T 0913/98 () of 10.7.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T091398.20010710
Datum der Entscheidung: 10 Juli 2001
Aktenzeichen: T 0913/98
Anmeldenummer: 95110207.8
IPC-Klasse: B60G 21/05
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbundlenkerhinterachse
Name des Anmelders: BENTELER AG
Name des Einsprechenden: ADAM OPEL AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 0 752 332 eingelegte, im wesentlichen auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützte Einspruch führte zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die im Einspruchsverfahren u. a. genannten Druckschriften EP-A-0 229 576 (D1) und DE-C-2 735 939 (D2) durch die am 21. August 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 12. September 1998 bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 27. November 1998 eingegangen.

III. Am 10. Juli 2001 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Anspruchs 1 vom 14. Juli 1999, ansonsten mit den erteilten Unterlagen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verbundlenkerhinterachse, die einen an den Enden (2) kreisrunden rohrförmigen, im mittleren Längenbereich (c) durch spanlose Umformung jedoch doppelwandigen U-förmigen Querträger (1, 1a-1c) aufweist, wobei die Abschnitte (b) zwischen den kreisrunden Enden (2) und dem mittleren U-förmigen Längenbereich (c) kontinuierlich vom kreisrunden zum U-förmigen Querschnitt übergehen, dadurch gekennzeichnet, dass der Querträger (1, 1a-1c) endseitig des mittleren, bezüglich seiner horizontalen Mittellängsebene (MLE) zueinander divergierende Schenkel (3) und aneinander liegende Wandungen aufweisenden U-förmigen Längenbereichs (c) an dem bogenförmig ausgebildeten Steg (4) mit nach innen oder nach außen gerichteten, abgerundete Ränder (9, 9a-9c) aufweisenden Einprägungen (6, 6a-6c) versehen ist."

IV. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Bei der aus einem Rohr hergestellten Verbundlenkerhinterachse nach der D1, die den Ausgangspunkt der Erfindung darstelle, träten in den Übergangsbereichen zwischen dem verformten mittleren Längenbereich und den nicht verformten Enden des Querträgers hohe Belastungen und Spannungen auf, die durch die Anbringung der Einprägungen entsprechend dem Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents gezielt verteilt würden. Die D2 offenbare eine von der D1 und dem Streitpatent völlig verschiedene Verbundlenkerachse, bei welcher der im Übergangsbereich zwischen der Querstrebe und des zur Erhöhung der Biegesteifigkeit angeschweißten Knotenbleches auftretende Steifigkeitssprung sowie die damit verbundenen hohen Spannungsspitzen durch Anordnung einer Sicke im Übergangsbereich vermieden werden sollen. Weder die geometrischen Verhältnisse noch der Verlauf der Steifigkeit sei bei der D2 mit den entsprechenden Verhältnissen bei der gattungsgemäßen D1 vergleichbar. Bei der beim Streitpatent angewandten Basiskonstruktion nach dem Vorbild der D1 trete aufgrund des kontinuierlichen Übergangs vom kreisrunden zum U-förmigen Querschnitt der Verbundlenkerachse kein Steifigkeitssprung wie bei der geschweißten Verbindung nach der D2 auf, bei der außerdem der Querlenker in seinem mittleren Bereich einwandig und an seinen durch das angeschweißte Knotenblech verstärkten Enden zweilagig ausgebildet sei. Bei der D1 und beim Streitpatent sei dies gerade umgekehrt. Die D2 weise somit in allen Bereichen völlig andere Querschnittsprofile als die D1 auf. Die Hinweise in der D2 auf die als integrierte Bestandteile der Längslenker oder der Querstrebe ausgebildeten Knotenbleche bezögen sich, was die Beschreibungseinleitung der D2 anbelange, auf den dort erörterten Stand der Technik. Der weitere diesbezügliche Hinweis in der Beispielsbeschreibung stehe im Widerspruch zum übrigen Offenbarungsinhalt der D2 sowie deren Aufgabenstellung und Aufgabenlösung im Anspruch 1, bei denen von der Verschweißung und vom Steifigkeitssprung im Übergangsbereich zwischen der Querstrebe und dem Knotenblech die Rede sei. In der D2 werde die zur Beseitigung des Steifigkeitssprunges angeordnete Sicke nur für die geschweißte Konstruktion vorgeschlagen. Der Fachmann habe daher der D2 keine Anregung dafür entnehmen können, die bei der Verbundlenkerachse nach der D2 vorhandene Sicke zur Lösung der bei der D1 auftretenden Spannungsprobleme zu verwenden. Der Gegenstand nach den Anspruch 1 des Streitpatents beruhe daher auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Beschwerdegegnerin trug im wesentlichen folgendes vor:

Die im Streitpatent gegenüber der gattungsgemäßen Konstruktion nach der D1 definierte objektive Aufgabe stimme im Prinzip mit der in der D2 formulierten Aufgabe überein. Bei der D2 gehe es ebenfalls um unzulässige Spannungsspitzen am Übergang zwischen dem mittleren Bereich und den Enden des Querträgers. Für die der D2 zu entnehmende Lehre spiele es keine Rolle, ob das Knotenblech an der Querstrebe angeschweißt oder ob es als integrierter Bestandteil des Querträgers ausgebildet sei. Das Problem sei ferner unabhängig davon, ob es sich um ein- oder zweilagige Teilprofile handle, immer das gleiche. Weiter sei die in Spalte 2 der D2 definierte Problemstellung nicht nur auf geschweißte Konstruktionen bezogen, so daß es für einen Fachmann naheliegend war, die aus der D2 bekannte Einprägung auch bei der gattungsgemäßen Konstruktion nach der D1 in Erwägung zu ziehen. Die beanspruchte Lösung sei daher nicht erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

Die in den Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem Wortlaut des ursprünglichen und unverändert erteilten Anspruchs 1 eingefügte Wortfolge "und aneinander liegende Wandabschnitte" ist am Übergang der Seiten 2 und 3 der ursprünglichen Beschreibung offenbart und im übrigen auch den entsprechenden Querschnittsdarstellungen der Ausführungsbeispiele zu entnehmen. Der geänderte Anspruch 1 entspricht demnach den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) EPÜ.

Durch die Einfügung der o. g. zusätzlichen Wortfolge wurde der Schutzumfang des Anspruchs 1 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt und nicht erweitert, so daß der geltende Anspruch 1 auch den Anforderungen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ entspricht.

3. Neuheit

Der Anspruch 1 des Streitpatents geht im Oberbegriff von dem Stand der Technik nach der D1 aus, dem darüber hinaus (vgl. den Anspruch 4 in Verbindung mit dem Anspruch 2 der D1) auch noch das im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents enthaltene Teilmerkmal zu entnehmen ist, daß der U-förmige Längenbereich des Querträgers aneinanderliegende Wandabschnitte aufweist. Einprägungen, wie im weiteren Inhalt des Anspruchskennzeichens definiert, sind der D1 nicht zu entnehmen.

Die Verbundlenkerhinterachse nach der D2 unterscheidet sich insbesondere dadurch von der Konstruktion des Streitpatents, daß der Querträger über seine gesamte Längserstreckung einseitig offen ausgebildet ist, so daß keine kreisrunden, rohrförmigen Enden vorliegen. Darüber hinaus ist der mittlere Längenbereich des Querträgers im Gegensatz zu dem beim Streitpatent nicht doppelwandig, sondern einwandig ausgeführt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist somit im Vergleich zum Stand der Technik unbestritten neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

Bei der beanspruchten, von der Basiskonstruktion nach der D1 ausgehenden Verbundlenkerhinterachse sind die an den äußeren Enden des Querträgers vorhandenen kreisrunden, rohrförmigen Profilbereiche zum mittleren Längenbereich des Querträgers hin spannlos in ein doppelwandiges, U-förmiges Querträgerprofil umgeformt. Dabei entstehen zwischen den kreisrunden Querträgerenden und dem U-förmigen mittleren Längenbereich Übergangsbereiche, die entsprechend den Angaben in der Streitpatentschrift aufgrund der dort auftretenden Spannungsbeanspruchung den Forderungen der Praxis nach einer langen Lebensdauer nicht gerecht werden. Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe besteht somit darin, diese hochspannungsbelasteten Übergangsbereiche zwischen dem verformten und nicht verformten Längenabschnitten des Querträgers so zu gestalten, daß die auftretenden Spannungen über den gesamten entsprechenden Profilbereich gleichmäßig verteilt werden.

Diese Aufgabe wird nach dem Kennzeichen des Anspruchs 1 im wesentlichen dadurch gelöst, daß der Querträger endseitig seines mittleren doppelwandigen Längenbereichs an dem bogenförmig gebildeten Steg (des U-förmigen Querschnitts) Einprägungen mit nach innen oder nach außen gerichteten, abgerundeten Rändern aufweist.

Die D2 befaßt sich, wie in der Spalte 2, Zeilen 18 bis 20. angegeben ist, mit dem Problem, in Verbundlenkerachsen unzulässig hohe örtliche Spannungsspitzen zu vermeiden. Als Lösung empfiehlt sie eine Sicke an den Stellen anzuordnen, an denen üblicherweise besonders gefährliche Spannungsspitzen auftreten (vgl. Spalte 2, Zeilen 27, 28). Die Sicke soll dort einen Spannungsabbau bewirken, während gleichzeitig an den Stellen, wo üblicherweise ungefährliche Spannungen auftreten, eine gewisse Spannungserhöhung erfolgen soll. Bei der Verbundlenkerachse nach der D2 liegt die die größten Spannungsspitzen aufweisende Stelle am Ende des einen U- oder V-förmigen Querschnitt aufweisenden mittleren Querträgerabschnitts. Von dieser Stelle ausgehend verstärkt das Knotenblech 3 das äußere Ende des Querträgers 2 (im Falle des Ausführungsbeispiels und der Figur 2 der D2 geschieht dies durch Verbindung mittels einer Schweißnaht 31). Dabei entsteht ein doppelwandiges, aus dem Ende des U- bzw. V-förmigen Querträgers und den ebenfalls U- bzw. V-förmigen Knotenblech zusammengesetztes Profil. Wie auch aus der Figur 2 der D2 ersichtlich ist, liegt somit die Sicke 4 endseitig des mittleren, nicht versteiften und somit torsionsweichen Querträgerabschnitts vor der Stelle, an welcher der Querträger durch das Knotenblech unter Bildung eines doppelwandigen Profils verstärkt und somit versteift wird. An dieser Übergangsstelle treten bekanntermaßen bei den in Rede stehenden Verbundlenkerachsen die größten Spannungsspitzen oder auch Spannungssprünge (wie in der D2 erwähnt) auf.

Bei der bekannten Verbundlenkerachse nach der D1, welche die Profilgebung der beim Streitpatent verwendeten Verbundlenkerachse offenbart, liegt der Ort der größten Spannungsspitzen ebenfalls dort, wo der torsionsweiche mittlere Längenbereich des Querträgers in den torsionssteiferen kreisrunden rohrförmigen Querschnitt übergeht. Die kritischen Spannungsverhältnisse liegen somit bei den Verbundlenkerachsen nach der D1 und D2 an den Übergängen zwischen dem torsionsweichen mittleren Längenbereich des Querträgers und dessen torsionssteifen Endbereichen. Die beiden bekannten Längslenkerformen sind demnach bezüglich des Ortes der maximalen Spannungsspitzen und der daraus abgeleiteten Aufgabenstellungen durchaus miteinander vergleichbar, obwohl ihre Querschnittsprofile im mittleren Längenbereich und in den Endbereichen des Querträgers verschieden sind.

Es mag zwar zutreffen, wie die Beschwerdeführerin argumentiert, daß bei der D2 aufgrund des angeschweißten Knotenbleches ein Steifigkeitssprung auftritt, während im Übergangsbereich der Verbundlenkerachse nach der D1 aufgrund des kontinuierlichen Wechsels vom U-förmigen in den kreisrunden Querschnitt die Steifigkeitsänderung weniger sprunghaft vor sich geht. Dies verhindert jedoch nicht, daß bei der D1 im Übergangsbereich ebenfalls unzulässig hohe örtliche Spannungsspitzen entstehen, deren negative Folgen eben durch Anbringung der nach der D2 bekannten Einprägung eliminiert werden können.

Da die bei der D2 genannten und die bei der D1 offensichtlich ebenfalls auftretenden Probleme an den Übergängen zwischen dem torsionsweichen und torsionssteifen Querträgerabschnitten im wesentlichen gleich sind, war es für einen Fachmann naheliegend, die aus der D2 bekannte Sicke bzw. Einprägung zu ihrem bestimmungsgemäßen Zweck auch bei der Konstruktion nach der D1 einzusetzen.

Aus diesem Grunde kann der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhend angesehen werden.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist daher nicht patentfähig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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