T 0827/98 () of 6.6.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T082798.20010606
Datum der Entscheidung: 06 Juni 2001
Aktenzeichen: T 0827/98
Anmeldenummer: 93117379.3
IPC-Klasse: B21B 1/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Anlage zur Herstellung von warmgewalztem Stahlband, insbesondere aus bandförmig stranggegossenem Vormaterial
Name des Anmelders: SMS Demag AG
Name des Einsprechenden: Voest-Alpine Industrieanlagen GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 117 379.3 wurde das europäische Patent Nr. 0 595 282 erteilt.

II. Von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) und einer weiteren Einsprechenden eingelegte Einsprüche, die auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) u. a. im Hinblick auf die Druckschriften

D1: DE-A-3 816 469,

D2: STAHL UND EISEN, Band 101, 1981, Heft 7/81, "Grundlagen der Werkstoffentwicklung durch Verknüpfung thermischer und mechanischer Vorgänge beim Warmumformen", von Lutz Meyer, Seiten 483 - 490, D6: DE-A-4 009 860,

D7: EP-A-0 426 869,

D8: STAHL UND EISEN, Band 108, 1988, Heft 3, "Walzen von stranggegossenen Vorbändern und anlagentechnische Konsequenzen für den Bau von Warmband-Produktionsanlagen", von Günter Flemming et al., Seiten 99 - 109,

D9: Sonderdruck aus STAHL UND EISEN, Nr. 9, 10/89, "Gießen und Gießwalzen dünner Brammen bei der Mannesmannröhren-Werke AG",

D10: Paper presented at the METEC '89, Düsseldorf "VAI DEVELOPMENTS in THIN SLAB AND STRIP CASTING", von G. Holleis et al., (Fachvortrag),

und 100 a) i. V. m. Artikel 57 EPÜ (fehlende gewerbliche Anwendbarkeit) sowie Artikel 100 b) EPÜ (fehlende Ausführbarkeit) gestützt waren, führte zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die Druckschriften D6 und D7 durch die am 6. Juli 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 20. August 1998 bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 12. November 1998 eingegangen.

IV. Am 6. Juni 2001 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2001 überreichten Ansprüche 1 bis 7, hilfsweise mit den Patentansprüchen gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4 vom 24. April 2001.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung von warmgewalztem Stahlband aus stranggegossenem Vormaterial mit in einer Hitze aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten eines CSP-Verfahrens, wobei das Vormaterial nach Erstarren in Längen unterteilt wird, die dem gewünschten Bundgewicht entsprechen und die Dünnbrammen in einem Ausgleichsofen (4,4') homogenisiert, anschließend in einer Vorwalzstraße (8) vorgewalzt, in einer Fertigstraße (14) fertiggewalzt, in einer Kühlzone (15) abgekühlt und in einem Haspel (16) aufgewickelt werden, gekennzeichnet durch die Schritte:

1. Aufheizen der Dünnbrammen im Anschluß an den Ausgleichsofen (4) und vor dem ersten Vorwalzstich auf Temperaturen über 1150 C

2. Vorwalzen der Dünnbramme mit anschließendem Rekristallisieren in einer der Vorwalzstraße (8) nachgeordneten Rekristallisationszone (9), in der die Dünnbramme für eine materialspezifische Zeit verweilt, so dass unverfestigtes, entspanntes Material für die Fertigstraße zur Verfügung steht, und

3. Kühlen des vorgewalzten Bandes in einer vor dem ersten Gerüst der Fertigstraße (14) angeordneten Kühlvorrichtung (13) auf Walztemperatur für die Fertigstraße (13) und anschließendes Fertigwalzen."

VII. Die Beschwerdeführerin hat im Beschwerdeverfahren zur Stützung ihrer Argumentation noch auf die Druckschriften

D12: Stahllexikon, Verlag Stahleisen GmbH, 25. Auflage, S. 54, 55

D13: Stahl und Eisen 113 (1993) Nr. 2, S. 37,38 (Kein St.d.T.)

D14: Stahl und Eisen 115 (1995) Nr. 9, S. 89,90 (Kein St.d.T.)

verwiesen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Anspruch 1 des Streitpatents gehe im Oberbegriff vom Stand der Technik nach der D6 aus, dem die gleiche Aufgabenstellung zugrunde liege wie dem Streitpatent. Die im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgelisteten Verfahrensschritte 1. bis 3. seien der D6 jedoch nicht zu entnehmen, wenn man davon absehe, daß die beim Vorwalzen im Reversiersteckelgerüst beginnende Rekristallisierung sich möglicherweise nach dem Verlassen des Steckelgerüsts vor Eintritt in die Fertigstraße noch in geringem Maße fortsetzt. Eine Rekristallisationszone im Sinne des zweiten Teilmerkmals des Anspruchs 1, in der die Bramme für eine materialspezifische Zeit verweilt, sei bei der D6 offensichtlich nicht vorgesehen. Bei dem in der D7 beschriebenen Walzverfahren handle es sich um kein CSP-Verfahren im Sinne des Oberbegriffs des Anspruchs 1 nach dem Streitpatent. Das bekannte Verfahren sei somit schon gattungsmäßig mit dem Streitpatent nicht vergleichbar. Was die im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents angegebenen Merkmalsgruppen betreffe, so sei in der D7 lediglich die Temperatur (über 1150 C) genannt. Es würden jedoch keine Dünnbrammen im Anschluß an den Ausgleichsofen aufgeheizt. Das zweite Merkmal aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents sei aus der D7 nicht bekannt, da dort eine Rekristallisierung jeweils während einer Rastzeit zwischen dem ersten und dem zweiten Vorwalzgerüst stattfinde und nicht in einer der Vorwalzstraße nachgeordneten Rekristallisationszone. Ein Fachmann habe demnach keinen Anlaß gehabt, einzelne Verfahrensschritte der D7 zur Lösung der in Rede stehenden Aufgabe bei einem Verfahren nach der D6 anzuwenden. Abgesehen davon hätte selbst die Kombination der Lehren nach der D6 und der D7 nicht zum Streitpatent geführt, wie ein Vergleich der Kennzeichenmerkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents mit diesbezüglichen Angaben in der D7 zeige.

Mit dem Streitpatent sei man bewußt von den anerkannten, selbst noch nach dem Prioritätstag des Streitpatents geltenden Prinzipien der CSP-Technologie, wie sie beispielsweise in der D14 erläutert seien, abgewichen. Auch die konventionellen Walzstraßen nach den CSP-Verfahren gemäß D8 bis D10 gäben keinen Hinweis auf die beanspruchte hohe Aufheiztemperatur vor dem Vorwalzen und die Anordnung einer Rekristallisationszone zwischen der Vorwalz- und der Fertigwalzstraße. Die dort vorgesehenen Wickelstationen mit Warmhaltekammer dienten nicht der Rekristallisation, sondern seien angeordnet, um bei mehrstrangigen Anlagen das Walzgut zu lagern bzw. zu puffern. Das beanspruchte Verfahren sei demnach durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte in etwa wie folgt:

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens sei zu beachten, daß das beim Streitpatent zur Anwendung kommende CSP-Walzverfahren weltweit verbreitet sei und der Offenbarungsinhalt der D6 von der Beschwerdeführerin zu eng gesehen werde. Darüber hinaus sei der Begriff Dünnbramme, wie dem Stand der Technik zu entnehmen sei, nicht auf einen engen Abmessungsbereich beschränkt. In der D6 sei, ohne eine spezielle Vorwalztemperatur anzugeben, darauf hingewiesen, daß die Vorbänder auch einer Erwärmung auf Walztemperatur unterzogen werden könnten. Dem fachmännischen Leser der D6 sei klar, daß die konkrete Angabe einer Temperatur überflüssig war, und es dem Fachmann überlassen war, auf welche Temperatur er das Walzgut nach dem Homogenisieren bringe. Dies gelte auch für die vor dem Fertigwalzen einzustellende Temperatur. Nach der Aufgabenstellung des Streitpatentes sollten alle Stahlqualitäten herstellbar sein, also auch ein Elektroblech nach der D7. Wenn es demnach dem Fachmann überlassen sei, sich bei der Temperaturwahl nach den zu erzeugenden Stahlqualitäten zu richten, dann sei es auch nicht erfinderisch, gegebenenfalls die Vorwalztemperatur gegenüber den Werten bei normalen Stählen zu erhöhen. Auch beim Verfahren nach dem Streitpatent sei definitiv keine feste Temperatur, sondern nur ein Bereich angegeben, in dem der Fachmann zu wählen habe. Es sei klar, daß man auch im Ausgleichsofen nach dem Homogenisieren die Temperatur der Brammen erhöhen könne, bevor sie in das Vorgerüst einlaufen. Weiter sei im Hinblick auf das zweite Kennzeichenmerkmal zu berücksichtigen, daß die Rekristallisation schon während des Verformens eintrete und nach jedem Walzschritt noch weitergehe. Der Bereich zwischen dem Vorgerüst und den Fertiggerüsten stelle demnach notwendigerweise immer eine Rekristallisationszone dar. Dies gehöre zum Fachwissen, wie es z. B. den Fachbüchern

D15: "Werkstoffkunde Stahl" Bd. 1: Grundlagen, 1984, S. 177-185

D16: Hütte, Taschenbuch für Eisenhüttenleute, 5. Aufl. 1961, S. 728

zu entnehmen sei. Demnach müsse dies auch bei dem Verfahren nach der D6 der Fall sein. Das Streitpatent füge demnach in dieser Beziehung dem Stand der Technik nichts hinzu.

In diesem Sinne seien auch die aus D7 bis D9 bekannten CSP-Walzverfahren zu beurteilen. Dabei sei es durchaus naheliegend, die geforderte höhere Aufheiztemperatur vor dem ersten Vorwalzstich, wie sie schon aus der D7 bekannt sei, in Betracht zu ziehen. Auch hier sei die Rekristallisation in einer der Vorwalzstraße nachgeordneten Rekristallisationszone selbstverständlich. Dies gelte ebenso für das geforderte Abkühlen des vorgewalzten Bandes auf die für die Fertigstraße üblichen Temperaturen. Die Tatsache, daß es sich bei der D7 um ein spezielles Walzverfahren mit einem am Ende vorgesehenen Kaltwalzprozeß handle, könne den Fachmann nicht davon abhalten, beim CSP-Verfahren auch die für dieses Spezialverfahren nötigen Vorwalztemperaturen in Betracht zu ziehen, um den Bereich der herzustellenden Stähle zu erweitern. Das beanspruchte Verfahren beruhe demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Zulässigkeit der vorgenommenen Änderungen

Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Ergänzung, daß das Aufheizen der Dünnbrammen in Anschluß an den Ausgleichsofen stattfindet (also nicht etwa schon im Ausgleichsofen selbst nach dem Abschluß des Homogenisierungsprozesses). Diese Ergänzung ist durch die Ausführungsbeispiele des im wesentlichen den ursprünglichen Unterlagen entsprechenden Streitpatents gestützt, die eine eigene Heizvorrichtung (6) nach dem Ausgleichsofen (4) offenbaren.

Die ergänzenden Textangaben zum zweiten Kennzeichenmerkmal sind dem ursprünglichen bzw. erteilten Anspruch 3 sowie dem Text des Streitpatents in Spalte 1, Zeilen 43 bis 47 (ursprüngliche Seite 2, Absatz 2) entnommen.

Ebenfalls aus dem Anspruch 3 stammt das in das dritte Kennzeichenmerkmal eingefügte Teilmerkmal "in einer vor dem ersten Gerüst der Fertigstraße (14) angeordneten Kühlvorrichtung (13)".

Der Anspruch 1 entspricht demnach der Anforderung gemäß Artikel 123 (2) EPÜ und, da die Änderungen offensichtlich nicht zu einer Erweiterung, sondern zu einer Einschränkung des Schutzumfangs führen, auch der Anforderung gemäß Artikel 123 (3) EPÜ.

2.2. Gegenstand des Streitpatents

Bei den bekannten gattungsgemäßen Verfahren zur Herstellung von warmgewalztem Stahlband aus stranggegossenem Vormaterial mit in einer Hitze aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten eines CSP-Verfahrens, wie sie in der D6 und im wesentlichen auch in den Druckschriften D8 bis D10 (Figur 14) beschrieben sind, lassen sich nach den Ausführungen im Streitpatent spezielle Stahlqualitäten im Hinblick auf Enddicke und Endwalztemperatur nicht flexibel genug walzen. Insbesondere handelt es sich dabei um Stahlqualitäten, die vor dem Einlauf in den ersten Vorwalzstich höhere Temperaturen benötigen als dies aufgrund der maximal möglichen Ausgleichsofentemperatur (begrenzt durch die für die Rollenlager geltenden Temperaturgrenzen) zulässig ist, und vor dem Eintreten in das erste Gerüst der Fertigstraße eine deutlich niedrigere Temperatur benötigen. Die dem Streitpatent zugrundliegende Aufgabe besteht somit darin, die schon bei der Aufgabenstellung gemäß D6 geforderte möglichst große Flexibilität beim Walzen von Stählen unterschiedlicher Qualitäten mit unterschiedlichen Endabmessungen weiter zu verbessern.

Dies soll bei der gattungsgemäßen CSP-Anlage durch die drei im Kennzeichen des Anspruchs 1 definierten, zusätzlichen Verfahrensschritte ermöglicht werden.

2.3. Die gewerbliche Anwendbarkeit und die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens sind im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Frage gestellt worden. Das Streitpatent ist in dieser Hinsicht nach Auffassung der Beschwerdekammer auch nicht zu beanstanden.

2.4. Neuheit

Keine der Druckschriften D1, D6 und D8 bis D10, die ein gattungsgemäßes CSP-Verfahren beschreiben, offenbart, soweit überhaupt Temperaturwerte angegeben werden, Temperaturen über 1150 C für die Dünnbrammen vor dem ersten Vorwalzstich. Außerdem zeigen die bekannten Anlagen keine Heizeinrichtungen, die ein Aufheizen der Dünnbrammen im Anschluß an den Ausgleichsofen, d. h. außerhalb von diesem z. B. in einem zusätzlichen Aufheizofen, ermöglichen. Was das zweite Merkmal aus dem Anspruchskennzeichen anbelangt, so ist es bei den gattungsgemäßen Walzverfahren zwar schon bekannt, nach evtl. vorhandenen Vorwalzgerüsten Coil-Wickelstationen vorzusehen, in denen, wie in der D1 (Anspruch 3) gezeigt, während der Zwischenspeicherung auch eine Wärmebehandlung erfolgt. Solche Wickelstationen sind allerdings bei den bekannten Verfahren im wesentlichen nur dann vorgesehen, wenn mehrstrangige Gießanlagen Anwendung finden. Hinweise darauf, daß die Dünnbrammen in den Wickelstationen für eine materialspezifische Zeit verweilen, um zwecks Erzeugung eines unverfestigten und entspannten Materials für die Fertigstraße eine entsprechende Rekristallisation zu erreichen, sind diesen Druckschriften nicht zu entnehmen. Weiterhin sind auch keine eindeutigen Hinweise auf Kühlvorrichtungen vor dem ersten Gerüst der Fertigstraße vorhanden, wenn man von der Anordnung von Zunderwäschern absieht.

Die weiteren Entgegenhaltungen betreffen allgemeine Ausführungen zur Rekristallisation bzw., wie die D7, gattungsfremde Walzverfahren.

Das Verfahren nach dem Anspruch 1 ist somit unbestritten neu.

2.5. Erfinderische Tätigkeit

2.5.1. Das beanspruchte Verfahren betrifft eine Weiterentwicklung des sogenannten CSP-Konzepts (Compact Strip Production), bei dem die Gießmaschine in Linie mit einem Ausgleichsofen und einer Walzstraße kombiniert wird. Dabei soll eine möglichst breite Produktpalette (siehe D1, Spalte 1, Zeilen 52, 53) von Stählen unterschiedlicher Qualität und Endabmessungen (siehe D6, Spalte 2, Zeilen 1-3) erreicht werden, wobei alle auf einer konventionellen Stranggießanlage gießbaren Stahlsorten hergestellt werden sollen (vgl. die "Zusammenfassung" im Fachaufsatz nach der D8, Seite 99). Das in Rede stehende Anlagenkonzept, das auch den Anspruch der besonderen Wirtschaftlichkeit erhebt, ist zu einer Alternative für die konventionelle Warmbanderzeugung durch die Warmbreitbandstraße mit stranggegossenen Dickbrammen geworden. Dem nachveröffentlichten Fachaufsatz über die CSP-Technologie nach der D14 ist zu entnehmen, daß für diese Technologie am Prioritätstag des Streitpatents bereits ca. 2 Jahre Produktionserfahrung vorlagen und daß sie inzwischen weltweite Anerkennung gefunden hat. Weiterhin hält dieser Fachaufsatz vom September 1995 noch drei Jahre nach dem Prioritätstag des Streitpatents (28.10.1992) die schon im Fachaufsatz nach der D8 (vom Februar 1988), insbesondere Seiten 106 und 108 angedeuteten drei Grundsätze für den wirtschaftlichen Erfolg dieser Technologie aufrecht, nämlich die absolute Minimierung der Anzahl der Prozeßstufen, die Minimierung des Energieaufwandes (durch Abdeckung des Energiebedarfs für den gesamten Erzeugungsprozeß ohne jegliche Wiedererwärmung allein aus der eingebrachten Schmelzwärme) und die Einhaltung einer absoluten Temperaturkonstanz (wobei Korrekturmaßnahmen wie Bandkantenheizung, Temperatur-speed-up oder Zwischengerüstkühlung vollkommen entfallen sollen).

Es kann nach Auffassung der Kammer davon ausgegangen werden, daß der mit der Weiterentwicklung der CSP-Technologie befaßte Fachmann auch am Prioritätstag des Streitpatents diese Prinzipien im Auge hatte.

2.5.2. Bei der bekannten CSP-Anlage nach der (zur Formulierung des Oberbegriffs des Anspruchs 1 herangezogenen) D6 (Spalte 2, Zeilen 40 bis 42) wird darauf hingewiesen, daß in dem der Gießanlage nachgeordneten Ausgleichsofen die abgeteilten Vorbänder einem Temperaturausgleich bzw. einer Erwärmung auf Walztemperatur unterzogen werden. In diesem Zusammenhang offenbaren auch die Fachartikel nach der D8 (Seite 105, linke Spalte, letzter Absatz bis rechte Spalte zweiter Absatz) und D9 (Seite 8, linke Spalte), daß der Ausgleichsofen neben dem Temperaturausgleich der gegossenen Bramme auch deren Aufheizung bewirken kann, um die beim CSP-Verfahren erwünschte Temperatur von ca. 1100 C (D1, Spalte 3; D8, Seite 105, linke Spalte unten) vor Eintritt in das erste Walzgerüst zu gewährleisten. Die maximale Aufheiztemperatur ist somit beim Stand der Technik offensichtlich auf 1100 C begrenzt gewesen. Nach Aussage der Beschwerdeführerin sind die im Ausgleichsofen vorhandenen Rollenlager nicht für höhere Temperaturen ausgelegt.

Wie in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents und bei der D7 in Verbindung mit der Herstellung eines magnetisierbaren Stahlbandes ausgeführt ist, waren vor dem Prioritätstag des Streitpatents offensichtlich schon Stähle bekannt, die im herkömmlichen Walzverfahren Einlauftemperaturen für das erste Walzgerüst von über 1150 C benötigten und bei denen vor dem nachfolgenden Fertigwalzen eine deutlich niedrigere Einlauftemperatur nötig war. Solche Stähle wurden, wie aus der D7 ersichtlich, nicht nach dem CSP-Verfahren hergestellt.

Um auch Stähle mit höherer Walztemperatur für das erste Walzgerüst im CSP-Verfahren verarbeiten zu können, bedurfte es zusätzlich des ersten im Kennzeichen des Anspruchs 1 aufgeführten Verfahrensschrittes, nämlich des Aufheizens der Dünnbrammen im Anschluß an den Ausgleichsofen auf höhere Temperaturen, was gleichbedeutend ist mit der Anordnung einer zusätzlichen, dem Grundsatz der Minimierung der Prozeßstufen widersprechenden Prozeßstufe.

2.5.3. Der zweite im Kennzeichen des Anspruchs 1 angegebene Verfahrensschritt, nämlich das sich dem Vorwalzen anschließende Rekristallisieren in einer eigenen, der Vorwalzstraße nachgeordneten Rekristallisationszone, soll nach den weiteren Angaben im Anspruchskennzeichen bewirken, daß unverfestigtes, entspanntes Material für die Fertigstraße zur Verfügung steht. Um dies zu erreichen, muß die Dünnbramme, wie weiter im Anspruch 1 angegeben, für eine materialspezifische Zeit in der Rekristallisationszone verweilen, die nach dem Anspruch 2 und dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents eine Auf- und Abwickelvorrichtung und gegebenenfalls einen der Zwischenspeicherung dienenden Warmhalteofen aufweist. In diesem Zusammenhang ist es zwar schon bekannt, bei mehrstrangigen (d. h. bei mit mindestens zwei Gießmaschinen arbeitenden) CSP-Verfahren im Anschluß an das Vorwalzen eine Zwischenspeicherung in einer Coil-Aufwickelstation, gegebenenfalls mit Wärmebehandlung vorzusehen, wie dies z. B. der D1 (Anspruch 3) bzw. dem Fachaufsatz nach der D8, Seite 107 erster Absatz zu entnehmen ist. Dort dient diese zusätzliche Prozeßstufe jedoch offensichtlich dazu, um bei mehrstrangigen Anlagen den Quertransport bzw. die Speicherung des Walzbandes in einer Pufferstation zu ermöglichen. Ein Hinweis darauf, daß die Wärmebehandlung in der Pufferstation über eine vorgegebene Zeit gezielt erfolgt, um eine möglichst vollständige Rekristallisation zu bewirken, ist diesem Stand der Technik nicht zu entnehmen. Hiergegen spricht vielmehr, daß beim Stand der Technik (D8, D10) im Falle von einstrangigen CSP-Anlagen auch solche ohne entsprechende Auf- und Abwickelstationen gezeigt sind.

Was das aus der D7 bekannte Warm-/Kaltwalzverfahren betrifft, so wird dort das Band zwischen dem ersten und dem zweiten Gerüst der Vorwalzstraße gezielt angehalten, um eine Rekristallisation zu erreichen. Diese Prozeßstufe unterscheidet sich damit insofern von der nach dem Streitpatent, daß bei der letzteren die Rekristallisation nicht während des Vorwalzens sondern nach Abschluß des Vorwalzprozesses stattfindet.

2.5.4. In Anbetracht dessen, daß die in der ersten und zweiten Merkmalsgruppe aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 aufgeführten Prozeßschritte den Grundprinzipien der CSP-Anlagen offensichtlich widersprechen und dem Stand der Technik weder eine dem Ausgleichsofen nachgeschaltete Aufwärmstufe für eine höhere Eintrittstemperatur für den ersten Vorwalzstich noch eine speziell der gesteuerten Rekristallisierung dienende Rekristallisationsstufe entnehmbar ist, kann die Aufnahme dieser zusätzlichen Prozeßstufen in das CSP-Verfahren nicht als für den Fachmann naheliegend angesehen werden. Dies gilt auch bei Einbeziehung der Lehre nach der gattungsfremden D7, der kein Hinweis zu entnehmen ist, den nach einem speziellen Kalt-/Warmwalzverfahren hergestellten Bandstahl ebenfalls mit dem CSP-Verfahren herzustellen. In diesem Zusammenhang ist, wie schon erwähnt, zu berücksichtigen, daß sich die bei der D7 zur Anwendung kommende Rekristallisationsstufe von der beim Streitpatent zur Anwendung kommenden Rekristallisationsstufe unterscheidet.

2.5.5. Aufgrund dieser Betrachtungen kommt die Beschwerdekammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Das Patent hat somit auf der Basis des Hauptantrags Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2001,

Beschreibung und Figuren wie erteilt.

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