T 0898/98 () of 8.3.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T089898.20010308
Datum der Entscheidung: 08 März 2001
Aktenzeichen: T 0898/98
Anmeldenummer: 95890076.3
IPC-Klasse: C08K 5/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kautschukmischung
Name des Anmelders: Semperit Reifen Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein) - naheliegende Kombination
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0551/89
T 0882/94
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende am 15. Juni 1998 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 9. April 1998, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 95 890 076.3, angemeldet am 7. April 1995 unter Beanspruchung einer AT Priorität vom 14. April 1994 und veröffentlicht unter der Nr. 0 677 548, zurückgewiesen wurde.

Die Beschwerdegebühr wurde am 12. Juni 1998 entrichtet; die schriftliche Beschwerdebegründung ist am 10. August 1998 eingegangen.

II. Die angefochtene Entscheidung beruht auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 29, deren unabhängige Ansprüche 1 und 29 wie folgt lauteten:

"1. Kautschukmischung für den Laufstreifen eines Reifens auf der Basis zumindest eines Polymers A aus der Gruppe der Homopolymere und zumindest eines Polymers B aus der Gruppe der Copolymere basierend auf konjugiertem Dien und aromatischer Vinylverbindung, enthaltend feinverteilte, gefällte Kieselsäure als Füllmaterial, gegebenenfalls Ruß und ferner Weichmacher, dadurch gekennzeichnet, daß im Weichmacheranteil zumindest ein Weichmacher aus der Gruppe der Tieftemperatur-Weichmacher vom Estertyp enthalten ist."

"29. Reifen, dessen Laufstreifen zumindest zum Teil aus einer vulkanisierten Kautschukmischung nach einer der Ansprüche 1 bis 28 besteht."

Die weiteren Ansprüche 2 bis 28 waren vom Anspruch 1 abhängig.

III. Die angefochtene Entscheidung stellte fest, daß der Gegenstand der Anmeldung nicht erfinderisch sei, weil es naheliege, die Haftung auf Schnee und Eis der in

D1: EP-A-0 501 277

offenbarten kieselsäuregefüllten Gummimischungen durch Zusatz der zu dem gleichen Zweck aus

D2: EP-A-0 524 164

für rußgefüllte Gummimischungen bekannten Triglycerid-Weichmacher zu verbessern.

IV. Während der mündlichen Verhandlung am 8. März 2001 reichte die Beschwerdeführerin Anspruchsfassungen eines Hauptantrags (25 Ansprüche) und eines 1. Hilfsantrags (14 Ansprüche, im folgenden "Hilfsantrag" genannt) ein, die jene fünf Anspruchsfassungen ersetzen, die mit der Beschwerdebegründung vorgelegt und im Bescheid des Berichterstatters vom 13. Oktober 2001 wegen Verstößen gegen die Bestimmungen der Artikeln 84 und 123 (2) EPÜ beanstandet wurden. Ein in der mündlichen Verhandlung zunächst ebenfalls eingereichter 2. Hilfsantrag wurde im Verlaufe der Verhandlung wieder zurückgezogen.

i) Die unabhängigen Ansprüche 1 und 25 des Hauptantrags lauten wie folgt:

"1. Kautschukmischung für den Laufstreifen eines Reifens auf der Basis zumindest eines Polymers A in einem Anteil von 20 bis 80 Gewichtsteilen ausgewählt aus Naturkautschuk, synthetischem Polyisopren und Butadienkautschuk mit einem Vinylanteil < 30 %, und zumindest eines Polymers B in einem Anteil von 80 bis 20 Gewichtsteilen ausgewählt aus der Gruppe der Copolymere basierend auf konjugiertem Dien und aromatischer Vinylverbindung, enthaltend ferner fein verteilte gefällte Kieselsäure in einem Anteil von 5 bis 100 Gewichtsteilen als Füllmaterial in Kombination mit einem Silankupplungsmittel in einem Anteil von 0,2 bis 10 Gewichtsteilen, enthaltend gegebenenfalls Ruß und enthaltend Weichmacher in einem Anteil von 10. bis 60 Gewichtsteilen, wobei sämtliche Gewichtsteile auf 100 Gewichtsteile Kautschuk in der Mischung bezogen sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass im Weichmacheranteil zumindest ein Weichmacher aus der Gruppe der Weichmacher vom Estertyp enthalten ist, dessen Anteil 3 bis 35 Gewichtsteile, bezogen auf 100 Gewichtsteile Kautschuk in der Mischung, beträgt."

"25. Reifen, dessen Laufstreifen zumindest zum Teil aus einer vulkanisierten Kautschukmischung nach einem der Ansprüche 1 bis 24 besteht."

Die Ansprüche 2 bis 24 des Hauptantrags sind von Anspruch 1 abhängig.

ii) Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags nur durch die eingeschränktere Definition des Weichmachers, die lautet:

"dadurch gekennzeichnet,

dass im Weichmacheranteil zumindest ein Weichmacher vom Estertyp enthalten ist, welcher ausgewählt ist aus den natürlichen Triglyceriden von Fettsäuren pflanzlichen oder tierischen Ursprungs mit einer Jodzahl > 80 und dessen Anteil...."

Der unabhängige Anspruch 14 des Hilfsantrags entspricht dem unabhängigen Anspruch 25 des Hauptantrags.

Die Ansprüche 2 bis 13 des Hilfsantrags sind von Anspruch 1 abhängig.

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im schriftlichen und mündlichen Verfahren im wesentlichen, daß es anmeldungsgemäß bezüglich der Verbesserung der Haftung auf Schnee und Eis zu einem synergistischen Effekt zwischen der Verwendung von Kieselsäure als Füllstoff und dem Zusatz von Weichmachern vom Estertyp komme. Dies erschließe sich aus den experimentellen Daten in der Anmeldung sowie den mit der Beschwerdebegründung neu eingereichten und in der mündlichen Verhandlung ergänzten Vergleichsversuchen.

Dieser Effekt könne weder aus D1, noch aus D2 oder einer Kombination dieser Entgegenhaltungen abgeleitet werden. Insbesondere könne der Fachmann D1 nicht entnehmen, daß die Verwendung von Kieselsäure einen günstigen Einfluß auf die Haftung auf Schnee habe, weil die in Tabelle 5 von D1 (Vergleich der Versuche N und I) angegebene Erhöhung der Schneehaftung insignifikant sei und im Streuungsbereich der Messungen liege; dieser Umstand sei dem Fachmann einerseits an sich bekannt, anderseits sei er auch belegt durch den Wert der Schnee-Traktion von nur 101 % (gegenüber dem 100 %-Wert für den rußgefüllten, esterweichmacher-freien "Vergleich 1") für den der Lehre von D1 entsprechenden "Vergleich 3" in der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Tabelle. Schon aus diesem Grund habe der Fachmann keinen Anlaß, sich von einer Kombination der in D1 und D2 getroffenen Maßnahmen, nämlich der gemeinsamen Verwendung von Kieselsäure-Füllstoff und von Esterweichmachern, eine Verbesserung der Wintereigenschaften von Kautschukmischungen für Reifenlaufstreifen zu erwarten, die über die in D2 durch den Zusatz des Esterweichmachers Rapsöl dokumentierte Verbesserung hinausgehe.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 25 des Hauptantrags oder der Ansprüche 1 bis 14 des Hilfsantrags, beide eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 (2) und 84 EPÜ

2.1. Anspruch 1 des Hauptantrags

Dieser Anspruch kombiniert die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 mit den Merkmalen folgender ursprünglicher Ansprüche:

- Anspruch 2: Mengen an Weichmacher und Weichmacher

vom Estertyp,

- Anspruch 17: Mengen der Polymere A und B,

- Anspruch 18: Definition des Polymers A,

- Anspruch 25: Menge an Kieselsäure,

- Anspruch 26: Silankupplungsmittel,

- Anspruch 27: Menge an Silankupplungsmittel.

Darüber hinaus wurde in Anspruch 1 die ursprüngliche Definition "Weichmacher aus der Gruppe der Tieftemperatur-Weichmacher vom Estertyp" durch die Definition "Weichmacher aus der Gruppe der Weichmacher vom Estertyp" ersetzt.

Diese Änderung ist nach Artikel 123 (2) EPÜ zulässig, da die Begriffe "Esterweichmacher" und "Weichmacher vom Estertyp" ohne die Ergänzung "Tieftemperatur-" in der ursprünglichen Anmeldung mehrmals verwendet werden, so daß die ursprüngliche Offenbarung nicht auf den Begriff Tieftemperaturweichmacher vom Estertyp eingeschränkt ist (cf. Ansprüche 2 bis 4, 7, 10, 16; Seite 2, Zeilen 20 bis 22, Zeilen 29 bis 32, Zeilen 34 bis 36; Seite 3, Zeilen 9 bis 11; Seite 3, Zeilen 23 bis 28, Zeilen 36 bis 37; Seite 6, Zeilen 4 bis 8; Seite 7, Zeilen 1 bis 4).

2.2. Anspruch 1 des Hilfsantrags

Das gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags einzige zusätzliche Merkmal dieses Anspruchs, nämlich daß der Weichmacher "ausgewählt ist aus den natürlichen Triglyceriden von Fettsäuren pflanzlichen oder tierischen Ursprungs mit einer Jodzahl > 80", stützt sich auf die Offenbarung des ursprünglichen Anspruchs 4.

2.3. Die Ansprüche 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags erfüllen somit die Bedingungen des Artikels 123 (2) EPÜ.

2.4. Ebenso genügen die genannten Ansprüche auch dem Erfordernis der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ.

3. Stand der Technik

3.1. Entgegenhaltung D1

Nach den Ansprüchen 1, 7, 9 und 11 betrifft diese Entgegenhaltung eine kieselsäure- und gegebenenfalls auch rußhaltige, schwefelvulkanisierbare Kautschukmischung auf Basis eines Copolymeren aus konjugiertem Dien und einer vinylaromatischen Verbindung, gegebenenfalls in Abmischung mit Dienelastomeren, wie Naturkautschuk, Polyisopren und Polybutadien, die sich zur Herstellung von Laufstreifen für Reifen eignet.

Gemäß Seite 4, Zeilen 28 bis 31 und 54 bis 57 können der Mischung Weichmacher zugegeben werden, wobei die Mischungen gemäß den Beispielen (Seiten 6 und 9, Tabellen 1 und 3) ein aromatisches Öl enthalten.

Tabelle 5 auf Seite 11 gibt für die Versuchsmischung I, die als Füllstoff zu 100% Kieselsäure enthält und die - bis auf den fehlenden Esterweichmacher - den Spezifikationen gemäß vorliegendem Anspruch 1 (Haupt- und Hilfsantrag) entspricht (cf. D1, Seite 6, Tabelle 1) einen Wert der Haftung auf Schnee von 104 % an, gegenüber dem Vergleichswert von 100 % für die Vergleichsmischung N, die als Füllstoff zu 100 % Ruß enthält.

3.2. Entgegenhaltung D2

Gemäß Beispiel 2 dieser Entgegenhaltung wird eine rußverstärkte Kautschukmischung aus Naturkautschuk und Styrol-Butadien-Kautschuk, die eine Weichmachermischung aus aromatischem Mineralöl mit Rapsölanteilen (einem Triglycerid von Fettsäuren) enthält (cf. D2, Seite 5, Tabelle 1), zu einem Reifenlaufstreifen verarbeitet.

Tabelle 2 auf Seite 5 zeigt inter alia die Überlegenheit einer solchen Laufstreifenmischung gegenüber einer Vergleichsmischung gemäß Beispiel 1, die als Weichmacher nur aromatisches Mineralöl enthält, in Bezug auf die Traktion auf Schnee (Verbesserung von 100 % auf 113 %) und die Bremskraft auf Eis (Verbesserung von 100 % auf 109 %).

4. Neuheit

Die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 von Haupt- und Hilfsantrag ist gegeben, gegenüber D1, weil dort keine Kautschukmischungen offenbart sind, die Weichmacher vom Estertyp enthalten, und gegenüber D2, weil dort ein Hinweis auf die Verwendung von Kieselsäure als Füllstoff fehlt.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Nächstliegender Stand der Technik

D1 kann als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, weil diese Entgegenhaltung, wie die vorliegende Anmeldung, kieselsäuregefüllte Kautschukmischungen für Laufstreifen von Kfz-Reifen beschreibt, die u. a. eine gute Haftung auf Schnee aufweisen.

5.2. Technische Aufgabe

Die von der vorliegenden Anmeldung zu lösende Aufgabe besteht darin, Kautschukmischungen bereitzustellen, deren Haftung auf Schnee und Eis gegenüber den Mischungen gemäß D1 weiter verbessert ist.

5.3. Beanspruchte Lösungen der technischen Aufgabe

Diese Aufgabe soll gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Beimischung von Weichmachern vom Estertyp, die gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags noch näher spezifiziert sind, erreicht werden.

5.4. Erfolg der beanspruchten Lösung

Aus den Testergebnissen in der ursprünglichen Beschreibung kann abgeleitet werden, daß die beanspruchten Lösungen, d. i. die Beimischung von Weichmachern vom Estertyp, darunter des dem Hilfsantrag entsprechenden natürlichen Fettsäuretriglycerids Rapsöl, die vorliegende technische Aufgabe tatsächlich lösen. Konkret zeigt ein Vergleich der dort referierten Beispielpaare Testbeispiel/Vergleichsbeispiel, daß der Zusatz der Esterweichmacher Rapsöl (Beispielpaare 1 und 2) bzw. Triethylenglycoldihexanoat (Beispielpaar 3) zu den getesteten kieselsäuregefüllten Laufstreifen-Mischungen in allen Fällen zu einer Verbesserung der Wintertauglichkeit (Schnee- und Eistraktion, Bremsen auf Schnee) der so ausgestatteten Reifen führt, ohne daß deshalb die Naßeigenschaften und der Rollwiderstand beeinträchtigt würden (cf. Seiten 8 bis 10, Tabellen 1, 2 und 3).

5.5. Naheliegen

5.5.1. Die Beurteilung des Naheliegens der anmeldungsgemäßen Lösung hängt davon ab, ob sich der Fachmann von einer Zumischung eines Esterweichmachers, insbesondere von Rapsöl, zu den in D1 offenbarten kieselsäuregefüllten Kautschukmischungen eine - wie in D2 für rußgefüllte Kautschukmischungen offenbarte - Verbesserung der Wintertauglichkeit erwarten würde.

5.5.2. Nach Auffassung der Kammer ist diese Frage zu bejahen, da die Wirkungsweise eines Weichmachers in Kautschukmischungen überwiegend auf eine Interaktion zwischen diesem und der Kautschukkomponente zurückzuführen ist (cf. Dr. W. Hofmann, Kautschuk-Technologie, Gentner Verlag Stuttgart, 1980, Seiten 352 bis 353, Punkt 5.5.1). Somit spielt es für die Übertragbarkeit der Lehre von D2 auf die Offenbarung von D1 keine wesentliche Rolle, daß dort die Verwendung von Rapsöl nur in Zusammenhang mit konventionellen, rußgefüllten Kautschukmischungen beschrieben ist, während sich D1 auf kieselsäuregefüllte Kautschukmischungen bezieht.

5.5.3. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß der Fachmann deshalb keinen Anlaß zu einer Kombination der Lehren von D1 und D2 habe, weil er sich von den in D1 offenbarten kieselsäuregefüllten Kautschukmischungen, wie sie auch anmeldungsgemäß verwendet werden, prinzipiell keine gute Wintertauglichkeit hätte erwarten können. Dies folgere aus der dem Fachmann bekannten höheren Steifigkeit von kieselsäuregefüllten im Vergleich zu rußgefüllten Kautschukmischungen, die zwangsläufig zu schlechterer Haftung auf Schnee führen müsse.

5.5.4. Diese Feststellung der Beschwerdeführerin steht allerdings im Widerspruch zu der in Tabelle 5 von D1 offenbarten 4%igen Verbesserung der Haftung auf Schnee für die kieselsäuregefüllte Mischung I im Vergleich zur rußgefüllten Mischung N (cf. Punkt 3.1 supra).

5.5.5. Diesen Widerspruch hält die Beschwerdeführerin für nur scheinbar existent, weil ihrer Meinung nach eine 4%ige Verbesserung insignifikant sei und im Bereich der Testtoleranzen liege.

5.5.6. Da die Beschwerdeführerin diese Feststellung nicht durch Vorlage von Resultaten einer Nacharbeitung der gemäß D1 durchgeführten Tests oder von entsprechenden Dokumenten substantiierte und da die beschwerdeführende Anmelderin grundsätzlich die Beweislast für von ihr behauptete, von der expliziten Offenbarung abweichende Interpretationen einer Entgegenhaltung zu tragen hat, muß diese Feststellung für die Interpretation von D1 außer acht gelassen werden.

Diese Schlußfolgerung gilt ungeachtet des im folgenden Punkt 5.5.9 referierten Testergebnisses einer kieselsäuregefüllten, esterweichmacher-freien Kautschukmischung ("Vergleich 3"), die bezüglich der Art der Bestandteile ihrer Rezeptur D1 entspricht, weil die dort getestete Mischung in vielen Punkten, sowohl in qualitativer, als auch in quantitativer Hinsicht von der Rezeptur der Mischung I gemäß Tabelle 1 der D1 abweicht, so daß ein fairer Vergleich dieser Mischungen nicht möglich ist. Darüberhinaus fehlen auch Angaben zur Vergleichbarkeit der jeweils verwendeten Meßmethoden der Schneehaftung.

5.5.7. Als Folge der in vorstehendem Punkt 5.5.3 erwähnten Behauptung der Beschwerdeführerin einer fehlenden Wintertauglichkeit der in D1 offenbarten Kautschukmischungen betrachtete diese die Entgegenhaltung D2 als dem Gegenstand der Anmeldung näherliegende Offenbarung.

5.5.8. Allerdings muß der Gegenstand von Anspruch 1 (Haupt- und Hilfsantrag) auch in diesem Fall als naheliegend gelten, weil sich der Fachmann im Hinblick auf die in D1 offenbarte Verbesserung der Schneehaftung kieselsäuregefüllter Kautschukmischungen (cf. Punkt 5.5.4 supra) vom Ersatz der in D2 verwendeten Rußfüllung durch die Kieselsäurefüllung gemäß D1 eine weitere Verbesserung dieser Eigenschaft erwarten mußte.

5.5.9. Die Beschwerdeführerin hat weiters geltend gemacht, daß der Fachmann sich aufgrund der Offenbarungen von D1 und D2 keinesfalls das anmeldungsgemäß erreichte synergistische Ausmaß der Verbesserung der Haftung auf Schnee und Eis erwarten konnte und hat zum Beleg dafür in der mündlichen Verhandlung folgende zusätzlichen experimentellen Resultate vorgelegt:

Mischung.......Erfindung...Vergleich.1.Vergleich.2.Vergleich 3

................"Silica+Raps"..."Ruß"..."Ruß+Raps".."Silica+Raps"

Susp.-SBR...........25...........25.........25.........25

Emuls.-SBR..........45...........45.........45.........45

Butadien-R..........30...........30.........30.........30

Ruß N121............10...........85.........85.........10

Kiesels. VN3........70...........--.........--.........70

aromat. Öl..........31...........45.........40.........36

Rapsöl...............5...........--..........5..........5

Silan X50S(+Ruß)....12.5.........--.........--.........12.5

Schwefel.............1.5..........1.5........1.5........1.5

Vulk-beschl. CBS.....1.5..........1.6........1.6........1.5

Vulk-beschl. DPG.....2.0.........--.........--..........2.0

Reifeneigenschaften........................................

Schneetraktion.......128..........100........113........101

Die Beschwerdeführerin folgerte aus dem erheblich über der Summe der Schneetraktionswerte für die "Vergleiche 2 und 3" (d. i. 113 % + 101 % = 114 %) liegendem Schneetraktionswert der beanspruchten Merkmalskombination (128%), daß in unerwarteter Weise eine Synergie zwischen Kieselsäure und Rapsöl auftrete.

5.5.10. Ungeachtet ihrer eventuellen Korrektheit, kann dieser Argumentation der Beschwerdeführerin schon aus prinzipiellen Gründen nicht beigetreten werden, weil das Ausmaß eines Effektes (hier Schneetraktion), der das Ergebnis einer an sich naheliegenden Maßnahme ist, den naheliegenden Charakter dieser Maßnahme nicht verändern und dieselbe Maßnahme folglich nicht "nicht-naheliegend" machen kann (cf. T 0551/89 vom 20. März 1990 und T 0882/94 vom 7. August 1997).

5.5.11. Die beanspruchten Lösungen der technischen Aufgabe gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags (i. e. Beimischung von (beliebigen) Weichmachern vom Estertyp) und gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags (i. e. Beimischung spezieller Fettsäuretriglycerid-Weichmacher, wie z. B. Rapsöl) erschließen sich für den Fachmann somit in naheliegender Weise aus den Offenbarungen von D1 und D2.

5.5.12. Die Gegenstände der Ansprüche 1 des Haupt- und Hilfsantrags erfüllen daher nicht das in Artikel 56 EPÜ aufgestellte Erfordernis einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Da Anträge als Ganzes zu beurteilen sind, erübrigt sich im vorliegenden Fall eine Prüfung der Gegenstände der weiteren Ansprüche des Haupt- und Hilfsantrags.

7. Weder der Hauptantrag noch der Hilfsantrag sind somit gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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