T 0957/98 () of 20.7.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T095798.20000720
Datum der Entscheidung: 20 Juli 2000
Aktenzeichen: T 0957/98
Anmeldenummer: 87103911.1
IPC-Klasse: G11B 5/704
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mehrschichtige Polyesterfolie für magnetische Informationsträger
Name des Anmelders: Mitsubishi Polyester Film GmbH
Name des Einsprechenden: Toray Industries, Inc.
Teijin Limited
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja - nach Änderung)
Beide Einsprüche zurückgezogen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 238 985 Beschwerde eingelegt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) durch die zweischichtige Polyesterfolie des Beispiels 2 der Druckschrift D1: JP-A-60-202530 (aus sprachlichen Gründen wird auf die eingereichte englische Übersetzung verwiesen) bei Berücksichtigung des am 14. Mai 1998 eingereichten Nacharbeitungsergebnisses dieser Folie neuheitsschädlich vorweggenommen sei. Der Gegenstand des während der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 1998 vor der Einspruchsabteilung hilfsweise eingereichten Anspruchs 1 sei zwar gegenüber dem im Einspruchsverfahren zitierten Stand der Technik neu, aber bei Berücksichtigung der Druckschriften D1 (insbesondere der Beispiele 5 und 6) und D5: JP-A-60-93626 (es wird auf die englische Übersetzung verwiesen) nicht erfinderisch.

II. In der Beschwerdebegründung erhob die Beschwerdeführerin den in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung präsentierten Hilfsantrag zum Hauptantrag. Mit der Eingabe vom 11. Juli 2000 wurde dieser Anspruch 1 geringfügig sprachlich geändert.

III. Der nunmehr geltende Anspruch 1 lautet:

"Koextrudierte, biaxial orientierte, mehrschichtige Polyesterfolie als Trägerfolie für magnetische Informationsträger, dadurch gekennzeichnet, dass die Gesamtdicke der mehrschichtigen Folie höchstens 10 m beträgt, die Oberflächenrauhigkeit der Trägerfolie auf der für die Aufnahme der Informationsträgerschicht vorgesehenen Seite einen Ra-Wert (DIN 4768) von gleich/kleiner als 0,005 µm und die Oberflächenrauhigkeit der Gegenseite der Trägerfolie, die nicht für die Aufnahme der Informationsträgerschicht vorgesehen ist, einen Ra-Wert von größer als 0,01 µm aufweist und dass die Folie einen E-Modul in Längsrichtung (MD) von größer/gleich 6500 N/mm2 hat und dass wenigstens eine der Schichten fein dispers verteilte anorganische und/oder organische Pigmente enthält, wobei die Polyesterfolie in einem Temperaturbereich von Tg + 70 C und dem Schmelzpunkt der Polymeren innerhalb eines Zeitintervalls von 0,5 bis 100 s thermisch nachbehandelt ist."

Weitere Ansprüche 2 bis 5 sind vom Anspruch 1 abhängig.

IV. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen damit, daß die in der angefochtenen Entscheidung angenommene Korrelation der aus D1 bekannten hohen F5-Werte mit dem beanspruchten hohen E-Modul-Wert (6500 N/mm2) nicht existiere und die von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren eingereichten Vergleichsversuchsergebnisse über die Folien Diafoil V620 und Hostaphan RG im Gegensatz zur Auffassung der Einspruchsabteilung keine unterschiedlichen Polyester, sondern beide Polyethylentherephthalatfolien beträfen.

V. Beide Beschwerdegegnerinnen haben nach Kenntnisnahme der Beschwerdebegründung ihre Einsprüche zurückgezogen.

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt damit die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf folgender Grundlage:

Ansprüche:

1, eingereicht mit Schreiben vom 11. Juli 2000 (eingegangen am 12. Juli 2000),

2. bis 5, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 25. November 1998 (eingegangen am 26. November 1998),

Beschreibung:

Seiten 2 und 3, eingereicht mit Schreiben vom 20. Juni 2000 (eingegangen am 27. Juni 2000),

Seite 2a, eingereicht mit Schreiben vom 11. Juli 2000 (eingegangen am 12. Juli 2000) und

Seiten 4 bis 6 gemäß Patentschrift.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Aufnahme der kennzeichnenden Merkmale des erteilten Anspruchs 2. Die neue Beschreibungseinleitung berücksichtigt die Druckschrift D1, den neuen Hauptanspruchswortlaut und die Streichung des erteilten Verfahrensanspruchs 7. Die Abkürzung MD für "Machine Direction" wurde aufgrund der angestrebten "Längsfestigkeit" (vgl. Seite 2, Zeile 48 und der in den Beispielen 1 bis 3 angegebenen E-Module in Längsrichtung gemäß EP-B1-238 985) durch den zutreffenden Ausdruck "Längsrichtung" ersetzt.

Diese Änderungen verletzen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht.

3. Neuheit

Entsprechend der Feststellung der Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung zum während der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 1998 als Hilfsantrag eingereichten Anspruch 1 ist auch der Gegenstand des nunmehr vorliegenden substantiell gleichwertigen Anspruchs 1 neu. Von den in D1 beschriebenen Folien erfüllen nur die Folien der Beispiele 5 und 6 (siehe Tabelle 3) beide Rauhigkeitskriterien. Die Ra-Werte der glatten und der rauhen Seite sind jeweils 0,004 und 0,010 für das Beispiel 5 und 0,005 und 0,010 für das Beispiel 6. Es handelt sich dort also auch um Folien, die bei ihrer Verwendung für ein magnetisches Aufzeichnungsmedium durch eine extrem glatte Oberfläche auf einer Seite Störeffekte vermeiden und auf der anderen Seite ein gutes Lauf- bzw. Gleitverhalten gewährleisten. Ein E-Modul für diese Folien ist nicht angegeben. Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 2 wurde im Einspruchsverfahren nicht angegriffen.

Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 ist somit neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Der nächstkommende Stand der Technik ergibt sich aus der Druckschrift D1. Dieser Stand der Technik offenbart eine koextrudierte, biaxial orientierte, mehrschichtige Polyesterfolie als Trägerfolie für magnetische Informationsträger. Jeweils die erste Seite (1) der Folien weist einen Ra(1)-Wert von 0 bis 0,015 m auf. Die Beispiele 5 bzw. 6 haben Ra(1)-Werte von 0,004 bzw. 0,005. Die andere Seite (2) der Folien kann gemäß Seite 10, Zeile 21 der Übersetzung Ra(2)-Werte von 0,005 bis 0,030 m aufweisen. Bei den Beispielen 5 und 6 beträgt der Ra(2)-Wert 0,01. Laut D1 ist die Folie des Beispiels 5 etwas schwierig zu handhaben (Ease of Handling of Base Film is somewhat bad). Gemäß D1, Seite 13, Zeile 20 bis Seite 16, Zeile 13 und Seite 23, Zeilen 8 bis 23 der Übersetzung enthält wenigstens eine der Schichten kleine Pigmente - wie auch auf Seite 3, Zeile 31 des Streitpatents beschrieben ist. Diese Schicht bestimmt das Laufverhalten eines mittels der Folien hergestellten Magnetbandes. Nach der Entgegenhaltung (vgl. z. B. Seite 24 der Übersetzung, Zeilen 17 bis 19) erfolgt eine thermische Nachbehandlung bei einer Temperatur von 200 C. Ein Zeitintervall für die thermische Nachbehandlung ist aber nicht offenbart. In D1 ist die Festigkeit der Folien durch den sog. F5-Wert angegeben. Dieser Wert entspricht der Kraft, die notwendig ist, um ein Folienband um 5 % zu recken. Eine 5%ige Dehnung führt jedoch gewöhnlich zu einer irreversiblen Dehnung der Folien, was die Qualität der Wiedergabe aus einem damit hergestellten Magnetband beeinträchigt.

Der Erfindung liegt demgegenüber die Aufgabe zugrunde, eine Trägerfolie für magnetische Informationsträger zu schaffen, die eine gute Gleitfähigkeit und Abriebfestigkeit bei Dauerbelastung sowie trotz extrem dünner Ausführung der Trägerfolie eine ausreichend beständige Längsfestigkeit aufweist, so daß die Qualität der Wiedergabe nicht leidet.

4.2. Lösung

Die im geltenden Anspruch 1 angegebene Lösung unterscheidet sich dadurch wesentlich von derjenigen gemäß D1, daß der Anspruch 1 eine Längsfestigkeit, ausgedrückt durch einen E-Modul in Längsrichtung (MD) von größer/gleich 6500 N/mm2 fordert. In D1 sind nur F5-Werte, aber kein Elastizitätsmodul angegeben.

4.3. Der E-Modul entspricht der Anfangssteigung der Kurve eines Zugdehnungsdiagramms, gilt also nur für den Bereich rein elastischer Verlängerung (z. B. bei einer Dehnung von weniger als 0,2 bis 0,3 %). Über der Elastizitätsgrenze tritt eine bleibende Dehnung auf. Der sogenannte F5-Wert gibt diejenige Kraft an, die notwendig ist, um ein Folienband um 5 % zu recken, bezieht sich also auf einen Bereich über der Elastizitätsgrenze. Bei einer Dehnung von 5 % ist eine nichtreversible Deformation des Materials eingetreten, so daß beispielsweise Molekülketten eine andere Konformation angenommen haben, im amorphen Bereich liegende Molekülketten gerissen sind oder einzelne Molekülketten aus Randbereichen von Kristalliten herausgezogen worden sind. Dies führt zu einem Abbau von Vernetzungsstellen im Polymer, also einer Veränderung der mechanischen Eigenschaften. Die Bedeutung des F5-Wertes und des E-Molduls sind damit physikalisch verschieden. Der E-Modul hängt weitgehend vom Kristallinitätsgrad und der lokalen Orientierung der Wiederholungseinheiten in der Polymerkette ab. Die Beschwerdeführerin hat anhand einer mit Schreiben vom 16. Dezember 1996 eingereichten Versuchsreihe nachgewiesen, daß normalerweise kein linearer Zusammenhang zwischen dem F5-Wert und dem E-Modul besteht. Danach können zwei Folien denselben F5-Wert haben, aber verschiedene E-Moduli aufweisen. Der im Anspruch 1 angegebene E-Modul-Wert in Längsrichtung (MD) von größer/gleich 6500 N/mm2 soll dafür sorgen, daß die Festigkeit der Folie trotz reduzierter Dicke so erhalten bleibt, daß die Qualität der Wiedergabe nicht leidet, d. h. daß sich das Magnetband unter normalen Betriebsbedingungen nicht irreversibel verdehnt. Dieses Qualitätsmerkmal wird durch den F5-Wert nicht zwingend erreicht. Der Erfindungsgehalt des Gegenstandes des Anspruchs 1 liegt in der Erkenntnis, daß es auf einen ausreichend hohen E-Modul in Längsrichtung ankommt, aber nicht auf einen hohen F5-Wert. Eine eventuell an einzelnen Folien festgestellte Korrelation zwischen F5-Wert und E-Modul - wie eine Nacharbeitung des Laminats gemäß Beispiel 2 von D1 durch eine Einsprechende (Toray Industries) anscheinend ergab (vgl. auch die in der vorliegenden Patentschrift angegebenen F5-Werte im Vergleich mit denjenigen von D1) ist zwar nicht ausgeschlossen, hat aber eher zufälligen Charakter und mindert den erfinderischen Wert des Gegenstandes des vorliegenden Anspruchs 1 nicht. Im übrigen ist nach Zurückziehung der beiden Einsprüche eine weitere Überprüfung der einzelnen Verfahrensparameter der von der Einsprechenden Toray Industries mit Eingabe vom 14. Mai 1998 eingereichten Erklärung über eine Nacharbeitung des Folienbeispiels 2 von D1 sowie dieses Ergebnisses nicht mehr möglich.

Von der Beschwerdeführerin wurde auch dargelegt, daß der E-Modul beispielsweise in die "Biegefestigkeit" mit eingeht, welche die Laufeigenschaften von Magnetbändern in Kassetten und beim Abspielen bestimmt. Der F5-Wert habe diesbezüglich höchstens eine geringfügige Aussagekraft. Der F5-Wert sagt nichts aus über den Kraftverlauf hin zu einer 5%igen Dehnung. Dieser Kraftverlauf ist aber entscheidend für das Qualitätskriterium der Steifigkeit.

4.4. Die Druckschrift D5 zeigt auf Seite 20 Beispiele 15 bis 17. mit einem Young's-Modulus 750 kg/mm2, der einem E-Modul größer 6500 N/mm2 entspricht. Jedoch sind die Ra-Werte wesentlich größer als im vorliegenden Anspruch 1 angegeben ist. Das Beispiel 1 zeigt zwar Ra-Werte, die im im Anspruch 1 angegebenen Wertebereich liegen. Jedoch erreicht der Young's-Modulus (vgl. Seite 6 der Übersetzung: 650 kg/mm2 ist kleiner als 6500 N/mm2) nicht den im Anspruch 1 angegebenen E-Modul-Wertebereich in Längsrichtung. Die Druckschrift D5 regt daher zu der beanspruchten Lösung ebenfalls nicht an.

4.5. Die übrigen im Einspruchsverfahren zitierten Druckschriften sind weniger relevant als D1 und D5.

4.6. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß sich die im Anspruch 1 angegebene Polyesterfolie nicht in naheliegender Weise aus dem nachgewiesenen Stand der Technik ergibt. Die Folie gilt somit nach Artikel 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Der Anspruch 1 ist daher gewährbar.

5. Die Ansprüche 2 bis 5 betreffen besondere Ausführungsarten der im Anspruch 1 angegebenen Folie und sind daher ebenfalls gewährbar.

6. Das Patent kann in der beantragten geänderten Fassung aufrechterhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang in der in Abschnitt VI angegebenen Fassung aufrechtzuerhalten.

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