T 0845/98 () of 7.12.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T084598.20001207
Datum der Entscheidung: 07 Dezember 2000
Aktenzeichen: T 0845/98
Anmeldenummer: 93115737.4
IPC-Klasse: H01R 43/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Umspritzen von elektrischen Kontaktbahnen
Name des Anmelders: TRW FAHRZEUGELEKTRIK GmbH & CO. KG
Name des Einsprechenden: Leopold Kostal GmbH & Co. KG
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat gegen das europäische Patent Nr. 0 590 644 Einspruch eingelegt. Die genannten Einspruchsgründe waren mangelnde Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit. Die Beschwerde richtet sich nun gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs.

II. Im Beschwerdeverfahren ist auf die folgenden bereits im Einspruchsverfahren genannten Dokumente hingewiesen worden:

E1: DE-B-2 618 994

E2: DE-B-2 911 761

E6: EP-A-0 292 607

E12: US-A-5 038 468.

III. Mit der Beschwerdebegründung zitierte der Beschwerdeführer zum ersten Mal das Dokument:

E13: DE-C-3 612 576.

IV. Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"Verfahren zum Umspritzen von elektrischen Kontaktbahnen, bei welchem mindestens ein zwischen zwei Teile eines Spritzwerkzeuges eingelegtes Metallstanzgitter durch Trennen von Verbindungsstegen in die einzelnen Kontaktbahnen aufgeteilt und mit Kunststoff umspritzt wird, wobei die Verbindungsstege nach der Fixierung des Metallstanzgitters im Spritzwerkzeug in diesem getrennt und umgebogen und danach die so hergestellten einzelnen Kontaktbahnen (7, 8, 9) mit Kunststoff (5) umspritzt werden,

dadurch gekennzeichnet,

daß vor dem Trennen und Umbiegen der Verbindungsstege (6) ein vorgefertigtes Einlegeteil (10) mit einseitig geschlossener Außenkontur in das Spritzwerkzeug (4) eingelegt und zusammen mit den Kontaktbahnen (7, 8, 9) mit Kunststoff (5) umspritzt wird."

Die Ansprüche 2 bis 4 sind vom Anspruch 1 abhängig.

V. Am 7. Dezember 2000 wurde mündlich verhandelt.

VI. Die Argumente des Beschwerdeführers (Einsprechenden) lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Aus E12 sei ein Verfahren bekannt, welches dem Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents entspreche.

Aus E1 (siehe Spalte 1, Zeilen 3 bis 29) gehe ein Verfahren zum Umspritzen von elektrischen Kontaktbahnen hervor, welches

a) mindestens ein zwischen zwei Teile eines Spritzwerkzeuges eingelegtes Metallstanzgitter (Leiterelement 31) durch Trennen von Verbindungsstegen (zentrales Kontaktblechteil 29) in einzelne Kontaktbahnen (einzelnen Kontaktblechstücke 27) aufteile und mit Kunststoff 37 umspritze,

b) wobei die Verbindungsstege nach der Fixierung des Metallstanzgitters 31 (am Kunststoffkranz 37) getrennt und danach die so hergestellten Kontaktbahnen 27 mit Kunststoff umspritzt werden, und wobei

c) nach dem Trennen der Verbindungsstege ein vorgefertigtes Einlegeteil (neues Leiterelement 39) mit teilweise geschlossener Außenkontur vorliege, und wobei

d) das Einlegeteil 39 in ein Spritzwerkzeug eingelegt und zusammen mit den Kontaktbahnen 27 mit Kunststoff umspritzt werde.

Das Einlegeteil 10 im beanspruchten Verfahren könne eine beliebige Funktion haben und brauche nicht als Abdichtung gegenüber Umwelteinflüssen geeignet zu sein. Daher sei das aus E1 bekannte Einlegeteil 39 dem in Anspruch 1 angegebenen Einlegeteil 10 gleichzusetzen. Der einzige Unterschied zwischen dem Verfahren nach dem Streitpatent und dem Verfahren nach E1 bestehe darin, daß in dem Verfahren gemäß dem Streitpatent das Einlegeteil nicht nach, sondern vor dem Trennen und Umbiegen der Verbindungsstege in das Spritzwerkzeug eingelegt werde. Nach dem Verfahren von E1 weise das Einlegeteil einen Kunstoffkranz 37 und das daran befestigte Leiterelement 31 auf, so daß die Trennung der Verbindungsstege 29 schon außerhalb des Spritzwerkzeuges vorgenommen werden könne. Jedoch sei diese Trennung ohne weiteres auch innerhalb eines Spritzwerkzeuges möglich. Somit erweise sich der oben erwähnte Unterschied als unwesentlich in bezug auf die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe und deute deshalb keineswegs auf eine erfinderische Leistung im Hinblick auf eine gemeinsame Betrachtung der Lehren der Dokumente E12 und E1.

Dies werde untermauert durch Dokument E6, dem zu entnehmen sei (Spalte 2, Zeilen 25 zu 32), daß die Gestaltung eines elektrischen Geräts auch dann von Vorteil sei, wenn die Stanzplatine nicht direkt in das Kunststoffteil eingespritzt, sondern an dem schon fertigen Kunststoffteil auf irgendeine Art befestigt werde. Für den Fachmann ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 deshalb auch aus den kombinierten Lehren der Dokumente E12 und E6 ohne erfinderische Tätigkeit.

VII. Die Argumente des Beschwerdegegners lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Es sei unstreitig davon auszugehen, daß aus E12 ein Verfahren bekannt sei, das sämtliche Verfahrenschritte gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 aufweise. Dieses Dokument befasse sich jedoch in keiner Weise mit der Aufgabenstellung der Erfindung nach dem Streitpatent sondern mit einem Verfahren zur Herstellung von mit Kontaktblechstücken durchragten Unterteilen bzw. Sockeln für elektronische Relais. Das Problem der Abdichtung eines Teils gegenüber Umwelteinflüssen stelle sich bei dem Verfahren gemäß E1 in keiner Weise.

Nach der Lehre von E1 könne ein Auftrennen der Verbindungsstege nicht im Spritzwerkzeug erfolgen, denn bei dem Leiterelement 31 seien keine Verbindungsstege vorgesehen, die aufgetrennt werden sollen, sondern ein zentrales Kontaktblechteil 29, das ausgestanzt und entfernt werden müsse. Dies wäre in einer Spritzform kaum mit vertretbarem Aufwand durchführbar. Das mit Kunststoff umspritzte Leiterelement 31 nach E1 sei nicht mit dem Einlegeteil nach der Erfindung gleichzusetzen.

Auch Dokument E6 befasse sich mit einer anderen Aufgabenstellung als das Streitpatent, nämlich unterschiedliche Teile mit möglichst geringem Aufwand herzustellen. Die Lösung sehe vor, die die Leiterbahnen verbindenden Brücken verschiedener Stanzgitter an denselben Stellen anzuordnen. Bei der Grundplatte 11 des in E6 beschriebenen elektrischen Geräts handele es sich nicht um ein Teil, welches einseitig dicht ausgebildet sei. Die Lehre von E6 (dritter Absatz, Spalte 2) sei so zu verstehen, daß die Stanzplatine nicht eingespritzt werden müsse, sondern auf irgendeine Art in einem schon fertigen Kunststoffteil befestigt werde.

Somit könnten E1 oder E6 in Kombination mit E12 einem Fachmann den Gegenstand des erteilten Anspruchs nicht nahelegen.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.

IX. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Aus keinem der vorliegenden Dokumente zum Stand der Technik ist ein Verfahren zum Umspritzen von elektrischen Kontaktbahnen in einem Metallstanzgitter bekannt, bei welchem ein zwischen zwei Teile eines Spritzwerkzeuges eingelegtes Metallstanzgitter durch Trennen von Verbindungsstegen in einzelne Kontaktbahnen aufgeteilt und mit Kunststoff umspritzt wird, wobei vor dem Trennen und Umbiegen der Verbindungsstege ein vorgefertigtes Einlegeteil mit einseitig geschlossener Außenkontur in das Spritzwerkzeug eingelegt und zusammen mit den Kontaktbahnen mit Kunststoff umspritzt wird. Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu im Sinne vom Artikel 54 EPÜ.

3. Dokument E13 (verspätetes Vorbringen)

Beim Verfahren gemäß dem erst in der Beschwerdebegründung zitierten Dokument E13 werden folgende Schritte in der folgenden Reihenfolge vorgenommen: ein Metallstanzgitter wird bereichweise mit Kunststoff umhüllt; die Verbindungsstege 14 werden durchtrennt; die so geschaffene Baueinheit wird in eine Form eingelegt und mit Kunststoff umspritzt, so daß auf einer Seite ein durchgehender Kunststoffmantel 29 gebildet wird. Dabei wird kein vorgefertigtes Einlegeteil (außer dem Metallstanzgitter) in ein Spritzwerkzeug eingelegt. Die Schritte werden nicht in ein und demselben Spritzwerkzeug vorgenommen und können dies auch nicht. Weil das verspätet genannte Dokument E13 damit nicht relevanter ist, als das bereits im Einspruchsschriftsatz zitierte Dokument E1, wird die Kammer dieses Dokument nicht weiter berücksichtigen (Artikel 114 (2) EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Unstreitig offenbart das Dokument E12 ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruches 1 des Streitpatents und wurde von den Parteien als der am nächsten kommende Stand der Technik betrachtet. Bei dem aus E12 bekannten Verfahren ist kein vorgefertigtes Einlegeteil (außer dem Metallstanzgitter) in das Spritzwerkzeug eingelegt.

4.2. Von dem Stand der Technik nach E12 ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, bei dem auf kostensparende Weise kunststoffumspritzte, elektrische Kontaktbahnen enthaltende Fertigteile hergestellt werden können, welche zumindest auf einer Seite der Kontaktbahnen gegenüber Umwelteinflüssen abgedichtet sind (vgl. Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 36 zu 43).

4.3. Beim Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents werden folgende Schritte in der folgenden Reihenfolge vorgenommen:

a) Das vorgefertigte Einlegeteil (10) mit einseitig geschlossener Außenkontur und das Metallstanzgitter (1) werden zwischen zwei Teile eines Spritzwerkzeuges (4) eingelegt (Reihenfolge beliebig),

b) nach Fixierung des Metallstanzgitters (1) im Spritzwerkzeug (4) werden die Verbindungsstege (6) getrennt und umgebogen,

c) die so hergestellten einzelnen Kontaktbahnen (7, 8, 9) und das Einlegeteil (10) werden mit Kunststoff (5) umspritzt.

4.4. Das Dokument E1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Unterteilen bzw. Sockeln für elektromagnetische Relais, die von Kontaktblechstücken oder Kontaktbahnen durchragt sind. Das Problem des Schutzes gegenüber Umwelteinflüssen ist in E1 nicht erwähnt.

4.4.1. Beim Verfahren gemäß E1 werden folgende Schritte in der folgenden Reihenfolge vorgenommen:

1. Ein Metallstanzgitter (31) wird in einer ersten Form in Teilbereichen mit Kunststoff umhüllt (Spalte 4, Zeilen 23 bis 29),

2. das zentrale Kontaktblechteil (29) wird ausgestanzt und entfernt (Spalte 4, Zeilen 29 bis 33: E1 offenbart nicht, daß das teilweise umhüllte Metallstanzgitter noch in der ersten Form liegt),

3. nach dem Entfernen des zentralen Kontaktblechteils wird das neue Leiterelement (39) mit einem weiteren Kontaktblechstück in eine weitere Form eingelegt usw. (Spalte 4, Zeilen 40 bis 43).

4.4.2. Gemäß E1 wird kein vorgefertigtes Einlegeteil (außer dem Metallstanzgitter) in ein Spritzwerkzeug eingelegt. Das Leiterelement (39) ist ein notwendiges Zwischenprodukt, welches beim Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents vermieden wird. Die unter Ziffer 4.4.1 oben aufgeführten Schritte werden nicht in ein und demselben Spritzwerkzeug vorgenommen und können dies auch nicht.

4.4.3. Beim Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents werden im Schritt b) (siehe Absatz 4.3 oben) die Verbindungsstege (6) nach Fixierung des Metallstanzgitters (1) im Spritzwerkzeug (4) getrennt und umgebogen. Einerseits zeigt das in Figur 4 des Dokuments E1 dargestellte Leiterelement (31) keine eigentlichen Verbindungsstege, die aufgetrennt und umgebogen werden sollen, sondern ein zentrales Kontaktblechteil (29), das ausgestanzt und entfernt werden muß. Auch wenn das Dokument E12 dem Fachmann die Lehre vermittelt, das Trennen und Umbiegen von Verbindungsstegen innerhalb eines Spritzwerkzeuges vorzunehmen, trifft es nicht zu, daß diese Lehre bei allen Arten von Verfahren zum Herstellen und Umspritzen von Kontaktblechstücken anwendbar ist. Aus technischen Gründen wäre z. B. das Ausstanzen des zentralen Kontaktblechteils (29) des Leiterelements (31) von E1 innerhalb eines Spritzwerkzeuges wenig sinnvoll und nur mit hohem Aufwand möglich.

4.4.4. Die Kammer ist somit der Auffassung, daß die Abfolge der einzelnen Verfahrenschritte gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht ohne erfinderische Tätigkeit aus den Lehren von E1 und E12 herleitbar ist.

4.5. Das Dokument E6 betrifft ein elektrisches Gerät, insbesondere einen elektrischen Schalter für Kraftfahrzeuge, mit einer Grundplatte (11) aus Kunststoff, an der eine Stanzplatine (15, 50) befestigt ist, die einzelne, nach dem Ausstanzen noch durch Brücken (25, 26; 54) miteinander verbundene Leiterbahnen (16a - 16h; 51a - 51h) aufweist. E6 offenbart nicht, daß diese Baueinheit mit Kunststoff umspritzt wird.

4.5.1. Die vom Beschwerdeführer zitierte Passage in E6 (Spalte 2, Zeilen 25 bis 33) offenbart nur, daß eine erfindungsgemäße Gestaltung eines elektrischen Geräts auch dann von Vorteil ist, wenn die Stanzplatine nicht direkt in das Kunststoffteil eingespritzt, sondern an dem schon fertigen Kunststoffteil auf irgendeine Art befestigt wird. Hierbei handelt es sich jedoch um alternative Gestaltungen, nicht um aufeinander folgende Verfahrensschritte. Es wird kein vorgefertigtes Einlegeteil mit einseitig geschlossener Außenkontur in ein Spritzwerkzeug eingelegt und danach zusammen mit den Kontaktbahnen mit Kunststoff umspritzt.

4.5.2. Somit sind die Schritte a), b) and c) des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Streitpatents (siehe Absatz 4.3 oben) aus dem aus E6 bekannten Herstellungsverfahren ohne erfinderische Tätigkeit nicht herleitbar.

5. Das weiter im Verfahren befindliche Dokument E2 betrifft ein elektronisches Relais mit einem vorgefertigten Kunststoffsockel (1), der innenseitig mit Leiterbahnen ausgestattet ist. Eine Leiterbahnenplatine (13) wird in entsprechende Ausnehmungen des Kunststoffsockels eingepreßt und Verbindungsstege (15) zwischenden einzelnen Leiterbahnen werden an Sollbruchstellen (16) aufgetrennt. E2 offenbart nicht, daß die so geschaffene Baueinheit mit Kunststoff umspritzt wird.

6. Nach alledem kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß sich das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht in naheliegender Weise aus einer gemeinsamen Betrachtung der Lehren von E12 und einem der Dokumente E1, E2 und E6 ergibt und somit gemäß Artikel 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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