T 0995/98 () of 29.8.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T099598.20000829
Datum der Entscheidung: 29 August 2000
Aktenzeichen: T 0995/98
Anmeldenummer: 93119870.9
IPC-Klasse: G06F 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Betreiben eines Mikroprozessors
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit, erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Patentanmeldung 93. 119 870.9 zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung vertrat die Auffassung, daß die Erfindung gemäß dem damaligen Anspruch 1 im Hinblick auf das Dokument

D2: EP-A-0 195 457

nicht neu sei.

III. In einem Bescheid der Kammer wurde erstmalig auf die folgende, im Recherchenbericht zitierte Schrift Bezug genommen:

D3: L. Klugherz, "Brücke in die 16-Bit-Welt", Elektronik, No. 22, 1988, S. 209-212.

IV. Mit Brief vom 6. Juli 2000 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Patentanspruch 1 ein.

Der Anspruch lautete (ohne Bezugszeichen):

Vorrichtung zum Betreiben eines Mikroprozessors, mit einem Mikroprozessor, der eine Steuerschaltung enthält zum Vorgeben eines aktiven und eines stromsparenden inaktiven Betriebszustands, der weiterhin einen Eingang aufweist, an den ein Signal zum Auslösen des aktiven Betriebszustands des Mikroprozessors anlegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß ein Oszillator vorgesehen ist, der ein periodisches Signal bereitstellt, das dem Eingang des Mikroprozessors als Aufwecksignal zum Auslösen des aktiven Betriebszustands unabhängig vom gerade vorliegenden Betriebszustand des Mikroprozessors zugeführt ist.

V. Die Beschwerdeführerin führte aus, daß die Erfindung gemäß der neuen Anspruchsfassung nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Bearbeitung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung

Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung mit einem Mikroprozessor, der einen aktiven und einen stromsparenden inaktiven Betriebszustand aufweist. Ein Oszillator stellt ein periodisches Signal bereit, das einem Eingang des Mikroprozessors als "Aufwecksignal" zugeführt wird. Dieses Signal schaltet den Mikroprozessor in den aktiven Betriebszustand. Da das Aufwecksignal unabhängig vom gerade vorliegenden Betriebszustand abgegeben wird, kann auch bei Störungen der aktive Betriebszustand zuverlässig ausgelöst werden. Aufgetretene undefinierte Betriebszustände während des inaktiven Betriebs werden durch das periodische Aufwecksignal beendet, und fehlerhafte Zustände, die bei einem durch Störungen bedingten unbeabsichtigten Übergang in den inaktiven Betriebszustand auftreten, werden ebenfalls beseitigt (s. Spalte 1, Zeilen 31-42 der veröffentlichten Patentanmeldung).

2. Änderungen

Patentanspruch 1 ist nicht in der Weise geändert worden, daß der Gegenstand der Anmeldung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

3. Neuheit

3.1. Nach Ansicht der Prüfungsabteilung stellt D2 den nächsten Stand der Technik dar. Diese Entgegenhaltung beschreibt eine Vorrichtung zur Eigenüberwachung eines Mikrocomputers. Der Mikrocomputer sendet Kontrollsignale aus, die eine vorbestimmte zeitliche Zuordnung zueinander haben. Wird diese Zuordnung nicht eingehalten, z.B. aufgrund äußerer Störeinflüsse, wird der Mikrocomputer zurückgestellt. Reset-Impulse werden in einer Schaltung 3 erzeugt, die von dem periodischen Ausgangssignal eines Oszillators 1 getaktet wird (s. Fig. 1). Es wird ferner angegeben, daß der Mikrocomputer vom Typ 8051 sein könnte.

3.2. Die Prüfungsabteilung war der Meinung, daß der bekannte Mikrocomputer einen aktiven und einen inaktiven Betriebszustand aufweise. Die Beschwerdeführerin hat dagegen ausgeführt, daß in D2 ausschließlich zwischen gestörten und ungestörten Betriebszuständen unterschieden werde. "Gestört/ungestört" könne nicht mit "aktiv/inaktiv" gleichgesetzt werden.

3.3. In dem neu eingereichten Hauptanspruch wird ausdrücklich angegeben, daß der "inaktive" Betriebszustand ein stromsparender Zustand ist. Dieses Merkmal ist aus D2 nicht bekannt. In D2 wird darauf gezielt, einen einwandfreien Mikrocomputerbetrieb zu gewährleisten trotz äußerer Störeinflüsse. Stromsparende Maßnahmen werden nicht erwähnt.

Aus D3 ist jedoch bekannt, daß Mikrocomputer vom Typ 8051 (das in D2 genannte Beispiel) stromsparende Moden aufweisen können (Seite 212, "Drei Arten, Strom zu sparen"). Es gibt insbesondere den "Power-Down-Mode", in dem sich der gesamte Rechner in den Ruhebetrieb schaltet und der Normalbetrieb nur über Reset wiederhergestellt werden kann. Es ist aus D2 jedoch nicht ersichtlich, daß der Computer sich in diesem "Power-Down-Mode" befindet, wenn das Reset-Signal erzeugt wird. Dies ist sogar unwahrscheinlich, da der Computer zu diesem Zeitpunkt ja nicht ruht sondern Kontrollsignale ausgibt. Es kann folglich nicht davon ausgegangen werden, daß das Reset-Signal einen aktiven Betriebszustand im Sinne der Patentanmeldung tatsächlich auslöst.

Ferner, auch wenn der in D2 beschriebene Mikrocomputer einen aktiven und einen inaktiven Betriebszustand im Sinne der Anmeldung aufweisen sollte, wird nicht gesagt, daß die Reset-Impulse unabhängig von diesen Zuständen erzeugt werden. Dies kann nicht einfach angenommen werden.

D2 offenbart deshalb nicht das Merkmal, daß dem Mikroprozessor ein Aufwecksignal zum Auslösen des aktiven Betriebszustands unabhängig vom gerade vorliegenden Betriebszustand des Mikroprozessors zugeführt wird.

3.4. Es folgt, daß die Erfindung gemäß Patentanspruch 1 neu ist.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Ausgehend von D2

Gemäß der Erfindung wird ein Aufwecksignal unabhängig vom gerade vorliegenden Betriebszustand des Mikroprozessors erzeugt. Der Vorteil liegt darin, daß der aktive Betriebszustand sicher ausgelöst wird. Dabei wird in Kauf genommen, daß die Energieeinsparung nicht maximal ist, da der inaktive Betriebszustand laufend unterbrochen wird.

Die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe wird in D2 nicht angesprochen, denn es wird zwischen den möglicherweise vorhandenen aktiven und inaktiven Betriebszuständen des Mikrocomputers nicht unterschieden. Dazu kommt, daß das beschriebene Reset-Signal nicht mit Sicherheit den aktiven Betriebszustand (im Sinne der Patentanmeldung) tatsächlich auslöst. Der Fachmann hatte unter diesen Umständen keinerlei Anlaß, Überlegungen bezüglich einem Aufwecksignal anzustellen.

Aber auch wenn das Reset-Signal in D2 als Aufwecksignal betrachtet werden könnte, erscheint die Erfindung nicht naheliegend. Denn um von der bekannten Schaltung zur Erfindung zu gelangen, müßte das periodische Ausgangssignal des Oszillators dem Mikrocomputer im Prinzip ununterbrochen zugeführt werden, unabhängig vom Betriebszustand des Mikrocomputers. Mit anderen Worten müßte die Schaltung 3, die dieses Signal normalerweise (d. h. bei ungestörtem Betrieb) sperrt, entfernt werden. Dann könnten keine Störungen mehr festgestellt werden. Es gehört jedoch zum Funktionsprinzip in D2, Störungen festzustellen und nur im Falle einer Störung den Mikroprozessor zurückzusetzen. Die notwendige Änderung der bekannten Vorrichtung stünde somit nicht mit deren grundlegenden Funktionsweise im Einklang. Solche tiefgreifende Änderungen sind normalerweise nicht naheliegend.

4.2. Ausgehend von D1 (DE-A-4 123 811)

Im Verfahren vor der Prüfungsabteilung wurde auch D1 berücksichtigt. Beschrieben wird ein Mikroprozessor, der nach dem Abarbeiten eines Programms ein Startsignal an einen Zeitgeber abgibt und anschließend in den inaktiven Zustand geht. Nach Ablauf einer vorgegebenen Zeit gibt der Zeitgeber ein Aufwecksignal zum Auslösen des aktiven Betriebszustands des Mikroprozessors ab.

Diese Schaltung unterscheidet sich von der Erfindung insbesondere darin, daß der Mikroprozessor sich immer in dem inaktiven Zustand befindet, wenn er das Aufwecksignal empfängt. Um von D1 zur Erfindung zu kommen, müßte der Fachmann erkennen, daß nur ein völlig unabhängig arbeitender Oszillator - also einer, der auch ohne Startsignal auskomme - ein sicheres Aufwecken gewährleiste. Nach Ansicht der Kammer hätte der Fachmann dies nicht eingesehen. D1 erweckt eher den Eindruck, daß das Ausgeben eines Startsignals notwendig ist. Denn dieses Signal zeigt an, daß der Mikroprozessor gerade inaktiv ist und "geweckt" werden muß. Aus Sicht der Entgegenhaltung D1, ohne Berücksichtigung der in der vorliegenden Patentanmeldung erwähnten Probleme, ergäbe es keinen Sinn, ein Aufwecksignal auch während des aktiven Betriebszustands zu erzeugen, da ein schon aktiver Prozessor nicht "geweckt" zu werden braucht.

Somit wäre der Fachmann nicht darauf gekommen, das Aufwecksignal dem Eingang des Mikroprozessors unabhängig vom gerade vorliegenden Betriebszustand des Mikroprozessors zuzuführen.

4.3. Es folgt, daß die Erfindung gemäß Patentanspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5. Antragsgemäß wird deshalb die Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung zurückverwiesen, insbesondere bezüglich der abhängigen Ansprüche und der Beschreibungseinleitung.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

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