T 1085/98 () of 9.5.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T108598.20000509
Datum der Entscheidung: 09 Mai 2000
Aktenzeichen: T 1085/98
Anmeldenummer: 93115330.8
IPC-Klasse: E04B 1/76
B27F 1/00
E04D 13/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dämmplatte
Name des Anmelders: Heidelberger Dämmsysteme GmbH
Name des Einsprechenden: Deutsche Rockwool Mineralwoll-GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 2. Oktober 1998, die den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 651 102 zurückgewiesen hat. Gemäß dieser Entscheidung ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die folgenden, von der Einsprechenden genannten Entgegenhaltungen:

E1: DE-A1-3 243 601

E2: Firmenprospekt der Firma Endele-Kunststoff GmbH, Ausgabe 5/1990, "Die teuerste Art zu heizen"

E3: FR-A-336 148

E4: US-A-3 138 898

E5: FR-A-1 420 595

E6: DE-C-3 203 624

E7: DE-A-3 022 475.

II. Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Dämmplatte rechteckiger Grundform, bestehend aus keilförmigen Plattenelementen (12, 14), die an ihren Keilflächen (20) aneinander stoßen und sich mit Führung an den Keilflächen (20) gegeneinander verschieben und in ein kleineres Rechteckformat zuschneiden lassen, und die an Randflächen (42, 52), die beim Verschieben an den Keilflächen (20) auseinander- oder vorzugweise zusammenrücken, eine Nut- und Federanordnung haben, dadurch gekennzeichnet, daß in den zur Herstellung des kleineren Rechtformats abzuschneidenden Bereichen der Plattenelemente (12, 14) auf Höhe von Nut (16, 22, 64) und Feder (18, 24, 62) eine Teilung parallel zu der Plattenebene vorliegt."

III. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr am 21. November 1998 Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdebegründung, die am 4. Februar 1999 eingegangen ist, hat sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents beantragt, hilfsweise die Anberaumung mündlicher Verhandlung.

IV. Zur Stützung ihrer Anträge hat sie folgendes geltend gemacht:

Dem Anspruch 1 des Streitpatents sei nicht entnehmbar, was unter dem Begriff "Teilung" zu verstehen sei und wie die Teilung ausgebildet sei. Eine Teilung könne irgendein tieferer Einschnitt sein. In der Patentschrift und im Anspruch 7 seien die Plattenelemente zur Teilung mit Schlitzen versehen. Eine Nut sei aber nichts anderes als ein breiter Schlitz. Bei der Dämmplatte nach Entgegenhaltung D1, die bereits alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 aufweise, liege aber eine Teilung auf der Höhe von Nut und Feder parallel zu der Plattenebene: Im Bereich der Ausnehmungen 10 und 11, siehe Fig. 1 und 4 von D1, bestehe die Teilung ergänzend zu der Nut 7, und in gleicher Weise bestehe eine andere Teilung im Bereich der Absätze 9 und 12 neben dem Abschnitt der Feder 8, die sich gemäß Seite 6, Absatz 4 dieser Druckschrift über die gesamte Breite der Platte erstrecken könne. Im Zuge einer Anpassung der Plattengröße müsse der Fachmann nach dem Verschieben der Plattenelemente an ihren Keilflächen zwangsläufig ein Stück des Überstandes 9 abschneiden, um den Überstand problemlos in die Teilung 10 bzw.11 einführen zu können. D1 nehme den Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents somit neuheitschädlich vorweg. Dies gelte in gleicher Weise für D2, jedoch mit dem Unterschied, daß dort die Nut- und Federanordnung derart ausgebildet sei, daß die Nut eine kehlförmige Ausnehmung und die Feder ein im Querschnitt parabelförmiger Vorsprung sei.

Weiterhin seien derartige Teilungen aus der D5 für Holzwerkstoffe bekannt, die für die Herstellung von Dämmplatten Verwendung fänden, wie dies der D2 zu entnehmen sei. Stelle sich der Fachmann, der im Bereich eines Fachhochschulingenieurs anzusetzen sei, ausgehend von der D1 die Aufgabe, die Anpassung der Feder und Nut hinsichtlich eines voll umfänglichen Einsteckens der Feder in die vorgesehene Nut zu verbessern, werde er zwangsläufig zum Gegenstand der D5 greifen, der ihm bereits zeige, wie er die Länge der Feder auf die Tiefe der vorgegebenen Nut einzustellen habe. D1 in Kombination mit D5 lege somit den Gegenstand des Anspruchs 1 nahe.

Dieser Gegenstand ergebe sich auch in naheliegender Weise aus der D2 in Kombination mit der D5, da bei der Dämmplatte nach D2 schon eine Teilung vorgesehen sei, wie es sich aus dem das Zuschneiden der keilförmigen Plattenelemente zeigenden kleinen Bild oben rechts auf Seite 5 von D2 ergebe.

V. Die Beschwerdegegnerin, Patentinhaberin des Streitpatents, hat mit dem am 23. Juni 1999 eingegangenen Schreiben ihr Patent verteidigt und die Zurückweisung der Beschwerde beantragt, hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Sie hat folgende Argumente vorgebracht:

Die erfindungsgemäße Teilung sei nicht im Sinn einer beliebigen Aufteilung oder Unterteilung zu verstehen. Sie ermögliche, an den neu zu schneidenden Rändern der Plattenelemente eine durchgehende Nut- und Federanordnung einfach herauszuarbeiten. Keine der von der Beschwerdeführerin zitierten Entgegenhaltungen vermittele die Lehre, eine Teilung für diesen Zweck vorzusehen.

VI. In der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beiliegenden Mitteilung vom 11. August 1999 hat die Kammer die Parteien darauf hingewiesen, daß ihrer vorläufigen Beurteilung nach der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 neu und nicht nahegelegt sei. Die Gründe dafür wurden ausführlich angegeben.

Am 8. April 2000 hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß sie an der am 4. Mai 2000 vereinbarten Verhandlung nicht teilnehmen werde. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Auslegung des Anspruchs 1

Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß der Begriff "Teilung" nach dem Kennzeichen des Anspruchs 1 technisch nicht eindeutig sei. Nach dem kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs soll eine Teilung parallel zu der Plattenebene in den zur Herstellung des kleineren Rechteckformats abzuschneidenden Bereichen der Plattenelemente vorliegen. Deshalb werden die dort angegebenen Bereiche durch das Ziel der Lösung des Streitpatents definiert, nämlich die überstehenden Ecken nach dem Verschieben der Plattenelemente gegeneinander so abzuschneiden, daß ein kleineres Rechteckformat mit immer einer Nut- und Federanordnung an den abgeschnittenen Rändern erreicht wird. Deshalb scheint nicht nur der Ort der Anordnung der Teilung im Anspruch 1 angegeben zu sein, wie dies von der Beschwerdeführerin behauptet ist, sondern auch die Funktion dieser Teilung. Die Teilung muß daher diese Bereiche vollständig betreffen, und nicht nur einen Teil davon, und ferner hat diese Teilung nur einen Sinn, wenn abzuschneidende Bereiche der Plattenelemente, welche zur Herstellung des kleineren Rechteckformats der Dämmplatte dienen, vorhanden sind. Ein strukturelles Merkmal kann durch einen Verfahrensschritt definiert werden. In einem solchen Fall ist der Anspruch als eine Mischung von Verfahrens- und Erzeugnisanspruch anzusehen. Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 soll somit in seiner Gesamtheit berücksichtigt werden und schließt daher nicht irgendeine Teilung an den Rändern ein.

Nach Artikel 69 EPÜ soll der erteilte Anspruch 1 im Lichte der Beschreibung und der Zeichnungen des Streitpatents ausgelegt werden. Aus diesen Unterlagen geht die Bedeutung des Begriffes "Teilung" deutlich hervor, insbesondere aus der Spalte 1, Zeilen 35 bis 40, in welchen das Ziel präzisiert ist, da dort von einer durchgehend zu erreichenden Nut- und Federanordnung an den abgeschnittenen Rändern die Rede ist. Außerdem besteht der Zweck der beanspruchten Teilung darin, diese Nut- und Federanordnung nach dem Verschieben der Plattenelemente bequem an den neu zu schneidenden Rändern herauszuarbeiten. Das Ziel des Streitpatents ist deshalb das Schneiden von bestimmten Bereichen der Plattenelemente durch Teilungen zu erleichtern. Nach den abhängigen Ansprüchen 7 und 9 sind die beanspruchten Teilungen durch Schlitze oder, wenn die Plattenelemente mehrlagig aufgebaut sind, durch fehlende Lagenhaftung verwirklicht.

3. Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1

Die Entgegenhaltung E1 beschreibt eine sehr ähnliche Dämmplatte. Insbesondere haben die Randflächen, die beim Verschieben an den Keilflächen der trapezförmigen Plattenelemente auseinander- oder vorzugsweise zusammenrücken, eine Nut- und Federanordnung, die jedoch nicht an diesen Randflächen als durchgehend betrachtet werden kann (selbst wenn gemäß Seite 6, Zeile 17 dieser Druckschrift die Feder über die ganze Breite der Platte reichen kann), weil an beiden Ecken jeder dieser Randflächen entweder Ausnehmungen an dem der Nut benachbarten Rand vorgeschnitten sind, die tiefer als die Nut sind, oder an dem der Feder benachbarten Rand Absätze durch Ausnehmung der Ecke geschaffen sind, die die gleiche Dicke wie die Feder haben, jedoch mit ihr nicht unbedingt verbunden sind. Ein Absatz kann in eine Ausnehmung des gleichartigen Plattenelementes einer benachbarten Dämmplatte passen. Im Gegensatz zur beanspruchten Erfindung bedarf es deshalb bei diesem Stand der Technik keines Schneidens bzw. Herausarbeitens der Ränder, da im Zuge einer Anpassung der Plättengröße durch Verschieben der Plattenelemente an den Keilflächen die Absätze einer Dämmplatte voll oder teilweise in die Ausnehmungen der benachbarten Dämmplatte eingreifen. Somit kann hier im Unterschied zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents keine Rede von "abzuschneidenden Bereichen der Plattenelemente zur Herstellung des kleineren Rechteckformats" sein. Ein von der Beschwerdeführerin erwähntes angebliches Schneiden eines Absatzes, wenn dieser größer als die Ausnehmung wäre (was in E1 nicht vorgesehen ist), ist der E1 nicht zu entnehmen. Die Kammer teilt deshalb nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach die in E1 beschriebenen Absätze und Ausnehmungen der Ränder Teilungen im Sinne des Streitpatents sind.

Zur Frage der Neuheit gegenüber E2 hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, daß die in Form von Nut und Feder ausgebildete Kehlung der Ränder der dort dargestellten Dämmplatte auch eine parallel zu der Plattenebene verlaufende Teilung bilde, die in Höhe von Nut und Feder angeordnet sei. Darüber hinaus enthalte dieser Prospekt einen Hinweis auf das Zuschneiden von überstehenden Ecken, so daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei. Die Kammer folgt diesen Argumenten nicht, da den kurzen Hinweisen neben den Bildern dieses Prospekts lediglich zu entnehmen ist, daß nach Verschieben der Plattenelemente die überstehenden Ecken abzuschneiden sind. Eine zu der Kehlung zusätzliche Teilung, die parallel zur Plattenebene verläuft und das Zuschneiden erleichtert, ist dort nicht offenbart.

Da keine der anderen zitierten, jedoch hinsichtlich der Frage der Neuheit von der Beschwerdeführerin nicht herangezogenen Entgegenhaltungen eine Dämmplatte mit allen im erteilten Anspruch 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmalen offenbart, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu (Artikel 52 und 56 EPÜ).

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Ausgangpunkt der vorliegenden Erfindung ist der Stand der Technik nach Entgegenhaltung E, der oben bereits dargestellt ist. Es wurde schon erklärt, daß in diesem Stand der Technik ein Zuschneiden der im Anspruch 1 des Streitpatents erwähnten Randfläche nicht offenbart ist, so daß die zweiteilige Form dieses Anspruchs nicht ganz korrekt ist.

Ebenfalls ist die in der Patentschrift des Streitpatents angegebene Aufgabe mit einem Hinweis auf das Zuschneiden der Dämmplatte nicht richtig gestellt, da das Zuschneiden ein Teil der Lösung ist. Ausgehend von E1 liegt dem Streitpatent objektiv die Aufgabe zugrunde, eine einfach zu verlegende Dämmplatte der eingangs genannten Art zu schaffen.

3.2. Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Kombination dieses Stands der Technik mit der Offenbarung der Entgegenhaltung E führt nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1:

Zunächst ist die Kombination selbst zweifelhaft, da E5 keine Dämmplatte betrifft, sondern eine Verbindung von Holzstücken durch Feder und Nut, und somit gegenüber dem technischen Gebiet des Streitpatents gattungsfremd ist, selbst wenn Holzwerkstoffe für die Herstellung von Dämmplatten Verwendung finden können. Dadurch, daß sich E5 zusätzlich mit dem Problem beschäftigt, Querbalken od. dgl. einfach auf die gewünschte Länge zu sägen, wird im Vergleich zu der in der E1 offenbarten Dämmplatte hier für den Fachmann keine klare Lösung des im Streitpatent gestellten Problems angeboten. Diese Druckschrift wurde wohl in Kenntnis der Erfindung gewählt, was unzulässig ist. Außerdem ist der E5 lediglich zu entnehmen, daß jedes Ende eines Querbalkens, das eine Feder hat, Sägeschnitte aufweist, durch die sich die Seitenflächen der Feder im Holzstück fortsetzen, so daß die Länge der Feder auf einfache Weise geändert werden kann. Bei einer hypothetischen Übertragung dieser Lösung würde der Fachmann jedoch auf der Dämmplatte nach E1 nur in einem einzigen Bereich dieser Dämmplatte dieselbe Teilung vorsehen, nämlich in dem den Absatz enthaltenden Bereich, und nicht in anderen Bereichen, wie dies aus dem Wortlaut von Anspruch 1 des Streitpatents hervorgeht. Eine solche Übertragung wird von der Kammer hypothetisch bezeichnet, da sie nicht nahegelegt ist, weil eine Voraussetzung in E1 fehlt, nämlich das Zuschneiden der Plattenelemente und infolgedessen das Vorhandsein der zur Herstellung des kleineren Rechtformats abzuschneidenden Bereiche.

3.3. Auch die Kombination des Prospekts E2 mit E5 führt nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1:

Die von der Beschwerdeführerin als Nut bzw. Feder betrachtete Kehlung bzw. Abrundung der Schmalseiten der Dämmplatte nach E2 bildet schon keine richtige Nut- und Federanordnung. Außerdem wird in dem Prospekt E2 ein Abschneiden der gesamten überstehenden Ecken angeregt, so daß der Fachmann keinen Grund hat, die Aufgabe sowie die als Lösung angegebene Maßnahme gemäß E5 in Betracht zu ziehen.

3.4. Die anderen Entgegenhaltungen kommen dem Gegenstand des Anspruchs 1 noch weniger nahe als der oben genannte Stand der Technik.

Aus diesen Gründen ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht in naheliegender Weise aus dem zitierten Stand der Technik.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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