T 0856/98 () of 22.5.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T085698.20010522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2001
Aktenzeichen: T 0856/98
Anmeldenummer: 91107100.9
IPC-Klasse: B65D 23/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Oberflächenvergütete Gläser in Primärpackmitteln von Lyophilisaten
Name des Anmelders: SCHWARZ PHARMA AG
Name des Einsprechenden: Hexal Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent 456 113 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt, rechtzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und die Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Das Patent war wegen unzulässiger Erweiterung (Art. 100 c) EPÜ) und Mangel an erfinderischer Tätigkeit (Art. 100 a) EPÜ) angegriffen worden. Die Einspruchsabteilung begründete die angefochtene Entscheidung damit, daß der patentierte Gegenstand gegenüber dem genannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

III. Auf Antrag beider Parteien fand am 22. Mai 2001 eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Antragslage wie folgt war:

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis der Ansprüche in der Fassung vom 14. Mai 1998, hilfsweise auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 laut Hauptantrag in der Fassung vom 14. Mai 1998 lautet wie folgt:

"Verwendung von gläsernen Primärpackmitteln mit einer Silikonbeschichtung der jeweils inneren Glasoberfläche zur Herstellung von Lyophilisaten des Wirkstoffs PGE1, wobei die Silikonbeschichtung durch Einbrennsilikonisierung aus einer wäßrigen Silikonölemulsion aufgebracht worden ist".

Der unabhängige Anspruch 1 laut Hilfsantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2001, lautet wie folgt (die Hinzufügungen gegenüber dem Hauptantrag sind unterstrichen worden):

"Verwendung von gläsernen Primärpackmitteln mit einer Silikonbeschichtung der jeweils inneren Glasoberfläche zur Herstellung von Lyophilisaten des Wirkstoffs PGE1 in einer Zubereitung mit -Cyclodextrin und Lactose, wobei die Silikonbeschichtung durch Einbrennsilikonisierung aus einer handelsüblichen wäßrigen Silikonölemulsion aufgebracht worden ist".

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Die Erfindung gehe von der bis jetzt noch nicht theoretisch erklärbaren Beobachtung aus, daß am Hals von etwa 10 % der PGE1 enthaltenden Glasampullen sich bei der Gefriertrocknung eine feste Ablagerung bilde, die als Ausschuß ausgesondert werden müßte. Überraschenderweise wurde gefunden, daß eine Silikonisierung der Innenfläche der Glasampullen mit einer Silikonölemulsion gemäß Anspruch 1 diese Erscheinung verhindern konnte. Spätere, durch nachträgliche Laboruntersuchungen gewonnene Kenntnisse hätten gezeigt, daß lediglich eine Silikonisierung nach Anspruch 1 aus einer (handelsüblichen) wäßrigen Silikonölemulsion und nicht andere Silikonisierungstechniken in dieser Hinsicht wirksam seien.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Die zuletzt eingereichten Haupt- und Hilfsanträge seien gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig abgeändert worden. Ursprünglich sei entweder lediglich allgemein eine Silikonisierung unabhängig von der Beschichtungstechnik oder ein besonderes Verfahren zur Silikonisierung nach dem Ausführungsbeispiel, bei dem ein spezielles unter dem Namen Baysilon H® vermarktetes Silikonöl eingesetzt wurde, offenbart.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag enthalten einen Anspruch 1, der gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 folgende zusätzliche Merkmale aufweist:

(gläserne Primärpackmittel mit einer Silikonbeschichtung zur Herstellung von Lyophilisaten) "des Wirkstoffs PGE1, wobei die Silikonbeschichtung durch Einbrennsilikonisierung aus einer wäßrigen Silikonölemulsion aufgebracht worden ist."

Als Quelle für die Offenbarung dieser Merkmale in der ursprünglich eingereichten Fassung der Unterlagen (EP-A2-456 113) kommen allenfalls

a) Seite 2, Zeilen 49 bis 57, und

b) Seite 3, Zeilen 2 bis 14; oder

c) das darauf folgende Ausführungsbeispiel (Seite 3, Zeilen 19 bis 49) in Frage.

Aus den Stellen a) und b) entnimmt der Fachmann die Information, daß sich der zum Ausschuß führende Produktverlust bei der Lyophilisierung einer Prostaglandin E1 enthaltenden Rezeptur durch die Verwendung von durch Silikonisierung oberflächenvergütetem Glas anstelle der Verwendung von Packmitteln der Glasgüte I vermeiden läßt. Die Offenbarungsquellen a) und b) lassen völlig offen, welche dem Fachmann geläufige Methode zur Solikonisierung angewandt wird. Nur um eine dem Fachmann geläufige Methode zu erwähnen, könnte auch eine wäßrige Lösung von Monomeren, Bimeren oder Trimeren der entsprechenden Silikonverbindungen aufgebracht und in situ polymerisiert werden.

Die Offenbarungsstelle c) bezieht sich auf eine ganz spezifische Methode, bei der eine 1%ige wäßrige Emulsion eines Polydimethylsiloxans, das von einem bestimmten Hersteller unter einem bestimmten Handelsnamen vertrieben wird, auf die Oberfläche der Glasampulle aufgebracht und unter bestimmten Bedingungen eingebrannt wird. In diesen so hergestellten Ampullen wurde eine bestimmte Prostaglandin E1 enthaltende Lösung lyophilisiert.

Da die Beschwerdeführerin mit der Vorlage der geänderten Patentansprüche von der in den Offenbarungsstellen a) und b) enthaltenen Aussage abgerückt ist, daß der Wahl der Silikonisierungsmethode keine Bedeutung zukommt, sondern die Methode, bei der eine Silikonölemulsion in die Glasoberfläche eingebrannt wird, zum Kern des beanspruchten Gegenstandes gemacht hat, kommt der Offenbarungsstelle c) eine besondere Bedeutung zu. Diese Offenbarungsstelle enthält jedoch nicht die Aussage, daß der angestrebte Effekt beim Einsatz jeder (handelsüblichen) Silikonölemulsion eintritt (wie in den vorliegenden Ansprüchen beansprucht), sondern nur bei einem bestimmten Silikonöl und unter bestimmten Rezeptur- und Einbrennbedingungen. Bei der Beurteilung dieses Sachverhalts ist insbesondere noch zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin bereits im Einspruchsverfahren (siehe Schreiben vom 14. Mai 1998) geltend gemacht hat, daß das dem Streitpatent zugrundeliegende Problem spezifisch für den speziellen Wirkstoff Prostaglandin E1 ist und bei andere Wirkstoffe (z. B. Rinderserumalbumin) enthaltenen Rezepturen nicht auftritt. Auch in der diesem Schreiben anliegenden Erklärung der Vergleichsversuche wurde die Beschichtung in einer ganz spezifischen Weise durchgeführt. Diese schriftliche Aussage wurde in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Aus der vorstehenden Darstellung ergibt sich somit, daß das Merkmal "wobei die Silikonbeschichtung durch Einbrennsilikonisierung aus einer wäßrigen Silikonölemulsion aufgebracht worden ist" in der ursprünglichen Offenbarung keine Stütze findet.

Somit verstoßen die Ansprüche 1 sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag gegen die Bestimmungen von Artikel 123 (2) EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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