T 1082/98 (Säschar/ACCORD) of 20.9.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T108298.20000920
Datum der Entscheidung: 20 September 2000
Aktenzeichen: T 1082/98
Anmeldenummer: 93106948.8
IPC-Klasse: A01C 5/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Zweischeibensäschar mit Topfscheibe
Name des Anmelders: Kverneland Accord GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: KUHN S.A.
Amazonen-Werke H. Dreyer GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 55
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Hauptantrag: Neuheit (ja) - Erfinderische Tätigkeit (nein)
Hilfsantrag: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf den Gegenstand der am 29. April 1993 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 93 106 948.8 wurde das europäische Patent Nr. 579 909 erteilt.

II. Gegen dieses Patent wurden zwei Einsprüche eingelegt mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung widerrief mit ihrer am 9. Juli 1998 zur Post gegebenen Entscheidung das Patent.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 20. August 1998 unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 23. Oktober 1998 begründet.

IV. Am 20. September 2000 wurde mündlich verhandelt. Während der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin zwei unabhängige Ansprüche 1 vor, als Basis für einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag.

Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Scheibensäschar (1) mit einer Scharhalterung, an der zwei Scheiben (2, 3) jeweils so winklig gegenüber der Vertikalen geneigt und so zur Fahrtrichtung jeweils schräggestellt drehbar gelagert sind, dass die Scheiben (2, 3) sowohl in Fahrtrichtung nach hinten als auch vom Boden nach oben öffnen, wobei eine Hauptscheibe (2) als topfartige Scheibe ausgeführt ist und wobei in den Innenraum der Hauptscheibe (2) die zweite Scheibe (3) zumindest teilweise hineingreift und wobei die zweite Scheibe (3) aus einem flexiblen Werkstoff gefertigt ist, so daß die zweite Scheibe (3) nachgibt, wenn die Hauptscheibe (2) im Betrieb deformiert wird, so daß keine Funktionsstörungen die Folge sind."

Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag lautet wie folgt:

"1. Scheibensäschar (1) mit einer Scharhalterung, an der zwei Scheiben (2, 3) jeweils so winklig gegenüber der Vertikalen geneigt und so zur Fahrtrichtung jeweils schräggestellt drehbar gelagert sind, dass die Scheiben (2, 3) sowohl in Fahrtrichtung nach hinten als auch vom Boden nach oben öffnen, wobei eine Hauptscheibe (2) zum Schneiden des Bodens, Öffnen des Bodens und Bildung einer Furche zur Aufnahme von Saatgut als topfartige Scheibe ausgeführt ist und wobei in den Innenraum der Hauptscheibe (2) die zweite, zum Eingriff in die geöffnete Furche und Offenhalten der Furche ausgebildete Scheibe (3) zumindest teilweise hineingreift und wobei die zweite Scheibe (3) aus einem flexiblen Werkstoff gefertigt ist, so daß die zweite Scheibe (3) nachgibt, wenn die Hauptscheibe (2) im Betrieb deformiert wird, so daß keine Funktionsstörungen die Folge sind."

V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen vorgetragen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Haupt- bzw. Hilfsantrag neu und erfinderisch sei.

Bezüglich des Hauptantrages haben die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) vorgetragen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Inhalt der Druckschrift D1 entweder nicht neu sei oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Bezüglich des Hilfsantrages haben sie vorgetragen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf die Druckschriften US-A-4 598 654 (D1) und GB-A-1 150 723 (D5) bzw. FR-A-1 480 643 (D6) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Bezüglich des Hilfsantrages hat die Beschwerdegegnerin II auch vorgetragen, daß für den Anspruch 1 eine zusätzliche Recherche notwendig sei. Die Aufrechterhaltung des Patentes aufgrund dieses Anspruchs erfordere die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hauptantrags oder Hilfsantrags.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) beantragte hilfsweise, die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen für den Fall, daß die Kammer eine Aufrechterhaltung nach dem Hilfsantrag in Betracht ziehe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zu den beanspruchten Gegenständen

Im Anspruch 1 des Haupt- bzw. Hilfsantrages der Beschwerdeführerin sind die folgenden Begriffe bzw. Angaben enthalten, die folgenderweise auszulegen sind:

- Der Begriff "topfartige Scheibe" definiert eine Scheibe, die konkav ausgebildet ist. Deswegen bildet sich ein Innenraum.

- Der Begriff "flexibler Werkstoff" ist so allgemein, daß er jedem Werkstoff zugeschrieben werden kann, der bei äußeren Beanspruchungen elastisch nachgibt. Es ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß die Beschreibung des Patentes keine genauere Angabe hinsichtlich des Werkstoffes der Scheibe enthält.

- Die Angabe "so daß die zweite Scheibe (3) nachgibt, wenn die Hauptscheibe (2) im Betrieb deformiert wird so daß keine Funktionstörungen die Folge sind" definiert ein Ergebnis, das aufgrund der Flexibilität der zweiten Scheibe zu erreichen ist. Unter dem Begriff "Deformation der Hauptscheibe im Betrieb" können sowohl elastische als auch plastische Deformationen verstanden werden.

- Der Begriff "Bildung einer Furche zur Aufnahme von Saatgut" ist so zu verstehen, daß die Furche, die durch die Hauptscheibe gebildet wird, die endgültige Furche ist, d. h. die Furche, in die Saatgut hineingelegt wird.

3. Zu den Änderungen

3.1. Der Anspruch 1 des Hauptantrages der Beschwerdeführerin unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch, daß das Merkmal, nach welchem

i) "an der [Scharhalterung] zwei Scheiben (2, 3) jeweils so winklig gegenüber der Vertikalen geneigt und so zur Fahrtrichtung jeweils schräggestellt drehbar gelagert sind, daß die Scheiben (2, 3) sowohl in Fahrtrichtung nach hinten als auch vom Boden nach oben öffnen" (Hervorhebung hinzugefügt),

das Merkmal ersetzt hat, nach welchem "an der [Scharhalterung] zwei Scheiben (2,3) jeweils winklig gegenüber der Vertikalen geneigt und zur Fahrtrichtung jeweils schräggestellt drehbar gelagert sind".

Diese Änderung, die die Winkelstellung der Scheiben genauer definiert, kann unmittelbar aus der Figur und der Beschreibung (Seite 7, Zeilen 25 bis 27) der ursprünglichen Anmeldung abgeleitet werden.

3.2. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages der Beschwerdeführerin unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages dadurch, daß die Merkmale

ii) "wobei eine Hauptscheibe zum Schneiden des Bodens, Öffnen des Bodens und Bildung einer Furche zur Aufnahme von Saatgut als topfartige Scheibe ausgeführt ist" und

iii) "wobei in den Innenraum der Hauptscheibe (2) die zweite, zum Eingriff in die geöffnete Furche und Offenhalten der Furche ausgebildete Scheibe (3) zumindest teilweise hineingreift" (Hervorhebung hinzugefügt),

die Merkmale ersetzt haben, nach welchen "eine Hauptscheibe (2) als topfartige Scheibe ausgeführt ist" bzw. "in den Innenraum der Hauptscheibe (2) die zweite Scheibe (3) zumindest teilweise hineingreift".

Diese Änderungen können unmittelbar aus der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung abgeleitet werden (siehe Seite 8, Zeilen 1 bis 5).

3.3. Die übrigen Änderungen betreffen nur die Anpassung der Beschreibung an den geänderten Anspruch 1.

3.4. Die vorgenommenen Änderungen verletzen die Erfordernisse des Artikel 123 EPÜ nicht.

4. Neuheit (Haupt- bzw. Hilfsantrag)

4.1. Die Neuheit wurde im Zusammenhang mit der Druckschrift D1 bestritten.

4.2. Diese Druckschrift beschreibt (siehe insbesondere Figuren 8 und 9) ein Scheibensäschar mit einer Scharhalterung, an der eine erste Scheibe 170 und eine zweite Scheibe 172 gelagert sind. Die zwei Scheiben 170 und 172 sind jeweils so winklig gegenüber der Vertikalen geneigt und so zur Fahrtrichtung jeweils schräggestellt drehbar gelagert, daß die Scheiben sowohl in Fahrtrichtung nach hinten als auch vom Boden nach oben öffnen. Die zweite Scheibe 172 ist - in Fahrtrichtung gesehen - nach hinten versetzt gegenüber der ersten Scheibe 170.

Bei diesem Scheibensäschar bestehen beide Scheiben 170 und 172 aus Metall, das als flexibler Werkstoff betrachtet werden kann. Darüber hinaus weist eine Stelle der Beschreibung (Spalte 5, Zeilen 19 bis 22) auf eine flexible Wirkung zwischen den Scheiben ("flexing action between the disks") hin. Es geht außerdem aus der Druckschrift D1 hervor, daß die Scheiben 170 und 172 im Randbereich eine Berührungsstelle haben, d. h. daß die Scheibe 172 während des Rotationszyklus sehr nahe an die Scheibe 170 herangeführt wird, so daß eventuelle Erdklumpen durch eine Scheraktion zerkleinert werden und nicht in die Furche eindringen.

Aufgrund dieser flexiblen Wirkung kann man davon ausgehen, daß wenn die erste Scheibe während des Betriebs deformiert (z. B. elastisch) wird, die zweite Scheibe entsprechend nachgibt (so daß keine Funktionsstörungen die Folge sind).

Der Scheibensäschar nach der Druckschrift D1 ist mit einem Furchenöffner ("slice blade 132") versehen, der - in der Fahrtrichtung gesehen - hinter den Scheiben angeordnet ist und dessen tiefster Punkt - bezüglich des Bodens - tiefer liegt als der tiefste Punkt der jeweiligen Scheibe (siehe hierzu die Figur 8 in Verbindung mit Figur 7 und Spalte 4, Zeilen 36 bis 43). Es ist daher davon auszugehen, daß die Scheibe 170 zwar den Boden schneidet und öffnet, aber die endgültige Furche, d. h. die Furche zur Aufnahme des Saatgutes, nicht bildet. Die Scheiben 170 und 172 bilden nur eine vorläufige W-förmige Furche, wobei die Bildung der endgültigen Furche durch den Furchenöffner 132 gewährleistet wird (siehe Figuren 5 bis 7; Spalte 4, Zeilen 44 bis 52).

4.2.1. Die Beschwerdegegnerinnen haben vorgetragen, daß die erste Scheibe 170 des Scheibensäschars nach der Druckschrift D1 als topfartige Scheibe ausgebildet sei und daß daher die zweite Scheibe in den Innenraum der ersten Scheibe zumindest teilweise hineingreife. In diesem Zusammenhang haben sie auf die Figur 9 hingewiesen, in der die Innenfläche der Scheibe 170 mit einer leicht gekrümmten Linie 178 und einer geraden Linie dargestellt ist. Die gekrümmte Linie 178 entspreche dem Verlauf einer Schnittlinie der Scheibe, während die gerade Linie dem äußeren Umfang der Scheibe darstelle.

Die Beschwerdegegnerin I hat auch darauf hingewiesen, daß in den Ansprüchen der Druckschrift D1 die Scheiben als "plate-like disks" bezeichnet werden. Sie hat sich auf das zweisprachige Wörterbuch "Robert & Collins", Englisch-Französisch (Seite 510) bezogen und vorgetragen, daß der englischen Begriff "plate" dem französischen Begriff "assiette" (Teller) entspreche und daher eine konkave Innenfläche impliziere.

Die Kammer kann diesen Argumenten aus den folgenden Gründen nicht folgen:

- Es geht aus der Beschreibung der Druckschrift D1 (Spalte 3, Zeile 33; Spalte 4, Zeile 68 und Spalte 5, Zeilen 1 bis 4) explizit hervor, daß die Scheibe 170 eine flache Innenfläche 178 aufweist ("flat inner surface 178 of the disk 170"), daß die Scheibe 172 eine flache Fläche 174 aufweist und daß ganz generell beide Scheiben flach sind. Der Begriff "flat" ist eindeutig. Auch in der Druckschrift D5 (Seite 3, Zeilen 8 bis 10) wird ein Unterschied gemacht zwischen einerseits "flat disks" und "curved disks" andererseits.

- Die Figur 9 in der Druckschrift D1 stellt einen Teilschnitt durch eine Schnittebene dar, die der Schnittlinie 9-9 in der Figur 8 entspricht. Da die Scheiben 170 und 172 winklig gegenüber einander geneigt sind, ist zu erwarten, daß die Innenfläche der Scheibe 170 in der Figur 9 mit einer ersten Linie, die dem diametralen Schnitt der Scheibe entspricht, und einer zweiten Linie, die dem äußeren Umfang (in der Draufsicht) der Scheibe entspricht, dargestellt wird. Wäre die Innenfläche der Scheibe 170 konkav, dann wäre nicht nur die erste Linie, sondern auch die zweite Linie gekrümmt darzustellen. Durch eine geometrisch richtige technische Darstellung wäre nämlich die zweite Linie elliptisch darzustellen. Die Kammer geht deshalb davon aus, daß die Figur 9 der Druckschrift D1 nicht als technische Zeichnung zu bewerten, sondern als schematische Darstellung anzusehen ist, aus der keine genaue Angaben über die Geometrie der Scheiben abzuleiten sind.

- Es geht aus der zitierten Seite 510 des Wörterbuches "Robert & Collins" hervor, daß der englische Ausdruck "plate" auch dem französischen Begriff "plaque" bzw. dem englischen Begriff "flat metal" entspricht. Diese Begriffe implizieren keine Konkavität. Darüber hinaus sind nicht primär die Informationen aus Wörterbüchern entscheidend, vielmehr kommt es darauf, wie der Begriff aus dem Zusammenhang der Druckschrift zu verstehen ist.

Der Druckschrift D1 kann somit die Information nicht entnommen werden, daß die erste Scheibe als topfartige Scheibe ausgebildet ist, in deren Innenraum die zweite Scheibe zumindest teilweise hineingreift.

4.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- bzw. Hilfsantrages ist somit neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

5. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

5.1. Die Beteiligten sind davon ausgegangen, daß der nächstkommende Stand der Technik sich aus der Druckschrift D1 ergibt.

Im Hinblick auf die Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 4.2 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von diesem Stand der Technik nur dadurch, daß

a) die Hauptscheibe als topfartige Scheibe ausgebildet ist, und

b) die zweite Scheibe in den Innenraum der ersten Scheibe zumindest teilweise hineingreift.

5.2. Im Vergleich mit der flach ausgebildeten Scheibe des Säschars nach dem Stand der Technik, wird durch das Merkmal a), aufgrund der Konkavität der Hauptscheibe, eine erhöhte Formstabilität dieser Scheibe erreicht. Das Merkmal b) stellt die Folge des Merkmals a) dar, insofern als durch die Konkavität ein Innenraum gebildet wird, in den die zweite Scheibe hineingreift.

Ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift D1 besteht daher die objektive Aufgabe darin, die Stabilität der Hauptscheibe zu erhöhen.

5.3. Konkave Scheiben sind bei Scheibenscharen bekannt. Die Druckschrift GB-A-1 150 723 (D5), die ein Scheibensäschar mit zwei Scheiben betrifft, die winklig gegenüber der Vertikalen geneigt und zur Fahrtrichtung jeweils schräggestellt drehbar gelagert sind, weist z. B. darauf hin, daß die Scheiben sowohl flach als auch konkav ausgebildet sein können (siehe Spalte 2, Zeilen 8 bis 11). Der Fachmann würde aufgrund seiner allgemeinen Kenntnisse unmittelbar verstehen, daß konkave Scheiben eine höhere Stabilität haben, als flache Scheiben.

Es ist daher für den Fachmann naheliegend, die Hauptscheibe (d. h. die Scheibe, die den Boden zuerst schneidet) des Scheibensäschars oder sogar beide Scheiben des Scheibensäschars nach der Druckschrift D1 konkav auszubilden. Auf diese Weise würde er ohne erfinderisches Zutun zu einem Scheibensäschar gelangen, das unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fällt.

5.4. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß durch die topfartige Ausbildung der Hauptscheibe und durch das Hineingreifen der zweiten Scheibe in den Innenraum der Hauptscheibe sich eine Anordnung der Scheiben (relativ zueinander) ergebe, bei welcher die zweite Scheibe "im Schatten" der Hauptscheibe liegt. Die zweite Scheibe könne daher die Furche nicht öffnen, sondern nur die durch die Hauptscheibe geöffnete Furche offen halten. Diese Funktion der zweiten Scheibe sei weder in der Druckschrift D1 noch in der Druckschrift D5 offenbart.

Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen, weil es sich auf eine spezifische Anordnung der Scheiben bezieht, die sich nicht aus dem Anspruch 1 des Hauptantrages ergibt. Es geht aus diesem Anspruch 1 nicht hervor, daß die Hauptscheibe dazu dient, die Furche zur Aufnahme des Saatgutes zu bilden, oder daß die zweite Scheibe zum Offenhalten der geöffneten Furche dient oder daß die Scheiben deswegen eine bestimmte Anordnung haben sollen. Die Merkmale im Anspruch 1 des Hauptantrages "wobei eine Hauptscheibe (2) als topfartige Scheibe ausgeführt ist" und "wobei in den Innenraum der Hauptscheibe (2) die zweite Scheibe (3) zumindest teilweise hineingreift" sind so allgemein, daß sie auch einem Zweischeibensäschar zugeschrieben werden können, bei dem beide Scheiben die Furche bilden.

5.5. Angesichts der obigen Ausführungen ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages der Beschwerdeführerin für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

Dem Hauptantrag kann daher nicht stattgegeben werden.

6. Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag)

6.1. Im Hinblick auf die Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 4.2 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags vom Stand der Technik nach der Druckschrift D1 nicht nur durch die Merkmale a) und b) (siehe den vorsehenden Abschnitt 5.1), sondern auch dadurch,

c) daß die dem Schneiden und dem Öffnen des Bodens dienende Hauptscheibe (2) auch der Bildung einer Furche zur Aufnahme von Saatgut dient, und

d) daß die zweite Scheibe (3) zum Eingriff in die geöffnete Furche und Offenhalten der Furche ausgebildet ist.

Diese Merkmale in Verbindung mit den Merkmalen a) und b) stellen klar, daß die Scheiben so spezifisch angeordnet werden müssen, daß ihre Funktionen ausgeübt werden, nämlich daß nicht nur die Hauptscheibe die endgültige Furche bildet, sondern auch daß die zweite Scheibe nicht zur Bildung der Furche beiträgt. Die zweite Scheibe, insofern als sie in den Innenraum der topfartigen Hauptscheibe hineingreift, liegt "im Schatten" der Hauptscheibe und hält die durch die Hauptscheibe geöffnete und gebildete Furche offen. Dadurch wird nicht nur sichergestellt, daß keine Bodenanteile in die gerade gebildete Furche geraten können, bevor das Saatgut eingebracht wird, sondern es wird auch verhindert, daß Bodenmaterial zwischen Hauptscheibe und zweite Scheibe eindringt.

Aufgrund der Merkmale c) und d) wird dem den flexiblen Werkstoff des zweiten Scheibe betreffenden Merkmal eine andere Bedeutung zugeschrieben. Nämlich: Daraus, daß für die Bildung der Furche die Hauptscheibe und nicht die zweite Scheibe verantwortlich ist, kann man die Information ableiten, daß die topfartigen Hauptscheibe eine erhöhte Stabilität haben soll und daß die zweite Scheibe aus einem Werkstoff gefertigt werden kann, der flexibler als der der Hauptscheibe ist. Somit wird es möglich, daß die zweite Scheibe elastisch nachgibt, selbst wenn die Hauptscheibe im Betrieb permanent deformiert wird.

6.2. Die zu lösende Aufgabe kann daher darin gesehen werden, ein Scheibensäschar zu schaffen, mit dem eine gleichmäßige Säleistung erzielt wird und Verstopfungen im Betrieb vermieden werden.

6.3. Die Druckschrift D5, die der britischen Patentanmeldung No. 21620/65 vom 21 Mai 1965 entspricht, beschreibt zwei Ausführungsbeispiele (siehe insbesondere Figuren 1 und 2), die jeweils ein Scheibensäschar mit drei Scheiben betreffen. Hinter einer ersten Scheibe, die einen "Schlitz" im Boden schneidet ("slit-cutting disc" 1) sind zwei weitere Scheiben 2, 3 angeordnet, die den Schlitz breiter machen ("slit-widening discs" 2, 3). Diese zwei Scheiben sind winklig gegeneinander geneigt und zur Fahrtrichtung jeweils schräggestellt drehbar gelagert. Durch beide Scheiben 2, 3 wird eine V-förmige Furche gebildet.

Die Druckschrift D6, in der die oben genannte britische Patentanmeldung No. 21620/65 als prioritätsbegründende Anmeldung angegeben ist, beschreibt (siehe Figuren 4 und 5) zwei jeweils ein Säschar mit drei Scheiben betreffende Ausführungsbeispiele, die den Figuren 1 und 2 der Druckschrift D5 entsprechen, und drei weitere Ausführungsbeispiele (siehe Figuren 1 bis 3), die nicht in der Druckschrift D5 enthalten sind. Bei diesen letzten Ausführungsbeispielen handelt es sich jeweils um ein Säschar mit einer ersten Scheibe, die einen Schlitz in den Boden schneidet ("disque 1 de creusement de fente"), und einer zweiten Scheibe die den Schlitz breiter macht ("disque 2 d'élargissement de fente"), wobei eine V-förmige Furche durch beide Scheiben gebildet wird.

Es geht aus der Druckschrift D5 bzw. D6 hervor, daß die Scheiben entweder flach oder konkav ausgebildet werden können (siehe D5: Seite 2, Zeilen 8 bis 11 ("The rotatable discs are preferably flat or curved discs... "; D6: Seite 6, "Resumé", Abschnitt 2 : "disques plats ou incurvés"). Aus jeder dieser Druckschriften geht auch hervor, das die Scheiben ausreichend flexibel sind, damit sie gegeneinander gepreßt werden können (siehe D5: Seite 2, Zeilen 83 bis 85; D6: Seite 2, rechte Spalte, 2. Absatz, 5. Satz).

Es geht aber aus keiner dieser Druckschriften hervor, daß die endgültige Furche alleinig durch die vordere Scheibe gebildet wird und daß die hintere Scheibe zum Eingriff in die bereits geöffnete Furche und Offenhalten der Furche ausgebildet ist. Daher kann der Fachmann im vorgebrachten Stand der Technik keinen Hinweis finden, der ihn zu der beanspruchten Lösung führen kann.

6.4. Angesichts der obigen Ausführungen ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

7. Der Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz

7.1. Die Beschwerdegegnerin II hat diesen Antrag damit begründet, daß die den Anspruch 1 des Hilfsantrages betreffenden Änderungen aufgrund der Aufnahme vom Merkmalen aus der Beschreibung eine zusätzliche Recherche erfordern.

7.2. Die Merkmale i) bis iii), durch die der Anspruch 1 des Hilfsantrages sich vom erteilten Anspruch 1 unterscheidet, sind tatsächlich aus der Beschreibung des Patentes bzw. der ursprünglichen Anmeldung abgeleitet worden (siehe die vorstehenden Abschnitte 3.1. und 3.2).

Wie bereits oben dargelegt wurde, wird durch das Merkmal i) lediglich die Winkellage der Scheiben im Sinn der dargestellten Ausführungsform genauer definiert. Dagegen stellen die Merkmale ii) und iii) implizit eine spezifischere Anordnung der Scheiben dar, indem sie die Funktionen der Scheiben genau angeben.

Durch die Aufnahme des Merkmals ii) wird eindeutig angegeben, was unter dem Ausdruck "Hauptscheibe" zu verstehen ist, d. h. es wird angegeben, daß diese Hauptscheibe für die Bildung der Furche verantwortlich ist. Durch die Aufnahme des Merkmals iii) wird im wesentlichen angegeben, daß die zweite Scheibe lediglich die Furche offenhält.

Mit anderen Worten: Durch diese Änderungen werden die Merkmale im erteilten Anspruch 1, "wobei eine Hauptscheibe (2) als topfartige Scheibe ausgeführt ist" und "wobei in den Innenraum der Hauptscheibe (2) die zweite Scheibe (3) zumindest teilweise hineingreift" weiter präzisiert.

Diese beiden Merkmale waren bereits im kennzeichnenden Teil des ursprünglichen Anspruchs 1 enthalten. Außerdem wurde auf Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung (siehe Zeilen 3 bis 23) in einem ersten Absatz darauf hingewiesen, daß die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe durch diese Merkmale gelöst wird, und in einem zweiten Absatz, der die Erfindung mit anderen Worten umschreibt, wurden die Funktionen beschrieben, die diese Merkmale ausüben, d. h. die Funktionen, die durch die Änderungen ii) und iii) definiert sind. Diese Seite 3 stellt deswegen einen Zusammenhang zwischen diesen Funktionen und den kennzeichenden Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs 1 her.

Es ist daher zu erwarten, daß die auf den ursprünglichen Anspruch 1 gerichtete Recherche auch diese Funktionen berücksichtigt hat.

Es besteht somit kein Anlaß zu der Vermutung, daß die ursprüngliche Recherche sich nicht auf die Merkmale ii) und iii) erstreckte.

7.3. Die Kammer sieht daher keinen Grund, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen.

8. Das Patent kann somit aufgrund des Anspruchs 1 des Hilfsantrages aufrechterhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche

1. bis 9 nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 1,

Beschreibung

Spalte 1 wie in der mündlichen Verhandlung überreicht, Spalten 2 bis 5 wie erteilt,

Zeichnungen

einzige Figur wie erteilt.

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