T 0908/98 () of 6.12.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T090898.20021206
Datum der Entscheidung: 06 Dezember 2002
Aktenzeichen: T 0908/98
Anmeldenummer: 95924165.4
IPC-Klasse: H01L 21/98
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer dreidimensionalen Schaltungsanordnung
Name des Anmelders: Infineon Technologies AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0860/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Prüfungsabteilung hat mit der Entscheidung vom 28. April 1998 die europäische Patentanmeldung Nr. 95 924 165.4 wegen mangelnder Neuheit (Artikel 52 (1) und 54 EPÜ) des Verfahrens gemäß Anspruch 1 zurückgewiesen.

In der Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde das folgende Dokument berücksichtigt:

D1: EP-A-0 531 723

II. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat am 26. Juni 1998 unter Entrichtung der Beschwerdegebühr gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und zugleich einen Haupt- und einen Hilfsantrag eingereicht. Die Beschwerdebegründung wurde am 21. August 1998 nachgereicht.

Weiterhin hat die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ beantragt, da dies wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels, nämlich der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 (1) EPÜ), der Billigkeit entspreche.

III. Die Kammer hat in einem Bescheid ihre vorläufige Meinung dargestellt, daß eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ aus den folgenden Gründen nicht angeordnet werden könne.

Die Prüfungsabteilung habe in einem ersten und einzigen Bescheid vom 21. Juli 1997 dargelegt, weshalb dem Verfahren gemäß Anspruch 1 die Neuheit gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 fehle. Sie habe weiterhin in der Zurückweisungsentscheidung ausgeführt, warum nach ihrer Meinung die Änderungen der Patentansprüche und die vorgelegten Argumente nicht geeignet seien, die erhobenen Einwände zu überwinden. Diese Vorgehensweise begründe jedoch keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Artikel 113 (1) EPÜ).

Nach Ansicht der Kammer beruhe die Zurückweisung der Anmeldung zwar auf einer groben Fehlbeurteilung derselben und des Standes der Technik. Dies sei jedoch eine materialrechtliche Beurteilung der Sache und kein Verfahrensmangel, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß den engen Voraussetzungen der Regel 67 EPÜ erlaube (vgl. T 860/93, ABl. EPA 1995, 47).

IV. In ihrer Antwort auf den Bescheid der Kammer hat die Beschwerdeführerin am 6. November 2002 den einzigen Antrag gestellt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:

Beschreibung: Seiten 1 und 1A eingereicht mit Schreiben vom 6. November 2002

Seiten 2 bis 12 wie ursprünglich eingereicht

Ansprüche: Nummer 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag eingereicht mit Schreiben vom 26. Juni 1998

Zeichnungen: Blatt 1/3 bis 3/3 wie ursprünglich eingereicht.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde fallen gelassen.

Der einzige unabhängige Anspruch 1 dieses Antrags lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung einer dreidimensionalen Schaltungsanordnung,

- bei dem in einer ersten Hauptfläche (12) eines ersten Substrats (11) mindestens ein erstes Bauelement mit ersten Kontakten (14) gebildet wird, wobei die ersten Kontakte (14) im Bereich der ersten Hauptfläche (12) angeordnet sind,

- bei dem in einer zweiten Hauptfläche (17) eines zweiten Substrats (16) mindestens ein zweites Bauelement mit zweiten Kontakten (19) gebildet wird, wobei die zweiten Kontakte (19) im Bereich der zweiten Hauptfläche (17) angeordnet sind,

- bei dem nachfolgend das erste Substrat (11) und das zweite Substrat (16) so zu einem Stapel zusammengefügt werden, daß die erste Hauptfläche (12) auf die zweite Hauptfläche (17) trifft und daß mindestens ein erster Kontakt (14) und ein zweiter Kontakt (19) aufeinandertreffen,

- bei dem mindestens eine der Hauptflächen (12, 17) mit einer Haftschicht (111) versehen wird, über die das erste Substrat (11) und das zweite Substrat (16) fest miteinander verbunden werden,

- bei dem mindestens eines der Substrate (11) mit elektrischen Anschlüssen (112) versehen wird,

- bei dem das erste Substrat (21) von einer der ersten Hauptfläche (12) gegenüberliegenden Rückseite (212) her gedünnt wird, wobei das zweite Substrat (26) als stabilisierende Trägerplatte wirkt,

- bei dem nachfolgend in der Rückseite (212) Kontaktlöcher zu dem ersten Bauelement geöffnet und mit Rückseitenkontakten(213) versehen werden."

V. Zur Begründung ihres Antrags trug die Beschwerdeführerin folgendes vor:

In dem aus Dokument D1 bekannten Verfahren werde ein zweites Substrat mit einem ersten Substrat, das mit seiner ersten Hauptfläche zum Träger gewandt auf diesem Träger befestigt sei, mit der aktiven Schicht, das heißt der zweiten Hauptfläche, auf der Rückseite des ersten Substrats befestigt.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheide sich von dem aus diesem Dokument bekannten Verfahren dadurch, daß beim Zusammenfügen des ersten Substrats mit dem zweiten Substrat zu einem Stapel die erste Hauptfläche des ersten Substrats auf die zweite Hauptfläche des zweiten Substrats treffe.

Selbst wenn als zweites Substrat die in Figur 3h im Dokument D1 dargestellte Struktur betrachtet werde, so ändere dies nichts an der Tatsache, daß in dem entstehenden Stapel die aktive Schicht des neu hinzugefügten Substrats an die Rückseite des zuvor bearbeiteten Substrats angrenze und nicht an dessen aktive Schicht, die dem Träger zugewandt sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Die Prüfungsabteilung hat in ihrer Entscheidung keine Einwände nach Artikel 123 (2) EPÜ erhoben.

Weiterhin wurde das Herstellungverfahren gemäß Anspruch 1 während des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der zurückgewiesenen Fassung nur insoweit geändert, daß das erste und zweite Substrat nicht als ein ungedünntes Substrat gekennzeichnet ist. Die Kennzeichnung des ersten und zweiten Substrats als ungedünnt in der zurückgewiesenen Fassung des Anspruchs 1 ist nicht klar (Artikel 84 EPÜ), da diese Eigenschaft an einem beliebigen Substrat (vgl. Seite 2, Zeilen 21-26 der veröffentlichten Anmeldung) nicht zu erkennen ist. Da diese Änderung der Klarheit des Anspruchs dient und dieses Merkmal folglich keine einschränkende Wirkung beinhaltet, verstößt seine Streichung aus dem Wortlaut des Anspruchs nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

3.1. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer dreidimensionalen Schaltungsanordnung in der mehrere Substrate mit Bauelementen zur Erhöhung der Packungsdichte und Verkürzung der Verbindungswege zu einem Stapel verarbeitet werden. Da die aktive Region einer Substratscheibe, in der die Bauelemente gebildet werden, in der Regel ca. 5-10 µm tief ist, bleibt der Rest der Substratscheibe ungenützt und dient ausschließlich der mechanischen Stabilisierung. Um die Packungsdichte zu erhöhen, werden die Bauelemente enthaltende Substrate bis auf weniger als 10 µm dünn geschliffen und als Stapel angeordnet. Als Verbindungswege werden in senkrechter Richtung durch die Substrate hindurch Kontakte gebildet (vgl. Anmeldung, Seite 1, Zeilen 13 bis 25).

3.2. Aus Dokument D1 ist ein Herstellungsverfahren bekannt, bei dem in einem ersten Substrat 52 eine aktive Schicht 54 gebildet wird, welche Bauelemente enthält (vgl. D1, Seite 3, Zeilen 44 bis 45 und Fig. 3a). Ferner werden Kontakte durch die aktive Schicht in das Substrat eingebracht, so daß die Kontakte bei dem nachfolgenden Ätzen des Substrats auf der Rückseite desselben freigelegt werden. Das Substrat wird zuerst auf etwa die Hälfte der ursprünglichen Dicke mechanisch gedünnt und auf einen Träger 70 geklebt, wobei die Substratoberfläche welche die aktive Schicht beinhaltet, dem Träger zugewandt ist (vgl. Seite 4, Zeilen 20 bis 22 und Fig. 3f). Anschließend wird die freiliegende Rückseite des Substrats auf eine vorgegebene Dicke geätzt, wobei die eingebrachten Kontakte freigelegt werden (vgl. Seite 4, Zeilen 28-29 und Fig. 3h). Der Stapelprozeß wird durch Aufbringen weiterer Substrate fortgesetzt, so daß jeweils die aktive Schicht des neu hinzugefügten Substrats an die zuletzt durch Dünnätzen behandelte Oberfläche des Stapels angrenzt (vgl. Seite 4, Zeilen 38 bis 42 und Fig. 3i).

3.3. In ihrer Entscheidung hat die Prüfungsabteilung festgestellt, daß alle im Anspruch 1 definierten Merkmale aus Dokument D1 bekannt seien. Sie wies in diesem Zusammenhang auf die Figuren 3a-i und 4a-d sowie den entsprechenden Text dieses Dokuments hin und betrachtete insbesondere die in der Figur 3h dargestellte Struktur als dem zweiten Substrat 16 entsprechend.

Weiterhin stellte sie fest, daß die von der Anmelderin vorgebrachte Argumentation bezüglich der Rolle der aktiven Schicht in dem im Dokument D1 beschriebenen Verfahren nicht relevant sei, da im Anspruch 1 keine aktive Schicht definiert werde.

3.4. Die Kammer kann aus den folgenden Gründen diese Begründung nicht nachvollziehen.

Das im Anspruch 1 dargestellte Herstellungsverfahren beinhaltet das Zusammenfügen zweier Substrate zu einer dreidimensionalen Schaltungsanordnung, wobei die erste Hauptfläche des ersten Substrats auf die zweite Hauptfläche des zweiten Substrats trifft (vgl. Anspruch 1, dritter Absatz). Die Hauptfläche der jeweiligen Substrate wird als die Substratoberfläche definiert, in der mindestens ein Bauelement mit Kontakten gebildet wird (vgl. Anspruch 1, erster und zweiter Absatz). Hiermit sind die Hauptflächen beider Substrate eindeutig gekennzeichnet, nämlich durch das Vorhandensein mindestens eines Bauelementes.

Wie oben erwähnt, ist in der in Figur 3h des Dokuments D1 dargestellten Struktur ein Substrat auf einen Träger 70 mit einer Kleberschicht 73 befestigt, so daß die aktive Schicht 54 des Substrats dem Träger zugewandt ist. Die in Dokument D1 als aktive Schicht 54 gekennzeichnete Substratoberfläche ist diejenige, welche die Bauelemente enthält; sie entspricht daher der Substrathauptfläche gemäß Anspruch 1. Die in der Figur 3h dargestellte Struktur hat somit keine freie Oberfläche, die einer Hauptfläche gemäß Anspruch 1 entspricht.

3.5. In dem aus Dokument D1 bekannten Verfahren wird ein zweites Substrat, das dem ersten Substrat hinzugefügt werden soll, mit seiner Hauptfläche an der gedünnten Rückseite des ersten Substrats befestigt. Im Gegensatz hierzu werden im Verfahren nach Anspruch 1 die ersten beiden Substrate so aneinandergefügt, daß ihre jeweiligen Hauptflächen zusammentreffen.

Die Argumentation der Anmelderin war entgegen der Meinung der Prüfungsabteilung deswegen in hohen Maße relevant.

Somit ist das Herstellungsverfahren gemäß Anspruch 1 neu.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1. Das im Dokument D1 dargestellte Herstellungsverfahren hat den Nachteil, daß die stabilisierende Trägerplatte nach der Fertigstellung des Stapels in einem teuren und riskanten Prozeß wieder entfernt werden muß (vgl. Anmeldung, Seite 2, Zeilen 10 bis 11).

4.2. Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Anmeldung, ein Verfahren anzugeben, bei dem das riskante Entfernen der Trägerplatte vermieden wird (vgl. Anmeldung, Seite 2, Zeilen 12 bis 15).

4.3. Durch das beanspruchte Zusammenfügen des ersten und zweiten Substrats trifft die erste Hauptfläche auf die zweite Hauptfläche. Dadurch übernimmt das zweite Substrat die Rolle der Trägerplatte, während das erste Substrat von seiner Rückseite her gedünnt werden kann. Das anschließende aufwendige Entfernen einer zusätzlichen Trägerplatte ist aus diesen Gründen nicht erforderlich (vgl. Anmeldung, Seite 3, Zeilen 10 bis 22).

4.4. Das in Dokument D1 beschriebene Verfahren und die Herstellungsverfahren der weiteren im Recherchenbericht benannten Dokumente des Standes der Technik beinhalten alle die Verwendung einer zusätzlichen Trägerplatte und bieten deshalb keine Anregung für das im Anspruch 1 beanspruchte Herstellungsverfahren.

5. Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 52 (1) EPÜ genügt und deshalb patentierbar ist. Die Ansprüche 2 bis 7, die auf besondere Ausführungsformen der Erfindung nach Anspruch 1 gerichtet sind, haben zusammen mit Anspruch 1 Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung: Seiten 1 und 1A eingereicht mit Schreiben vom 6. November 2002

Seiten 2 bis 12 wie ursprünglich eingereicht

Ansprüche: Nummer 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag eingereicht mit Schreiben vom 26. Juni 1998

Zeichnungen: Blatt 1/3 bis 3/3 wie ursprünglich eingereicht.

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