European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T008599.20030217 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Februar 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0085/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96926962.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01F 13/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Reinigung einer wäßrigen Lösung eines tertiären Aminoxids | ||||||||
Name des Anmelders: | LENZING AKTIENGESELLSCHAFT | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit der Ansprüche nach Änderung (bejaht) Neuheit nach Änderung (bejaht) Erfinderische Tätigkeit nach Änderung (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 96 926 962.0, die auf die internationale Anmeldung mit dem Aktenzeichen PCT/AT96/00148 zurückgeht, wurde am 16. August 1996 eingereicht und als WO-A-97/07268 veröffentlicht. Anspruch 1 lautete wie folgt:
"Verfahren zur Reinigung einer wäßrigen Lösung eines tertiären Aminoxides, welche Lösung Verunreinigungen enthält, die teilweise in gelöster Form und teilweise in ungelöster, kolloidaler Form vorliegen, gekennzeichnet durch die Kombination der Schritte, daß
(A) aus der wäßrigen Lösung die in ungelöster, kolloidaler Form vorliegenden Verunreinigungen im wesentlichen vollständig entfernt werden, und
(B) die im Schritt (A) erhaltene wäßrige Lösung mit einem Ionenaustauscher in Kontakt gebracht wird."
Die Ansprüche 2 bis 13 betrafen bevorzugte Ausgestaltungen von Anspruch 1. Anspruch 14 hatte folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Reinigung eines gebrauchten Fällbades, welches im Aminoxidverfahren anfällt, Verunreinigungen in gelöster und ungelöster, kolloidaler Form aufweist und bis zu 30 Gew.-% N-Methylmorpholin-N-oxid enthält, gekennzeichnet durch die folgenden Schritte, daß
(A) dem Fällbad, gegebenenfalls nach Verdünnung, ein Flockungsmittel zugegeben wird, um die in ungelöster, kolloidaler Form vorliegenden Verunreinigungen zu agglomerieren;
(B) die agglomerierten Verunreinigungen mit einer Tiefenfiltration abgetrennt werden, wobei eine im wesentlichen klare Lösung erhalten wird;
(C) die im Schritt (B) erhaltene klare Lösung mit einem Adsorberharz in Kontakt gebracht wird, um gefärbte Stoffe zu entfernen, worauf
(D) die Lösung mit einem Anionenaustauscher und einem Kationenaustauscher in Kontakt gebracht wird, um die Lösung weiter zu reinigen."
II. Die Prüfungsabteilung wies die Anmeldung zurück, da die Anmeldung den Erfordernissen von Klarheit, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nach den Artikeln 84, 54 und 56 EPÜ nicht genüge. Der Entscheidung lag die ursprünglich eingereichte Fassung zu Grunde und war auf folgenden Stand der Technik gestützt:
D1: EP-A-0 427 701
D2: WO-A-93/11 287
D3: EP-A-0 488 988
Im Lauf des Prüfungsverfahrens reichte die Anmelderin noch folgende Literaturstelle ein:
D4: Römpp's Chemielexikon, 9. Auflage (1992), Seite 2299
Zur Begründung wurde im wesentlichen folgendes ausgeführt:
a) Der Anspruch 1 sei nicht klar, da er nicht alle wesentlichen Merkmale der Erfindung enthalte. So sei zur Lösung der Aufgabe die Agglomerierung der kolloidalen Verunreinigungen mit anschließender Filtration und die Verwendung sowohl eines Anionen- als auch eines Kationenaustauschers erforderlich.
b) Anspruch 1 sei gegenüber D1 und D2 nicht mehr neu, da mit den bekannten Ionenaustauschern bei der Reinigung von wäßrigen Lösungen tertiärer Aminoxide auch kolloidale Verunreinigungen zurückgehalten würden.
c) Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit sei D3 als nächstliegend anzusehen, da dort das gleiche technische Gebiet sowie die gleiche Aufgabe angesprochen seien, nämlich eine Reinigung von wäßrigen, N-Methylmorpholin-N-oxid enthaltenden Lösungen vorzusehen, um ebenfalls kolloidale Verunreinigungen im wesentlichen vollständig zu entfernen. Ferner werde in D3 auch bereits eine Behandlung mit Ionenaustauschern vorgeschlagen, sodaß die beanspruchte Maßnahme zur weiteren Reinigung naheliegend sei.
III. Am 1. September 1998 legte die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Beschwerdegebühr gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung Beschwerde ein. Mit der am 6. November 1998 eingegangen Beschwerdebegründung wurden geänderte Ansprüche 1 bis 14 (Hauptantrag) und ein Hilfsantrag eingereicht.
IV. In einem Bescheid vom 25. November 2002 nahm die Beschwerdekammer vorläufig zur Zulässigkeit der Anträge nach Artikel 123 (2) und 84 EPÜ, sowie zur Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit, Stellung.
V. Mit Schreiben vom 17. Januar 2003 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 bis 12 (Hauptantrag) und einen neuen Hilfsantrag (zwölf Ansprüche) anstelle der bisherigen Anträge ein. Ferner wurden Versuchsergebnisse und nachfolgende Literaturstelle vorgelegt:
D5: Römpp's Chemielexikon, 9. Auflage (1990), Seiten 1358 und 1359
VI. In der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2003 überreichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 bis 12 als einzigen Antrag. Die bisherigen Anträge wurden fallengelassen.
Anspruch 1 hatte folgende Fassung:
"Verfahren zur Reinigung einer wäßrigen Lösung eines tertiären Aminoxides, welche Lösung Verunreinigungen enthält, die teilweise in gelöster Form und teilweise in ungelöster, kolloidaler Form vorliegen, gekennzeichnet durch die Kombination der Schritte, daß
(A) die in ungelöster, kolloidaler Form vorliegenden Verunreinigungen agglomeriert werden, indem der wäßrigen Lösung ein Flockungsmittel zugegeben wird, und durch Filtration im wesentlichen vollständig entfernt werden, und
(B) die im Schritt (A) erhaltene wäßrige Lösung mit einem Ionenaustauscher in Kontakt gebracht wird."
Nach Streichung der ursprünglichen Ansprüche 2 und 4 verblieben die ursprünglichen Ansprüche 3 und 5 bis 14 als neue Ansprüche 2 bis 12 nach entsprechender Umnumerierung und sprachlicher Anpassung (geänderter Anspruch 3) inhaltlich unverändert.
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Die Änderungen seien nach Artikel 123 (2) EPÜ zulässig, da sie durch die ursprünglichen Ansprüche gestützt seien.
b) Die Ansprüche seien klar, da die im wesentlichen vollständige Entfernung von kolloidalen Verunreinigungen im Zusammenhang mit konkreten technischen Merkmalen beschrieben sei. Der Fachmann werde die Entfernung der kolloidalen Verunreinigungen dabei so durchführen, daß der Ionenaustauscher nicht durch kolloidale Teilchen verstopft und seine Standzeiten verlängert würden. Die kombinierte Verwendung von Kationen- und Anionenaustauscher sei für das beanspruchte Verfahren nicht wesentlich.
c) Der beanspruchte Gegenstand sei neu, da in keinem der im Verfahren befindlichen Dokumente zur Entfernung von ungelösten, kolloidalen Verunreinigungen eine Agglomerierung mit einem Flockungsmittel und eine Filtration beschrieben werde.
d) Bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei D2 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen, da hier nicht nur Ionenaustauscher, sondern auch eine Grobfiltration als Vorreinigungsmaßnahme beschrieben seien. Da nach D2 durch Grobfiltration keine Trübstoffe entfernt werden könnten, werde hier das Problem der Entfernung kolloidaler Verunreinigungen nicht angesprochen. Ein Zusammenhang der Standzeiten von Ionenaustauschern und der Verstopfung durch Trübstoffe sei weder in D2 noch im weiteren Stand der Technik erkannt worden. Eine entsprechend formulierte Aufgabe sei daher aus dem Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt.
D3 betreffe eine andere Technologie, da hier die wäßrige Lösung mit einem Adsorptionsmittel in Kontakt gebracht und anschließend einer Filtration unterzogen werde. Daher sei die zur Lösung der Aufgabe verwendete, im wesentlichen vollständige Entfernung der kolloidalen Teilchen durch Agglomerierung mittels eines Flockungsmittels und Filtration durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt. Der beanspruchte Gegenstand sei somit erfinderisch.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung als einziger Antrag, zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Änderungen
2. Das geänderte Merkmal (A), daß "die in ungelöster, kolloidaler Form vorliegenden Verunreinigungen agglomeriert werden, in dem der wäßrigen Lösung ein Flockungsmittel hinzugegeben wird und durch Filtration im wesentlichen vollständig entfernt werden" findet seine Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 4 in Verbindung mit Anspruch 1. Damit ist das geänderte Merkmal (A) direkt und unmittelbar den Anmeldeunterlagen zu entnehmen. Die Voraussetzungen nach Artikel 123 (2) EPÜ sind daher erfüllt.
Klarheit
3. Die im wesentlichen vollständige Entfernung von kolloidalen Verunreinigungen ist im geänderten Anspruch 1 im Zusammenhang mit konkreten technischen Merkmalen beschrieben. Hierzu gehören eine Agglomerierung der Trübstoffe mittels eines Flockungsmittels und eine Filtration. Damit ist im Anspruch 1 definiert, welche Maßnahmen der Fachmann ergreifen muß, damit die im wesentlichen vollständige Entfernung der kolloidalen Verunreinigungen gelingt. Da beide Maßnahmen in Kombination im Stand der Technik nicht beschrieben sind (siehe nachstehenden Punkt 4.3), wird der Unterschied zum Stand der Technik durch konkrete Maßnahmen deutlich, die auch eine Vorstellung darüber vermitteln, was unter dem für sich genommen relativen Begriff der "im wesentlichen vollständigen Entfernung" zu verstehen ist.
3.1. Die beanspruchte Maßnahme in Stufe (A) wird auch durch die Beispiele belegt. So wird nach Beispiel 1 ein gebrauchtes Fällbad des Aminoxidverfahrens, welches ca. 20. Gew.-% NMMO enthält und eine Trübung von 5 FTU aufweist, nach der beanspruchten Maßnahme soweit gereinigt, daß es eine Trübung von lediglich 0,4 FTU aufweist. Da eine vollständige, d. h. 100 %-ige Entfernung technologisch und ökonomisch nicht praktikabel ist, kann der Fachmann aus diesem Beispiel entnehmen, wie er die Verfahrensmaßnahmen unter Berücksichtigung der Natur der Trübstoffe und ihrer Menge durchzuführen hat, damit die Entfernung so vollständig ist, daß erhöhte Standzeiten der Ionenaustauscher erhalten werden.
3.2. Die Prüfungsabteilung vertrat die Auffassung, daß die Kombination von Kationenaustauchern und Anionenaustauschern ein wesentliches Merkmal der beanspruchten Erfindung sei, da nach der Streitanmeldung die ausschließliche Verwendung von Anionenaustauschern zu einem erhöhten Reinigungaufwand führe (Beschreibungsseite 4, Zeile 27 bis Seite 5, Zeile 2). Ferner sei die alleinige Verwendung von Kationenaustauschern nicht zweckmäßig, weil zahlreiche Störstoffe vom Kationenaustauscher nicht aus der Lösung entfernt werden könnten (Beschreibungsseite 5, zweiter vollständiger Absatz).
Der zuerst genannte Nachteil der alleinigen Verwendung eines Anionenaustauschers wird im Zusammenhang mit einer einstufigen Arbeitweise nach D1 erwähnt (Beschreibungsseite 4, dritter Absatz), während der zweite Nachteil der alleinigen Verwendung eines Kationenaustauschers im Zusammenhang mit der Arbeitweise nach der zitierten DD-A-274 435 beschrieben ist (Beschreibungsseite 5, erster vollständiger Absatz). Einmal abgesehen davon, daß es sich bei den zitierten Stellen um eine Kommentierung des Standes der Technik handelt, ist auch nach Anspruch 1 nicht die alleinige Verwendung eines Ionenaustauschers vorgesehen, sondern der Ionenaustauscher in Stufe (B) wird mit einer vorgeschalteten Stufe zur Entfernung von kolloidalen Verunreinigungen kombiniert. Ferner ist die Aufgabenstellung ausdrücklich auf die Verlängerung der Standzeiten auch eines Ionenaustauschers gerichtet (Beschreibungsseite 6, vorletzter Absatz). Dieser Vorteil tritt auch bei Verwendung nur eines Ionenaustauschers ein, da bei beanspruchter Durchführung mit Flockungsmittel (Schritt A) der vorgeschaltete Anionenaustauscher eine Standzeit von 70 Stunden hat, während er ohne Flockungsmittel eine geringere Standzeit von 45 Stunden aufweist (Seite 11, erster und dritter Absatz). Ferner ist die kombinierte Verwendung von Ionenaustauschern erst im ursprünglichen Anspruch 11 als bevorzugte Ausführungsform vorgesehen. Somit ist die kombinierte Anwesenheit von Ionenaustauschern für den angestrebten Effekt nicht notwendig und kann kein wesentliches Merkmal der Erfindung bilden.
3.3. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß Anspruch 1 alle wesentlichen Merkmale enthält und in seiner Gesamtheit so deutlich und klar formuliert ist, daß damit der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, festgelegt werden kann (Artikel 84 EPÜ).
Neuheit
4. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, daß ursprüngliche Anspruch 1 gegenüber D1 und D2 nicht neu sei.
4.1. D1 beschreibt ein Verfahren zur Reinigung wäßriger Lösungen von N-Methylmorpholin-N-oxid (NMMO), insbesondere von Spinnlösungen, die bei der Herstellung cellulosischer Produkte anfallen, bei welchem Verfahren die zu reinigenden Lösungen mit einem Anionenaustauscher in Kontakt gebracht und die gereinigten Lösungen vom Anionenaustauscher abgetrennt werden, wobei die Reinigung in einem einstufigen Verfahren mit einem Anionenaustauscher durchgeführt wird, der als funktionelle Gruppen ausschließlich quaternäre Tetraalkylammoniumgruppen der Formeln -CH2-N+(CH3)3X- oder -CH2-N+[(CH3)2(CH20H)]X- aufweist, worin X- das Anion einer anorganischen oder organischen Säure darstellt, worauf der Anionenaustauscher mit einer wäßrigen sauren Lösung regeneriert wird (Anspruch 1). Das Anion X- stammt vorzugsweise von einer flüchtigen Säure, insbesondere Kohlensäure, Ameisensäure oder Essigsäure (Anspruch 2). Diese Säuren werden auch zur Regenerierung des Anionenaustauschers vorgeschlagen (Anspruch 3).
4.2. D2 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung regenerierter Celluloseprodukte, bei denen
a) die Cellulose in einem tertiären Amin-N-oxid zur Bildung einer Lösung aufgelöst wird,
b) die Lösung mit einem wäßrigen Bad zur Ausfällung von regenerierter Cellulose und zur Bildung eines verbrauchten Bades in Kontakt gebracht wird,
c) das verbrauchte Bad durch Behandlung mit einem stark basischen Anionenaustauscher in Hydroxidform gereinigt wird, wobei das Harz aufeinanderfolgend mit einer wäßrigen Lösung einer starken anorganischen Säure und mit einer wäßrigen Lösung von Natriumhydroxid behandelt wird (Anspruch 1).
Bevorzugt wird die verbrauchte Lösung zuerst über einen Anionenaustauscher und dann über einen Kationenaustauscher geleitet (Anspruch 17). Da der Anionenaustauscher eine größere Menge Verunreinigungen als der Kationenaustauscher entfernt, wird in dieser bevorzugten Ausgestaltung der Kationenaustauscher gegen eine übermäßige Verstopfung geschützt (Seite 8, Zeilen 29. bis 35).
Ferner können in der Lösung suspendierte, feste Stoffe vor dem Passieren des Ionenaustauschers aus der Lösung entfernt werden. Dies kann mittels einer Filtration geschehen, wobei eine Grobfiltration ausreichend ist (Seite 9, Zeilen 4 bis 7).
4.3. Weder in D1 noch in D2 ist erwähnt, vor dem Schritt (B) (In Kontaktbringen mit einem Ionenaustauscher) die in kolloidaler Form vorliegenden Verunreinigungen mit einem Flockungsmittel zu agglomerieren und durch Filtration im wesentlichen vollständig zu entfernen. Damit lassen sich nicht alle Merkmale von Anspruch 1 direkt und unmittelbar aus dem Stand der Technik ableiten. Da Anspruch 12 die gleichen wesentlichen Merkmale wie Anspruch 1 enthält, ist aus den gleichen Gründen auch die Neuheit von Anspruch 12 anzuerkennen.
Nächstliegender Stand der Technik
5. Während die Prüfungsabteilung der Auffassung war, daß D3 den nächstliegenden Stand der Technik bilde, ging die Beschwerdeführerin von D2 aus.
5.1. Die Streitanmeldung betrifft ein Verfahren zur Reinigung einer wäßrigen Lösung eines tertiären Aminoxides. Solche Verfahren sind aus D2 und D3 bekannt.
5.1.1. In D3 wird ein Verfahren zur Reinigung einer wäßrigen N-Methylmorpholin-N-oxid-Lösung, insbesondere einer Spinnbadlösung, beschrieben, bei welchem die Lösung mit Absorptionsmitteln in Kontakt gebracht und anschließend einer Filtration unterworfen wird (Anspruch 1). Als Adsorptionsmittel werden vorzugsweise Aluminiumoxid, Siliciumdioxid und/oder Kohle eingesetzt (Ansprüche 2 bis 4). Das am Adsorptionsmittel adsorbierte NMMO wird nach der Adsorption mit Wasser ausgewaschen (Seite 3, Zeilen 50 bis 52). Mit Hilfe des bekannten Verfahrens gelingt eine mindestens 70%ige Entfärbung der Lösung, eine praktisch quantitative Entfernung der Übergangsmetalle, eine völlige Entfernung der Nitrosamine sowie die Entfernung des feincellulosischen Niederschlages. Ferner ist die Lösung frei von jeglichen Trübstoffen, wobei eine Reduktion der Trübe von etwa 98% erzielt wird (Seite 3, Zeilen 12 bis 15, sowie Seite 4, Zeilen 35 und 57).
Eine Reinigung mittels Anionenaustauscher wird in D3 als nachteilig beschrieben: Sie ist nur auf der Entfärbung ionischer Farbkomplexe beschränkt. Eisen und Übergangsmetalle können nur entfernt werden, wenn sie in Ionenform vorliegen, Nitrosamine können nicht entfernt werden und eine nennenswerte Entfernung des feincellulosischen Niederschlages ist nicht möglich; es sind relativ große Mengen an Regenerierchemikalien erforderlich (Seite 2, Zeile 58 bis Seite 3, Zeile 3).
Die Lehre von D3 ist daher auf ein Verfahren zur Reinigung einer wäßrigen NMMO-Lösung gerichtet, bei welchem die Lösung mit Absorptionsmitteln in Kontakt gebracht und anschließend einer Filtration unterworfen wird, wodurch unter anderem die im Spinnbad vorhandenen Trübstoffe und feincellulosischer Niederschlag wirksam entfernt werden können.
5.1.2. Nach D2 ist bei Verwendung eines stark basischen Anionenaustauschers die durch das Überleiten der zu reinigenden Lösung entstehende Färbung des Austauscherharzes so stark, daß eine bloße Regenerierung mit Natronlauge nicht ausreichend ist, um das Harz wieder zu entfärben. Um die Entfärbung des Harzes effektiver zu gestalten, muß es daher zusätzlich mit einer starken anorganischen Säure behandelt werden (Seite 4, Zeile 29 bis Seite 5, Zeile 6). Das Harz wird vorzugsweise regeneriert, bevor es erschöpft und mit Verunreinigungen gesättigt ist. Falls die Regenerierung zu lange verzögert wird, wird die Qualität des Reinigungsbades verschlechtert und die Regenerierung des Harzes kann unvollständig und unbefriedigend werden (Seite 6, Zeilen 4 bis 10). Ferner können die in der Lösung suspendierten, festen Stoffe vor dem Passieren des Ionenaustauschers aus der Lösung entfernt werden. Dies kann mittels einer Filtration, etwa einer Grobfiltration erfolgen (Seite 9, Zeilen 4 bis 7). Demgemäß betrifft die Lehre von D2 einen zur Reinigung wäßriger Lösungen von tertiären Aminoxiden eingesetzten Anionenaustauscher mit Hilfe einer wäßrigen Lösung einer starken anorganischen Säure und anschließend mit Natronlauge zu regenerieren. Diese Maßnahme dient der Wiederherstellung des Austauschers, schützt ihn aber nicht vor Verstopfung etwa durch Trübstoffe.
5.2. Gemäß der Streitanmeldung sind sämtliche Reinigungsverfahren, welche einen Ionenaustauscher verwenden, für eine großtechnische Aufarbeitung von Fällbädern nicht gut geeignet, da die Standzeiten der Ionenaustauscher unbefriedigend kurz seien. Als Standzeit wird dabei jene Zeitspanne verstanden, nach welcher der Ionenaustauscher regeneriert werden muß (Seite 6, dritter Absatz).
5.3. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist der nächstliegende Standes der Technik im allgemeinen derjenige, der auf den gleichen Zweck bzw. dieselbe Wirkung wie die beanspruchte Erfindung gerichtet ist, wobei die strukturellen und funktionellen Unterschiede zum beanspruchten Gegenstand möglichst klein sind (T 606/89 vom 18. September 1990, Begründung Punkt 2, zitiert in Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage 2001, I.D.3.1).
5.4. Obwohl D3 die Entfernung von Trübstoffen aus gebrauchten Aminoxidlösungen beschreibt, werden in dem bekannten Verfahren keine Ionenaustauscher sondern lediglich Adsorptionsmittel eingesetzt, so daß sich das der Erfindung zu Grunde liegende Problem der Verlängerung der Standzeiten nicht stellt. Hingegen werden nach D2 zum Zweck der Reinigung von Aminoxidlösungen Ionenaustauscher verwendet und das Problem der Verstopfung der Austauscher durch Verunreinigungen angesprochen. Ferner ist nur in D2 eine Vorreinigungsmaßnahme durch Grobfiltration vorgesehen, wodurch ebenfalls Verstopfungsprobleme des nachfolgenden Ionenaustauschers vermieden werden.
Aus der vorstehenden Analyse ergibt sich, daß im Vergleich zu D3 in D2 die Verwendung eines Ionenaustauschers und das damit zusammenhängende Problem der Verstopfung angesprochen ist und ferner eine größere Übereinstimmung mit den Stufen des beanspruchten Verfahrens vorliegt. Daher wird D2 als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
Aufgabe und Lösung
6. Die in D2 beschriebene Regenerierung der Ionenaustauscher führt zwar zu besseren Ergebnissen als eine Regenerierung mit nur Säure oder Lauge, die Standzeiten der Ionenaustauscher in Reinigungsverfahren von D2 sind jedoch noch verbesserungsfähig.
6.1. Im Hinblick darauf kann das der Erfindung zu Grunde liegende Problem gegenüber D2 darin gesehen werden, bei Reinigungsverfahren, in denen das Reinigungsbad mittels Ionenaustauscher gereinigt wird, die Standzeiten der Ionenaustauscher zu verlängern, in Einklang mit Seite 6, vorletzter Absatz der Streitanmeldung.
6.2. Die beanspruchte Lösung besteht nun darin, daß vor der Ionenaustauscherstufe kolloidale Verunreinigungen durch Agglomeration mit Hilfe eines Flockungsmittels und Filtration im wesentlichen vollständig entfernt werden, wie im Anspruch 1 beschrieben.
6.3. Nach Beispiel 1 wird einem gebrauchten Fällbad des Aminoxidverfahrens, welches ca. 20 Gew.-% NMMO enthält und eine Trübung von 5 FTU aufweist, ein kationisches Flockungsmittel aus kationisiertem Polyacrylamid bis zu einer Konzentration von 10 ppm zugegeben. Anschließend wird die Lösung über ein Tiefenfilter mit einer Schüttung aus Bims (Korngröße 3-5 mm) und Quarzsand (Korngröße ca. 1 mm) filtriert. Die Lösung weist nach der Tiefenfiltration eine Trübung von 0,4 FTU auf.
Die filtrierte Lösung wird anschließend über ein mit tertiären Aminogruppen modifiziertes Adsorberharz geleitet. Das erhaltene Eluat wurde über einen quaternäre Ammoniumgruppen aufweisenden, stark basischen Anionenaustauscher sowie über einen stark sauren Kationenaustauscher mit Sulfonsäuregruppen als funktionelle Gruppen geführt.
Die Standzeit des Anionenaustauschers beträgt bis zur notwendig gewordenen Regenerierung etwa 70 Stunden, die des Kationenaustauschers etwa 240 Stunden.
Zum Vergleich wird dem Fällbad bei sonst identischer obiger Versuchsführung kein Flockungsmittel zugegeben. Die Trübung der Lösung nach der Tiefenfiltration war in diesem Fall 3 FTU.
Die Standzeit des Anionenaustauschers reduzierte sich bereits während des Reinigungszyklus drastisch auf etwa 45. Stunden, die des Kationenaustauschers auf rund 170 Stunden.
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß durch die beanspruchten Maßnahmen die Standzeiten des Anionenaustauscherharzes von 45 auf 70 Stunden und diejeniges des Kationenaustascherharzes von 170 auf 240 Stunden erheblich verlängert werden können.
6.4. Nach Überzeugung der Kammer ergibt sich hieraus, daß die beanspruchten Maßnahmen eine effektive Lösung des oben definierten technischen Problems liefern.
Naheliegen
7. In D2 selbst ist kein Hinweis zu finden, daß die Ionenaustauscher durch kolloidale Verunreinigungen verstopfen könnten und daß hierin das Problem ihrer kurzen Standzeiten zu sehen ist. Ferner können durch die bekannte Grobfiltration nur relativ grobe Teilchen von über 50 µm (50x10-6 m) abgetrennt werden (D5, Seite 1358, rechte Spalte, Zeilen 2 und 3 von unten). Demgegenüber liegen die Dimensionen kolloidaler Teilchen bei 10-5 bis 10-7 cm, was 10-7 bis 10-9 m entspricht (D4, Seite 2299, rechte Spalte zweiter Absatz). Daher ist eine Grobfiltration ungeeignet, kolloidale Trübstoffe wirksam zurück zuhalten. In D2 findet sich insbesondere kein Hinweis zur wirksamen Entfernung der Trübstoffe durch Agglomerierung mittels Flockungsmittel und Filtration.
7.1. Da D3 eine von Ionenaustauschern verschiedene Reinigungstechnologie betrifft und sich daher nicht das erfindungsgemäße Problem der Verlängerung von Standzeiten der Ionenaustauscher stellt, vermag D3 keine Anregung zur Lösung dieses Problems zu geben. Daher lag eine Kombination der Druckschriften D2 und D3 nicht nahe. Da in D3 zur Entfernung der Trübstoffe keine Agglomerierung durch Flockungsmittel und anschließende Filtration beschrieben ist, würde der Fachmann auch nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
7.2. Die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit führte zu keinem anderen Ergebnis, wenn von D3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen würde.
7.2.1. Zwar werden in D3 Trübstoffe aus Aminoxidlösungen wirksam entfernt, jedoch steht diese Abtrennung nicht im Zusammenhang mit der anschließenden Reinigung durch einen Ionenaustauscher und schon gar nicht im Zusammenhang mit der Vermeidung von Verstopfungen dieser Austauscher.
7.2.2. Da D3 keine direkten Berührungspunkte zum Problem der Verlängerung der Standzeiten von Ionenaustauschern aufweist, läßt sich, ausgehend von D3, keine Aufgabe formulieren, die die gleiche Zielrichtung wie die Streitanmeldung verfolgt. Daher ist die Formulierung einer allgemeineren Aufgabe gerechtfertigt, die darin gesehen werden könnte, ein Verfahren zu finden, mit dem auf andere Weise wirksam Aminoxidlösungen von Trübstoffen gereinigt werden können. Das Beispiel der Streitanmeldung zeigt, daß dieses Problem auch wirksam gelöst wird.
Da in D3 zur Entfernung der Trübstoffe keine Agglomerierung durch ein Flockungsmittel und anschließende Filtration beschrieben ist, würde der Fachmann auf Grund von D3 nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen. Der weitere Stand der Technik, insbesondere D2, gibt keine Anregung, daß dieses Problem durch die beanspruchte zweistufige Verfahrensweise gelöst werden würde.
7.3. Die vorstehenden Argumente gelten in analoger Weise auch für das im Anspruch 12 definierte unabhängige Verfahren, daß die gleichen wesentlichen Verfahrensmaßnahmen wie Anspruch 1 enthält.
7.4. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Lösung des technischen Problems sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ableiten läßt. Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1, und aus den gleichen Gründen derjenige der Ansprüche 2 bis 12, auf einer erfinderischen Tätigkeit in Sinne von Artikel 56 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung als einziger Antrag, und einer noch anzupassenden Beschreibung, zu erteilen.