T 0143/99 () of 20.9.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T014399.20010920
Datum der Entscheidung: 20 September 2001
Aktenzeichen: T 0143/99
Anmeldenummer: 93103516.6
IPC-Klasse: B29C 35/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anlage zum Vulkanisieren von aus Kautschukmischungen hergestellten Erzeugnissen
Name des Anmelders: PAUL TROESTER MASCHINENFABRIK
Name des Einsprechenden: Peltzer Werke Form & Präzision in Metall GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
Schlagwörter: Ursprüngliche Offenbarung (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs (Art. 102 (2) EPÜ) gegen das Patent Nr. 0 560 214 Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100 c) EPÜ (Mangel an ursprünglicher Offenbarung) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) und c) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

II. Der Beschwerdeführer beantragte, das Streitpatent in gesamtem Umfang zu widerrufen und, hilfsweise, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zur Begründung macht der Beschwerdeführer unter anderem eine offenkundige Vorbenutzung geltend.

III. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Am 30. April 2001 verfügte die Beschwerdekammer eine Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 19. September 2001 und legte dieser Ladung eine Mitteilung bei, in welcher sie unter anderem ihre vorläufige Meinung begründete, warum nach ihrer Ansicht der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ nicht greife und warum die vom Beschwerdeführer behauptete offenkundige Vorbenutzung weder einschlägig noch ausreichend substantiiert sei.

V. Mit Schreiben vom 6. August 2001, eingegangen am 8. August 2001, teilte der Beschwerdeführer mit, daß er seinen Hilfsantrag auf eine mündliche Verhandlung zurücknehme, daß er an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und daß er darum bitte, über die Beschwerde nach der bisherigen Aktenlage zu entscheiden.

VI. Mit Verfügung vom 13. August 2001 hob die Beschwerdekammer den für den 19. September 2001 vorgesehenen Termin für eine mündliche Verhandlung auf.

VII. Der Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"1. Anlage zum Vulkanisieren von aus Kautschukmischungen hergestellten, vorzugsweise strangförmigen Erzeugnissen, bestehend aus einem Trog (1) für die Aufnahme eines Bades aus Glykol- oder Salzgemisch (2) und/oder einem anderen flüssigen Wärmeträger und einer Beheizungsvorrichtung für den Trog, dadurch gekennzeichnet,

daß der Trog (1) an seinem Boden (3) und an seinen Seitenwänden von mindestens einem Luftkanal (13, 16) umgeben ist,

daß vor den Stirnseiten (14) des Troges (1) Luftumlenkkammern (15) angeordnet sind und daß diese Luftkanäle (13, 16) und die Luftumlenkkammern (15) Teile eines vom unter dem Boden (3) verlaufenden Kanals (13) und eines entlang der Seitenwand des Troges (1) verlaufenden Kanals (16) gebildeten Ringkanalsystems sind, in welchem mindestens ein Gebläse und Heizvorrichtungen untergebracht sind."

VIII. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

i) An keiner Stelle der ursprünglich eingereichten Unterlagen sei ein Hinweis auf ein "Ringkanalsystem" zu finden, wie es im Anspruch 1 des Streitpatents definiert sei. Selbst wenn man ein "Ringkanalsystem" mit den Luft-Ringkanälen gleichsetze, bleibe offen, welche weitere Kanäle das "Ringkanalsystem" umfasse und wo diese weiteren Kanäle ursprünglich offenbart seien.

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ sei daher gerechtfertigt.

ii) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruhe im Hinblick auf folgenden Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit:

D1: DE-B-1 778 427,

D3: DE-A-1 579 275 und

D9: Anlagen A und B, betreffend eine offenkundige Vorbenutzung, eingereicht am 20. September 1997.

Die Entgegenhaltung D1 offenbare eine Anlage zum Vulkanisieren von aus Kautschukmischungen hergestellten Erzeugnissen, welche alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents aufweise, mit Ausnahme der Verwendung von Luft als Heizmittel.

Die Verwendung alternativer gasförmiger Heizmittel werde durch die beispielhafte Aufzählung von Heizmitteln in der Entgegenhaltung D1, Spalte 4, Zeile 3, angeregt. Den konkreten Hinweis auf die Verwendung von Luft erhalte der Fachmann aus der Entgegenhaltung D3 bzw. aus der offenkundig vorbenutzten Anlage gemäß D9. Im übrigen gehöre die Wahl eines geeigneten Heizmittels zum fachmännischen Können, bedürfe also keiner erfinderischen Tätigkeit.

IX. Der Beschwerdegegner hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

i) Das Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents

"daß diese Luftkanäle (13, 16) und die Luftumlenkkammern (15) Teile eines vom unter dem Boden (3) verlaufenden Kanals (13) und eines entlang der Seitenwand des Troges (1) verlaufenden Kanals (16) gebildeten Ringkanalsystems sind"

sei aus den in der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung angeführten Gründen in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart bzw. aus diesen herleitbar.

ii) Die Anlage gemäß der Entgegenhaltung D1 weise folgende Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht auf:

- daß vor den Stirnseiten des Troges Luftumlenkkammern angeordnet sind,

- daß die Boden- und Seiten-Luftkanäle und die Luftumlenkkammern Teil eines vom unter dem Boden verlaufenden Kanal und von einem entlang der Seitenwand des Troges verlaufenden Kanal gebildeten Ringkanalsystems sind und

- daß innerhalb des Ringkanalsystems mindestens ein Gebläse und Heizvorrichtungen zum Umwälzen und Erzeugen von Heißluft untergebracht sind.

Weder der Entgegenhaltung D3 noch der angeblich offenkundig vorbenutzten Anlage gemäß D9 sei ein Hinweis darauf zu entnehmen, die durch die Entgegenhaltung D1 bekannte Vulkanisier-Anlage durch die o. a. neuen Merkmale auszugestalten.

Entscheidungsgründe

1. Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ

Das vom Beschwerdeführer im Hinblick auf Artikel 100 c) EPÜ beanstandete Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents

"daß diese Luftkanäle (13, 16) und die Luftumlenkkammern (15) Teile eines vom unter dem Boden (3) verlaufenden Kanals (13) und eines entlang der Seitenwand des Troges (1) verlaufenden Kanals (16) gebildeten Ringkanalsystems sind"

ist aus folgenden Gründen in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart bzw. aus diesen herleitbar:

Das o. a. vom Beschwerdeführer beanstandete Merkmal bringt in Zusammenschau mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 zum Ausdruck, daß der bzw. die Boden-Luftkanäle (13) sowie die Seitenwand-Luftkanäle (16) und die vor den Stirnseiten des Troges angeordneten Luftumlenkkammern (15) Teile eines Ringkanalsystems sind, und daß der oder jeder Seitenwand-Luftkanal (16) mit dem oder jedem Boden-Luftkanal (13) und den beiden stirnseitigen Luftumlenkkammern (16) ein Ringkanalsystem bildet, in welchem die Heizluft durch mindestens ein Gebläse zwangsweise im Kreislauf umgewälzt wird.

Diese Auslegung des strittigen Merkmals "Ringkanalsystem" ist im Einklang mit der Ausführungsform gemäß Figur 1 und Spalte 4, Zeilen 5 bis 20. des Streitpatents, woraus zu entnehmen ist (vgl. insbesondere die Luftströmungspfeile in der Figur 1), daß die Luft durch ein rechtsseitiges und ein linksseitiges Ringkanalsystem umgewälzt wird, wobei der Bodenluftkanal (13) und die stirnseitigen Luftumlenkkammern (15) sowohl Teile des rechtsseitigen als auch linksseitigen Ringkanalsystems bilden.

Da die Figur 1 des Streitpatents identisch ist mit der ursprünglich eingereichten Figur 2 und da die Beschreibung der Figur 1 in Spalte 4, Zeilen 5 bis 20, des Streitpatents inhaltlich identisch ist mit der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 7, zweiter Absatz, der ursprünglich eingereichten Figur 2, ist das Merkmal betreffend des "Ringkanalsystems" durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen gestützt.

Es trifft zwar zu, daß der Ausdruck "Ringkanalsystem" in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht erwähnt ist. Dieser Ausdruck ist jedoch ohne weiteres als durch die Ausführungsform der ursprünglichen Figur 2 offenbart anzusehen, welche eine Anordnung von mehreren Kanalabschnitten zeigt, die so getroffen ist, daß die durch sie geleitete Heißluft in geschlossenem Kreislauf, also in einem "Ringkanalsystem", geführt wird.

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ greift daher nicht.

2. Erfinderische Tätigkeit (Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ)

2.1. Nächster Stand der Technik

Den der Erfindung gemäß Streitpatent am nächsten kommenden Stand der Technik offenbart die Entgegenhaltung D1. Dieser Stand der Technik betrifft eine Anlage zum Vulkanisieren von aus Kautschukmischungen hergestellten strangförmigen Erzeugnissen, bestehend aus einem Trog für die Aufnahme eines Bades aus Glykol- oder Salzgemisch und einer Beheizungsvorrichtung für den Trog, wobei der Trog an seinem Boden und ggf. auch an seinen Seitenwänden von Heizkanälen zur Führung eines Heizmittels umgeben ist (vgl. insbesondere die Figur 2 und Spalte 3, Zeile 47 bis Spalte 4, Zeile 2).

In der Entgegenhaltung D1 ist zwar angegeben, daß in den Heizkanälen als Heizmittel Dampf oder Öl umgewälzt wird, jedoch sind diese Heizkanäle grundsätzlich auch für Heißluft als Heizmittel geeignet. Daher begründet die Zweckangabe Luftkanal (d. h. ein Kanal, geeignet zur Luftführung) im Anspruch 1 des Streitpatents keinen Unterschied zu den Heizkanälen gemäß Figur 2 der Entgegenhaltung D1.

2.2. Unterschied zum Stand der Technik

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents unterscheidet sich von dem durch die Entgegenhaltung D1 bekannten Gegenstand durch folgende Merkmale:

i) daß vor den Stirnseiten des Troges Luftumlenkkammern angeordnet sind,

ii) daß die Boden- und Seiten-Luftkanäle und die Luftumlenkkammern Teil eines vom unter dem Boden verlaufenden Kanal und von einem entlang der Seitenwand des Troges verlaufenden Kanal gebildeten Ringkanalsystems sind und

iii) daß innerhalb des Ringkanalsystems mindestens ein Gebläse und Heizvorrichtungen zum Umwälzen und Erzeugen von Heißluft untergebracht sind.

2.3. Aufgabe

Diese gegenüber der bekannten Vorrichtung neuen Merkmale i) bis iii) lösen die Aufgabe, die Wärmeausnutzung zu verbessern. Denn durch diese neuen Merkmale wird erreicht, daß das komplette Wärmeabgabesystem, einschließlich Heizvorrichtungen und Gebläse, die Wärme unmittelbar an den Trog überträgt, wobei nicht nur der Boden und die Seitenwände sondern auch die Stirnwände des Troges erwärmt werden.

2.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents mit den o. a. Merkmalen i), ii) und iii) wird durch den vom Beschwerdeführer in Betracht gezogenen Stand der Technik aus folgenden Gründen nicht nahegelegt:

2.4.1. Die Entgegenhaltung D3 offenbart eine Vorrichtung zum Vulkanisieren von zylindrischen Gummisträngen in einer Heizkammer, wobei unter Anwendung von direkt in die Heizkammer eingeblasener Heißluft vulkanisiert wird. Diese Vorrichtung weist keinen Trog für die Aufnahme eines flüssigen Wärmeträgers auf, und weist daher keine indirekte Beheizung des Vulkanisierbades über an den Wänden bzw. am Boden des Troges angeordnete Luftführungskanäle auf. Daher kann die Entgegenhaltung D3 dem Fachmann keine Anregung zu den o. a. Merkmalen i) bis iii) des Anspruchs 1 des Streitpatents geben.

2.4.2. Unter der Sammelbezeichnung "D9" machte der Beschwerdeführer durch Vorlage verschiedener Beweismittel eine offenkundige Vorbenutzung geltend, betreffend eine Salzbad-Vulkanisieranlage mit einem doppelwandigen Salzbecken, bei welcher die Beheizung des Salzbades durch in die Doppelwand eingeblasene Heißluft erfolgt.

Die Kammer hat in ihrer Mitteilung vom 30. April 2001 ausgeführt, daß die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel nicht ausreichten, um eindeutig feststellen zu können, welcher Gegenstand wann offenkundig vorbenutzt sei, daß keines der vorgelegten Beweismittel die o. a. wesentlichen Merkmale i) bis iii) der Erfindung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zeige und daß daher die Kammer keine Veranlassung sehe, der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung weiter nachzugehen.

Da der Beschwerdeführer sich zu diesen Ausführungen der Kammer nicht mehr geäußert hat, stellt die Kammer fest, daß seitens des Beschwerdeführers nicht bewiesen worden ist, daß der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents ein Vulkanisiertrog mit den erfindungsgemäßen Merkmalen i), ii) und iii) zugänglich gemacht worden ist, welcher den Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents hätte anregen können.

2.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Das Gleiche gilt auch für die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 7, welche weitere Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 betreffen.

2.6. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) greift daher ebenfalls nicht.

3. Das Patent hat daher Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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