European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T099298.20000328 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 März 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0992/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91121009.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 47/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verschlußkappe für Kunststoffverschluß | ||||||||
Name des Anmelders: | Jacob Berg GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Heinrich Stolz GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unzulässige Erweiterung (nein) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 121 009.4 ist am 20. September 1995 das europäische Patent Nr. 0 498 954 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt. Sie beantragte, das Patent in vollem Umfang wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) zu widerrufen.
Von den im Einspruchsverfahren entgegengehaltenen Dokumenten zum Stand der Technik hat im Beschwerdeverfahren nur die EP-A-0 306 670 (Dokument D4) eine wesentliche Rolle gespielt.
III. Mit ihrer am 17. September 1998 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.
Der Wortlaut des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 ist wie folgt:
"Verschlußkappe für einen Kunststoffverschluß mit einer Schraubkappe (2), einem Bügel (4) zum Hochziehen und einem Haltering (5), wobei der Haltering eine zylindrische Wand (5b) und einen am oberen Ende der zylindrischen Wand ringförmig nach innen ragenden Flansch (5a) aufweist, und durch diese zylindrische Wand (5b) und den Flansch (5a) einen Behälterhals (30) und einen Einsatzring (22, 21) des Verschlusses von außen und oben umgreift und so den Einsatzring (22, 21) an dem Behälterhals (30) festhält, wobei Schraubkappe (2), Bügel (4) und Haltering (5) einstückig und mindestens teilweise durch von Hand zerreißbare Laschen (8) miteinander verbunden sind und wobei die Projektion des Bügels (4) in die Ebene des Flansches (5a) nicht mit diesem Flansch (5a) und dem oberen Ende der zylindrischen Wand (5b) überlappt, dadurch gekennzeichnet, daß das obere Ende der zylindrischen Wand (5b) und der Flansch (5a) den oberen Rand des Halteringes (5) bilden und eine Unterbrechung (6) für eine in radialer Richtung nach außen weisende Grifflasche (7) des Bügels (4) aufweisen."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Verschlußkappe nach dem Anspruch 1. Der Anspruch 12 richtet sich auf einen Kunststoffverschluß mit einer Verschlußkappe nach einem der Ansprüche 1 bis 10, der Anspruch 13 auf einen Behälter mit einem Verschluß nach dem Anspruch 12.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 8. Oktober 1998 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.
Die Beschwerdebegründung ist am 20. Januar 1999 eingegangen.
V. Es wurde am 28. März 2000 mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent in Form des mit Schreiben vom 11. August 1998 eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sei der geltende Anspruch 1 durch einzelne, aus dem Zusammenhang herausgegriffene Merkmale des Ausführungsbeispieles eingeschränkt worden, was eine unzulässige Erweiterung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ darstelle. Es gehe eindeutig aus der ursprünglichen Beschreibung hervor, daß die Ausgestaltung des oberen Endes der zylindrischen Wand und des Flansches des Halteringes mit einer Unterbrechung für die Grifflasche nur in Kombination mit einer Grifflasche offenbart sei, deren radial außen liegender Rand in etwa mit dem Umfang der zylindrischen Wand abschließe. Der Anspruch 1 müßte daher durch dieses Merkmal ergänzt werden.
In dem am nächsten kommenden Stand der Technik nach dem Dokument D4 werde in Spalte 3, Zeilen 9 bis 27, bereits ein Behälterverschluß angesprochen, bei welchem der Bügel in der Ebene des Flansches des Halteringes liege. Zudem werde hier angeregt, eine Unterbrechung im Haltering vorzusehen, um die Ergreifung der Grifflasche durch den Benutzer zu ermöglichen. Weil es für den Fachmann ohne weiteres erkennbar sei, daß die Grifflasche von der Seite her zugänglich sein müsse, liege es für ihn nahe, die Unterbrechung im Flansch und in der zylindrischen Wand des Halteringes vorzusehen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin liege gegen eine solche Lösung kein technisches Vorurteil vor; daß sich der Fachmann von der ausreichenden Festigkeit des Verschlusses bei Vorsehen einer derartigen Unterbrechung anhand von praktischen Versuchen leicht selbst überzeugen könne, gebe die Beschwerdegegnerin selbst zu, vgl. Spalte 2, Zeile 56 bis Spalte 3, Zeile 8 der Patentschrift.
VII. Die Beschwerdegegnerin widersprach den Ausführungen der Beschwerdeführerin und machte dabei im wesentlichen folgendes geltend:
Die Länge der Grifflasche sei sowohl in der ursprünglichen als auch in der erteilten Fassung des Anspruchs offengelassen. Es sei für den Fachmann ohne weiteres erkennbar, daß es für die gute Zugänglichkeit zur Grifflasche nicht zwingend erforderlich sei, daß die Grifflasche bis dicht an den Außenumfang der zylindrischen Wand des Halteringes geführt sei. Es bestehe somit kein Anlaß, den geltenden Anspruch 1 unnötigerweise in diesem Sinne einzuschränken.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit beruhe auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise, bei welcher zudem Elemente des Lösungsvorschlags des Dokuments D4 mit Elementen eines dort konkret verworfenen Vorschlags verquickt würden. Tatsache sei, daß dem gesamten Stand der Technik kein Haltering mit einer Unterbrechung in seiner zylindrischen Wand zu entnehmen sei. Der Grund dafür liege darin, daß der Fachmann von einer unzureichenden Festigkeit eines solchen Halteringes ausgegangen sei. Es habe sich aber überraschenderweise gezeigt, daß dies nicht der Fall sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 und der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
2. Das angefochtene Patent betrifft eine Verschlußkappe für einen Kunststoffverschluß mit einer Schraubkappe, einem Bügel zum Hochziehen der Schraubkappe und einem Haltering, der einen Behälterhals und einen Einsatzring von außen und oben umgreift und so den Einsatzring am Behälterhals festhält. In der Praxis ist z. B. der Einsatzring über einen Balg mit einer Ausgießtülle verbunden auf deren Außengewinde die Schraubkappe aufgeschraubt ist.
Eine derartige Verschlußkappe ist in dem Dokument D4 beschrieben, von dem bereits in der ursprünglichen Anmeldung als am nächsten kommendem Stand der Technik ausgegangen wird. Wie bei der vorliegenden, beanspruchten Verschlußkappe sind bei der Verschlußkappe des Dokuments D4 die Schraubkappe, der Bügel und der Haltering einstückig ausgebildet und mindestens teilweise durch von Hand zerreißbare Laschen miteinander verbunden.
In Spalte 3, Absatz 2, des Dokuments D4 werden die Bedenken erläutert, die gegen eine einstückige Ausbildung der o. g. Teile bestanden haben sollen. Insbesondere müßte der Bügel zum Bewegen der Schraubkappe relativ zum Haltering für den Benutzer zugänglich sein, ohne daß er besondere Werkzeuge einsetze. Mit anderen Worten müßte der Fachmann in der Kopfwand des Halterings "unbekannte Mittel" vorsehen, um den in dieser Ebene liegenden Bügel ergreifen zu können. Solche Mittel, "z. B. Ausnehmungen oder Greifhilfen", seien aber "kaum denkbar".
Zur Überwindung dieser Bedenken schlägt das Dokument D4 vor, einen axialen Abstand zwischen der Ebene der Kopfwand des Halteringes und der Ebene der Kopfwand der Schraubkappe und des daran angelenkten Bügels vorzusehen, damit der Bügel freiliegt und vom Benutzer ergriffen werden kann. Insbesondere sind um eine kreisförmige Öffnung in der Kopfwand des Halterings zwei sich diametral gegenüberliegende bogenförmige Stege (Haltestücke 9) ausgebildet, welche einen doppelten Ringbügel und die Schraubkappe teilweise umfassen. Der Ringbügel ist durch von Hand zerreißbare Laschen mit den Stegen verbunden. Zwischen den Stegen weist der Ringbügel freiliegende Bereiche auf, mit einem Durchmesser, der dem Durchmesser der Öffnung in der Kopfwand des Halterings entspricht.
Gemäß Spalte 2, Absatz 2, der Patentschrift liegt der beanspruchten Erfindung die Aufgabe zugrunde, die Verschlußkappe so zu gestalten, daß die Handhabung für den Verbraucher klarer zu erkennen und zu bewerkstelligen ist, wobei die Verschlußkappe auch möglichst materialsparend und einfach herstellbar sein soll.
Nach dem geltenden Anspruch 1 wird diese Aufgabe bei einer Verschlußkappe mit den im Oberbegriff des Anspruchs angegebenen Merkmale dadurch gelöst, daß das obere Ende der zylindrischen Wand (5b) und der Flansch (5a) den oberen Rand des Halteringes (5) bilden und eine Unterbrechung (6) für eine in radialer Richtung nach außen weisende Grifflasche (7) des Bügels (4) aufweisen.
3. Zunächst ist der Einwand der Beschwerdeführerin zu prüfen, daß die neue Formulierung des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.
Im erteilten Anspruch 1 ist angegeben, daß der obere Rand des Halteringes eine Unterbrechung für eine in radialer Richtung nach außen weisende Grifflasche des Bügels hat. Diesbezüglich wurde im Einspruchsverfahren von der Beschwerdeführerin vorgetragen, daß beim Stand der Technik nach dem Dokument D4 der obere Rand des Halterings durch die bogenförmigen Stege gebildet werde, welche Stege ebenfalls eine Unterbrechung für die Grifflasche des Bügels aufweisen würden. Um diesen Einwand zu entkräften, wurde im geltenden Anspruch 1 die Form des Halterings dahingehend präzisiert, daß er eine zylindrische Wand und einen am oberen Ende der zylindrischen Wand ringförmig nach innen ragenden Flansch aufweist (Oberbegriff) und daß das obere Ende der zylindrischen Wand und der Flansch den oberen Rand des Halteringes bilden (Kennzeichen). Infolgedessen wurde klargestellt, daß sowohl das obere Ende der zylindrischen Wand, als auch der Flansch die Unterbrechung für die in radialer Richtung nach außen weisende Grifflasche des Bügels aufweisen. Eine eindeutige Basis für die entsprechende Formulierung des Anspruchs in diesem Zusammenhang ist in Spalte 5, Zeilen 17. bis 21, der veröffentlichten ursprünglichen Anmeldung zu finden. Weil aber in diesem Passus die Angabe folgt, daß der radial außen liegende Rand der Grifflasche in etwa mit dem Umfang der Zylinderwand abschließt, vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dieses Merkmal müsse ebenfalls in Anspruch 1 aufgenommen werden; dessen Fehlen im Anspruch stelle daher einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ in Gestalt einer unzulässigen Verallgemeinerung eines nur in einem ganz speziellen Zusammenhang offenbarten Merkmals dar.
Dieser Auffassung kann sich die Kammer nicht anschließen. Der Fachmann entnimmt der ursprünglichen Anmeldung, daß es die Unterbrechung im oberen Ende der zylindrischen Wand und im Flansch dem Verbraucher erlaubt, die Grifflasche mit Hilfe eines Fingers von der Seite zu greifen. Es ist für den Fachmann erkennbar, daß es für die gute Zugänglichkeit von untergeordneter Bedeutung ist, wie weit genau sich die Grifflasche in die Unterbrechung erstreckt. Von einem engen strukturellen und funktionellen Zusammenhang zwischen dem Vorsehen der Unterbrechung im oberen Ende der zylindrischen Wand und im Flansch einerseits und der im betreffenden Ausführungsbeispiel dargestellten Länge der Grifflasche andererseits kann somit keine Rede sein. Es besteht daher kein Anlaß im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ, das die Laschenlänge betreffende Merkmal in den Anspruch 1 aufzunehmen.
4. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit stützt sich im wesentlichen auf eine Textpassage in dem am nächsten kommenden Stand der Technik gemäß D4, die von dem von der Beschwerdegegnerin eingeschlagenen Lösungsweg unmißverständlich abrät, vgl. Punkt 2, Absatz 3, oben. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin stelle diese Passage aber lediglich die subjektive Auffassung des Verfassers des Dokuments D4 dar; sie könne daher nicht als Beleg für ein echtes technisches Vorurteil angesehen werden. Für die Kammer ist aber die Frage zweitrangig, ob man hier von einem Vorurteil der Fachwelt im eigentlichen Sinne sprechen kann. Worauf es ankommt ist, daß die in der betreffenden Passage geäußerten Bedenken offensichtlich auf für den Fachmann nachvollziehbare technische Überlegungen zurückgehen: Die Bildung einer Ausnehmung in der Kopfwand des Halterings zum Zweck des Ergreifens des Bügels könnte die Stabilität des Halterings, der im Transport und Gebrauch des Behälters hohen Kräften ausgesetzt werden kann, beeinträchtigen und folglich dessen Funktionstüchtigkeit in Frage stellen. Wenn dies für eine Ausnehmung in der Kopfwand des Halterings gelten soll, dann muß es für eine erfindungsgemäße Ausnehmung (Unterbrechung), die sich über das obere Ende der zylindrischen Wand und den äußeren Umfang der Kopfwand (Flansch) des Halterings erstreckt, um so mehr gelten. Es kann daher von diesem Dokument keine Anregung dahingehend ausgehen, zur Lösung der im vorliegenden Fall gestellten Aufgabe entgegen der Lehre der in D4 beanspruchten Erfindung (Gewährleistung eines Greifabstands zwischen Kopfwand der Bügelkappe und Kopfwand des Halterings) eine derartige Unterbrechung nicht nur in der Kopfwand des Halterings, sondern auch in dessen zylindrischer Wand vorzusehen.
In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, daß dem gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik kein vergleichbarer Haltering mit einer entsprechenden Unterbrechung - für welchen Zweck auch immer - zu entnehmen ist. Das Gewinnen der Erkenntnis, daß die beanspruchte Verschlußkappe den strengen Anforderungen der Praxis überraschenderweise gewachsen ist, gehört zur erfinderischen Leistung der Beschwerdegegnerin.
Aus den obigen Überlegungen geht hervor, daß sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik herleiten läßt und somit als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist (Artikel 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.