T 1014/98 (Steuerung/KRAMPE) of 25.7.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T101498.20010725
Datum der Entscheidung: 25 Juli 2001
Aktenzeichen: T 1014/98
Anmeldenummer: 90108429.3
IPC-Klasse: A23P 1/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuerung für ein Verfahren zum Kühlen von Schäumen, vornehmlich eßbarer Schäume
Name des Anmelders: HMF KRAMPE & CO. GMBH, et al
Name des Einsprechenden: UNILEVER PLC / UNILEVER NV
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Offenbarung der Erfindung - nein - Steuerungsverfahren bleibt dem Fachmann verborgen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 90 108 429.3 wurde das europäische Patent Nr. 0 401 512 mit einem Anspruch erteilt, der wie folgt lautet:

"1. Steuerung für ein Verfahren zum Kühlen von Schäumen, vornehmlich eßbarer Schäume, bei dem der aufgeschlagene und vorgefrorene Schaum kontinuierlich bis auf -16 C bis -45 C in einem Arbeitsgang auf Lagertemperatur tiefgekühlt und wegtransportiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß für die einzelnen Antriebsorgane der einzelnen Prozeßstufen Leistungsmessungen (Md1 - Md3) und Drehzahlmessungen (n1 - n3) vorgenommen werden und daß für die zudosierten Ausgangskomponenten (Fluid, Gas) die Volumenströme des Fluids (VL) und des Gases (Vg), die Dosierdrücke (Pg) für die Mischung aus den Ausgangskomponenten und die Mischungstemperatur (Tm1) ermittelt werden, und daß in der letzten Prozeßstufe (Tiefgefrierstufe) zur Kontrolle des Temperaturprofils über die Länge der Prozeßstufe zusätzlich an mehreren Stellen die Massetemperaturen (Tm5 - Tm7) der in dieser Prozeßstufe tiefzugefrierenden Masse ermittelt werden, wobei Zielgrößen die Massetemperatur (Tm4) am Austritt der Tiefgefrierstufe sowie der an dieser Stelle gemessene Druck bzw. Differenzdruck (Pm3) sind, wobei als reine Kontrollparameter die Kühlmittelaustrittstemperaturen aus den einzelnen Prozeßstufen sowie die Massetemperaturen (Tm2; Tm3; Tm5 - Tm7) und der Austrittsdruck (Pm2) aus der Vorgefrierstufe ermittelt werden und als maßgebliche Regelgrößen für den Schaumaufschlag die Volumenströme des Gases (Vg) und des Fluids (VL) maßgeblich für die Einstellung der Konsistenz sowie die Geschwindigkeit des Kühlvorganges in der Tiefgefrierstufe bestimmt werden."

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit in Verbindung mit den Artikeln 54 EPÜ und 56 EPÜ sowie mangelndem technischen Charakter unter Artikel 52 (2) EPÜ und mangelnder gewerblicher Anwendbarkeit unter Artikel 57 EPÜ des Gegenstandes des Streitpatentes und mit Bezug auf Artikel 100 b) EPÜ in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ wegen mangelnder Offenbarung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Erfindung Einspruch eingelegt.

III. Die Einspruchsabteilung hat mit der am 17. August 1998 zur Post gegebenen Entscheidung den Einspruch unter Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.

Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß ein Verfahren zum Kühlen von Schäumen und demzufolge eine Steuerung eines solchen Verfahrens unstreitig einen technischen Charakter aufweise und somit der im Streitpatent beanspruchte Gegenstand nicht unter Artikel 52 (2) EPÜ von der Patentfähigkeit ausgenommen sei.

Auch die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien erfüllt. Dem Fachmann sei jedenfalls bekannt, wie und mit welchen Geräten die im Streitpatent beschriebenen und in Zeichnungen verdeutlichten Meßanordungen zur Steuerung praktisch zu verwirklichen seien. Ferner seien vom Fachmann die Vorgabeparameter für ein bestimmtes Produkt ohne unzumutbaren Aufwand und ohne erfinderische Leistung aufzufinden und die Einsprechende habe keinerlei Nachweis erbracht, daß mit den in Anspruch 1 definierten Meß- und Regelgrößen die Steuerung für das Verfahren zum Kühlen von Schäumen nicht funktioniere.

Gewerbliche Anwendbarkeit im Sinne von Artikel 57 EPÜ und Neuheit unter Artikel 54 EPÜ seien zwar nicht mehr bestritten, aber gemäß Artikel 114 (1) EPÜ untersucht worden und seien anzuerkennen.

Die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Streitpatentes unter Artikel 56 EPÜ hat die Einspruchsabteilung insbesondere im Hinblick auf die beanspruchte Steuerung über Leistungsmessungen für die einzelnen Antriebsorgane der einzelnen Prozeßstufen begründet.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und schriftlich Gründe unter den Artikeln 100 a) EPÜ und 100 b) EPÜ geltend gemacht.

V. Am 25. Juli 2001 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, zu deren Beginn die Beschwerdeführerin ausgeführt hat, daß die schriftlich vorgetragenen Einwände unter den Artikeln 52 (2), 54 und 57 EPÜ fallengelassen und nur die Einwände unter den Artikeln 56 und 83 EPÜ weiterverfolgt würden.

Die Beschwerdegegnerin hat, ebenfalls zu Beginn der mündlichen Verhandlung, auf Befragen der Kammer ausdrücklich vorgetragen, daß in dem Gegenstand des einzigen Anspruchs des Streitpatents ein Verfahren zur Steuerung einer Apparatur gesehen werden müsse. Dies gelte auch für den mit Schriftsatz vom 12. April 1999 als Hilfsantrag eingereichten einzigen Anspruch, der gegenüber dem erteilten Anspruch durch zusätzliche Steuerungsmerkmale ergänzt sei und somit den Anspruchscharakter als Verfahren zum Steuern nicht ändere.

VI. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich hervorgehoben, daß der einzige Patentanspruch auf eine Steuerung und nicht auf einen Apparat gerichtet gesehen werden müsse und dies insbesondere bei der Prüfung der Offenbarung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Erfindung zu berücksichtigen sei.

Zu letzterem wurde insbesondere ausgeführt, daß es, abgesehen von der bloßen Auflistung vorzunehmender Messungen im einzigen Anspruch des Streitpatents, auch im Rest des Streitpatents, in der Beschreibung und den Zeichnungen an der Lehre mangele, welche Meßwerte als kritische Parameter anzusehen seien und wie die genannten Meßwerte untereinander funktional zu verknüpfen seien, um überhaupt ein Verfahren zur Steuerung der genannten Zielgrößen ausführen zu können. Das Fehlen jeglicher Angaben zur Funktionalität der Meßwerte untereinander führe zu unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Regelparameter und mache es dem Fachmann auch unmöglich, im Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 3 des Streitpatents, die ebenfalls nur spezifische Meßorte für Drehmoment, Drehzahl, Temperatur, Druck und Volumenströmen an üblichen Apparaten zur Herstellung tiefgefrorener Schaummassen offenbare, die fehlenden Regelkreise zu ergänzen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und schriftlich sowie mündlich unter anderem geltend gemacht, daß dem zuständigen Fachmann unstreitig alle Geräte und die einzelnen Meßverfahren bekannt seien, um die im Streitpatent beschriebene und beanspruchte Erfindung in die Praxis umzusetzen. Somit sei der zuständige Fachmann der auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik arbeitende Lebensmitteltechnologe bzw. der auf dem Gebiet der Lebensmitteltechnik arbeitende Verfahrenstechniker. Die Patentschrift lehre diesem Fachmann insbesondere auf den Seiten 7 und 8 eindeutig, welche Parameter zur Erreichung der Zielgrößen führen, so zum Beispiel welche Einstellungen und Meßwertverknüpfungen vorzunehmen seien, um über Leistungs- oder Drehmoment- und Drehzahlmessungen als Zielgröße die gewünschte Konsistenz eines Schaumes zu erreichen. Die einzelnen Vorgabeparameter könne der Fachmann dann für ein bestimmtes Produkt ohne unzumutbaren Aufwand und ohne erfinderisches Zutun anhand von Vorversuchen festlegen. Auf der Grundlage allgemeiner Kenntnisse, zum Beispiel des PID-Regelverhaltens oder der Fuzzylogik unter Einsatz eines Computers, seien kritische Werte für den mechanischen Leistungseintrag in den einzelnen Prozeßstufen ohne Schwierigkeiten zu ermitteln. In diesem Sinne müsse auch Figur 3 verstanden werden, und zwar daß nach Bestimmung eines spezifischen Leistungseintrages in die einzelnen Prozeßstufen, für ein vorgegebenes Produkt, mit der gezeigten Steuerung über das Drehmoment und die Drehzahl direkt die Struktur des Produktes kontrollierbar sei. Der Kern der Erfindung und die grundlegend neue Idee sei demzufolge, daß bei minimalen "Ist/Soll-Wert"- Abweichungen eines für ein spezifisches Produkt einmal bestimmten Leistungseintrages bzw. konstanten Leistungseintrages, der Einfluß aller übrigen Prozeßparameter eine untergeordnete Rolle spiele, also komplizierte Regelalgorithmen für die funktionalen Zusammenhänge der anderen Parameter als der des Leistungseintrages nicht benötigt würden. In jedem Falle sei die Beschwerdeführerin den Beweis schuldig geblieben, daß der zuständige Fachmann die Streitpatentschrift nicht alleine interpretieren und lesen könne.

Die Beschwerdegegnerin hat mit der Beschwerdebegründung noch auf alle ihre Ausführungen im schriftlichen Verfahren vor der ersten Instanz (Einspruchsabteilung) verwiesen. Unter anderem hat die Beschwerdegegnerin so mit Schriftsatz vom 29. Februar 1996, eingegangen am 18. März 1996, zusätzliche technische Informationen in Form einer Regelbeschreibung geliefert. Diese Regelbeschreibung wird ergänzt durch aus zwei Diagrammen gemäß den Abbildungen 2 und 3 ersichtliche funktionale Zusammenhänge: einerseits der Viskosität und Austrittstemperatur vom Gasvolumenstrom bei vorgegebener Extruderdrehzahl und vorgegebenem Fluidvolumenstrom und andererseits Gasvolumenstrom als Funktion des Leistungseintrages für zwei vorgegebene Drehzahlen unter beispielhafter Markierung einer kritischen Beanspruchungsgrenze für die Stabilität der Schaumstruktur.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des mit Schriftsatz vom 12. April 1999 eingereichten Anspruches.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Nachdem der Einspruch zurückgewiesen wurde, so daß der Hauptantrag auf den gegenüber der erteilten Fassung unveränderten Anspruch gerichtet ist und die Kammer zu Beginn der mündlichen Verhandlung für den Hilfsantrag die Fragen der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ und 123 EPÜ erörtert hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Erfordernisse bezüglich dieser Artikel als erfüllt gelten können, was von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, verbleibt als einzige gemeinsame Frage für beide Anträge, ob das Streitpatent die Erfindung, die sich, wie voranstehend unter Punkt V ausgeführt, für beide Anträge auf ein Verfahren zum Steuern gründen soll, so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

3. Dem Vortrag der Beschwerdegegnerin folgend, daß die beanspruchte Erfindung ein Verfahren zum Steuern einer Kühlung von Schäumen betrifft, ist für die Entscheidung, ob die Einspruchsgründe unter Artikel 100 b) einer Aufrechterhaltung des Patentes entgegenstehen, der Offenbarungsgehalt des Streitpatentes als Ganzes bezüglich eines solchen Steuerungsverfahrens, also Beschreibung, Ausführungsbeispiele, Zeichnungen und Anspruchsfassung, in Betracht zu ziehen.

Des weiteren kann die Kammer dem Vortrag der Beschwerdegegnerin dahingehend folgen, daß sich im vorliegenden Fall der in Rede stehende Offenbarungsgehalt des Streitpatentes an den Lebensmitteltechnologen der auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik arbeitet bzw. sich an den Verfahrenstechniker mit lebensmitteltechnologischen Kenntnissen als zuständigen Fachmann wendet.

Dieser Fachmann besitzt fundierte Kenntnisse der theoretischen Steuerungs- und Regeltechnik und weiß um den praktischen Einsatz der auf dem Markt befindlichen [kommerziell erhältlichen] Geräte in der Technologie der Tiefkühlproduktherstellung wie zum Beispiel Tiefkühltorten- und Eiskremherstellung. Die Kenntnisse des einschlägigen Fachmannes umfassen im vorliegenden Fall somit Herstellungsverfahren bzw. Produktionsmethoden für Tiefkühlwaren bis zur großtechnischen Anwendung, beispielsweise für Tiefkühltorten und Eiskrem, einschließlich deren Ausgestaltung mit den der hierzu notwendigen Regel- und Steuerverfahren.

4. Die Beschreibung des Streitpatents für den Offenbarungsgehalt der in Rede stehenden Erfindung heranziehend, findet der Fachmann auf den ersten Blick klar gegliederte Abschnitte. So auf Seite 2, tituliert: "Grundsätzliche Überlegungen" und "Die heute übliche Arbeitsweise zum Herstellen von tiefgekühlten Torten"; Seite 3, "Herstellung von Speiseeis"; Seite 4, "Zusammenfassung des relevanten Standes der Technik" und "Aufgabe". Die Abschnitte auf den Seiten 5 bis Seite 6, Zeile 25 der Patentschrift tragen gegenüber den ursprünglich eingereichten Beschreibungsunterlagen keine ausdrücklichen Titulierungen mehr, lassen jedoch eine klare Gliederung erkennen in: erstens Ausführungen zur Herstellung von gekühlten bzw. tiefgekühlten eßbaren Schäumen unter Einbezug physikalischer Parameter wie Temperatur, Eiskristallgröße, prozentualer Wassergehalt und Gefriergeschwindigkeit, zweitens in kurze allgemein gehaltene Ausführungen zur Steuerbarkeit der Parameter sowie drittens in Ausführungen zur möglichen apparativen Ausgestaltung der Produktionsmethoden. Die restliche Seite 6 sowie die Seiten 7 und 8 enthalten figürliche Erläuterungen zu beispielhaften Ausführungsformen der Erfindung. Die entsprechenden Darstellungen nach den Figuren 1 bis 3 zeigen schematische Produktionsabläufe und schematische Vorrichtungsanordnungen, wobei insbesondere den Erläuterungen zur Figur 3 unter Angabe der Meßgrößen zu entnehmen ist, welche Messung an welchem Ort der gezeigten Apparatur vorzunehmen ist. Ob der Fachmann, abgesehen von dieser prima facie Betrachtung, den Erläuterungen zur Figur 3 eine weitergehende Bedeutung beimessen kann, wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, ist nachstehend unter den Punkten 6 und 7 aufgeführt.

5. Mit Bezug auf die klare Gliederung und die klaren Satzformulierungen ist es für das Verständnis des Fachmannes des Offenbarungsgehaltes der Beschreibung unerheblich, daß, wie die Kammer beim eingehenden Studium der gesamten Akte zum Streitpatent festgestellt hat, bei der Anpassung der ursprünglichen Beschreibung auf den beanspruchten Gegenstand der Patenterteilung, die ursprüngliche Formulierung "bei Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens" in "bei Anwendung der erfindungsgemäßen Steuerung" geändert wurde. Der Fachmann erkennt klar, daß sich die entsprechenden Passagen, insbesondere auf der Seite 5 der Patentschrift, auf ein Produktherstellungsverfahren und nicht auf eine Steuerung für ein solches Verfahren beziehen.

6. Abgesehen von einer kurzen Referenz auf einen Steuer-/Regelkreis gemäß zitiertem Stand der Technik auf Seite 4, Zeilen 46 bis 50, und der aufgabenhaften Formulierung auf Seite 4, letzter Absatz, findet der Fachmann den ersten Hinweis auf die eigentliche Steuerung der zuvor auf Seite 5, übergreifend Seite 6, beschriebenen Herstellungsweisen gemäß Streitpatent auf Seite 6, Zeilen 4 bis 7 der Patentschrift, die lauten:

"Der belüftete und gefrorene Schaum verläßt die Anlage kontinuierlich. Sämtliche Parameter zur Herstellung dieses Schaumes sind steuerbar wie z. B. Austrittstemperatur, Menge der eingebrachten (eingeschlagenen) Luft, Gefriergeschwindigkeit usw. Durch die Steuerung hält sich die Einrichtung zur Anwendung der erfindungsgemäßen Steuerung selbst in einem prozeßstabilen Zustand."

Unabhängig davon, daß der systematische Ersatz des Verweises auf ein erfindungsgemäßes Verfahren durch erfindungsgemäße Steuerung zu äußerst vagen Aussagen wie "Durch die Steuerung hält sich die .... Steuerung selbst in einem prozeßstabilen Zustand" führt, kann der Fachmann dieser Passage jedenfalls keine konkrete Aussage über die Frage, "wie" die Steuerung ausgeführt sein soll, entnehmen. Dies auch nicht in Verbindung mit der zuvor erwähnten aufgabenhaften Formulierung, wobei lediglich zu vermerken ist, daß die dort geltend gemachten "geringen Energiekosten" sich ursprünglich auf die Kühlung der Schäume während deren Herstellung bezog.

7. Wie auch von der Beschwerdegegnerin insbesondere geltend gemacht und die Kammer kann dem zustimmen, zeigen die Erläuterungen zum Ausführungsbeispiel des Streitpatentes nach der Figur 3, auf Seite 7, mit Zeile 32 beginnend bis Seite 8, Zeile 19, dem Fachmann anhand von Bezugszeichen, die nicht nur dort textlich erläutert, sondern auch ergänzend auf den Seiten 9 bis 12 in numerischer Folge aufgelistet sind, konkret, welche Meßgeräte an welcher Stelle der Apparatur anzuordnen sind. Der Fachmann versteht aus den Textpassagen auch klar, daß nach Ausführung der Messungen im Produktionsbetrieb bestimmte Zielgrößen vorgegeben bzw. erreicht werden sollen.

8. Die Kammer vermag der Beschwerdegegnerin jedoch nicht zuzustimmen, daß insbesondere durch die Passagen auf Seite 8, Zeile 4 ff., die im wesentlichen wie folgt lauten:

"Zielgrößen ... sind die Massetemperatur ... am Austritt der Tiefgefrierstufe... sowie der an dieser Stelle gemessene...Druck bzw. Differenzdruck..., welche ein Maß für die Konsistenz der aus der Anlage austretenden tiefgefrorenen Schaummatrix sind. Zur Erreichung der definierten Zielgrößen sind folgende Vorgabeparameter nach den Erfahrungen der Rezepturentwicklung einzustellen und in ihrer Konstanz zu kontrollieren bzw. zu regeln: Fluid- und Gasvolumenstrom ... Gasdruck... die Leistungsdaten der Antriebsaggregate...sowie die Eintrittstemperaturen des Kühlmediums in die einzelnen Prozeßstufen...und die Eintrittsgemischtemperatur...als auch der Gegendruck in der Aufschlagstufe....

Die maßgeblichen Regelgrößen für den Schaumaufschlag sind die Volumenströme von Gas und Fluid ..., maßgeblich für die Einstellung der Konsistenz (Zielgrößen...) sind die Leistungseinträge in den einzelnen Prozeßstufen...sowie die Geschwindigkeit des Kühlvorganges in der Tiefgefrierstufe, welche im wesentlichen durch die Eintrittstemperatur des Kühlfluids...bestimmt wird.",

die Regelkreise so konkret offenbart seien, daß ihre praktische Ausgestaltung dem Fachmann ohne zusätzliche technische Informationen nur unter Einbezug des allgemeinen Fachwissens unmittelbar möglich sei.

Besagte Passagen vermitteln zwar die Lehre, welche variablen Parameter insgesamt die Zielgrößen Massetemperatur am Austritt der Tiefgefrierstufe und den an dieser Stelle gemessenen Viskosen Druckverlust, welche ein Maß für die Konsistenz des erhaltenen tiefgefrorenen Schaumproduktes darstellen, zu beeinflussen vermögen und welches die maßgeblichen Regelgrößen für den Schaumaufschlag sind, aber offenbaren weder eine funktionale Verknüpfung der genannten variablen Parameter untereinander, noch eine Funktionalität dieser Parameter in Abhängigkeit der Zielgrößen.

Die Kammer verkennt bei dieser Beurteilung nicht, daß der Fachmann einfache Regelkreise in Abhängigkeit z. B. zweier Parameter wie Volumenstrom und Temperatur ohne weiteres zur Steuerung einer Anlage vorsehen kann, im vorliegenden Fall aber zeigt sich die Notwendigkeit der Offenbarung funktionaler Abhängigkeiten aufgrund der Unbegrenztheit der möglichen Verknüpfungen der Regelparameter.

Beim Fehlen jeglicher Angaben zur Funktionalität der zur Steuerung bzw. Regelung heranzuziehenden Parameter untereinander ist nach Überzeugung der Kammer dem Fachmann weder ein Startpunkt für die Ausgestaltung der Regelung nach allgemein üblichen theoretischen Konzepten der Regelalgorithmen, noch ein praktischer Ansatz über gekoppelte Regelkreise, wie sie zur Übertragung der Anlage nach der Figur 3 in die Praxis für den Fachmann ohne weitere Angaben auf Basis der Offenbarung des Streitpatentes prima facie notwendig scheinen, gegeben. Die Kammer kann der Beschwerdegegnerin somit auch nicht zustimmen, daß auf der Grundlage der im Streitpatent enthaltenen Informationen durch bloße Anwendung allgemeiner Kenntnisse der Regelungstechnik, zum Beispiel zur PID-Regelung oder "Fuzzy-Logik", dem Fachmann zwangsläufig alle notwendigen Regelverknüpfungen offenbart seien.

9. Auf diese Problematik der prima facie Notwendigkeit der Ausgestaltung komplexer gekoppelter Regelsysteme auf der Basis der Offenbarung des Streitpatentes angesprochen, hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung insbesondere geltend gemacht, daß der Kern der Erfindung darin zu sehen sei, daß bei Konstanthalten bzw. minimaler Regelabweichung eines produktabhängig zu ermittelnden Leistungseintrages in den einzelnen Prozeßstufen komplizierte Regelalgorithmen der übrigen Parameter, also z. B. auch komplexe gekoppelte Regelsysteme nicht mehr berücksichtigt werden müßten.

Eine solche Lehre der Vereinfachung der funktionalen Zusammenhänge aller möglichen Regelparameter vermag die Kammer aber weder den zitierten Textpassagen noch dem Rest der Streitpatentschrift zu entnehmen. Besagte Leistungseinträge durch Messung der Leistungsdaten Drehmoment und Drehzahl der einzelnen Antriebsaggregate sind zwar mehrmals neben anderen Parametern als mitbestimmender Beitrag maßgeblich für die "Erreichung der definierten Zielgrößen" bzw. "Einstellung der Konsistenz" genannt, es bleibt dem Fachmann jedoch verborgen, daß einzig die Leistungseinträge das Gesamtregel- bzw. Steuerverhalten dominierend bestimmen sollen. So drücken die hierzu relevanten Textpassagen:

"...sind folgende Vorgabeparameter nach den Erfahrungen der Rezepturentwicklung einzustellen und in ihrer Konstanz zu kontrollieren bzw. zu regeln: Fluid- und Gasvolumenstrom ... Gasdruck... die Leistungsdaten der Antriebsaggregate...sowie die Eintrittstemperaturen des Kühlmediums in die einzelnen Prozeßstufen...und die Eintrittsgemischtemperatur...als auch der Gegendruck in der Aufschlagstufe...."

"Die maßgeblichen Regelgrößen für den Schaumaufschlag sind die Volumenströme von Gas und Fluid ..., ...maßgeblich für die Einstellung der Konsistenz (Zielgrößen...) sind die Leistungseinträge in den einzelnen Prozeßstufen...sowie die Geschwindigkeit des Kühlvorganges in der Tiefgefrierstufe, welche im wesentlichen durch die Eintrittstemperatur des Kühlfluids...bestimmt wird.",

eindeutig aus, daß den genannten Regel- bzw. Steuerparametern keine unterschiedliche Gewichtung bei der Ausgestaltung des Verfahrens zukommen soll. Daß zum Beispiel das Drehmoment und die Drehzahl der Antriebsaggregate eine dominierende Regelgröße darstellen sollen, ist somit jedenfalls nicht erkennbar.

10. Die Kammer verkennt bei dieser Sachlage nicht, daß zum Beispiel auf der Grundlage einer dem Fachmann gegebenen einfachen funktionalen Verknüpfung aller Regelparameter, die Zielgrößen alleine als funktionales Merkmal eine Erfindung zu charakterisieren vermögen.

Bei der Fülle der Regelmöglichkeiten im vorliegenden Fall, welche von der Beschwerdeführerin wörtlich als Unendlichkeit der Kombinationen bezeichnet wurde und die für den Fachmann sogar komplexe gekoppelte Regelsysteme vermuten lassen, kann die bloße funktionale Merkmalsangabe einer Zielgröße aber nicht den Offenbarungsgehalt der Erfindung stützen.

11. Schließlich zeigen die vor der Einspruchsabteilung eingereichten zusätzlichen technischen Informationen zwar funktionale Zusammenhänge in Diagrammform, insbesondere das Diagramm nach der Abbildung 3, welches dem Leistungseintrag als Funktion des Gasvolumenstroms eine Bedeutung zukommen läßt. Die gezeigten Diagramme für sich genommen, können den voranstehend aufgezeigten Offenbarungsmangel des Streitpatents aber auch nicht heilen und deuten vielmehr darauf hin, daß dem Offenbarungsgehalt des Streitpatentes wesentliche Regelfunktionalitäten, die auch über die Erkenntnisse dessen was der Fachmann in der Streitpatentschrift implizit mitlesen würde, fehlen.

12. Was den Vortrag des Experten Prof. Kraßer in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer betrifft, so hat dieser treffend die durch die Erfindung zu erreichenden Vorteile bzw. Überwindung der Nachteile des Standes der Technik anhand der Offenbarung bestimmter Passagen des Streitpatentes aufgezeigt, die Kammer vermag jedoch nicht zu erkennen, wie dem Fachmann durch die aufgezeigten Vorteilsangaben die im Offenbarungsgehalt des Streitpatentes fehlenden Regelfunktionalitäten oder geltendgemachten Regelvereinfachungen explizit oder implizit an die Hand gegeben sein sollen.

13. Da das Streitpatent als Ganzes im Hinblick auf die vorliegenden Einwände unter Artikel 100 b) EPÜ nicht die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt und somit nicht aufrechterhalten werden kann, ist es nicht erforderlich, auf den von der Beschwerdegegnerin noch vorgelegten einzigen Anspruch gemäß Hilfsantrag einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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