T 1120/98 () of 25.10.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T112098.20001025
Datum der Entscheidung: 25 October 2000
Aktenzeichen: T 1120/98
Anmeldenummer: 94116314.9
IPC-Klasse: H02P 1/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Antrieb eines Einphasen-Synchronmotors, insbesondere zum Antrieb eines Pumpenantriebes in einem Haushaltsgerät
Name des Anmelders: BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH
Name des Einsprechenden: Diehl AKO Stiftung & Co. KG
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (nach Änderung, ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 654 890 Beschwerde eingelegt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß dem Gegenstand des erteilten Anspruches 1 mit Rücksicht auf

E1: EP-A2-574 823

die Neuheit für die benannten Vertragsstaaten AT, DE, ES und FR fehle (Artikel 54 (3), (4) EPÜ).

II. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin für die o. g. Vertragsstaaten neue Patentansprüche eingereicht.

III. In einer Mitteilung als Anlage zur Ladung für die beantragte mündliche Verhandlung hat die Beschwerdekammer darauf hingewiesen, daß den Gegenständen der neuen Patentansprüche vermutlich nicht die älteste Priorität vom 22. November 1993, sondern bestenfalls die Priorität vom 13. Mai 1994 der Voranmeldung DE-U-9 407 983 zukommt, so daß die Druckschrift E1 im Zusammenhang mit Artikel 54 (2) und Artikel 56 EPÜ eine Rolle spielen dürfte.

IV. Am 25. Oktober 2000 fand die mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin reichte hierbei für alle benannten Vertragsstaaten neue Ansprüche 1 bis 15 ein.

Der nunmehr geltende unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Vorrichtung zum Antrieb eines Einphasen-Synchronmotors, insbesondere zum Antrieb eines Pumpenantriebes in einem Haushaltsgerät, mit den Merkmalen:

a) Der Einphasen-Synchronmotor (1) ist über einen Wechselspannungsschalter (7) an die speisende Wechselspannung (L1; L2) angeschlossen, der durch einen Einschaltimpuls eingeschaltet und anschließend selbsttätig in diesem Schaltzustand solange gehalten ist wie er gleichsinnig von Strom durchflossen ist;

b) der Wechselspannungsschalter (7) ist derart in Einschaltabhängigkeit gestellt, daß der Rotor des Einphasen-Synchronmotors (1) jeweils in einem ersten Stellungsbereich durch Speisung mit Halbwellen der einen Polarität und in einem anschließenden zweiten Stellungsbereich durch Speisung mit Halbwellen der anderen Polarität der speisenden Wechselspannungsquelle (L1; L2) in der einen Drehrichtung beschleunigt ist;

c) der Einphasen-Synchronmotor ist in Abhängigkeit von einem Stellungssensor (2) im ersten Stellungsbereich von den positiven Halbwellen und in dem zweiten Stellungsbereich von den negativen Halbwellen gespeist;

e) der Einschaltimpuls für den Wechselspannungsschalter (7) wird mittels eines Spannungssensors (11) in Abhängigkeit von der Erfassung der Durchlaßspannung über seiner Schaltstrecke abgeschaltet."

Das fehlende Merkmal d) befand sich im erteilten Anspruch 2 und wurde mit diesem gestrichen.

Das Merkmal e) stellt eine Präzisierung des Merkmals e) des erteilten Anspruches 3 dar.

Die Ansprüche 2 bis 15 sind vom Anspruch 1 abhängig.

V. Die beiden Parteien stimmten überein, daß von der Beschwerdekammer nicht nur über die Neuheit - wie von der ersten Instanz beurteilt - sondern über die Angelegenheit vollständig befunden werden soll.

VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Bei dem aus E1 bekannten Einphasen-Synchronmotor werde der Wechselspannungsschalter - ein Thyristor - in Abhängigkeit von der Rotorstellung und dem Motorstrom gesteuert. Der Einschaltimpuls für den Wechselspannungsschalter müsse mindestens solange dauern, bis der Thyristor sicher eingeschaltet sei. Beim Nulldurchgang des Stromes werde der Thyristor automatisch wieder abgeschaltet. Wann der Einschaltimpuls abgeschaltet werde, gehe aus der Entgegenhaltung nicht hervor.

Demgegenüber sei es Aufgabe der Erfindung, eine Antriebsvorrichtung mit den Merkmalen a) bis c) des geltenden Anspruches 1 zu schaffen, die mit einer verringerten Stromversorgung betreibbar sei; vgl. EP-B1-654 890, Spalte 2, Zeilen 16 bis 19; Spalte 5, Zeile 48 bis Spalte 6, Zeile 5.

Da die Motorspannung gegenüber dem Motorstrom phasenverschoben voreile, ergebe sich aus der im Anspruch 1 angegebenen Abhängigkeit der Abschaltung des Einschaltimpulses von einer Spannungsmessung über der Schaltstrecke des Wechselspannungsschalters ein möglichst frühes Abschalten des Einschaltimpulses und damit ein geringer Energiebedarf für die Ansteuerung des Thyristors. Eine Spannungserfassung für die Feststellung des Unterschiedes zwischen der relativ kleinen Durchlaßspannung und der relativ hohen Wechselspannung bei offenem Wechselspannungsschalter sei außerdem viel einfacher zu realisieren als eine Stromerfassung. Letztere bedinge eine unerwünschte Verlustleistung. Weder die Druckschrift E1 noch die in der Beschreibung angegebene E2: DE-A1-4 033 121 befaßten sich mit einer derartigen energiesparenden Ansteuerung. Der Stand der Technik lege die beanspruchte Lösung daher nicht nahe.

VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Bei einem geschlossenen Schalter sei die Spannung über der Schaltstrecke immer Null. Eine Spannungsmessung über einem geschlossenen Schalter mache also wenig Sinn. Im übrigen werde für die Spannungsmessung üblicherweise der Strom ausgewertet, was ja auch beim Stand der Technik geschehe. Der Anspruch 1 sei auch nicht auf einen Triac beschränkt, der bei der Erläuterung der erfindungswesentlichen Merkmale in Verbindung mit seiner Funktion von der Beschwerdeführerin wiederholt zitiert werde. Vielmehr könnte der im Merkmal a) des Anspruches 1 angegebene Wechselspannungsschalter auch ein Stromstoßrelais sein. Dem Gegenstand des Anspruchs 1 fehle in jedem Fall die erfinderische Tätigkeit, da eine Spannungsmessung eine bekannte Alternative zu der in E1 beschriebenen Strommessung sei.

VIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit den Ansprüchen 1 bis 15, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und daran anzupassender(en) Beschreibung und Zeichnungen.

IX. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der vorliegende Anspruch 1 ergibt sich aus einer Aufnahme des Merkmals e) aus dem erteilten Anspruch 3 mit einer Klarstellung entsprechend Spalte 5, Zeile 46 bis Spalte 6, Zeile 5 der EP-B1-654 890 bzw. Seite 8, 2. Abschnitt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen. Die geltenden abhängigen Ansprüche entsprechen erteilten abhängigen Ansprüchen mit einer angepaßten Rückbeziehung. Das im Anspruch 10 angegebene Abschaltkriterium dient der Erkennung einer falschen Drehrichtung; vgl. Spalte 6, Zeile 42 ff. der EP-B1-654 890.

Die vorgenommenen Änderungen verstoßen nicht gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Neuheit

Das im neuen Anspruch 1 angegebene Merkmal e) geht nicht aus der Druckschrift E1 hervor, da diese von einer Strommessung Gebrauch macht und sich auch nicht mit einem schnellen Abschalten des Einschaltimpulses für den Wechselspannungsschalter befaßt. Bei dem Synchronmotor gemäß E2 erfolgt eine Vorpositionierung mit Hilfe eines Impulsgenerators anstelle der Verwendung eines Stellungssensors. Es handelt sich um eine völlig andere Lösung als beim Patentgegenstand. Der Gegenstand des Anspruches 1 ist daher neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nächstliegender Stand der Technik, Aufgabe und Lösung

Dem Gegenstand des neuen Anspruches 1 kommt nicht die Priorität vom 22. November 1993, sondern vom 13. Mai 1994 zu, da das Merkmal e) erstmals in der Voranmeldung DE-U-9 407 983 vom 13. Mai 1994 erwähnt wird. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von E1 als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen. Bei der dort beschriebenen Lösung wird der Wechselspannungsschalter - ein Thyristor - in Abhängigkeit von der Rotorstellung und dem Motorstrom gesteuert. Der Einschaltimpuls für den Wechselspannungsschalter muß mindestens solange dauern, bis der Thyristor sicher eingeschaltet ist. Wann der Einschaltimpuls aber genau abgeschaltet wird, geht aus dieser Druckschrift nicht hervor. Selbst wenn der Thyristor in Abhängigkeit vom Strom abgeschaltet würde, wäre die Zeit bis zum Abschalten des Einschaltimpulses wegen des phasenverzögerten Stromverlaufes gegenüber dem Wechselspannungsverlauf im Wechselspannungsschalter relativ lang und damit auch ein entsprechender Energieverbrauch erforderlich.

Demgegenüber ist es Aufgabe der Erfindung, eine Antriebsvorrichtung mit den Merkmalen a) bis c) des geltenden Anspruches 1 zu schaffen, die mit einer verringerten Stromversorgung betreibbar ist; vgl. EP-B1-654 890, Spalte 2, Zeilen 16 bis 19; Spalte 5, Zeile 48 bis Spalte 6, Zeile 5.

Die im Anspruch 1 angegebene Lösung sieht ein Abschalten des Einschaltimpulses für den Wechselspannungsschalter mittels eines Spannungssensors in Abhängigkeit von der Erfassung der Durchlaßspannung über seiner Schaltstrecke vor. Da die Spannung über der Schaltstrecke gegenüber dem Strom in der Phase voreilt, kann mit der Spannungserfassung der Einschaltimpuls früher abgeschaltet werden als dies über eine Stromerfassung möglich wäre.

4.2. Die Druckschrift E1 offenbart nicht, wann der Einschaltimpuls für den Wechselspannungsschalter abgeschaltet wird. Überdies erfolgt gemäß E1 eine Strommessung, aber keine Spannungsmessung. Daher kann dieser Stand der Technik die im vorliegenden Anspruch 1 angegebene Lösung nicht nahelegen. Das Argument des Beschwerdegegners, daß eine Spannungsmessung über einem geschlossenen Schalter wenig Sinn mache, vermag nicht zu überzeugen, da es beim Patentgegenstand um die Feststellung zwischen der relativ hohen Spannung über dem geöffneten Wechselspannungsschalter und der niedrigen Durchlaßspannung über der (geschlossenen) Schaltstrecke geht. Aus E1 ist auch nicht ersichtlich, daß der Einschaltimpuls in Abhängigkeit von einem bestimmten Strom abgeschaltet wird. Daher vermag auch das Argument nicht zu überzeugen, daß eine Spannungsmessung eine bekannte Alternative zur Strommessung ist.

4.3. Aus der E2 geht ein Verfahren zum Starten eines elektrischen Einphasen-Synchronmotors in einer Vorzugsrichtung hervor, bei dem der Rotor des Motors anstelle der Verwendung eines Stellungssensors (Merkmal c) des vorliegenden Anspruches 1) durch wenigstens einen isolierten, aus einer einzigen Halbwelle der speisenden Wechselspannungsquelle bestehenden Stromimpuls mit vorbestimmter Polarität auf einen spezifischen Schritt vorpositioniert und nach einer Zeit, die hinreichend groß ist, um den Rotor mechanisch auf diesem Schritt zu stabilisieren, mit Vollwellen-Wechselstrom aus der Wechselspannungsquelle gespeist wird, dessen erste Halbwelle eine zu der Polarität des Stromimpulses zur spezifischen Vorpositionierung des Rotors entgegengesetzte Polarität aufweist. Der Wechselspannungsschalter wird durch Impulse eines Impulsgenerators zur Vorpositionierung angesteuert. Der elektrische Impulsgenerator wird mit Hilfe eines Nulldurchgangsdetektors, d. h. einer Vorrichtung, die die Nulldurchgänge der Wechselspannung des Wechselstromnetzes ermittelt, mit dem Wechselstromnetz des Motors synchronisiert. Maßnahmen zum frühzeitigen Abschalten des Einschaltimpulses für den Wechselspannungsschalter sind in dieser Entgegenhaltung nicht angegeben.

4.4. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die im Anspruch 1 angegebene Vorrichtung durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt ist. Die Vorrichtung gilt daher als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Der Anspruch 1 ist somit gewährbar.

4.5. Hinsichtlich der Ansprüche 2 bis 15 bestehen keine Bedenken.

5. Die Sache kann jedoch nicht mit einer das Verfahren abschließenden Entscheidung erledigt werden, weil die Beschränkung der Patentansprüche auf eines von mehreren Ausführungsbeispielen (z. B. Spannungssensor anstelle eines Motorstromsensors oder eines Zeitgliedes 9) eine Überarbeitung der vorliegenden Beschreibung, bestehend aus den am 18. Januar 1999 eingereichten Beschreibungsseiten 1, 2, 2a, der am 25. September 2000 eingegangenen Beschreibungsseite 12 und der Beschreibungsseiten 3 bis 11 des Druckexemplars sowie der Zeichnungen wie erteilt erforderlich macht. Die Kammer macht daher von der nach Artikel 111 (1) EPÜ gegebenen Möglichkeit Gebrauch und verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurück.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche 1 bis 15 und einer daran anzupassenden Beschreibung und Zeichnungen aufrechtzuerhalten.

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