T 0132/99 () of 12.7.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T013299.20010712
Datum der Entscheidung: 12 Juli 2001
Aktenzeichen: T 0132/99
Anmeldenummer: 90810580.2
IPC-Klasse: E01C 7/32
E01C 7/35
E01C 11/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer zusammenhängenden Decke für Straßen und Flugplätze und Verwendung derselben
Name des Anmelders: Hüppi AG
Name des Einsprechenden: Fibertex A/S
Polyfelt Gesellschaft m.b.H.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 469 222 mit 8 Ansprüchen wurde der Beschwerdegegnerin am 27. Oktober 1993 erteilt.

Der Anspruch 1 des erteilten Patents in Form einer Merkmalsanalyse lautet:

"01 Verfahren zur Herstellung einer zusammenhängenden Decke für Strassen und Flugplätze auf einer bitumen- und/oder zementgebundenen Schicht (6, 12),

02. wobei auf dieser eine mit einem bituminösen Bindemittel verklebte geotextilverstärkte Zwischenschicht (5) vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

K1 in einem ersten Verfahrensschritt auf die zu beschichtende Schicht (6, 12) eine Klebeschicht (7) aus dem bituminösen Bindemittel, in einer von der Ebenheit der Schicht (6, 12) abhängigen Flächenbelegung von 500 g/m2 bis 2500 g/m2 aufgebracht wird,

K2 dass auf die Klebeschicht (7) in einem zweiten Schritt ein Vlies oder ein Gewebe (5) eben ausgelegt, geglättet und angepresst wird

K3 und dass in einem dritten Schritt

a) eine durch heisses Mischen von Bitumen, Copolymeren und Mineralien (2) vorbereitete, poröse Walzasphaltdeckschicht (1)

b) von einer Dicke von 1,5 cm bis 4 cm maschinell aufgebracht wird,

wobei diese aus 5 bis 15 Gew.-% Mineralstoff-Füller mit einer Korngrösse von bis zu 0,1 mm, aus 60 bis 80 Gew.-% Splitt

und 5 bis 35 Gew.-% Bindemittel besteht."

II. Die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende I und II) legten unabhängig voneinander Einspruch ein und beantragten das Patent wegen fehlender Neuheit oder fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) in vollem Umfang zu widerrufen. Die Beschwerdeführerin II stütze ihren Einspruch zudem auf die von ihr behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen 1 und 2 und bot hierfür Zeugenbeweis an.

III. Im Laufe des Einspruchsverfahrens sind als Beweismittel für den Stand der Technik u. a. folgende Urkunden und Vorbenutzungen aufgeführt worden:

III.1 Beschwerdeführerin I:

D2(I) = "Bituminöse Decken - Walzasphalt" RVS 8.627 (technische Vertragsbindungen) Deckenarbeiten, Wien

D7(I) = "Spezialverfahren und Bindemittel für den Straßenunterhalt"; Sonderdruck aus Schweizer Bauwirtschaft 11/86 zur VESTRA Fachtagung

Beschwerdeführerin II:

D4(II) = Broschüre "Polyfelt PGM 14"; Chemie Linz, Okt. 86

D6(II) = "Österreichs Straßen, Straßen Europas"; offizielle Festschrift zum 45. österr. Straßentag; 1987

III.2 Für die behauptete offenkundige Vorbenutzung 1 (Erprobungsstrecke B3 Joching) legte die Beschwerdeführerin II u. a. folgende Beweismittel vor:

D1(II) = Versuchsbericht "Starfalt, Erprobungsstrecke B3 Joching"

D7(II) Bestellung der N.Ö. Straßenabteilung 7 für Baulos "Weißenkirchen-Joching"; 17.05.1988

D9(II) = Bestätigungsschreiben der NÖ Straßenbauabteilung 7 über das Bauvorhaben "Wießenkirchen-Joching" vom 19.12.95

Für die behauptete offenkundige Vorbenutzung 2 (Ausgeführte Objekte in der Schweiz) legte die Beschwerdeführerin II folgende Beweismittel vor:

D3(II) = Referenzliste über ausgeführte Objekte mit Polyfelt-Vlies PGM 14 und PGM EU D1(II) = Versuchsbericht

IV.1 Aufgrund der Vernehmung der Zeugen ist die Einspruchsabteilung zu folgenden Feststellungen gelangt:

- die Zeugenaussagen haben nicht bestätigt, daß der schriftliche Versuchsbericht D1(II) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Somit stellt D1(II) keinen Stand der Technik dar;

- der von der Beschwerdegegnerin nunmehr unbestrittene Gegenstand der Vorbenutzung 1 wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zwar bezüglich aller behaupteter technischer Merkmale des vorbenutzten technischen Merkmals des vorbenutzten Gegenstandes;

- die von der Beschwerdeführerin II behauptete Vorbenutzung 2 ist nicht als Stand der Technik zu betrachten, da diese Vorbenutzung nicht substantiiert vorgetragen wurde.

IV.2 Nach Prüfung der Einspruchsgründe wies die Einspruchsabteilung die Einsprüche am Schluß der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 1998 zurück. Die schriftliche Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde am 19. November 1998 zur Post gegeben.

V. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin I am 28. Januar 1999 und die Beschwerdeführerin II am 25. Januar 1999 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die schriftliche Begründung der Beschwerde I ist am 29. März 1999 und der Beschwerde II am 17. März 1999 eingegangen.

Die Beschwerdeführerinnen beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.

VI. Die von der Beschwerdeführerin I schriftlich und während der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2001 vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung 1 (Joching) nicht neu.

Bezüglich der strittigen Offenkundigkeit der beanspruchten Merkmale des Anspruchs 1 durch Vorbenutzung 1 sei bereits bei der erstinstanzlichen Zeugenvernehmung festgestellt worden, daß die Korngröße ohne weiteres ersichtlich gewesen sei und daß aus chemischer Sicht ein modifiziertes Bitumen wie "Starfalt" in AB11 jedenfalls Copolymere enthalten habe. Dies sei auch von der ÖMV im Schreiben vom 29. August 1996 bestätigt worden. Es mag sein, daß Polymere geruchlos seien, aber wichtig sei, daß die Polymere sichtbar seien indem sie der Asphaltoberfläche einen typischen Glanz verliehen. Auch klebe ein Polymer beinhaltender Asphalt viel mehr an den Schuhen als ein polymerfreier Asphalt. Dazu sei es nach dem vor der Vorinstanz vernommenen Zeugen Schraml auf der Baustelle erfragbar gewesen wie viel Polymere der Belag nach Vorbenutzung 1 enthalten habe.

Bei der Vorbenutzung 1 seien sämtliche Merkmale des Gegenstands des Anspruchs verwirklicht. Die Einspruchsabteilung habe dies in der angefochtenen Entscheidung für alle Merkmale des Anspruchs 1 mit Ausnahme des Merkmals, daß eine "poröse" Walzasphaltdeckschicht aufgebracht wird, dargelegt.

Die Einspruchsabteilung ginge jedoch fehl, in dem Merkmal "porös" einen Unterschied gegenüber der Vorbenutzung zu sehen. Lege man die übliche, dem Fachmann geläufige Bedeutung des Begriffs "porös" zugrunde, so sei damit gemeint, daß der entsprechende Körper in seinem Inneren kleine, materialfreie Hohlräume aufweise, die insbesondere von Lufteinschlüssen und dergleichen gebildet sein könnten. Ziehe man die Beschreibung und die Zeichnungen des Streitpatents heran, ergebe sich kein anderes Verständnis dieses Begriffes. In der Beschreibung heiße es hierzu (vgl. Seite 3, Zeile 24 ff.), die Walzasphaltdeckschicht bilde "sowohl an ihrer Oberfläche als auch im Inneren zahlreiche Poren 4". Diese Poren seien in den Figuren als Hohlräume in Form von Lufteinschlüssen zu erkennen. Weder die Beschreibung noch die Figuren definierten näher, wie groß diese Poren sein sollten, wie viele Poren die Asphaltschicht habe oder wie groß der Volumenanteil der Poren sein sollte.

In diesem breiten Sinne sei jedoch die bei der Vorbenutzung 1 aufgebrachte Walzasphaltdeckschicht ebenfalls porös. Wie sich aus Dokument D7(II) ergebe und durch die Zeugenvernehmung klar bewiesen worden sei, sei bei der Vorbenutzung 1 ein Asphaltbeton vom Typ AB11 aufgebracht worden. Ein solcher Walzasphalt AB11 sei stets porös. Wie sich aus Tabelle 5 des Dokuments D2(I) ergebe, könne ein Walzasphalt vom Typ AB11 einen Hohlraumgehalt von 7,0 Volumenprozent, unter besonderen Umständen auch bis zu 9 Volumenprozent aufweisen. Der bei der Vorbenutzung 1 benutzte Walzasphalt werde insofern porös.

Die Einspruchsabteilung habe hingegen den Ausdruck "porös" in einem ganz speziellen Sinn verstanden. Der Begriff könne nur als durchlässig im Sinne einer Wasserabführung bzw. im Sinne eines Drainbelages, d. h. also als schallwellenabsorbierend und wasserdurchlässig verstanden werden. Dem könne jedoch nicht gefolgt werden, da sich ein solches Verständnis aus der Patentschrift keineswegs zwingend ergebe. Die von der Einspruchsabteilung angezogenen Textstellen auf Seite 3, Zeilen 9 bis 17 sowie Seite 2, Zeilen 39 und 40 beschrieben lediglich vorteilhafte Wirkungen im Rahmen bevorzugter Ausführungen der angeblichen Erfindung. Aus solchen bevorzugten Wirkungen ergebe sich jedoch kein eingeschränktes Verständnis des entsprechenden Begriffes, insbesondere keine konkrete Abgrenzung beispielsweise im Sinne eines vorgeschriebenen, von dem bei der Vorbenutzung 1 verwendeten Walzasphalt entfernt liegenden Hohlraumgehaltes.

2. Erfinderische Tätigkeit

Vorbenutzung 1 und D6(II)

Ausgehend von dem durch die Vorbenutzung 1 bekannten Gegenstand würde sich einem Fachmann die Aufgabe stellen, die Wasserabfuhr von der Oberfläche des Fahrbahnbelages zu verbessern und die Gefahr von Aquaplaning zu vermeiden.

In bezug auf die Wasserabfuhr von der Fahrbahnoberfläche sei es dem Fachmann bekannt, daß hierfür poröse Drainbeläge geeignet seien. Durch deren Poren könne das Wasser durch die Fahrbahndecke sickern. Aus seiner zum allgemeinen Fachwissen gehörenden Kenntnis von Drainbelägen werde es für den Fachmann klar, daß er den bei dem verwendeten Walzasphalt bereits vorhandenen Hohlraumgehalt lediglich erhöhen müsse, um dessen wasserabführende Wirkung zu verbessern.

Bei der Vorbenutzung 1 würde, wie aus D9(II) hervorgehe, als Walzasphaltdeckschicht ein Asphaltbeton vom Typ AB11 mit elastomermodifizierten Bitumen vom Typ Starfalt DS-weich verwendet. Der Hersteller von Starfalt, die ÖMV AG, gebe in ihrer Produktinformation zu Starfalt - Dokument D6(II) - konkret an:

"Mehr Sicherheit bei Nässe. Mit Starfalt ist es möglich, hohlräumliche Beläge herzustellen, durch die das Wasser im Inneren abfließen kann. Das verringert die Gefahr von Aquaplaning."

Es habe also lediglich der Befolgung des Herstellerhinweises bedurft, um zur angeblichen Erfindung zu gelangen, ohne jedoch eine erfinderische Tätigkeit vorauszusetzen.

Es sei zum Zeitpunkt der angefochtenen Erfindung Stand des allgemeinen Fachwissens gewesen, daß poröse Drainbeläge in Verbindung mit einer Feuchtigkeitssperrschicht unter der Drainbelagschicht zu verwenden seien, um zu verhindern, daß durch die poröse Drainschicht hindurchlaufendes Wasser in darunterliegende Schichten eindringe und diese aufweiche. Hierbei habe keineswegs die Vorstellung vorgeherrscht, daß die Verlegung von Drainasphalt auf einer entsprechenden Wassersperrschicht aufgrund von speziellen Eigenschaften von Drainasphalt problematisch wäre. Das Gegenteil sei der Fall, wie z. B. die Druckschriften D6(II), D4(II) und

D13(I): "A basic asphalt emulsion manual", Lexington, Kentucky 40512-4052, USA

belegten. D6(II) zeige unter der Rubrik "Neu wie Starfalt" eine "Nur 2 statt 20 cm" dünne Asphaltschicht. D4(II) offenbare unter der Rubrik "Verarbeitungshinweise", Punkt 5 eine Asphaltdicke von 3.5. cm. D13(I) beschriebe auf Seite 80 im Kontext von "open-graded mixtures with asphalt emulsion" Vorteile der Drainbeläge gegenüber anderen Asphaltsorten. Es könne daher nicht die Rede davon sein, daß einen Fachmann irgend etwas davon abgehalten hätte, auf einer wasserabführenden Sperrschicht in Form eines mit bituminösem Bindemittel getränkten Vlieses eine poröse Drainasphaltschicht vorzusehen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die von der Beschwerdeführerin II schriftlich und während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu, beruhe aber aufgrund der bereits von der Beschwerdeführerin I vorgetragenen Argumente bezüglich Vorbenutzung 1 und D6(II) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Neudefinierung des Patentgegenstandes durch Merkmale wie "reverse Versiegelung", "hydraulische Tiefe" und Parameter der Porosität, sei für die Beurteilung der erfinderischden Tätigkeit irrelevant, da diese Merkmale in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu finden seien.

Die im Streitpatent angegebenen physikalischen Eigenschaften, die verbessert werden sollten, nämlich Verbesserung der Rolleigenschaften, optimale Griffigkeit sowie schallabsorbierende Wirkung, beruhen einzig auf den bekannten Eigenschaften von Drainbelägen und könnten daher auch nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerden I und II.

Zur Begründung ihres Antrages hat die Beschwerdegegnerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

1. Neuheit (Vorbenutzung 1)

Die Anerkennung der Offenkundigkeit der Vorbenutzung 1 von der Einspruchsabteilung beruhe ausschließlich auf der Aussage des Zeugen, Dipl.-Ing. Müller, welcher dargelegt habe, daß die Merkmale der gebauten Straße bei der Herstellung der Straßendecke von der Öffentlichkeit ohne genaue Analyse zu erkennen gewesen wären.

Es werde bestritten, daß ein Durchschnittsfachmann in der Lage gewesen wäre, während des Einbaus die Parameter des Deckschichtmischguts zu erkennen. Insbesondere sei es keinem Durchschnittsfachmann zuzutrauen, daß dieser durch reines Zuschauen auf einer Baustelle die Unterschiede der Belaghohlräume im Grenzbereich des "porösen Walzasphaltbelages" (6 bis 14 Vol.%) und des "Drainasphaltbelages" (15 bis 20 oder mehr Vol.%) erkennen könne. Dies träfe ebenso zu für den Grenzbereich des "dichten Walzasphaltbelages" (3 bis 5 Vol.%) zum "porösen Walzasphaltbelag" (6 bis 14 Vol.%). Ganz abenteuerlich erschiene aber die im Abschnitt 3.6 der Entscheidungsbegründung aufgeführte Aussage von Dipl.-Ing Müller, wonach ein Durchschnittsfachmann zum damaligen Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, die dem Bitumen beigemischten heißen Polymere zu riechen. Es sei allgemein bekannt, daß Polymere aus der Gruppe der amorphen Polyolefine absolut geruchlos seien und dies in kaltem wie auch in heißem Zustand. Ein Erkennen dieser Polymere am Geruch erschiene unmöglich und eine entsprechende Behauptung abenteuerlich und unglaubwürdig - dies sei auch durch das der Beschwerdeerwiderung beigelegte Gutachten vom 6. Juni 2001 (Prof. A.-G. Dumont) bestätigt worden.

Im Gegensatz zur Einspruchsabteilung, welche in Abschnitt 5.2.2 der Entscheidungsbegründung unter Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen Schraml festgestellt habe, daß "AB11" eine dichte, d. h. nicht durchlässige Deckschicht im Sinne einer Wasserabführung an der Oberfläche der Deckschicht darstelle, behaupte die Beschwerdeführerin I, daß eine "AB11" Deckschicht stets porös sei (Seite 3, Zeile 1 der Beschwerdebegründung). Die Beschwerdeführerin I führt in ihrer Beschwerdebegründung auf Seite 3, Zeilen 5 bis 7 aber auch aus, daß die bei der "Erprobungsstrecke B3 Joching" entnommenen Proben eine Porosität von 4,3 Vol.% aufgewiesen hätten. Gemäß dem in das Verfahren eingeführten Artikel "Wasserdurchlässigkeit von Asphalt" von Herr Mentlein et al. aus der Zeitschrift "Asphalt" 1/99, Seiten 23 bis 26, sei ein Asphalt mit einer Porosität von 3 bis 5 Vol.% (Seite 23, linke Kolonne) praktisch dicht, was eindeutig die Richtigkeit der o.g. Aussage der Zeugen Schraml und der Entscheidung der Einspruchsabteilung beweise.

Bei den erfindungsgemäßen Asphaltbelägen mit Porosität von 6 - 14 Vol.% erfüllten die Hohlräume eine völlig andere Funktion. Bei ihnen sei der von der bestehenden Verkehrbelastung her notwendige Kraftabbau im Gegensatz zu den dichten Asphaltbelägen allein auf das Mineralskelett (Gesteinsskelett) verlagert. Die Hohlräume bei diesem Belagtypus reichten zwar für eine funktionstüchtige Drainage nicht aus, ihr Vorteil läge aber gerade in ihrer Offenporigkeit, weil sie dadurch zur Lärmreduktion beitrügen und das Bilden von gefährlichen Sprühbahnen verhinderten. Ohne die erfindungsgemäß angewendete "reverse Versiegelung" neigten sie aber zu einer schnelleren Alterung und Versprödung. Durch die "reverse Versiegelung" behalte der offenporige Belag sein Splittrückhaltevermögen und die Versprödung durch Oxidation fände nur im oberen Bereich des Belags statt, was der Gesamtfunktion des Belages erhebliche Vorteile brächte. Ein weiterer Vorteil bestünde in der Versiegelung/Abdichtung zur unteren Schicht.

Die Hohlräume bzw. Porositäten im Walzasphaltbelag AB11 und in der erfindungsgemäßen Walzasphaltdeckschicht erfüllen völlig verschiedene Aufgaben und eine Gegenüberstellung der Porositäten, wie sie die Beschwerdeführerinnen in ihren Beschwerdeschriftsätzen vornähmen, erscheine in diesem Sinne fehl am Platze.

2. Erfinderische Tätigkeit

Vorbenutzung 1 und D6(II)

Da im Stand der Technik das Bitumen "Starfalt" auch schon bekannt war, werde dessen Produkteinformation herangezogen (D6(II)), wo unter der Rubrik "Mehr Sicherheit bei Nässe" festgestellt werde "Mit Starfalt ist es möglich, hohlraumreiche Beläge herzustellen, durch die das Wasser im Inneren abfließen kann. Das verringert die Gefahr von Aquaplaning". Mehr sei in dieser Literaturstelle diesbezüglich nicht zu finden und es frage sich, wie ein Fachmann durch die Kurzmitteilung hätte angeregt werden können, die vorliegende Erfindung zu realisieren.

Erfindungsgemäß werde nämlich keine Belagmischung verwendet, welche den Anspruch erhebe, daß "das Wasser im Inneren abfließen kann", es werde im Gegenteil erfindungsgemäß eine Belagsmischung verwendet, welche durch ihre Oberflächenstruktur kombiniert mit ihrer Porosität die Technologie der sogenannten "hydraulischen Tiefe" anwende und nicht diejenige der Drainage.

Bei Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens, wie es im Patentanspruch 1 des Streitpatents beschrieben sei und unter Beachtung der darin ausgeführten kritischen Maßnahmen, dringe das Bindemittel von unten durch die Textilschicht und versiegele so den Belag von unten (es finde eine "reverse Versiegelung" statt). Die Menge des Bindemittels sei mit der Porosität der Deckschicht so abgestimmt, daß 1/3 bis 1/2 des Bindemittels in die offenporige Deckschicht eindringe. Die Hohlräume nähmen das Bindemittel auf, der Belag werde von unten dicht gemacht, ohne daß seine physikalischen Eigenschaften verändert würden. Trotz dieser "reversen Versiegelung" behielte der Belag die Eigenschaften eines offenporigen Belages.

Die "reverse Versiegelung" funktioniere nur bei einer Porosität von 6 bis 14 Vol.%, funktioniere jedoch nicht bei höheren und niedrigeren Porositäten. Dementsprechend seien Drainasphaltschichten - welche im allgemeinen eine Hohlraumdichte bzw. Porosität von 14 bis 19 Vol.% besäßen (in D7(I) sei auf Seite 17, rechte Spalte, Zeilen 10 bis 13 von einer Porosität von 15 bis 20 Vol.% gesprochen) - für den erfindungsgemäßen Versiegelungsvorgang nicht geeignet.

Dementsprechend könne festgehalten werden, daß man bei Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 des Streitpatents zu einem Straßenbelag gelangt, der durch keine vorbekannte Literaturstelle nahegelegt würde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Vorbenutzung 1

2.1. Bei Überprüfung der Beweismittel betreffend die Vorbenutzung 1 fand die Kammer keinen Grund, die Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 3.4 der Entscheidungsgründe, nämlich, daß der Durchschnittsfachmann bei einer rein äußerlichen Prüfung alle Merkmale des Gegenstands der Vorbenutzung erkennen konnte, anzuzweifeln.

2.2. Bezüglich der seitens der Beschwerdegegnerin in Frage gestellten Offenkundigkeit der Deckschichtmischung ist die Kammer unter Berücksichtigung der vorinstanzlichen Niederschrift der Zeugenvernehmung zum Ergebnis gekommen, daß die Zeugen, Herr Müller und Herr Schraml, fundierte Aussagen gemacht haben, weshalb wirklich jeder durchschnittliche Fachmann auf dem Gebiet des Straßenbaus während und sogar nach dem Einbau in der Lage gewesen wäre, das Größtkorn und die Menge des verwendeten Bindemittels in der eingebauten Deckschicht zu erkennen sowie den Bitumengehalt abzuschätzen. Das Größtkorn wäre im Fall eines "AB11" 11 mm und zweifelsfrei zu erkennen. Diese Auffassung wurde im übrigen auch vom Zeugen Schraml sinngemäß gemacht.

2.3. Zur Frage der Menge des verwendeten Bindemittels in der Druckschicht führte der Zeuge Müller aus, daß der Fachmann auch die Menge des Bindemittels sofort während des Einbaus erkennen würde und zwar aus der sich zwangsläufig ergebenden Art der Bindung des Korngemisches. Im Falle des "AB11" würde viel zu wenig Bindemittelgehalt, etwa 2 %, lose Körner bedeuten, wohingegen etwa um die 10 % ein "Schwimmen" der Körner zur Folge hätte. Der Bindemittelgehalt müsse also stets in einer vernünftigen Relation zum Hohlraum des Mischguts, z. B. für einen "AB11", stehen, und der Fachmann würde zweifellos, nach dem Zeugen Müller, im vorligenden Fall einen Bitumengehalt zwischen 2 % und 7. % im Mischgut annehmen.

2.4. Die Frage, ob ein Durchschnittsfachmann in der Lage war, beim Einbau der Asphaltschicht beigemischte heiße Polymere zu riechen, kann dahingestellt bleiben, da ein Fachmann ohne weiteres Zugang zu den Straßenwärten vor Ort gehabt habe, die ihm die Firma ÖMV als Bindemittellieferanten genannt hätten. So konnte der Fachmann offensichtlich umgehend Informationen über die Asphaltdeckschicht bei der Firma ÖMV einholen, da diese Firma zu jedem Zeitpunkt daran interessiert war, ihr neues Produkt, das polymermodifizierte Bindemittel "Starfalt - DS-weich" vorzustellen.

2.5. Aus obigen Gründen vermag die von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Stellungnahme/Gutachten vom 6. Juni 2001 die Kammer nicht zu überzeugen, der in Punkt 3.7 der angefochtenen Entscheidung vorgebrachten Feststellung der Einspruchsabteilung bezüglich der Offenkundigkeit der Vorbenutzung 1 nicht zu folgen. Der Gegenstand der Vorbenutzung 1 gehört somit zum Stand der Technik.

3. Neuheit

3.1. Aus der Niederschrift der Zeugenvernehmung geht hervor, daß die Walzasphaltdeckschicht bei der Vorbenutzung 1 aus "AB11" bestand. Die Zeugen bezogen sich auf die Aussage, mit der Vorgabe eines "AB11" eine "dichte" Deckschicht, und zwar nach dem Verständnis des Straßenbauers, bei der Erprobungsstrecke B3 Joching, d. h. bei der Vorbenutzung 1, in Auftrag gegeben zu haben.

3.2. Im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents wird eine Bedingung an die dort beanspruchte Walzasphaltdeckschicht gestellt: sie muß porös sein.

3.3. Eine "dichte" Deckschicht, etwa wie die bei der Vorbenutzung 1 aus "AB11" eingebaute Walzasphaltdeckschicht, muß für den Straßenbaufachmann stets als nicht durchlässig im Sinne einer Wasserabführung an der Oberfläche der Deckschicht verstanden werden.

3.4. Im Gegensatz dazu kann der Begriff "porös" aber, aus der Sicht des Fachmanns für den Straßenbau, nur als durchlässig mit einem vergleichsweise hohen Hohlraumgehalt verstanden werden. Dies ist auch der Offenbarung der Streitpatentschrift auf Seite 3, Zeilen 9. bis 17 zu entnehmen, wonach durch die poröse Walzasphaltdeckschicht sich eine einem Drainagebelag ähnliche Wirkung ergibt. Laut Seite 2, Zeilen 39 bis 40 der Streitpatentschrift bildet das erst unterhalb der Oberfläche der Deckschicht angeordnete Vlies und/oder Gewebe eine wasserführende Sperrschicht.

3.5. Da der bei der Vorbenutzung 1 eingebaute "AB11"-Belag nicht als "porös" angesehen werden kann, erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 das Erfordernis der Neuheit gegenüber der Vorbenutzung 1.

3.6. Auch in den übrigen Beweismitteln ist kein Verfahren gezeigt, welches alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents aufweist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem übrigen Stand der Technik neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Ausgehend von der Vorbenutzung 1, die den nächstkommenden Stand der Technik bildet und bei der als Walzasphaltdeckschicht ein Asphaltbeton vom Typ "AB11" mit elastomermodifiziertem Bitumen vom Typ "Starfalt DS-weich" verwendet wurde, kann die zu lösende Aufgabe objektiv darin gesehen werden, die Wasserabfuhr von der Oberfläche des Fahrbahnbelages zu verbessern und die Gefahr von Aquaplaning zu verringern.

In bezug auf die Wasserabfuhr von der Fahrbahnoberfläche ist es dem Fachmann bekannt, daß hierfür insbesondere - wie deren Name schon bezeichnend sagt - Drainagebeläge mit einem den Drainageeffekt bewirkenden Porengehalt geeignet sind. Es war bereits zum Zeitpunkt der angefochtenen Erfindung Stand des allgemeinen Fachwissens, daß poröse Drainbeläge in Verbindung mit einer Feuchtigkeitssperrschicht in oder unter der Drainbelagsschicht zu verwenden sind, um zu verhindern, daß durch die poröse Drainschicht hindurchlaufendes Wasser in darunter liegende Schichten eindringt und diese aufweicht. Hierbei herrschte keineswegs die Vorstellung vor, daß die Verlegung von Drainasphalt auf einer entsprechenden Wassersperrschicht aufgrund von speziellen Eigenschaften von Drainasphalt problematisch würde (vergleiche D4(II), D7(I) und D13(I). Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß einen Fachmann irgend etwas davon abgehalten hätte, bei durchschnittlichen klimatischen Verhältnissen auf einer wasserabführenden Sperrschicht in Form eines mit bituminösen Bindemitteln getränkten Vlieses eine poröse Drainasphaltschicht vorzusehen.

4.2. In Anwendung des "problem-solution-approach" ist es gerechtfertigt, davon auszugehen, daß ein Fachmann, der vor der Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe steht, sich auf dem engeren technischen Gebiet des Streitpatents umsieht und aus D6(II) erkennt, daß dort bereits eine Maßnahme angeboten wurde, nämlich

"Mehr Sicherheit bei Nässe. Mit "Starfalt" ist es möglich, hohlraumreiche Beläge herzustellen, durch die das Wasser im Inneren abfließen kann. Das verringert die Gefahr von Aquaplaning.",

die für die Lösung des hier angesprochenen Problems nützlich ist.

Er ist veranlaßt, diese Maßnahme zu ergreifen, da ihm dabei der Vorteil vor Augen gestellt wird, den Hohlraumgehalt der bei der Vorbenutzung 1 verwendeten dichten Asphaltdeckschicht in der Richtung Drainagebeläge zu erhöhen, derart, daß diese Schicht eine einem Drainagebelag ähnliche Wirkung aufweisen wird. Sollte sich der Hohlraumgehalt der gemäß D6(II) hergestellten Walzasphaltdeckschicht in der Praxis als zu klein hinsichtlich des angestrebten Wasserabfuhrvermögens erweisen, bietet sich bei gegebener Zusammensetzung der Asphaltdeckschicht die naheliegende Optimierungsmöglichkeit an, den Hohlraum der Deckschicht zu vergrößern, wodurch man mehr oder weniger zwangsläufig zu dem beanspruchten Verfahren gelangt.

4.3. Das Streitpatent läßt dem Fachmann beim Auffinden der Porosität der Asphaltdeckschicht freie Wahl, indem weder in der Beschreibung noch in den Figuren näher definiert ist, wie groß diese Poren sein sollen, wieviele Poren die Asphaltdeckschicht haben oder wie groß der Volumenanteil der Poren sein soll. In diesem Zusammenhang stellt die Kammer fest, daß die von der Beschwerdegegnerin auf spezielle Parameter des Hohlraumgehalts und den daraus folgenden Funktionen der Asphaltdeckschicht basierenden Argumente aufgrund mangelnder Offenbarung solcher Angaben im Streitpatent, für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit seines Gegenstandes irrelevant sind.

5. Aus den obigen Gründen (Punkten 4.1 bis 4.3) ergibt sich somit, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ), so daß das Streitpatent gestützt auf Artikel 102 (1) EPÜ in Verbindung mit Regel 66(1) EPÜ zu widerrufen ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent 0 469 222 wird widerrufen.

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