European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T101798.20010618 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 Juni 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1017/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93921912.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01H 9/18 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Magazinieren von Kannen | ||||||||
Name des Anmelders: | Rieter Ingolstadt Spinnereimaschinenbau AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Trützschler GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Zulässigkeit geänderter Ansprüche - ja Klarheit der Ansprüche und Ausführbarkeit der Erfindung - ja Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja |
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Orientierungssatz: |
Einfügung eines Rückbezugs in einen Vorrichtungsanspruch "zur Durchführung eines Verfahrens" ändert nicht dessen Eigenschaft als unabhängiger Anspruch einer vom Verfahren verschiedenen Patentkategorie, sondern bedeutet eine Einschränkung der beanspruchten Vorrichtung auf eine Eignung zur Durchführung des Verfahrens, auf das Bezug genommen wurde. |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 4. Oktober 1993 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 5. Oktober 1992 als internationale Anmeldung (Aktenzeichen PCT/EP93/02708) eingereichten Unterlagen wurde das europäische Patent 0. 655 093 erteilt.
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) gestützt auf die Gründe des Artikels 100 EPÜ, insbesondere in Verbindung mit den Artikeln 52 bis 57. EPÜ, Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents.
III. Die Einspruchsabteilung wies den Einspruch mit ihrer in der mündlichen Verhandlung am 15. September 1998 verkündeten Entscheidung zurück. Die schriftliche Begründung wurde am 30. September 1998 zur Post gegeben.
Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, daß die Verfahren nach den unabhängigen Ansprüchen 1, 11 bis 13 und die Vorrichtung nach Anspruch 16 des erteilten Patents neu und erfinderisch seien und die Bedingungen des Artikels 52 (1) EPÜ erfüllten.
IV. Gegen diese Entscheidung hat sich die Beschwerdeführerin am 13. Oktober 1998 beschwert und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 2. November 1998 eingereicht.
V. Die Beschwerdekammer hat in ihrer Mitteilung vom 26. Oktober 2000 darauf hingewiesen, daß jeder einzelne der unabhängigen Ansprüche die Patentierungskriterien erfüllen müsse, und die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 zur Diskussion gestellt.
VI. Am 18. Juni 2001 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der folgende Entgegenhaltungen wieder aufgegriffen wurden:
(E3) CH-A-412 656
(E5) WO-A-91/18135.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 655 093.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang auf der Basis der neu eingereichten Patentansprüche 1 bis 31.
Diese während der mündlichen Verhandlung eingereichten unabhängigen Ansprüche 1, 11 bis 13 und 16 lauten wie folgt:
"1. Verfahren zum Magazinieren von Kannen, insbesondere an einer faserbanderzeugenden Maschine, wobei einerseits aus dem Magazin einzelne, leere Kannen zu dieser Maschine abgeführt und von dieser Maschine aus gefüllte Kannen dem Magazin zugeführt werden und bei dem andererseits die gefüllten Kannen aus dem Magazin entnommen und durch leere Kannen ersetzt werden und das Magazin als solches zur Aufnahme bzw. Abgabe der Kanne hin- und herverschoben wird, dadurch gekennzeichnet,
daß zum Abführen, Zuführen oder Entnehmen der Kannen aus bzw. zu dem Magazin je nach Bedarf ein leerer Kannenstellplatz, eine leere Kanne oder eine volle Kanne einer während des Magazinierens stationär angeordneten Kannengreifvorrichtung jeweils am selben Ort zugeführt wird.
11. Verfahren zum Magazinieren und Entnehmen von Kannen, mit einem, insbesondere neben einer kannenfüllenden Maschine angeordneten Magazin, mit einer Reihe leerer und einer Reihe voller Kannen, wobei das Magazin als solches zur Aufnahme bzw. Abgabe der Kanne hin- und herverschoben wird, dadurch gekennzeichnet,
daß zwischen den vollen und leeren Kannen auf dem Magazin ein Kannenstellplatz nicht besetzt ist, daß ein Kannentransportfahrzeug an dem Magazin positioniert wird,
daß eine leere Kanne aus dem Fahrzeug in das Magazin auf den leeren Kannenstellplatz gegeben wird, daß eine volle Kanne aus dem Magazin auf das Fahrzeug gegeben wird,
und daß das Magazin um eine Kannenteilung in Richtung der Stellplätze für die leeren Kannen verschoben wird, so daß ein leerer Kannenstellplatz auf dem Magazin sich relativ zum Kannentransportfahrzeug wieder an seiner ursprünglichen Stelle befindet.
12. Verfahren zum Magazinieren und Entnehmen von Kannen, mit einem, insbesondere neben einer kannenfüllenden Maschine angeordneten Magazin, mit einer Reihe Kannen, wobei wenigstens eine Kanne gefüllt ist und wobei das Magazin als solches zur Aufnahme bzw. Abgabe der Kanne hin- und herverschoben wird, dadurch gekennzeichnet,
daß ein Kannentransportfahrzeug mit einem leeren Kannenstellplatz und einer leeren Kanne an dem Magazin positioniert wird,
daß eine volle Kanne aus dem Magazin auf das Fahrzeug gegeben wird,
daß das Magazin um einen Kannenstellplatz verschoben wird, so daß die leere Kanne des Kannentransportfahrzeugs dem soeben geleerten Kannenstellplatz auf dem Magazin gegenübersteht, daß die leere Kanne aus dem Kannentransportfahrzeug auf das Magazin abgegeben wird,
und daß das Magazin bei Bedarf wieder um eine Kannenteilung entgegen seiner zuvor verschobenen Richtung verschoben wird (Fig. 7a-7c).
13. Verfahren zum Magazinieren und Entnehmen von Spinnkannen, mit einem, insbesondere neben einer kannenfüllenden Maschine angeordneten Magazin, mit wenigstens einer leeren und einer vollen Kanne, wobei das Magazin als solches zur Aufnahme bzw. Abgabe der Kanne hin- und herverschoben wird, dadurch gekennzeichnet,
daß zwischen der vollen und leeren Spinnkanne auf dem Magazin ein Kannenstellplatz nicht besetzt ist, daß ein Kannentransportfahrzeug mit einem leeren Kannenstellplatz und einer leeren Kanne an dem Magazin positioniert wird,
daß das Magazin um eine Kannenteilung in Richtung der Stellplätze für die leeren Kannen verschoben wird, so daß ein leerer Kannenstellplatz auf dem Magazin der leeren Kanne auf dem Kannentransportfahrzeug gegenübersteht,
daß eine leere Kanne aus dem Fahrzeug in das Magazin auf den leeren Kannenstellplatz gegeben wird, und daß eine volle Kanne aus dem Magazin auf das Fahrzeug gegeben wird (Fig. 6a-6c).
16. Vorrichtung zum Magazinieren von Kannen, insbesondere an einer faserbanderzeugenden Maschine, mit einem Magazin für volle und leere Kannen, wobei das Magazin als Wagen (10) ausgebildet ist, der zur Aufnahme und Abgabe von Kannen (1, 2) verschiebbar ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1. bis 15, dadurch gekennzeichnet,
daß der Wagen im Bereich einer Haltestelle für ein Kannentransportfahrzeug (3) angeordnet ist,
und daß er zur Aufnahme und Abgabe von Kannen (1, 2) entlang der Haltestelle in die jeweils erforderlich Position verschiebbar ist."
VII. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, die Änderungen der Ansprüche seien wegen Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig. So seien die Begriffe "das Magazin als solches" und die "stationär angeordnete Kannengreifvorrichtung" nicht ursprünglich offenbart. Nach Spalte 1, Zeilen 41 bis 43 der Patentschrift erfolge nur die "Zuführung und Entnahme" der Kannen jeweils am selben Ort, von "Abführung" am selben Ort sei aber keine Rede. Außerdem seien die Ausdrücke "Abführen" und "Entnehmen" gleichbedeutend, so daß deren Wiederholung im Oberbegriff und im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 die Gefahr von Unklarheiten und Widersprüchen in sich berge, so daß deswegen auch mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung in Betracht gezogen werden müsse (Artikel 83 und 84 EPÜ). Zudem sei zweifelhaft, ob die Einfügung des Rückbezugs "zur Durchführung des Verfahrens" in den Anspruch 16 nach Patenterteilung überhaupt zulässig sei.
Das Verfahren nach Anspruch 1 sei nicht neu oder beruhe zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit, denn sowohl in E3 (Figuren 1 bis 14) als auch in E5 (Seite 42, 2. Absatz) seien stationäre Kannenversatzmittel offenbart und der Kannenwechsel erfolge am selben Ort. Diese Stelle sei nach E3 mehrfach als Wechselstellung B bezeichnet, an der volle oder leere Kannen gezeigt seien. Daß diese Stellplätze auch leer sein könnten, sei selbstverständlich, weil nur auf einen leeren Platz wieder eine volle oder leere Kanne gestellt werden könne. Die als Wagen ausgebildete Kannentransportvorrichtung der E3 entspreche dem Magazin des Patents und sei ebenfalls hin- und herbewegbar (Seite 2, Zeilen 119, 120; Anspruch 12). Betrachte man die Figuren 3 und 7 der E5 gemeinsam, so sei dort auch ein Kannentransportwagen gezeigt, der mit einem Magazin zusammenwirke, wobei der Kannenwechsel in gleicher Weise erfolge wie nach Anspruch 1.
Für die Ansprüche 11 bis 13 gelte sinngemäß die gleiche Argumentation. Ausgehend von E3 als Oberbegriff seien die jeweils kennzeichnenden Maßnahmen durch E5 (insbesondere Figur 7) nahegelegt. Kannenwechsel und Entnahme mittels eines um einen Kannenstellplatz verschiebbaren Magazins im Zusammenwirken mit einem Greifer und einem Kannentransportwagen seien dort offensichtlich verwirklicht und die Kombination von E3 und E5 naheliegend, weil beide Druckschriften dasselbe technische Gebiet behandelten. Auch das Merkmal des Anspruchs 12, daß das Magazin um einen Kannenstellplatz verschoben werde, sei gleichermaßen in der E5 offenbart.
Die Vorrichtung des Anspruchs 16 sei durch die Kombination von E3 und E5 nahegelegt, denn die Ausbildung eines Magazins im Zusammenwirken mit einer faserbanderzeugenden Maschine als verschiebbarer Wagen sei durch E3 vorbekannt. Dem Fachmann biete es sich jedenfalls an, die Kannenentnahme, über die in E3 nichts ausgesagt werde, durch Verwendung des Kannentransportfahrzeugs nach Figur 7 der E5 zu automatisieren.
VIII. Die Beschwerdegegnerin trug vor, die Maßnahmen der geänderten unabhängigen Ansprüche seien in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen und in der Patentschrift für den zuständigen Fachmann zweifelsfrei offenbart. Die Beschwerdeführerin habe selbst auf der Aufnahme der aus E3 bekannten Merkmale zur Abgrenzung von diesem Stand der Technik bestanden.
Durch die Einfügung, daß das Magazin als solches verschoben werde, sei eine Klarstellung dahingehend erfolgt, daß das ganze Magazin (wie auch in E3) verschoben werde und daß nicht nur die Verschiebung der Kannen innerhalb eines stationären Magazins gemeint sei. Die stationäre Anordnung der Kannengreifvorrichtung während des Kannenwechsels ergebe sich aus den Figuren 1a bis 1c im Zusammenhang mit der zugehörigen Figurenbeschreibung. Da schon im Oberbegriff des Anspruchs 1 zwischen Abführen und Zuführen von Kannen vom/zum Magazin in Richtung einer faserbanderzeugenden Maschine einerseits und der Entnahme der gefüllten Kannen vom Magazin andererseits unterschieden werde, sei auch klar, die Durchführung dieser verschiedenen Kannenbewegungen jeweils am selben Ort (Patentschrift Spalte 1, Zeilen 41 bis 43 entsprechend der Prioritätsanmeldung DE 4 233 357.1, Seite 2, 4. Absatz, 3. Satz) das Prinzip der Erfindung darstelle. Somit folge aus dieser Textstelle auch eindeutig, daß das Abführen der Kannen, welches mit dem Zuführen unmittelbar zusammenhänge, jeweils am selben Ort ebenso wesentlicher Bestandteil der Erfindung sei.
Daß die Vorrichtung nach Anspruch 16 zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 15 geeignet sei, gehe zweifelsfrei aus der Beschreibung des Patents hervor. Diese Einfügung bedeute auch eine Einschränkung und stehe daher im Einklang mit Artikel 123 (3) EPÜ.
Das Verfahren des geänderten Anspruchs 1 sei neu gegenüber E3 und E5. Gemäß E3 würden keine Kannen entnommen, so daß keine Greifvorrichtung für die Entnahme offenbart sei. Nach E5 erfolgten die Wechsel der leeren und vollen Kannen eines Magazins nicht am selben Ort, sondern an der Kannenanlieferstelle 500 und an der Kannenablieferstelle 511, die auch bei Betrachtung des Kannenspeichers 50 als ein einziges Magazin an dessen entgegengesetzten Enden lägen (Figur 7). Das Verfahren nach Anspruch 1 sei auch erfinderisch, weil keine der Entgegenhaltungen das erfinderische Prinzip nahelegten, bei Positionierung des Transportwagens an einer festen Haltestelle alle notwendigen Kannenbewegungen durch geeignete Hin- und Herverschiebung des Magazins an jeweils am selben Ort durchzuführen.
Die in den Ansprüchen 11 bis 13 angegebenen Verfahrensschritte seien weder durch E3 noch E5 bekannt oder nahegelegt. Ebenso sei die im Anspruch 16 angegebene Vorrichtung weder durch eine einzelne dieser Entgegenhaltungen noch durch ihre Kombination nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1. Gemäß Artikel 123 (2) EPÜ dürfen die Patentansprüche des europäischen Patents im Einspruchsverfahren nicht in der Weise geändert werden, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Änderungen ist, daß ein Fachmann, hier ein auf dem Gebiet des Textilmaschinenbaus tätiger Diplomingenieur, die geänderten Merkmale eindeutig und zweifelsfrei aus den Unterlagen der ursprünglichen Anmeldung und des erteilten Patents ableiten kann.
2.2. Daß das Magazin als solches verschoben wird, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Patents, wonach es als Wagen entsprechend der E3 ausgebildet ist, im Gegensatz zu E5, wo das Magazin an Ort und Stelle verbleibt und nur die darin angeordneten Transportbänder oder -ketten 502, 512 (Fig. 9, 10) die darauf stehenden Kannen verschieben.
2.3. Die Hin- und Herbewegung des Magazins zur Aufnahme bzw. Abgabe der Kanne gemäß Anspruch 1 ergibt sich aus der Patentschrift (Spalte 5, Zeilen 35, 40 - 41) und der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Seite 8, 1. und 2. Absatz). Zum Abführen, Zuführen oder Entnehmen der Kannen aus bzw. zu dem Magazin einer stationär angeordneten Greifvorrichtung jeweils am selben Ort je nach Bedarf einen leeren Kannenstellplatz, eine leere Kanne oder eine volle Kanne zur Verfügung zu stellen, ist dem erteilten sowie ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit der Beschreibung entnehmbar (Patentschrift Spalte 1, Zeilen 41 bis 51; ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 2, 1. voller Absatz).
2.4. Die zur Abgrenzung gegenüber der E3 vorgenommene, jeweils gleiche Einfügung in die Ansprüche 11 bis 13 entspricht der Änderung des Anspruchs 1 (vergleiche Patentschrift, Spalte 5, Zeilen 35, 40 - 41; ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 8, 1. und 2. Absatz).
2.5. Daß die Vorrichtung des Anspruchs 16 zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 15 geeignet ist, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beschreibung. Die Kammer hat keinen Anlaß, an der Zulässigkeit dieser Änderung zu zweifeln, da der Anspruch als einer anderen Kategorie zugehörig ein unabhängiger Anspruch bleibt und durch den aufgenommenen Rückbezug lediglich eine Beschränkung in der Weise erfolgt ist, daß die Merkmale jeweils eines der Ansprüche 1 bis 15 in den Anspruch 16 einschlossen sind. Zusammenfassend stellt die Kammer daher fest, daß die geänderten Ansprüche den Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ genügen.
3. Ausführbarkeit der Erfindung und Klarheit der Ansprüche
Nachdem die Offenbarung der Erfindung in den Ansprüchen und gemäß der Beschreibung nicht widersprüchlich ist (vgl. oben 2.2. bis 2.4.), hat der zuständige Fachmann kein Problem beim Nacharbeiten der Erfindung. Insbesondere definiert der Oberbegriff des Patentanspruchs 1, daß das Abführen und Zuführen von Kannen vom/zum Magazin in Richtung einer faserbanderzeugenden Maschine einerseits und die Entnahme der gefüllten Kannen vom Magazin andererseits unterschiedliche Maßnahmen der Aufnahme und Abgabe bedeuten und insoweit auch im Kennzeichen diese Unterscheidung zutreffend beibehalten wird. Die Artikel 83 und 84 EPÜ werden daher erfüllt.
4. Neuheit
4.1. Der geltende Anspruch 1 geht von E3 aus und enthält demgemäß im Oberbegriff die daraus bekannten Merkmale eines Verfahrens zum Magazinieren von Kannen an einer faserbanderzeugenden Maschine (Strecke), wobei aus dem Magazin einzelne, leere Kannen zu dieser Maschine abgeführt und von dieser Maschine aus gefüllte Kannen dem Magazin zugeführt werden. Nach dem Kannenwechsel an der Maschine wird das Magazin weiterbewegt, damit die gefüllten Kannen in einer Abholstellung aus dem Magazin entnommen werden können. Durch diese Bewegung werden leere Kannen auf die Plätze der vollen Kannen transportiert, die erneut zu der Maschine abgeführt werden (Seite 4, Patentanspruch 1). Das als Wagen ausgebildete Magazin kann zur Aufnahme bzw. Abgabe der Kanne hin- und herverschoben werden (Seite 2, Zeilen 115 bis 120).
Da das Entnehmen der vollen Kannen vom Magazin nach dem Kannenwechsel an der Maschine an einem von diesem Wechselort verschiedenen Ort stattfindet, unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 von diesem aus E3 bekannten Verfahren dadurch, daß zum Abführen, Zuführen oder Entnehmen der Kannen aus bzw. zu dem Magazin je nach Bedarf ein leerer Kannenstellplatz, eine leere Kanne oder eine volle Kanne einer während des Magazinierens stationär angeordneten Kannengreifvorrichtung jeweils am selben Ort zugeführt wird.
4.2. Vom Verfahren nach E5 unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 dadurch, daß das Magazin ein Wagen ist im Gegensatz zu einem stationären Kannenspeicher 50, wo die Kannen auf Ketten- oder Bandförderern 502, 512 stehen (Figuren 7, 9, 10), sowie durch die Zuführung der Kannen zu einer Kannengreifvorrichtung jeweils am selben Ort im Gegensatz zur Anordnung von verschiedenen Kannengreifvorrichtungen (Kannenversatzmittel 7, Mitnehmer 321), die das Abführen und Zuführen von Kannen an der Textilmaschine und das Anliefern von leeren Kannen und Entnehmen von vollen Kannen zu bzw. von dem Magazin an verschiedenen Orten durchführen (Seite 41, letzter Absatz bis Seite 43, 1. Absatz).
4.3. Die Verfahren nach den Ansprüchen 11 bis 13 sowie die Vorrichtung nach Anspruch 16 unterscheiden sich vom Stand der Technik nach E3 durch ein Kannentransportfahrzeug, denn in der Entgegenhaltung ist ein solches Fahrzeug weder erwähnt noch gezeigt.
4.4. Von den aus E5 bekannten Verfahren und Vorrichtungen unterscheiden sich die Verfahren nach den Ansprüchen 11 bis 13 und die Vorrichtung nach Anspruch 16 durch die Ausbildung des Magazins als Wagen.
4.5. Nachdem auch keine der weiteren im Verfahren zitierten und in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufgegriffenen Entgegenhaltungen alle Merkmale eines der unabhängigen Ansprüche offenbart, erfüllen die Gegenstände der Ansprüche 1, 11, 12, 13 und 16 das Erfordernis der Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ).
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Die beanspruchte Erfindung geht aus von entsprechenden Verfahren und einer Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens, wie sie in E3 beschrieben und gezeigt ist. Dem Patent liegt demzufolge gemäß Spalte 1, Zeilen 28 bis 33 der Patentschrift die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zu schaffen, womit Kannen mit geringem Konstruktions- und Steuerungsaufwand in ein Magazin gegeben und daraus entnommen werden können.
5.2. Die Lösung dieses Problems spiegelt sich in den unabhängigen Ansprüchen 1, 11 bis 13 und 16 wieder, die alle auf dem gemeinsamen technischen Prinzip aufbauen, daß das Magazin zur Aufnahme und Abgabe der Kanne verschoben wird, so daß je nach Bedarf ein leerer Kannenstellplatz, eine leere Kanne oder eine volle Kanne einer Kannengreifvorrichtung zugeführt wird, wobei die Zuführung und Entnahme der Kanne jeweils am selben Ort erfolgt.
5.3. Das der E3 entnehmbare Wechselprinzip beruht darauf, daß die Kannenstellplätze vor der Maschine immer leer bleiben, solange die entsprechende Zahl von Kannen in der Arbeitsstellung A (Figuren 3, 9) an der Maschine gefüllt werden. Die leeren Kannen werden im Bereich der Bereitschaftsstellung D (Figuren 6, 11) auf dem Transportband 40 oder dem entsprechenden Wagen aufgereiht. Wenn die vollen Kannen an der Maschine auf die leeren Plätze in Wechselstellung B gebracht worden sind (Figuren 5, 10), bewegen sich das Transportband oder der entsprechende Wagen nach rechts, wodurch die vollen Kannen in die Abholstellung C gebracht werden und die vorher in Bereitschaftsstellung D befindlichen leeren Kannen in die Wechselstellung B gelangen (Figuren 6, 11). Über die Art und Weise der Anlieferung leerer Kannen wird nichts ausgesagt, ebenfalls nichts zur Entnahme voller Kannen. Lediglich im Falle einer nachgeschalteten weiteren Maschine - beispielsweise der zweiten Streckenpassage - wird es als günstig angesehen, das Transportband bis zu dieser Maschine laufen zu lassen (Seite 3, Zeilen 14 bis 19).
Hieraus entnimmt der Fachmann jedenfalls, daß die Anlieferung leerer Kannen, der Kannenwechsel (Abführen und Zuführen Richtung Maschine) und die Abholung voller Kannen (Entnahme) jeweils an verschiedenen Orten erfolgen, nämlich in den Bereichen D (Anlieferung), B (Kannenwechsel), C (Entnahme). Mit der Kannengreifvorrichtung 30, 31 nach dieser bekannten Lösung wird ausschließlich der Kannenwechsel an der Maschine bewirkt, über eine Greifvorrichtung zum Anliefern der leeren Kannen und zur Entnahme der vollen Kannen wird nichts ausgesagt. Jedenfalls können diese Vorgänge nicht mit Hilfe der stationären Greifvorrichtung 30, 31 erfolgen, weil sie an einer von B entfernten Stelle stattfinden. Die Zuführung eines leeren Kannenstellplatzes zur Kannengreifvorrichtung ist bei diesem Konzept nicht vorgesehen, weil die Plätze vor der Maschine während der Kannenfüllung leer bleiben und nach dem Verschieben des Magazins wieder leere Kannen der Kannengreifvorrichtung zugeführt werden. Folglich kann diese bekannte Ausführung keine Anregung zum beanspruchten Verfahren geben, wonach sowohl der Kannenwechsel in Richtung der Maschine als auch die Entnahme voller Kannen und ihr Ersatz durch leere Kannen mit einer während des Magazinierens stationär angeordneten Kannengreifvorrichtung am selben Ort möglich ist. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
5.4. Ein Kannentransportfahrzeug ist in der E3 weder erwähnt noch implizit offenbart, so daß der Fachmann dieser Druckschrift keine Anregung zur Verwendung eines solchen Transportmittels im Zusammenwirken mit dem Magazin entnehmen kann. Die auf entsprechende Verfahren mit dem Einsatz eines Kannentransportfahrzeuges gerichteten Ansprüche 11 bis 13 sind daher durch E3 nicht nahegelegt, ebensowenig wie die Vorrichtung nach Anspruch 16, die als ein wesentliches Merkmal eine Haltestelle für ein Kannentransportfahrzeug umfaßt.
5.5. E5 offenbart drei verschiedene Varianten eines Kannenwechsels an einer Textilmaschine entsprechend den Figuren 3, 6 und 7. Nach Figur 3 werden die einzelnen Spinnstellen 10 einer Offenend-Spinnmaschine 1 durch ein Kannentransportmittel 2 in Form eines Wagens angefahren. Nach Bedarf wird die jeweilige Kanne an der Spinnstelle ausgetauscht, wobei ein Kannenversatzmittel 7 zum Einsatz kommt (Seite 42, 2. Absatz; Seite 45, 2. Absatz ff.). Ein Kannenspeicher oder ein Magazin ist bei diesem Ausführungsbeispiel nicht vorgesehen. Diese Ausführung bezieht sich daher auf ein von der Erfindung in der Ausprägung der Ansprüche 1, 11 bis 13 und 16 völlig verschiedenes Kannenwechselprinzip, so daß der Fachmann bereits deshalb keinen Anlaß hat, etwaige Einzelmerkmale dieser Vorrichtung zu isolieren und bei einer gattungsfernen Vorrichtung gemäß E3 anzuwenden. Somit kann dieser Stand der Technik die Verfahren und die Vorrichtung der unabhängigen Ansprüche nicht nahelegen.
5.6. In Figur 6 der E5 ist eine Strecke 30 mit zwei getrennten stationären Speichern 50, 51 für leere und volle Kannen dargestellt. Vom Leerkannenspeicher 50 wird eine Kanne zur Maschine abgeführt und nach dem Füllen dem Vollkannenspeicher 51 zugeführt. Zwischen den beidseitig vor der Maschine angeordneten Kannenspeichern ist ein Raum für ein Kannentransportmittel 2 vorhanden, wodurch ein gleichzeitiger Wechsel einer leeren Kanne vom Transportfahrzeug zum Leerkannenspeicher 20 und die Übegabe einer vollen Kanne vom Vollkannenspeicher 51 auf den eben leergewordenen Platz auf dem Fahrzeug möglich ist. Über die Wechselvorrichtung zum Abführen der leeren Kanne vom Magazin 50 und zum Zuführen der vollen Kanne zum Magazin 51 an der Strecke 30 wird in der Beschreibung (Seiten 34 bis 37) nichts näheres ausgeführt. Jedenfalls entnimmt der Fachmann diesem Ausführungsbeispiel eindeutig, daß die Kannenwechsel an der Kannenfüllvorrichtung einerseits und am Transportwagen andererseits an verschiedenen Orten erfolgen und daß dafür neben dem Kannenversatzmittel am Transportwagen 2 eine weitere, davon unabhängige Kannengreifvorrichtung notwendig ist. Somit kann diese Anordnung keine Anregung zum Verfahren nach Anspruch 1 liefern, wonach zum Abführen, Zuführen und Entnehmen aus bzw. zu dem Magazin eine während des Kannenwechsels stationär angeordnete Kannengreifvorrichtung jeweils am selben Ort wirksam ist.
Da in der Vorrichtung nach Figur 6 der E5 zwei getrennte stationäre Magazine vorhanden sind, innerhalb derer jeweils die leeren und vollen Kannen verschoben werden, fehlt jeglicher Hinweis auf ein Magazin, das als solches hin- und herverschoben wird, so daß die Verfahren nach den Ansprüchen 11 bis 13 durch E5 keinesfalls nahelegt sind. Auch ist nicht erkennbar, wie eine Kombination der Anordnung nach E3 mit der nach E5 zu diesen beanspruchten Verfahren führen könnte, weil dann aufgrund der verschiedenen Magazinierungsprinzipien - zwei getrennte parallele Speicher in E5 und ein Reihenspeicher in E3 - ein grundsätzlicher Umbau der Konzeption erforderlich wäre, der über die Anwendung durchschnittlicher fachmännischer Fähigkeiten weit hinausgeht.
Auch die Vorrichtung nach Anspruch 16 ist von der Anordnung nach Figur 6 der E5 nicht ableitbar, denn dort ist ein als Wagen ausgebildetes Magazin für volle und leere Kannen weder dargestellt noch implizit in irgendeiner Weise erwähnt.
5.7. Gemäß Figur 7 der E5 sind Leerkannenspeicher 50 und Vollkannenspeicher 51 in linearer Anordnung zusammen Teil eines Magazins (Kannenspeichers 5) (Seite 35, letzter Absatz). Diese Variante ist hinsichtlich der Wechselvorgänge mit E3 vergleichbar, denn die leeren Kannen werden an der Kannenanlieferstelle 500 auf das Magazin gegeben und die vollen Kannen an der Kannenablieferstelle 511 des Magazins abgeholt, die jeweils am gegenüberliegenden Ende dieses Kannenspeichers liegen. Zwischen den leeren und vollen Kannen ist ein leerer Kannenstellplatz (Wechselplatz), auf den die in der Maschine gefüllte Kanne geschoben wird. Anschließend werden die Kannen des gesamten Kannenspeichers um eine Kannenteilung in Richtung der vollen Kannen bewegt, wodurch eine leere Kanne auf den Wechselplatz gelangt, die anschließend zum Füllen in die Maschine geschoben wird.
Für die jeweiligen Kannenverschiebungen sind dort zum Abführen aus bzw. Zuführen zu dem Magazin in Richtung der Kannenfüllmaschine eine Transportkette 32 mit Mitnehmern 321 (Figur 9; Seite 43, 1. Absatz) vorgesehen, während die Aufgabe von Leerkannen an der Kannenanlieferstelle 500 und die Entnahme von Vollkannen an der Kannenablieferstelle 511 durch getrennte Kannenversatzmittel 7 erfolgt (Seite 42, 1. Absatz). Die jeweiligen Bewegungen der Kannen finden also an drei verschiedenen Orten statt. Demzufolge kann eine solche Anordnung keine Anregung in Richtung des Verfahrens nach Anspruch 1 liefern, wonach beim Abführen, Zuführen und Entnehmen aus bzw. zu dem Magazin eine während des Kannenwechsels stationär angeordnete Kannengreifvorrichtung jeweils am selben Ort wirksam ist.
Ebensowenig kann die Bauweise der Figur 7 der E5 die Verfahren und die Vorrichtung nach den Ansprüchen 11 bis 13. und 16 nahelegen, weil sie kein Magazin offenbart, das als solches hin- und herverschoben wird bzw. als Wagen ausgebildet ist.
Eine Kombination der E5 mit E3 führt den Fachmann allenfalls dazu, das stationär angeordnete Magazin der E5 unter Beibehaltung des gleichen Wechselprinzips als hin- und herverschiebbaren Wagen auszubilden. Weil das Abführen und Zuführen sowie die Entnahme der vollen Kannen in diesem Fall jedoch immer noch an verschiedenen Orten an den gegenüberliegenden Enden bzw. am Wechselplatz zwischen den leeren und vollen Kannen durch unterschiedliche Greifvorrichtungen erfolgen müßte, kann ein derart kombiniertes Verfahren keine Anregung zum Verfahren nach Anspruch 1 liefern, wonach zum Abführen, Zuführen und Entnehmen aus bzw. zu dem Magazin eine während des Kannenwechsels stationär angeordnete Kannengreifvorrichtung jeweils am selben Ort wirksam ist. Zu den Ausbildungen der Erfindung gemäß den Ansprüchen 11 bis 13 und 16 kann eine solche Kombination ebenfalls nicht führen, weil ein Hin- und Herverschieben des als Wagen ausgebildeten Magazins im Zusammenwirken mit einem fest positionierten Kannentransportwagen zum Zweck des Austausches von Kannen daraus nicht hervorgeht oder herleitbar ist.
6. Zusammenfassend ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, daß die Gegenstände der geänderten unabhängigen Ansprüche 1, 11 bis 13 und 16 neu sind und auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Zusammen mit diesen Ansprüchen können die abhängigen Ansprüche 2 bis 10, 14, 15. und 17 bis 31, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, die Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang bilden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüchen 1 bis 31, Beschreibung Spalte 1, 2. und Seite 2a sowie mit den erteilten Spalten 3 bis 11 und Figuren 1 bis 8 aufrechtzuerhalten.