T 0996/98 () of 5.7.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T099698.20010705
Datum der Entscheidung: 05 Juli 2001
Aktenzeichen: T 0996/98
Anmeldenummer: 91101256.5
IPC-Klasse: H04L 12/56
G06F 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Schaltungsanordnung zur Verwaltung gleicher Einheiten sowie Vermittlungselement
Name des Anmelders: Alcatel SEL Aktiengesellschaft, et al
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Patentanmeldung 91. 101 256.5 zurückzuweisen.

II. Die angefochtene Entscheidung war auf den Einwand gestützt, daß die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 8. gegenüber jedem der Dokumente

D1: H. M. Deitel, "An Introduction to Operating Systems", Addison-Wesley, Reading, Mass., 1984, 217 - 221; und

D2: D. Jäpel et al., "LAN/ISDN Interconnect via Frame Relay", IEEE Global Telecommunications Conference & Exhibition Hollywood, FL, 28. November - 1. Dezember 1988, 1791 - 1797

nicht neu seien, oder auf jeden Fall nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Die Erfindung gemäß dem unabhängigen Patentanspruch 18 sei naheliegend.

III. In einer Mitteilung vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht eine Erfindung i. S. des Artikels 52 (1) EPÜ sei. Die Erfindung nach Patentanspruch 8 sei nicht eindeutig neu und diejenige nach Patentanspruch 18 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf eine Zusammenschau des in der Patentanmeldung genannten Standes der Technik und der im Recherchenbericht angegebenen Patentschrift

D5: WO-A-86/03085.

IV. Am 5. Juli 2001 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die Kammer wies auf die folgende, im Recherchenbericht enthaltene Entgegenhaltung hin:

D3: Hj. Keller et al. "A novel memory controller for an ATM switch", 1990 International Zurich Seminar on Digital Communications, 5. - 8. März 1990, ETH Zurich/Switzerland, Proceedings, 103 - 114.

Die Beschwerdeführerin reichte einen neuen Anspruchssatz und eine geänderte Beschreibungsseite ein.

V. Die Patentansprüche 1 und 4 lauten:

"1. Schaltungsanordnung, die eine aus einer Vielzahl gleicher Einheiten bestehende Gesamtheit derart verwaltet, daß auf eine Anforderung hin jeweils eine freie Einheit aus der Gesamtheit ausgewählt wird, bei der jeder Einheit Mittel (AT, TSF) zugeordnet sind, mittels derer feststellbar ist, ob die letzte Auswahl länger als eine vorgegebene Zeit zurückliegt, bei der jeder Einheit ein Speicherplatz zugeordnet ist, bei der die aus einer Vielzahl gleicher Einheiten bestehende Gesamtheit ein Pufferspeicher (PS, SB) mit einer Vielzahl von Speicherblöcken ist, und bei der dem Pufferspeicher (PS) ein Altersspeicher (AT) zugeordnet ist, in dem jedem Speicherblock des Pufferspeichers ein Speicherplatz zugeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß Mittel vorhanden sind, um bei der Eingabe einer Information in einen Speicherblock des Pufferspeichers (PS) in den zugeordneten Speicherplatz des Altersspeichers (AT) eine Angabe über den Eingabezeitpunkt mit einzugegeben, um regelmäßig Kontrollen aller Angaben im Altersspeicher zu tätigen und um einen Speicherblock als frei zu bezeichnen, wenn der Eingabezeitpunkt länger als die vorgegebene Zeit zurückliegt."

"4. Vermittlungselement für ein ATM-System mit p Eingangseinheiten (IP1, ..., IPp) und q Ausgangseinheiten (OP1, ..., OPq), mit einem zentralen Pufferspeicher (PS) mit C Speicherblöcken für L Bits, mit einem Multiplexer (Mx) zum wahlfreien Verbinden einer der Eingangseinheiten mit dem Eingang des Pufferspeichers, mit einem Demultiplexer (Dx) zum wahlfreien Verbinden des Ausgangs des Pufferspeichers mit einer der Ausgangseinheiten und mit einem Listenspeicher (LL) mit C Speicherplätzen für je eine Adresse des Pufferspeichers, wobei jeder Speicherblock im Pufferspeicher demjenigen Speicherplatz im Listenspeicher zugeordnet ist, der die gleiche Adresse aufweist, bei dem jede an einer der Eingangseinheiten ankommende Zelle in Blöcke zu je L Bits unterteilt wird, bei dem jeder Block in einen freien Speicherblock des Pufferspeichers eingeschrieben wird und bei dem im Listenspeicher für jeden Speicherblock des Pufferspeichers die Adresse desjenigen Speicherblocks abgespeichert wird, in dem der nächste Block derselben Zelle eingeschrieben wird, dadurch gekennzeichnet, daß jedem der C Speicherplätze (LL) des Listenspeichers ein zweiter Speicherplatz (AT) mit gleicher Adresse zugeordnet ist, der dafür vorgesehen ist, eine Angabe aufzunehmen, aus der bestimmt werden kann, wie lange die letzte Eintragung in den zugeordneten Speicherblock des Pufferspeichers zurückliegt, daß regelmäßig eine solche Bestimmung durchgeführt wird und daß jeder Speicherblock freigegeben wird, der nach der vorbestimmten Zeit noch als belegt gekennzeichnet ist."

VI. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, daß die Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Sie beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 5 überreicht in der mündlichen Verhandlung;

Beschreibung, Seite 2, wie geändert in der mündlichen Verhandlung;

übrige Beschreibung und Zeichnungen wie ursprünglich eingereicht.

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen

Der neue Patentanspruch 1 entspricht im wesentlichen dem ursprünglichen abhängigen Patentanspruch 13. Der neue unabhängige Patentanspruch 4 ist mit dem ursprünglichen Patentanspruch 18 praktisch identisch. Die Kammer hat somit hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung der beanspruchten Gegenstände keine Bedenken.

2. Patentanspruch 4

Zuerst soll auf den unabhängigen Patentanspruch 4 eingegangen werden. Dieser betrifft ein Vermittlungselement für ein ATM-System. ATM (Asynchronous Transfer Mode) ist eine Datenpaketvermittlungstechnik mit hoher Übertragungskapazität. Die Vermittlungselemente, die gewissermaßen als "Datenweichen" funktionieren, puffern die Datenpakete, bis diese abgerufen und zum nachfolgenden Element weitergeleitet werden. Die Erfindung betrifft vor allem diese Pufferfunktion eines für sämtliche Eingänge des Vermittlungselements gemeinsamen Datenspeichers.

2.1. Der Stand der Technik

2.1.1. Keines der im Recherchenbericht zitierten Dokumente beschreibt ein Vermittlungselement mit sämtlichen Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 4. Lediglich D3 (s. Fig. 2, "Common memory based switches") beschreibt eine vom Prinzip her identische Schaltung, die insbesondere einen für alle Eingänge gemeinsamen Pufferspeicher aufweist. Allerdings bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, daß dem Fachmann ein Vermittlungselement gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs schon bekannt war. Dies wird auch in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung bestätigt (Spalte 3, Zeilen 25 - 44). Nach Ansicht sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Kammer stellt ein solches Vermittlungselement den nächsten Stand der Technik dar.

2.1.2. D5 beschreibt ein Vermittlungselement ohne gemeinsamen Pufferspeicher. Jeder Eingang weist ein Schieberegister auf (603, Fig. 6), in dem ein einkommendes Datenpaket gespeichert wird. Gleichzeitig mit der Eintragung wird ein Zeitgeber (531) gestartet. Es wird dann untersucht, ob das nachfolgende Vermittlungselement das Datenpaket empfangen kann. Wenn dies möglich ist, wird das Datenpaket vermittelt. Ist jedoch das nachfolgende Element blockiert, erfolgt kein Abruf der Daten. In diesem Fall gibt der Zeitgeber nach einer vorgegebenen Zeit ein Signal ab ("time-out"), das die Verwerfung der Daten im Schieberegister bewirkt (Seite 7, Zeile 25 bis Seite 8, Zeile 5). Außerdem wird der Zentralsteuerung mitgeteilt, daß eine Blockierung vorliegt.

2.2. Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 4 ist neu.

2.3. Erfinderische Tätigkeit

2.3.1. Ausgehend von dem bekannten Vermittlungselement nach dem Oberbegriff des Anspruchs 4 wird die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe in der Anmeldung mit Bezug auf den Pufferspeicher folgendermaßen angegeben (Spalte 1, Absatz 4):

"Wird nun ein Speicherplatz dieses Speichers aufgrund eines Fehlers nicht freigegeben (sei es, daß der Abruf fehlerhaft nicht erfolgt, sei es, daß die Freigabeprozedur fehlerhaft abläuft), so bleibt dieser Speicherplatz für die Dauer des weiteren Betriebs blockiert".

Mit der Zeit würde der Pufferspeicher immer weiter blockiert werden. Die beanspruchte Erfindung soll eine solche Entwicklung verhindern (Spalte 2 , Zeilen 10, 11).

2.3.2. Erfindungsgemäß wird vorgeschlagen, jedem Speicherblock im Pufferspeicher einen (zusätzlichen) Speicherplatz zuzuordnen. In diesen Speicherplatz wird eine Angabe aufgenommen, aus der bestimmt werden kann, wie lange die letzte Eintragung in den zugeordneten Speicherblock zurückliegt. Diese Verweildauer wird regelmäßig überprüft. Beim Überschreiten einer vorbestimmten Zeit wird der Speicherblock freigegeben. Die darin gespeicherten Daten gehen dabei verloren, was in dem vorliegenden Zusammenhang jedoch ohne Bedeutung ist.

2.3.3. Ein Fachmann, vor die genannte Aufgabe gestellt, würde zunächst untersuchen, ob im Rahmen des ATM-Systems eine geeignete Lösung schon bekannt ist. Dabei ist zu beachten, daß ATM-Vermittlungselemente unterschiedlich aufgebaut sein können. Im Dokument D3, das einen allgemeinen Überblick über ATM-Schaltnetzwerke gibt, werden anhand der Figuren 2 und 3 zwei alternative Strukturen beschrieben: Die erste weist einen für sämtliche Eingänge gemeinsamen Pufferspeicher auf, die zweite für jeden Eingang einen separaten Pufferspeicher. Die Erfindung ist vom ersten Typ, das in der Entgegenhaltung D5 beschriebene Element vom zweiten. In Kenntnis des allgemeinen Standes der Technik nach D3 würde der Fachmann daher sowohl die erste als auch die zweite Elementstruktur in seine Suche einbeziehen und somit zu D5 gelangen.

2.3.4. Die Beschwerdeführerin hat demgegenüber vorgetragen, daß der Fachmann nur Vermittlungselemente mit einem gemeinsamen Pufferspeicher berücksichtigen würde. Wird nämlich beim Anmeldungsgegenstand ein Datenpaket fehlerhaft nicht abgerufen, führt dies zu einer Einschränkung der Speicherleistung, jedoch nicht (unmittelbar) zu einer vollständigen Blockierung. Beim zweiten Schaltungstyp, dagegen, sperren solche Daten sofort den Datenweg. Außerdem sei das Problem nicht abgerufener, im Pufferspeicher verbliebener Datenblöcke durch die Erfindung vollständig gelöst, während in D5 das eigentliche Problem - die Blockierung eines darauffolgenden Vermittlungselements - nicht durch die bloße Verwerfung eines Datenpakets ausgeräumt werde. Entscheidend in D5 sei statt dessen die an die Zentraleinheit gerichtete Fehlermitteilung, welche auf die Blockierung aufmerksam mache.

2.3.5. Die Kammer kann sich jedoch der Ansicht nicht anschließen, daß der Fachmann D5 außer Betracht gelassen hätte. Das technische Problem betrifft gespeicherte, aber nicht abgerufene Daten, wobei dies ausdrücklich den Fall einschließt, daß der Abruf - wie in D5 - fehlerhaft nicht erfolgt (s. Punkt 2.3.1 weiter oben). Wenn dem Fachmann bewußt war, daß dieses Problem bei Vermittlungselementen des oben erwähnten zweiten Typs (D5) besonders schwerwiegend ist, hätte er solche Elemente auf jeden Fall berücksichtigen müssen. Es mag zutreffen, daß die vollständige Beseitigung einer in D5 beschriebenen Blockierung neben der bloßen Verwerfung der Daten eines weiteren Schrittes bedarf, nämlich des Abschickens einer Mitteilung an den Zentralrechner. Diesen Schritt hätte der Fachmann jedoch im Rahmen der Erfindung ausgelassen, da offensichtlich keine solche Mitteilung erforderlich ist.

2.3.6. Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann aus den obigen Gründen das Dokument D5 heranziehen und die dort vorgeschlagene Idee der Verwerfung eines nicht abgerufenen Datenpakets auf das Vermittlungselement gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 4 übertragen. Bei einer derartigen Vorgehensweise ergibt sich der beanspruchte Gegenstand, jedoch mit der folgenden Ausnahme: Nach der beanspruchten Erfindung ist jedem Speicherblock des Pufferspeichers ein Speicherplatz zugeordnet, der eine Angabe aufnehmen kann, aus der bestimmbar ist, wie lange die letzte Eintragung in den Speicherblock zurückliegt. Gemäß einer Ausführungsform (Fig. 13) ist diese Angabe der Zeitpunkt, an dem die Eintragung erfolgte, und diese Angabe wird regelmäßig mit der aktuellen Zeit verglichen. In D5 wird dagegen die "vorbestimmte Zeit", also die maximale Verweildauer des Datenpakets im Pufferspeicher, ausschließlich mit Hilfe eines Zeitgebers bestimmt, der zum Eintragungszeitpunkt gestartet wird.

2.3.7. Die beanspruchte Art von Zeitmessung ist jedoch schon bekannt. Zum Beispiel wird in D1 beschrieben (Abschnitte 9.3.3 und 9.3.4), wie ein Datenblock bei der Eintragung in einen Speicher mit einem "time stamp" versehen wird, um später seine Verweildauer im Speicher feststellen zu können.

In der Tat hat die Beschwerdeführerin auch nicht behauptet, daß diese Speicherung einer Zeitangabe an sich erfinderisch wäre. Sie hat jedoch vorgetragen, daß der Fachmann als Bezugspunkt nicht die Zeit der Einspeicherung der Daten wählen würde, wie in D5, sondern die Zeit der letzten Aktivität. Sie stützt diese Meinung auf D1 und D2, wo in ähnlich gelagerten Fällen die Zeit ab der letzten Verwendung des Speicherinhalts gemessen wird (D1, Abschnitt 9.3.6: "pages not used recently... may be replaced"; D2, Seite 1794, rechte Spalte, 2. Absatz: "delete entries if no activity is observed within a timeout period"). Dieses Argument erscheint jedoch nicht überzeugend. Erstens wird in D5 die technische Aufgabe tatsächlich dadurch gelöst, indem die Zeit ab der Einspeicherung gemessen wird. Es ist nicht ersichtlich, warum der Fachmann aufgrund von D1 - einer Schrift, die nicht einmal Vermittlungssysteme betrifft - oder D2 dieses Merkmal in Frage stellen würde. Zweitens ist nicht klar, was im Falle nicht abgerufener Daten die "letzte Aktivität" sein könnte.

2.3.8. Es folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3. Patentanspruch 1

Patentanspruch 1 betrifft eine Schaltungsanordnung, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin selber eher allgemeiner formuliert ist als Patentanspruch 4. Lediglich das Zeitmessungsmerkmal ist etwas näher angegeben, da auf den "Eingabezeitpunkt" der Information in den Pufferspeicher ausdrücklich Bezug genommen wird. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist dieser Unterschied jedoch unerheblich, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Anspruch 4 ergibt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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