European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T085598.20010426 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 April 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0855/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93112792.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23H 3/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Regelung des Stromes bei einem elektrochemischen Bearbeitungsprozeß | ||||||||
Name des Anmelders: | Frembgen, Fritz-Herbert | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Robert Bosch GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen (Haupt-, 1. und 2. Hilfsantrag) - Erweiterung (bejaht) Änderungen (3. und 4. Hilfsantrag - Erweiterung des Schutzbereiches (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das auf die Anmeldung Nr. 93 112 792.2 erteilte europäische Patent Nr. 0 585 667 wurde mit der am 9. Juni 1998 verkündeten, am 26. Juni 1998 zugestellten Entscheidung von der Einspruchsabteilung widerrufen mit der Begründung, das Patent in der geänderten Fassung, vorgelegt durch den Patentinhaber in der Form eines Hauptantrags und zweier Hilfsanträge, erfülle nicht die Voraussetzungen des Artikels 123 (3) EPÜ.
II. Am 26. August 1998 legte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr und gleichzeitiger Vorlage einer Begründung Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.
III. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis des Anspruchs 1 des jeweiligen Anspruchssatzes der folgenden 5. Anträgen aufrechtzuerhalten:
Hauptantrag:
"Verfahren zur Regelung des Stromes bei einem elektrochemischen Entgratungsprozeß, bei dem während der Bearbeitung ein zwischen Werkzeug und Werkstück gebildeter Arbeitsspalt von einem Elektrolyten durchströmt wird und die Breite des Spaltes durch Materialabtrag vergrößert wird, indem vom Werkzeug zum Werkstück ein Gleichstrom fließt, dessen Strommenge am Ende des Bearbeitungsprozesses größer als am Anfang ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Bearbeitungsprozeß mindestens zwei Bearbeitungsperioden umfaßt, zwischen denen ein sprunghafter Strommengenanstieg erfolgt und daß dieser einen Wert im Bereich des Zwei- bis Zehnfachen der Anfangsstrommenge ausmacht."
1. Hilfsantrag:
"Verfahren zur Regelung des Stromes bei einem elektrochemischen Bearbeitungsprozeß, bei dem zwischen Werkzeug und Werkstück ein, von einem Elektrolyten durchströmter Arbeitsspalt gebildet wird, dessen Breite durch Materialabtrag vergrößert wird, indem vom Werkzeug zum Werkstück ein Gleichstrom fließt, dessen Strommenge am Ende des Bearbeitungsprozesses größer als am Anfang ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Bearbeitungsprozeß mindestens zwei Bearbeitungsperioden umfaßt, zwischen denen ein sprunghafter Strommengenanstieg erfolgt und daß dieser mindestens 500% der am Ende der ersten Bearbeitungsperiode vorhandenen Strommenge ausmacht."
2. Hilfsantrag (= Anspruch 1 wie erteilt):
"Verfahren zur Regelung des Stromes bei einem elektrochemischen Bearbeitungsprozeß, bei dem zwischen Werkzeug und Werkstück ein, von einem Elektrolyten durchströmter Arbeitsspalt gebildet wird, dessen Breite durch Materialabtrag vergrößert wird, indem vom Werkzeug zum Werkstück ein Gleichstrom fließt dessen Strommenge am Ende des Bearbeitungsprozesses größer als am Anfang ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Bearbeitungsprozeß mindestens zwei Bearbeitungsperioden umfaßt, zwischen denen ein sprunghafter Strommengenanstieg erfolgt und daß dieser mindestens 30 % der am Ende der ersten Bearbeitungsperiode vorhandenen Strommenge ausmacht."
3. Hilfsantrag (= Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags):
"Verfahren zur Regelung des Stromes bei einem elektrochemischen Entgratungsprozeß, bei dem während der Bearbeitung ein zwischen Werkzeug und Werkstück gebildeter Arbeitsspalt von einem Elektrolyten durchströmt wird und die Breite des Spaltes durch Materialabtrag vergrößert wird, indem vom Werkzeug zum Werkstück ein Gleichstrom fließt, dessen Stromstärke am Ende des Bearbeitungsprozesses größer als am Anfang ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Bearbeitungsprozeß mindestens zwei Bearbeitungsperioden umfaßt, zwischen denen ein sprunghafter Stromanstieg erfolgt und daß dieser einen Wert im Bereich des Zwei- bis Zehnfachen der Anfangsstromstärke ausmacht."
4. Hilfsantrag:
"Verfahren zur Regelung des Stromes bei einem elektrochemischen Entgratungsprozeß, bei dem während der Bearbeitung ein zwischen Werkzeug und Werkstück gebildeter Arbeitsspalt von einem Elektrolyten durchströmt wird und die Breite des Spaltes durch Materialabtrag vergrößert wird, indem vom Werkzeug zum Werkstück ein Gleichstrom fließt, dessen Stromstärke am Ende des Bearbeitungsprozesses größer als am Anfang ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Bearbeitungsprozeß mindestens zwei Bearbeitungsperioden umfaßt, zwischen denen ein sprunghafter Stromanstieg erfolgt und daß dieser einen Wert im Bereich des Zwei- bis Zehnfachen der Anfangsstromstärke ausmacht, wobei eine erste Bearbeitungsperiode mit konstanter oder ansteigender Stromstärke durchgeführt wird, bevor der Strom sprunghaft erhöht wird und daß die Dauer der ersten Bearbeitungsperiode im Bereich von etwa 10% bis etwa 40% der gesamten Bearbeitungszeit liegt."
IV. Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Die Argumente des Beschwerdeführers zur Stützung seiner Anträge lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Der Begriff "Strommenge" im erteilten Anspruch 1 sei kein gebräuchlicher Fachausdruck und müsse somit unter Zuhilfenahme der Beschreibung interpretiert werden. "Strommengenanstieg" bedeute hier nichts anderes als "Stromanstieg". Dieser umfasse sowohl den sprunghaften Stromstärkenanstieg als auch, bei gleichbleibender Stromstärke, die Verlängerung der Pulszeiten von der ersten zur zweiten Bearbeitungsperiode (siehe Seite 2, letzten Absatz, der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen). Unter diesem Gesichtspunkt sei Anspruch 1 des Hauptantrags in Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ.
Der ursprünglich im Anspruch 1 verwendete Begriff "Strom" wurde übrigens auf Veranlassung der Prüfungsabteilung in "Strommenge" geändert, weil der erstverwendete Begriff nicht klar sei. Dies wurde zuerst auch von der Einspruchsabteilung für zulässig gehalten, jedoch später in der Entscheidung bemängelt. Eine Begründung, warum sie ihre Meinung geändert habe und warum sie anderer Meinung als die Prüfungsabteilung sei, fehle.
Der 1. Hilfsantrag sei in der Hinsicht auch nicht zu beanstanden, weil gerade aus dem Beispiel, wobei die Stromstärke von 100 A (während einer ersten Bearbeitungsperiode von 3 Sekunden) auf 300 A (während einer zweiten Bearbeitungsperiode von 6 Sekunden) erhöht werde, klar werde, daß die Strommenge mit 500% zunehme, weil die Strommenge von 300 As auf 1800 As steige.
Anspruch 1 nach dem 2. Hilfsantrag (Aufrechterhaltung mit Anspruch 1 wie erteilt) erfülle auch die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ, weil der letzte Abschnitt der Seite 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung den Hinweis gebe, die Strommenge in der zweiten Bearbeitungsperiode zu erhöhen; in Kombination mit der Offenbarung der 30%-ige Erhöhung der Stromstärke sei die gleich große Erhöhung der Strommenge offenbart.
Der 3. Hilfsantrag und 4. Hilfsantrag führten nicht zu einer Erweiterung des Schutzumfanges, weil die "Strommenge" eben nicht als Produkt von Stromstärke und Zeit zu sehen sei, sondern als eine über die Zeit gemittelte Stromstärke.
VI. Die Beschwerdegegnerin führte im wesentlichen wie folgt aus:
Hauptantrag: Es gebe in der Beschreibung nur eine Angabe, daß die Stromstärke auf das Zwei- bis Zehnfache erhöht werden könne. Dies dürfe nicht zu einer Verallgemeinerung in der Richtung einer zwei- bis zehnfachen Erhöhung der Strommenge führen, weil letztere auch z. B. eine gleichbleibende Stromstärke mit entsprechender Verlängerung der Bearbeitungsperiode umfasse. Zu einer solchen Verlängerung der Bearbeitungsperiode fehle jedoch jede Angabe in der Beschreibung.
2. Hilfsantrag: der Wert von 30% sei ursprünglich nur in Verbindung mit einer Erhöhung der Stromstärke offenbart, nicht in Verbindung mit einer Strommenge. Damit gelte der gleiche Einwand wie für den Hauptantrag.
3. Hilfsantrag: der erteilte Anspruch 1 betreffe eine 30%-ige Erhöhung der Strommenge, unabhängig ob dies durch Erhöhung der Stromstärke oder durch Verlängerung der Bearbeitungszeit geschehe. Anspruch 1 nach diesem Hilfsantrag beschränke sich einerseits auf die Erhöhung der Stromstärke, gebe jedoch keine weitere Angaben zur Bearbeitungszeit. Ohne diesbezügliche Angaben könne eine Erhöhung der Stromstärke nicht ohne weiteres identisch mit der beanspruchten Erhöhung der Strommenge sein. Letztere bestehe bekannterweise aus dem Produkt von Stromstärke und Zeit.
Zum 1. und 4. Hilfsantrag hat sich die Beschwerdegegnerin nicht geäußert.
VII. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Art. 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hat die Kammer darauf hingewiesen, daß nach ihrer vorläufigen Meinung die Fassungen des Anspruchs 1 nach den verschiedenen Anträgen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) bzw. (3) EPÜ nicht erfüllten.
Darauf hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. Juli 2000 mit weiteren Argumenten reagiert, jedoch mit Schreiben vom 5. September 2000 der Kammer mitgeteilt, daß er an der angesetzten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Er beantragte, die Entscheidung auf dem Postweg zuzustellen. Der Termin für die mündliche Verhandlung wurde darauf von der Kammer mit Schreiben vom 15. September 2000 aufgehoben.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)
2.1. Auslegung des Begriffes "Strommenge"
2.1.1. Der Beschwerdeführer machte geltend, daß der Begriff "Strommenge" in Anspruch 1 in der erteilten Fassung kein gebräuchlicher Fachausdruck sei.
Die Kammer weist darauf hin, daß zumindest im Dokument DE-A-4 040 590, das als nächstliegender Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents erwähnt ist, dieser Begriff ebenfalls verwendet wird. Dabei ist "Strommenge" das Produkt von Stromstärke und Zeit (A.s) und der Begriff "Strom" wird dabei nur in Zusammenhang mit Stromstärke benutzt.
Auch die Beschreibung des Streitpatents verwendet den Begriff "Strommenge" in dieser Bedeutung, nämlich ebenfalls für das Produkt von Stromstärke und Zeit, siehe z. B. Spalte 1, Zeilen 22 bis 26 und Spalte 3, Zeile 29. An der erstgenannten Stelle ist von Strommenge pro Zeiteinheit (ist folglich gleich Stromstärke) die Rede, an der zweitgenannten Stelle wird die Gesamtstrommenge aus dem Produkt von Bearbeitungszeit und Stromstärke (A.s) errechnet.
2.1.2. Der Beschwerdeführer führte weiter aus, daß eine Auslegung von "Strommenge" als Produkt von Stromstärke und Zeit in dem Zusammenhang des erteilten Anspruchs 1 keinen technischen Sinn mache. "Strommengenanstieg" sei vielmehr unter Zuhilfenahme der Beschreibung als "Stromanstieg" zu interpretieren, "Strommenge" definiere dabei die zeitlich gemittelte Stromstärke.
Nach der Beschreibung des angefochtenen Patents kann das Verfahren zur Regelung des Stromes bei einem elektrochemischen Bearbeitungsprozeß folgende zwei Ausführungsformen haben:
- Eine sprunghafte Erhöhung der Stromstärke bei dem Übergang zwischen der ersten und zweiten Bearbeitungsperiode, in Zusammenhang mit einer ersten Bearbeitungsperiode, die kürzer ist als die zweite Bearbeitungsperiode, siehe dazu z. B. Spalte 1, Zeilen 37-40; Spalte 1, Zeile 57 bis Spalte 2, Zeile 14; Spalte 2, Zeilen 42-52; Spalte 3, Zeilen 18-26; Spalte 3, Zeile 54 bis Spalte 4, Zeile 26 des Streitpatents.
- Eine gleichbleibende Stromstärke, wobei die Pulsbreite der Strompulse in der zweiten Bearbeitungsperiode vergrößert wird. Spalte 1, Zeilen 41-44 des Streitpatents bietet hierfür die einzige Offenbarung.
Beide Ausführungsbeispiele weisen auf einen Unterschied in den Strommengen (als Produkt von Stromstärke und Zeit) hin, die in der ersten bzw. zweiten Bearbeitungsperiode verwendet werden, wobei die Strommenge in der zweiten größer als die in der ersten Bearbeitungsperiode ist.
Das erteilte Patent gibt somit keinen Anlaß, den Begriff "Strommenge" in Anspruch 1 in der erteilten Fassung anders als das Produkt von Stromstärke und Dauer der Anwendung des Stromes aufzufassen.
2.1.3. Auch die gleichlautenden Ausführungsbeispiele in der ursprünglich eingereichten Beschreibung weisen auf ein Strommengenunterschied zwischen der ersten und der zweiten Bearbeitungsperiode hin:
- sprunghafte Erhöhung der Stromstärke: Seite 2, vorletzter Absatz; Seite 3, Zeile 13 bis Seite 4, Zeile 4; Seite 5, zweiter Absatz; Seite 6, letzter Absatz; Seite 8, zweiter Absatz bis Seite 9, Ende.
- Vergrößerung der Pulsbreite: Seite 2, letzter Absatz.
Insoweit enthalten die ursprünglich eingereichten Unterlagen eine ausreichende Stütze dafür, daß "Stromanstieg" im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 durch den Begriff "Strommengenanstieg" ersetzt wurde.
Sie geben jedoch keinen Anlaß, "Strommengenanstieg" ausschließlich als "Stromanstieg" zu interpretieren.
2.2. Hauptantrag
Anspruch 1 nach dem Hauptantrag steht aus zweierlei Gründen in Konflikt mit den Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ:
2.2.1. Die Textstelle der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, die die Änderung (von mindestens 30% der am Ende der ersten Bearbeitungsperiode vorhandenen Strommenge auf einen Wert im Bereich des Zwei- bis Zehnfachen der Anfangsstrommenge) begründen soll (Seite 9), erwähnt diesen Anstiegsfaktor nur in Bezug auf eine Anfangsstromstärke, nicht in Bezug auf eine Anfangsstrommenge (das Produkt von Stromstärke und Bearbeitungszeit).
Ohne Angaben über die Dauer der zweiten Bearbeitungsperiode kann jedoch mit der Angabe in der ursprünglich eingereichten Beschreibung einer zwei- bis zehnfachen Erhöhung der Stromstärke nicht ohne weiteres auf einer zwei- bis zehnfachen Erhöhung der Strommenge gefolgert werden.
2.2.2. Die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen beinhalten in dem Beispiel c auf Seite 6 zwar eine Offenbarung eines Strommengenanstiegs zwischen den beiden Bearbeitungsperioden, die grafisch als "sprunghaften Strommengenanstieg" dargestellt werden könnte, diesem sind jedoch nur bestimmte Werte für Stromstärke (Anstieg von 100 auf 300 A) und Bearbeitungszeit (Dauer der ersten Bearbeitungsperiode: 3 Sekunden, der zweiten Bearbeitungsperiode: 6 Sekunden) zugeordnet.
Aus diesem Beispiel kann nicht auf den spezifischen Wert vom "Zwei- bis Zehnfachen der Anfangsstrommenge" geschlossen werden.
Das gleiche gilt für das Beispiel im zweiten Absatz der Seite 5, in dem die Stromstärke bei Anfang der zweiten Bearbeitungsperiode um das dreifache steigt und die zweite Bearbeitungsperiode doppelt so lang ist wie die erste.
2.2.3. Das Ausführungsbeispiel auf Seite 2, letzter Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung, bei dem es um die Verlängerung der Pulszeit geht, offenbart keine "sprunghafte" Verlängerung der Pulsbreite. Auch ist diesem Abschnitt der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen, daß die mit dieser Verlängerung der Pulsbreite einhergehende Erhöhung der Strommenge das Zwei- bis Zehnfache der bis zum Ende der ersten Bearbeitungsperiode verwendeten Strommenge ausmacht.
2.3. 1. Hilfsantrag
Es gibt in dem zur Stützung dieser Änderung herangezogenen Ausführungsbeispiel (Beispiel c) aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nur eine Offenbarung einer Verdreifachung der Stromstärke von 100 A (verwendet in 3 Sekunden in der ersten Bearbeitungsperiode) auf 300 A bei dem Übergang zur zweiten Bearbeitungsperiode und einer damit verbundenen Verdoppelung der Dauer dieser Periode auf 6 Sekunden. Der beanspruchte Prozentsatz von 500% ist aus dem Strommengenunterschied von 1500 As (300 x 6 - 100 x 3) und der Strommenge (300 As) in der ersten Bearbeitungsperiode hergeleitet. Dieser Strommengenunterschied kann jedoch genausogut das Ergebnis von einer Stromstärke in der zweiten Bearbeitungsperiode von 900 A während 2 Sekunden, bzw. 600 A während 3 Sekunden, bzw. 450 A während 4 Sekunden oder 200 A während 9 Sekunden usw. gewesen sein. Der Prozentsatz von 500% umfaßt damit einen Bereich von verwendeten Stromstärken und Anwendungsdauer, der ursprünglich nicht so offenbart war. Aus dem genannten Beispiel kann daher keine allgemeine Offenbarung von einem 500-prozentigen Anstieg der Strommenge hergeleitet werden.
Anspruch 1 nach dem 1. Hilfsantrag steht somit in Konflikt zu Artikel 123 (2) EPÜ.
2.4. 2. Hilfsantrag (Anspruch 1 wie erteilt)
Obwohl (siehe Punkt 2.1.3) an sich für die Änderung von "Stromanstieg" in "Strommengenanstieg" eine ausreichende Stütze in der ursprünglich eingereichten Beschreibung zu finden ist, ist die "30-prozentige Erhöhung" in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Seite 4, Zeile 4) nur für die Stromstärke offenbart, nicht für eine Strommenge. Es gibt bei der genannten Ausführungsform auch keine weiteren Angaben in der ursprünglich eingereichten Anmeldung bezüglich der Anwendungsdauer dieser Stromstärke. Weil weitere Angaben zur Dauer der Bearbeitung fehlen, kann die um 30% erhöhte Stromstärke nicht ohne weiteres zu einer um 30% höheren Strommenge führen.
Anspruch 1 nach dem 2. Hilfsantrag steht somit ebenfalls in Konflikt zu Artikel 123 (2) EPÜ.
2.5. 3. Hilfsantrag (Hauptantrag im Einspruchsverfahren)
Der erteilte Anspruch schützt ein Verfahren, in dem die Strommenge in der zweiten Bearbeitungsperiode mindestens 30% größer ist als die Strommenge, die bis zum Ende der ersten Bearbeitungsperiode verbraucht wurde. Der mit diesem Hilfsantrag vorgelegte Anspruch 1 schützt ein Verfahren, bei dem es nicht um eine Strommenge, sondern um die Stromstärke geht. Eine zwei- bis zehnfach höhere Stromstärke kann ohne Aussage über die Dauer der Anwendung dieser Stromstärke nicht ohne weiteres mit einer Strommenge identisch sein, geschweige denn mit einer Strommenge, wie sie im erteilten Anspruch 1 erwähnt ist, nämlich eine, die mindestens 30% der am Ende der ersten Bearbeitungsperiode vorhandenen Strommenge ausmachen soll.
Durch diese Änderung sind andere Gegenstände als in der erteilten Fassung umfaßt, so daß der Schutzbereich erweitert wird. Anspruch 1 nach dem 3. Hilfsantrag scheitert somit an den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ.
2.6. 4. Hilfsantrag
Anspruch 1 nach dem 4. Hilfsantrag betrifft den gleichen Gegenstand wie Anspruch 1 nach dem 3. Hilfsantrag, ergänzt durch weitere Merkmale. Er steht somit nach dem unter Punkt 2.5 oben Erwähnten ebenfalls nicht in Einklang mit Artikel 123 (3) EPÜ.
3. Begründung der Entscheidung durch die Einspruchsabteilung
3.1. Der Beschwerdeführer hat bemängelt, daß die beanstandete Änderung von "Stromstärke" in "Strommenge" im erteilten Anspruch 1 durch die Prüfungsabteilung veranlaßt worden sei. Ihres Erachtens hätte die Einspruchsabteilung in der Entscheidung erklären müssen, weshalb sie in Bezug auf dieses Merkmal anderer Meinung sei als die Prüfungsabteilung.
Bei näherer Betrachtung des Prüfungsbescheides kann die Kammer nur feststellen, daß die Prüfungsabteilung den Begriff "Stromanstieg" vage und unbestimmt fand und dieser somit den Anspruch unklar machte. Es wurde auf den Widerspruch zwischen Anspruch und Beschreibung hingewiesen, wo letztere sowohl den Anstieg der Stromstärke als auch den Anstieg der Strommenge durch Verlängerung der Pulszeiten beschreibe. Eine Aufforderung, "Stromanstieg" in "Strommenge" zu ändern, kann die Kammer nicht erkennen.
Es ist ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammer, daß das Einspruchsverfahren ein selbständiges Verwaltungsverfahren ist, das sich zeitlich an die Patenterteilung anschließt und das als ein streitiges Verfahren zwischen Parteien zu sehen ist. Die Einspruchsabteilung ist keine zweite Instanz wie die Beschwerdekammer. Sie kann, braucht sich aber nicht mit der Erteilungsentscheidung auseinanderzusetzen. Sie hat nur zu prüfen, ob die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen.
3.2. Der Beschwerdeführer macht außerdem geltend, daß die Einspruchsabteilung ohne jegliche Änderung der Aktenlage einmal das Patentbegehren hinsichtlich Artikel 123 EPÜ als zulässig bezeichnet und in der nächsten Mitteilung exakt die gegensätzliche Auffassung vertreten habe. Dies sei ein Verstoß gegen das Verläßlichkeitsprinzip.
Die Kammer kann aus der Akte nur ableiten, daß die Einspruchsabteilung in ihrer ersten Mitteilung angegeben hat, daß diese ihre vorläufige Meinung zu den geänderten Ansprüchen (jetzige 3. Hilfsantrag) enthalte und keine noch zu treffende Entscheidung vorwegnehme. Ihres Erachtens seien die Änderungen zulässig. Ihr Ladungsbescheid hat dem nichts hinzugefügt. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat sich die Aktenlage jedoch wohl geändert, indem die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) sich in der mündlichen Verhandlung (siehe Protokoll) nochmals zur Zulässigkeit dieser Änderungen unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ (irrtümlicherweise wurde auf die Artikel 102 (2) und (3) EPÜ hingewiesen) geäußert hat.
Die Kammer kann hieraus nur schließen, daß die Einspruchsabteilung durch die Argumente der Beschwerdegegnerin überzeugt wurde. In einem inter-partes Verfahren wie dem Einspruchsverfahren ist dies selbstverständlich möglich. Den einzigen Begründungszwang für die Einspruchsabteilung bildet Artikel 113 (1) EPÜ, der festlegt, daß Entscheidungen des EPA nur auf Gründe gestützt werden können, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Dieser Artikel besagt nicht, daß die Einspruchsabteilung sich mit ihren früher geäußerten Meinungen auseinandersetzen muß. Im vorliegenden Fall ist dieses Erfordernis erfüllt, weil die Einspruchsabteilung sich das Vorbringen der Beschwerdegegnerin zu eigen gemacht und in die Entscheidung aufgenommen hat. Der Patentinhaber (Beschwerdeführer) hat, nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern. Ein Verstoß gegen Artikel 113 (1) EPÜ liegt somit nicht vor.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.