nr. 37,
hingewiesen.
Die Begründung kann wie folgt zusammengefaßt werden:
Gemäß Streitpatent bestand gegenüber D1 die Aufgabe, eine Zementsuspension herzustellen, die zum Verpressen von Rissen bis zu 0,1 mm geeignet ist. Die beanspruchte Lösung bestehe lediglich in der naheliegenden Verwendung von feineren Zement- und Quarzmehl-Teilchen und üblichen Zusatzmitteln wie Polyethylenoxid. Im Streitpatent selbst werde eingeräumt, daß die Kombination aus Feinzement, Verflüssiger, Quellmittel und Quarzmehl aus D1 bekannt sei. Die Verwendung von Polyethylenoxid als wasserrückhaltendem Mittel (Stabilisierer) in Zementsuspensionen sei aus D2 und D3 bekannt. D2 lehre auch, das Polyethylenoxid vor der Zementzugabe in Wasser aufzulösen. Zwar werde das Polyethylenoxid gemäß D2 bevorzugt in etwas größeren Mengen zugesetzt, weil auch Fasern dispergiert werden müßten. Es sei jedoch naheliegend, kleinere Mengen, gemäß dem beanspruchten Bereich, zu verwenden, wenn die Suspension keine Fasern enthalte. D1 selbst gebe schon einen Hinweis auf die Verwendung von Kolloidzement, der gemäß D16 eine Korngröße unterhalb 40 µm aufweise, und einem Stabilisierer. Das gemäß D1 eingesetzte Quellmittel, Bentonit, sei gleichzeitig auch ein Stabilisierer. Der Bentonit werde gemäß D1 in einem Teil des Anmachwassers vorgequollen, bevor es mit den übrigen Komponenten vermischt werde. Auch im vorgequollenen Zustand sei Bentonit noch ein Quellmittel, somit sei auch die Bedingung, daß das Quellmittel erst zur Mischung der Zementsuspension zugegeben werde, bereits in D1 erfüllt. Die beanspruchte Menge an Quarzmehl sei zwar etwas geringer als in den Beispielen gemäß D1, es sei jedoch naheliegend, die Menge auf die jeweiligen Anforderungen abzustellen.
V. Die Beschwerdegegnerin hielt dem entgegen, daß es bei der Lösung der Aufgabe gemäß Streitpatent auf die genauen Mengenanteile und die Reihefolge der Zugabe ankomme. Die beanspruchte Kombination von Maßnahmen sei durch die Entgegenhaltungen nicht nahegelegt worden. In D1 werde die Verwendung von Kolloidzement für Hohlräume unterhalb 0,1 mm empfohlen, nicht für Risse bis herab zu 0,1 mm. Eine wäßrige Dispersion von vorgequollenem Bentonit sei kein Quellmittel im Sinne des Streitpatents.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 455 940.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragte sie, den Anspruch 1 durch Aufnahme von Anspruch 7 zu beschränken. Weiter hilfsweise beantragte sie, das Dokument D16 als verspätet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Neuheit der Anspruchsgegenstände ist gegeben. Da sie unbestritten ist, erübrigen sich hierzu weitere Ausführungen. Es ist auch unbestritten, daß D1 als nächster Stand der Technik betrachtet werden muß.
2. D1 offenbart Zementsuspensionen zum Auspressen von Hohlräumen. Als Untergrenze für die Auspreßbarkeit durch Zementsuspensionen aus feingemahlenen, üblichen Zementen werden Risse bis herab zu 0,1 mm angegeben (Seite 205, linke Spalte, erster Abschnitt). Untersucht wurden Zementsuspensionen aus unterschiedlichen Zementen und verschiedenen Zusatzstoffen. Die Mahlfeinheit der Zemente war derart, daß der Siebrückstand bei einer Maschenweite von 0,06 mm mindestens 4,5 % betrug. Als Zuschlagstoffe wurden Kalksteinmehl, Quarzmehl und Bentonit verwendet. Der Quarzmehl hatte einen Siebrückstand von 66 % bei 0,06 mm. In den untersuchten Beispielen wurde Quarzmehl nur zusammen mit normalem Portlandzement (PZN) ohne weitere Zusätze verwendet. D1 lehrt nicht, daß mit den tatsächlich hergestellten Zementsuspensionen Risse bis zu 0,1 mm dauerhaft und kraftschlüssig verpreßt werden konnten. Zwar weist D1 auf die Möglichkeit hin Kolloidzemente für die Verpressung von sehr feinen Risse einzusetzen, Zusammensetzungen damit werden jedoch nicht offenbart. Auch ist der D1 nicht zu entnehmen, daß mit Kolloidzementen das in D1 beschriebene Verfahren ausführbar ist. Die Kammer kann daher der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zustimmen, daß ein Verfahren gemäß D1 unter Verwendung von Kolloidzementen bereits zum Stand der Technik gehöre.
3. Gemäß Streitpatent lassen sich mit den gemäß D1 hergestellten Zementsuspensionen Risse bis minimal 0,5 mm Rißweite in brauchbarer Weise verpressen (Seite 2, Zeilen 9 - 24). Ausgehend von D1 kann die technische Aufgabe der Erfindung, wie im Streitpatent dargestellt, darin gesehen werden, eine Zementsuspension herzustellen, die zum Verpressen von Rissen bis zu 0,1 mm geeignet ist. Nach Streitpatent kann diese Aufgabe durch ein Verfahren gelöst werden, bei dem Feinzement und Quarzmehl mit einer Korngröße < 40 µm unter Zugabe eines Quellmittels mit Wasser, das vorher mit Polyethylenoxid versetzt wurde, gemäß Anspruch 1 zu einer Suspension verrührt werden. Die Beschwerdeführerin hat nichts vorgetragen, woraus zu schließen wäre, daß mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 diese Aufgabe nicht gelöst werden konnte. Die Kammer geht daher davon aus, daß die genannte Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 auch tatsächlich gelöst wurde.
4. D1 gibt für die beanspruchte Lösung keinen Hinweis. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß aus der Nennung von Feinzement, Quarzmehl, Verflüssiger und Quellmittel bei der Beschreibung des Standes der Technik im Streitpatent und im Oberbegriff des Anspruchs 1 hervorgehe, daß D1 dem Fachmann die gleichzeitige Verwendung dieser Mittel zur Herstellung einer Zementsuspension lehre, vermag die Kammer nicht zu folgen. Diese vier Bestandteile werden im Oberbegriff des Anspruchs genannt, weil sie tatsächlich in D1 erwähnt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß damit anerkannt wird, daß D1 bereits die Lehre vermittelt, diese vier Bestandteile zusammen einzusetzen. Im übrigen ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von der objektiven Lehre eines Dokumentes auszugehen und nicht von der subjektiven Würdigung in der Patentschrift. Wie bereits oben ausgeführt, wird in den konkret beschriebenen Verfahren zur Herstellung von Zementsuspensionen nach D1 Quarzmahl ohne weitere Zusätze verwendet.
5. Die Kammer verkennt nicht, daß es im Hinblick auf die Aufgabenstellung nahegelegen haben könnte, Feinzement und Zuschläge mit einer kleineren Korngröße zu wählen. Weiter könnte die Angabe in D1 (Seite 209, Punkt 3.3), daß ein Ersatz von 17 % des Portlandzementes durch Quarzmehl das Problem der Wasserabsonderung nicht löst, daß aber die Wasserabsonderung durch den Bentonit stark verringert wird, für den Fachmann eine Anregung sein, entweder auf den Einsatz von Quarzmehl ganz zu verzichten oder Quarzmehl in Kombination mit vorgequollenem Bentonit zu verwenden. Aber selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin weiter unterstellen wollte, daß zudem der Ersatz von vorgequollenem Bentonit durch einen anderen an sich bekannten Stabilisierer, wie in Wasser gelöstes Polyethylenoxid, nahegelegen habe, kommt der Fachmann immer noch nicht zu einem Verfahren gemäß Anspruch 1, das eng begrenzte Mengeanteile an Polyethylenoxid und Quarzmehl verlangt. Zwar erscheint im Hinblick auf D2 die beanspruchte Menge an Polyethylenoxid nicht außergewöhnlich, für die beanspruchte Menge an Quarzmehl gibt es jedoch in den vorliegenden Dokumenten keinen Hinweis. Die Beschwerdeführerin hat dazu nur vorgetragen, daß in D1 Beispiele mit unterschiedlichen Mengen Quarzmehl offenbart seien und es nahegelegen habe, bei feineren Korngrößen auch die Mengeanteile anzupassen. In Anbetracht der Zusammensetzungen in D1, die 17 und 25 GT Quarzmehl auf 100 GT Feinzement enthalten, kann die Kammer jedoch keinen vernünftigen Grund erkennen, warum ein Fachmann bei der Lösung der hier bestehenden Aufgabe gerade eine Menge von 1,5 bis 3,2 GT Quarzmehl auf 100 GT Feinzement wählen würde. Auch die übrigen, im Beschwerdeverfahren diskutierten Dokumente geben hierzu keine Anregung. Weder D2 noch D3 noch D16 erwähnen die Verwendung von Quarzmehl als Zusatzmittel in Zementsuspensionen. Die übrigen Entgegenhaltungen, die im Beschwerdeverfahren nicht mehr diskutiert wurden, enthalten ebenfalls keinen Hinweis für den kombinierten Einsatz von Polyethylenoxid und Quarzmehl in den beanspruchten Mengen in Zementsuspensionen.
6. Bei dieser Sachlage kommt es für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht darauf an, ob Bentonit ein Quellmittel im Sinne des Streitpatents ist oder nicht. Die Kammer möchte jedoch bemerken, daß der Vortrag der Beschwerdeführerin, daß Bentonit sowohl ein Stabilisierungsmittel als auch ein Quellmittel im Sinne des Streitpatents ist, durch die vorliegenden Dokumente nicht gestützt wird. Ein Quellmittel gemäß Streitpatent hat die Aufgabe, dem Schwinden der Zementsuspension nach deren Aushärtung entgegenzuwirken. Die im Streitpatent genannten Aluminate sind für diese Wirkung bekannt (Seite 4, Zeile 17). Auf das Problem des Schwindens wird auch in D1 eingegangen. Im Abschnitt "3.4 Schwinden" (Seite 210) wird die Verwendung von Bentonit nicht erwähnt. Bentonit wird in D1 auch nicht als Quellmittel beschrieben, sondern als Beispiel für einen quellfähigen Ton, der als Stabilisator eingesetzt wird, um dem Absondern von Wasser entgegenzuwirken (Seite 205, rechte Spalte, letzte zwei Absätze und Seite 209, Punkt 3.3). Die einzigen Zusatzmittel, die in D1 zur Verringerung des Schwindens genannt wurden, sind Aluminiumpulver (Seite 205, rechte Spalte letzte Absatz) und Sand mit einer Korngröße bis 3 mm (Seite 209, Punkt 3.3), letzteres ein Zusatzmittel, das durch Anspruch 1 ausdrücklich ausgeschlossen wird. Das vorgequollene Bentonit hat also in D1 den Zweck, für den im Streitpatent das vorgelöste Polyethylenoxid eingesetzt wird.
7. Wie dargelegt, ergibt sich die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 daraus, daß die Kombination von Komponenten der danach erhaltenen Zementsuspension in Hinblick auf die angestrebte Verwendung dieser Suspension zum Verpressen feiner Risse nicht nahegelegen hat. Diese Erwägungen gelten daher entsprechend für die erfinderische Tätigkeit der Verwendung gemäß den Ansprüchen 7 und 8. Die Ansprüche 2 bis 6 sind von Anspruch 1 abhängige Unteransprüche. Die erfinderische Tätigkeit der Verfahren gemäß den Ansprüchen 2 bis 6 wird somit durch die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 getragen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.