T 0811/98 () of 14.12.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T081198.19991214
Datum der Entscheidung: 14 Dezember 1999
Aktenzeichen: T 0811/98
Anmeldenummer: 92109358.9
IPC-Klasse: B24B 9/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 46 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Vorbereiten von Glasscheiben für eine Mehrfachverglasung mit mindestens einer beschichteten Glasscheibe
Name des Anmelders: HEGLA Fahrzeug- und Maschinenbau GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Glastechnische Industrie Peter Lisec Ges. m.b.H.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Zugänglichkeit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Novelty - availability (yes)
Inventive step - ex-post-facto analysis
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 109 358.9 wurde das europäische Patent Nr. 0 517 176 mit den Ansprüchen 1 bis 20 erteilt.

"1. Verfahren zum Vorbereiten von Glasscheiben zur Herstellung einer Mehrfachverglasung, die mindestens eine beschichtete Glasscheibe aufweist, wobei eine beschichtete Glasrohtafel (9) in einzelne Glasscheiben durch Schneiden entlang einer vorgegebenen Aufteilungskontur und Brechen in den Schneidspuren aufgeteilt wird und wobei vor dem Brechen mit einer mechanischen Abtragevorrichtung im Bereich der Aufteilungskontur entschichtet wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß als Abtragevorrichtung eine Schleifvorrichtung (7) mit einem Schleifkörper (8) verwendet wird, mit dem entlang der Aufteilungskontur gefahren und über eine vorgegebene Breite entschichtet wird, und daß nachfolgend mit einer Schneidvorrichtung (11) in den entschichteten Bereichen geschnitten wird."

III. Der gegen obiges Patent eingelegte Einspruch der Fa. Glastechnische Industrie Peter Lisec Ges. m.b.H. - nachfolgend Beschwerdeführerin - wurde von der Einspruchsabteilung mit Entscheidung vom 8. Mai 1998, zur Post gegeben am 4. Juni 1998, zurückgewiesen, u. a. deshalb, weil eine behauptete mündliche Offenbarung nicht als Stand der Technik anerkannt wurde.

IV. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin am 6. August 1998 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und begründet. Sie stellte den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 0 517 176 zu widerrufen.

V. Die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdegegnerin - stellte demgegenüber den Antrag die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag).

VI. Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK und Erlaß der Zwischenentscheidung der Kammer über eine Beweisaufnahme gemäß Regel 72 EPÜ vom 22. Oktober 1999 fand am 14. Dezember 1999 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Herren Johann Köpnek, Helmut Forstner, Leopold Mader, Peter Bayer und Heinrich Kraus als Zeugen vernommen wurden. Nach der Beweiswürdigung ergänzten die Parteien in der mündlichen Verhandlung ihre vorgenannten Anträge wie folgt:

a) Beschwerdeführerin

Hilfsweise die Herren Petschenig Senior und Junior als Zeugen über die heute von dem Zeugen Bayer vorgetragene offenkundige Vorbenutzung zu vernehmen;

b) Beschwerdegegnerin

Die Beschwerde hilfsweise mit der Maßgabe zurückzuweisen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 13, der ebenfalls überreichten angepaßten Beschreibung sowie den Figuren 1 bis 7 gemäß der Patentschrift aufrechtzuhalten.

VII. Die unabhängigen Ansprüche 1, 6, 7 und 10 des Hilfsantrages haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Vorbereiten von Glasscheiben zur Herstellung einer Mehrfachverglasung, die mindestens eine beschichtete Glasscheibe aufweist, wobei eine beschichtete Glasrohtafel (9) in einzelne Glasscheiben durch Schneiden entlang einer vorgegebenen Aufteilungskontur und Brechen in den Schneidspuren aufgeteilt wird und wobei vor dem Brechen mit einer mechanischen Abtragevorrichtung im Bereich der Aufteilungskontur entschichtet wird,

dadurch gekennzeichnet, daß

a) als Abtragevorrichtung eine Schleifvorrichtung (7) mit einem Schleifkörper (8) verwendet wird, mit dem entlang der Aufteilungskontur gefahren und über eine vorgegebene Breite entschichtet wird, und daß nachfolgend mit einer Schneidvorrichtung (11) in den entschichteten Bereichen geschnitten wird,

b) eine nicht beschichtete Glasrohtafel unter Auslassung des Entschichtungsschritts in derselben Vorrichtung fixiert und aufgeteilt wird,

c) die beschichteten, im Randbereich entschichteten und die nichtbeschichteten Glasscheiben unmittelbar nach dem Aufteilen für Mehrfachverglasungseinheiten zu Mehrfachgruppen sortiert werden."

"6. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5 mit

a) einer Halterungsvorrichtung, auf der eine Glasrohtafel fixierbar ist,

b) einer Bewegungseinrichtung in Form einer verfahrbaren Brücke (10),

c) einer Schneidvorrichtung (11), die an der Brücke verfahrbar angeordnet ist und mit der entlang einer vorgegebenen Aufteilungskontur geschnitten werden kann,

d) einer Abtragevorrichtung zum Abtragen der Beschichtung entlang der Aufteilungskontur,

e) Betätigungseinrichtungen zum Betätigen der Bewegungseinrichtung, der Schneidvorrichtung und der Abtragevorrichtung,

wobei

f) die Abtragevorrichtung eine Schleifvorrichtung (7) mit einem Schleifkörper (8) ist und

g) die Schleifvorrichtung (7) gegen die Schneidvorrichtung (11) austauschbar an der Brücke (10) angeordnet ist, so daß auch eine nicht beschichtete Glasrohtafel geschnitten werden kann."

"7. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5 mit

a) einer Halterungsvorrichtung, auf der eine Glasrohtafel fixierbar ist,

b) einer Bewegungseinrichtung in Form einer verfahrbaren Brücke (10),

c) einer Schneidvorrichtung (11), die an der Brücke verfahrbar angeordnet ist und mit der entlang einer vorgegebenen Aufteilungskontur geschnitten werden kann,

d) einer Abtragevorrichtung zum Abtragen der Beschichtung entlang der Aufteilungskontur,

e) Betätigungseinrichtungen zum Betätigen der Bewegungseinrichtung, der Schneidvorrichtung und der Abtragevorrichtung,

wobei

f) die Abtragevorrichtung eine Schleifvorrichtung (7) mit einem Schleifkörper (8) ist und

g) die Schleifvorrichtung (7) und die Schneidvorrichtung (11) hintereinander an der Brücke (10) angeordnet sind, wobei die Schneidvorrichtung unter Auslassung der Funktion der Schleifvorrichtung betätigbar ist."

"10. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5, mit

a) einer Halterungsvorrichtung, auf der eine Glasrohtafel fixierbar ist,

b) einer Bewegungseinrichtung in Form einer verfahrbaren Brücke (10),

c) einer Schneidvorrichtung (11), die an der Brücke verfahrbar angeordnet ist und mit der entlang einer vorgegebenen Aufteilungskontur geschnitten werden kann,

d) einer Abtragevorrichtung zum Abtragen der Beschichtung entlang der Aufteilungskontur,

e) Betätigungseinrichtungen zum Betätigen der Bewegungseinrichtung, der Schneidvorrichtung und der Abtragevorrichtung,

wobei

f) die Abtragevorrichtung eine Schleifvorrichtung (7) mit einem Schleifkörper (8) ist und

g) die Schleifvorrichtung (7) und die Schneidvorrichtung (11) nebeneinander an der Brücke (10) angeordnet und unabhängig voneinander arbeitend betätigbar sind, wobei die Schneidvorrichtung unter Auslassung der Funktion der Schleifvorrichtung betätigbar ist."

VIII. Die Zeugenaussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Zeuge Johann Zöpnek

- nach der Markteinführung weich beschichteter Gläser habe sich in seinem Betrieb herausgestelt, daß die von ihm benutzten Tische der Fa. Bottero bezüglich der Entfernung der Beschichtung im Bereich der späteren Bruchkanten insoweit nachteilig gewesen seien als damit kein wirtschaftliches Arbeiten möglich gewesen sei;

- er sei deshalb auf die Idee gekommen, den Schleifkopf auf die Tischbrücke, die das Schneidrad trage, aufzusetzen, um damit mit ein und demselben Tisch entschichten und ritzen zu können;

- da ein Tisch, der vorgenannte Möglichkeiten umfasse, nicht auf dem Markt gewesen sei, habe er versucht, auf der Fachmesse "Glastec 90" in Düsseldorf am 26. Oktober 1990 einen Lieferanten zu finden, der ihm einen Träger für den Schleifkopf und dessen zugehörige Steuerung nach seinen Vorstellungen bauen würde;

- bei zwei Gelegenheiten habe er seine Idee Fachleuten vorgetragen, einmal am Messestand der Fa. Lisec und zum anderen am Galaabend dieser Firma vom gleichen Tage;

- bei beiden Gelegenheiten habe er vorgetragen, daß ein Tisch wünschenswert sei, dessen Trägersystem sowohl den Schleif- als auch den Schneidkopf trage und der steuerungsmäßig so ausgestaltet sei, daß zunächst das Schleifen und dann das Schneiden erfolge; Gesprächspartner seien dabei die Herren Lisec, Forstner und Mader gewesen; da es sich um offene Gespräche gehandelt habe, seien auch andere als die vorgenannten Herren mit in den Gedankenaustausch einbezogen worden sowohl am Messestand als auch am Galaabend, bei welchem er überdies an zwei Tischrunden beteiligt gewesen sei;

- da er seine Idee des Tischumbaus und einer angepaßten Steuerung der Werkzeugträger nicht für patentwürdig gehalten habe, sei von seiner Seite keinerlei Vertraulichkeit, sondern ein freier Gedankenaustausch angestrebt worden;

- es seien basierend auf dem Prinzip erst Schleifen dann Schneiden der Glasrohtafel verschiedene Vorrichtungsalternativen erörtert worden;

b) Zeuge Helmut Forstner

- als Verkaufsleiter der Fa. Lisec sei er beim Galaabend seiner Firma anläßlich der "Glastec 90" mit vielen Kunden in Kontakt gekommen und zusammen mit Herrn Mader ebenfalls von der Fa. Lisec mit dem Zeugen Zöpnek an einem Tisch gesessen, wobei Herr Zöpnek seine Idee vom Schleifen und Schneiden beschichteter Glastafeln vorgetragen habe; in Gesprächen seien daraufhin verschiedene Varianten der vorrichtungsmäßigen Umsetzung der vorgenannten Idee erörtert worden, nämlich Ausstattung des Tisches mit einer Brücke, auf der die Köpfe für das Schleifen und das Schneiden aufgesetzt seien, dergestalt, daß eine X-Y-Bewegung der Köpfe möglich sei; damit sollte erreicht werden, daß an einem Tisch geschliffen und geritzt werden könne;

- er sei aber skeptisch gegenüber der Zöpnek-Idee gewesen u. a. wegen der Ausstattung eines fremden Tisches mit einer brückengetragenen Schleif- und Schneidvorrichtung; insgesamt sei es nicht bei einem bloßen Gespräch geblieben, es seien auch Skizzen angefertigt worden, über deren Verbleib er aber nichts Genaues wisse;

c) Zeuge Leopold Mader

- als technischer Leiter der Fa. Lisec sei er am Galaabend seiner Firma anläßlich der "Glastec 90" mit Herrn Zöpnek in Kontakt gekommen; zugegen seien auch der Lisec-Kollege Herr Forstner und noch eine größere Anzahl Kunden gewesen;

- bei dieser Begegnung habe Herr Zöpnek ihm seine Idee vom Abschleifen der Beschichtung von beschichtetem Glas vorgetragen, wobei diese Idee auf vorrichtungstechnische Umsetzungsmöglichkeiten hin diskutiert worden sei und zwar in Verbindung mit der Taktzeit und Logistik; obwohl er die Idee, sowohl das Schleif- als auch das Schneidrad an einer Brücke, evtl. sogar je einer Brücke, anzubringen, für gut gehalten habe, sei eine diese Prinzipien berücksichtigende Maschine aus firmenpolitischen Gründen erst einige Jahre später gebaut worden;

- Zöpneks Wunsch sei eine Nachrüstung eines bestehenden Tisches gewesen, er als Lisec-Mann habe diese Vorstellung geschäftlich nicht für interessant gefunden;

- die im Verlauf des Galaabends angefertigten Skizzen seien in einer Atmosphäre ohne jede Geheimhaltung entstanden; über den Verbleib dieser Skizzen könne er nur mutmaßen, daß sie am Tisch geblieben seien;

d) Zeuge Peter Bayer

- seine Firma habe Herrn Petschenig Glasladungen, aber auch einen alten Bystronik-Tisch und eine Abschleifvorrichtung der Firma Luxguard verkauft;

- basierend auf diesen Baugruppen habe er mit Herrn Petschenig die Integration der Abschleifvorrichtung in die Schneidvorrichtung diskutiert und zwar auf die Brücke des Tisches, damit sie in Quer- und Längsrichtung verfahrbar sei; es sei auch die Frage einer Kostenbeteiligung angesprochen worden;

- im Frühjahr 1990 habe er mit Herrn Reisch von der Firma Luxguard die von Herrn Petschenig auf den Bottero-Tisch aufmontierte Abschleifvorrichtung in Leopoldsdorf gezeigt bekommen;

- die Einladung nach Leopoldsdorf seitens des Herrn Petschenig sei aufgrund gegenseitigen Kennens erfolgt und weil Letzterer offensichtlich nichts geheimhalten wollte; für ihn sei klar gewesen, daß wegen der Verwendung von Schneidöl erst geschliffen und dann geschnitten werden müsse;

- im Zusammenhang mit dem Galaabend der Fa. Lisec auf der "Glastec 90" sei zu bemerken, daß Herr Zöpnek etwas weiter entfernt von ihm gesessen habe und daß er mit ihm erst 1992 über die Montage einer Abschleifvorrichtung geredet habe und zwar bei Eröffnung der Firma ProGlas;

- im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, habe er mit Herrn Glaser von der Fa. Hegla gesprochen und ihm mitgeteilt, daß er mit Herrn Petschenig über die "besagte Vorrichtung" gesprochen habe, was zu der Aussage geführt habe, "daß dies nicht erfreulich sei";

e) Zeuge Heinrich Kraus

- die Aufteilung der Tätigkeitsfelder bei der Fa. ProGlas, bei der er und Herr Beier angestellt gewesen seien, sei dergestalt gewesen, daß er für die kaufmännischen Belange und daß Herr Beier für den technischen Bereich zuständig gewesen seien; aufgrund des guten Verhältnisses sei es für ihn "schwer vorstellbar", daß Herr Zöpnek den Herrn Beier angesprochen haben sollte, ohne daß er etwas erfahren hätte, wenn es um eine wichtige Sache gegangen wäre;

- ein über gelegentliche Unterhaltungen mit dem kleineren Kunden, Herrn Zöpnek, hinausgehendes Gespräch von zwei drei Stunden in Wien habe nicht stattgefunden;

- es treffe zu, daß er auf der "Glastec 90" gewesen sei, ohne sich aber an ein Zusammentreffen mit Herrn Zöpnek erinnern zu können.

IX. Die von der Beschwerdeführerin angebotenen Zeugen Herr Petschenig Senior und Herr Petschenig Junior wurden seitens der Kammer - nach Vernehmung der vorgenannten fünf Zeugen - ohne Vernehmung entlassen.

X. Die wesentlichen Argumente der Parteien, die zur Stützung ihrer vorgenannten Anträge im Anschluß an die Vernehmung der fünf Zeugen gemäß Abschnitt VIII vorgebracht wurden, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Beschwerdeführerin

- Die Aussagen der Herren Forstner und Mader seien technisch stimmig, auch wenn Details der Zeugenaussagen nicht vollständig übereinstimmten; der Angriff der Beschwerdegegnerin ziele auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen, ohne damit die mündliche Offenbarung erschüttern zu können; Unterschiede zu den Aussagen vor dem Deutschen Bundespatentgericht sprächen für die Glaubwürdigkeit der Zeugen, zumal der zu beurteilende Sachverhalt neun Jahre zurückliege;

- die vom Zeugen Bayer vorgetragene offenkundige Vorbenutzung in Verbindung mit den Herren Petschenig belege, daß das Beanspruchte von zwei unabhängigen Stellen vorweggenommen worden sei;

- hilfsweise werde beantragt, die Herren Petschenig zur obigen offenkundigen Vorbenutzungshandlung zu vernehmen und einen eventuellen Verspätungseinwand der Gegenseite deshalb zu verwerfen, weil die weitere Vorbenutzungshandlung erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht worden sei;

- zum Hilfsantrag der Beschwerdeführerin sei auszuführen, daß der Oberbegriff des Anspruchs 1 aus (D1) - das ist die DE-C-3 403 682 - bekannt sei und sich sein Merkmal a) aus der mündlichen Vorbeschreibung ergebe; die Neuheit dieses Verfahrens sei gegeben, nicht aber das Erfordernis erfinderischer Tätigkeit erfüllt;

- das Unterschiedsmerkmal zum konventionellen Schneidtisch sei die Schleifvorrichtung, die aktivier- und deaktivierbar sei;

- die Vorrichtungsansprüche gemäß Hilfsantrag stellten einen Verstoß gegen Artikel 123 EPÜ dar, da Merkmale daraus nur in Verbindung mit den Verfahrensansprüchen offenbart seien;

- die Austauschbarkeit von Schleif- und Schneidkopf bzw. die spezielle Anordnung derselben bedeute eine Auswahl aus wenigen Möglichkeiten bzw. die Zurückführung der Vorrichtung (zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens) auf ihren Ursprungszustand, so daß die Gegenstände der unabhängigen Vorrichtungsansprüche insgesamt gesehen naheliegend seien;

b) Beschwerdegegnerin

- da in vorliegendem Verfahren alle Beweismittel von der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) stammten und die Beschwerdegegnerin darauf kaum Einfluß nehmen könne, seien besonders hohe Maßstäbe bei der Abwägung der zu beurteilenden Komplexe anzulegen, vor allem da, wo es sich um Widersprüche bzw. um Lücken in der Beweiskette handele;

- der Zeuge Zöpnek sei seit seiner Gesellenzeit in enger Beziehung zur Beschwerdeführerin gestanden, was auch für die Zeugen Forstner und Mader gelte, die zum fraglichen Zeitpunkt Angestellte im kaufmännischen bzw. technischen Bereich dieser Firma gewesen seien;

- die Zeugenaussagen vor dem Deutschen Bundespatentgericht - nachfolgend (D10) - und vor der europäischen Beschwerdekammer 3.2.3 ergäben Widersprüche, z. B. beim Material der Skizzenträger (Serviette oder Bierdeckel) und beim Verbleib der Skizzen, bzw. Beweislücken z. B. bei fehlenden Personennamen; in sachlicher Hinsicht falle auf, daß das Fachwissen stets in Richtung erst Schleifen und dann Schneiden interpretiert werde, obwohl gemäß nachveröffentlichter (D13) - das ist die AT-Patentanmeldung 2480/92 vom 15. Dezember 1992 - der Beschwerdeführerin auch die umgekehrte Folge möglich sei;

- der Umstand, daß der Zeuge Zöpnek für seine Idee eine finanzielle Forderung an die Beschwerdeführerin gerichtet habe, belege sein Geheimhaltungsinteresse, zumal diese Firma (D13) zwei Jahre später zum Patent angemeldet habe und eine Millionen DM kostende Maschine Jahre nach der "Glastec 90" gebaut habe;

- zum Hilfsantrag sei festzuhalten, daß bei (D1) nur Blankglas bearbeitet werde und daß es hieraus nicht bekannt und nahegelegt sei, ein und dieselbe Vorrichtung sowohl für beschichtetes als auch für unbeschichtetes Glas zu verwenden, um ohne Regalzwischenlagerung, Kombinationen aus beschichteten und unbeschichteten Scheiben zeitlich und logistisch überzeugend zusammenstellen zu können; auch die von der Beschwerdeführerin als Stand der Technik geltend gemachte mündliche Offenbarung betreffe kein Verfahren nach Anspruch 1 bzw. lege ein solches einzeln oder in Kombination nicht nahe;

- die Gegenargumente der Beschwerdeführerin zum Anspruch 1 seien ex post, da ohne Kenntnis der Erfindung der Stand der Technik unergiebig sei, zumal zunächst habe erkannt werden müssen, daß Blank- und beschichtetes Glas auf einer Vorrichtung bearbeitbar seien und die Tatsache, daß Blankglas keine Schleifvorrichtung benötige, gegen den Einsatz eines mit einer solchen Schleifvorrichtung ausgestatteten Tisches gesprochen habe;

- mit Blick auf die Vorrichtungsansprüche werde kein Verstoß gegen Artikel 123 EPÜ gesehen;

- deren Gegenstände beträfen Merkmalskombinationen teils gegenständlicher teils steuerungstechnischer Art, die im Zusammenhang mit der Bearbeitung von zwei Sorten Glas für Mehrfachverglasungen im insgesamt zu berücksichtigenden Stand der Technik ohne Vorbild seien;

- zusammenfassend seien zumindest die in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag rechtsbeständig;

- der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zeugeneinvernahme der Herren Petschenig sei als verspätet zurückzuweisen.

X. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll der Zeugenaussagen und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Mündliche Offenbarung

2.1. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß aufgrund mündlicher Offenbarung auf der "Glastec 90" in Düsseldorf, und zwar am Messestand der Fa. Lisec bzw. an deren Galaabend anläßlich der "Glastec 90" der Gegenstand des Streitpatents vorweggenommen worden sei.

2.2. Herr Zöpnek hat sich in seiner Vernehmung als Zeuge der Kammer glaubwürdig als Praktiker dargestellt, der bereits vor der "Glastec 90" an einem eigenen Schneidtisch Randentschichtungen an beschichtetem Glas mittels einer Schleifvorrichtung vorgenommen hat und der die Nachteile des Randentschichtens erkannt hat. Auf dieser Basis ist für die Kammer auch seine weitere Aussage überzeugend, daß er seine an Einzelscheiben (nicht Glasrohtafeln!) gewonnenen Erkenntnisse bei einem Forum, wie es die "Glastec 90" darstellt, da er sie nicht für "patentwürdig" hielt, Maschinenherstellern eröffnet hat, um sie für ihn baulich und steuerungsmäßig umzusetzen.

2.3. Die Vorgänge bei der "Glastec 90" haben für die Kammer deshalb hohen Stellenwert, weil sie von den anderen Zeugen, die der Verwirklichung der Ideen des Zeugen Zöpnek eher reserviert gegenüberstanden, in technischer Hinsicht bestätigt werden, vgl. Zeugenprotokoll der Herren Forstner und Mader. Da beide eine technische Ausbildung haben und auch der derzeit in kaufmännischer Funktion tätige Zeuge Forstner sich selbst als "technischer" Kaufmann bezeichnet, der nicht nur Waren, sondern auch ihre technischen Inhalte verkauft, ist beim Galaabend der Fa. Lisec, ein Personenkreis angesprochen worden, der die Tragweite und Bedeutung des Zöpnekvorschlages: "setze eine Schleifvorrichtung auf die ohnehin vorhandene Brücke eines Schneidtisches und steuere sie so an, daß sie vor dem Schneiden den Schleifvorgang ausführt", unmittelbar erkennen und bezüglich seiner immanenten Vorteile "nur ein Tisch" für zwei verschiedene Werkzeugtypen (Schleif- bzw. Schneidrad) abschätzen konnte, zumal es zu einer Diskussion über die maschinenbauliche Ausgestaltung zumindest am Galaabend der Fa. Lisec gekommen ist, vgl. Skizzenanfertigung auf Behelfsmaterial wie Servietten oder Bierdeckeln.

2.4. Die Kammer bestreitet in keiner Weise, die in Nebenpunkten partielle Unzulänglichkeit der Zeugenaussagen, seien sie widersprüchlicher, lückenhafter oder nichtwissender Art, hat sich aber persönlich durch direktes Befragen der Zeugen einen gefestigten Eindruck dergestalt gemacht, daß auf dem Galaabend der Beschwerdeführerin ein Fachmann auf dem Gebiet der Mehrfachverglasung seine technische Idee zum Bearbeiten von beschichteten Glasscheiben anderen Fachleuten ohne erkennbaren Geheimhaltungswillen vorgetragen hat, nämlich in Form der Wunschvorstellung, einen Tisch zu bekommen, bei dem an einer Glasrohtafel von ca. 6x3 m zuerst die Beschichtung abgeschliffen und anschließend der Schneidvorgang ausgeführt wird und zwar dergestalt, daß die jeweiligen Werkzeuge Schleifrad und Schneidrad brückengetragen und längs der X- und Y-Achse bewegbar sowie in die Betriebsstellungen aktiv/nichtaktiv ansteuerbar sind. Bezüglich dieses Umstandes entsprechen sich die Aussagen der drei Zeugen Zöpnek, Forstner und Mader, und auch durch Befragen ergeben sich keine Widersprüche oder Ungereimtheiten.

2.5. Für die Tatsache, daß es sich bei der Handlungsweise von Herrn Zöpnek nach seiner Einschätzung um keine patentwürdige Idee gehandelt habe, spricht zunächst das Forum von deren Präsentation, nämlich eine Fachmesse, und weiterhin der zweifache Versuch, nämlich am Messestand der Beschwerdeführerin bzw. an deren Galaabend, seine Idee einem Maschinenhersteller in aller Breite vorzustellen, also jeweils Kreisen, die nach aller Lebenserfahrung ein Kommen und Gehen der Messeteilnehmer beinhalten und als nicht abgeschlossen anzusehen sind. In die Kategorie "Widerspruch" ist die Forderung des Zeugen Zöpnek nach einer Entschädigung von der Beschwerdeführerin für seine Idee einzureihen; dieser Umstand darf aber nicht für sich beurteilt werden, weil sonst der Gesamteindruck des Zeugen Zöpnek verfälscht würde. Im übrigen spielt er nicht in die Vorgänge bei der "Glastec 90" hinein, sondern betrifft eine Angelegenheit zwischen dem Zeugen Zöpnek und der Beschwerdeführerin. Aus (D12), dem Schreiben der Beschwerdeführerin an die Beschwerdegegnerin vom 11. Januar 1996, in dem die Forderung des Zeugen Zöpnek erwähnt wird, kann zudem geschlossen werden, daß es sich hierbei um eine spätere Überlegung des Zeugen angesichts des Erfolgs seiner Idee handelt.

2.6. Vorstehende Überlegungen zusammenfassend hat sich die Kammer durch die Zeugeneinvernahme davon überzeugt, daß die mündliche Vorbeschreibung von Seiten des Herrn Zöpnek auf der "Glastec 90" als Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ anzusehen ist und daß sie in merkmalsmäßiger Hinsicht vollständig auf die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 zu lesen ist. Dies wurde den Parteien als Ergebnis der Zwischenberatung zur Frage der mündlichen Offenbarung in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt.

3. Offenkundige Vorbenutzung

3.1. Der Zeuge Bayer hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erstmals auf eine offenkundige Vorbenutzung einer Vorrichtung zum Vorbereiten von Glasscheiben hingewiesen und zwar durch geschäftliche Kontakte zwischen ihm und den Herren Petschenig Senior und Junior.

3.2. Da dieser Vortrag nicht über den Gegenstand der mündlichen Offenbarung hinausging, teilte die Kammer den Parteien in der Verhandlung mit, daß die Kammer nicht in die Beurteilung dieser behaupteten offenkundigen Vorbenutzung einzutreten brauche.

Hauptantrag

4. Wie vorstehende Ausführungen zur Frage der mündlichen Offenbarung erhellen, ist die Kammer in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, daß diese die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 vollständig neuheitsschädlich vorwegnimmt. In der Frage der möglichen Abfolge der Vorgänge Schneiden/Schleifen vermag die Kammer auch im Hinblick auf (D13) keine Erschütterung des Fachwissens zu erkennen, da die Zeugen Zöpnek, Forstner, Mader und Bayer übereinstimmend vorgetragen haben, daß nur das Schleifen vor dem Schneiden praktikabel sei.

Mangels Neuheit all seiner Merkmale kann der erteilte Anspruch 1 keinen Rechtsbestand haben, so daß dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin der Erfolg versagt werden muß.

Hilfsantrag

5. Der von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Hilfsantrag umfaßt einen unabhängigen Verfahrensanspruch (Anspruch 1) sowie drei unabhängige Vorrichtungsansprüche (Ansprüche 6, 7 und 10). Die Prüfung der Rechtsbeständigkeit dieser Ansprüche führt zu nachfolgendem Ergebnis:

Anspruch 1

5.1. Dieser Anspruch ist auf ein Verfahren abgestellt, das die Aufgabe löst, den Sortiervorgang beschichteter bzw. unbeschichteter Glasscheiben zu vereinfachen. Dazu werden beide Sorten von Glasscheiben auf ein und demselben Tisch bearbeitet, nämlich durch Teilentschichten der beschichteten Glasscheiben entlang der Aufteilungskontur mittels Schleifen und nachfolgendem Schneiden/Brechen der Scheiben und durch ein Schneiden/Brechen der Klarglasscheiben, wobei die beschichteten/teilentschichteten und die Klarglasscheiben (nichtbeschichtete Scheiben) unmittelbar nach dem Aufteilen für Mehrfachverglasungseinheiten zu Mehrfachgruppen sortiert werden.

Damit wird erreicht, daß der Zeitbedarf pro Mehrfachgruppe und der Logistikaufwand durch den Entfall von Regalzwischenlagerung entscheidend verbessert werden kann.

5.2. Dieses Verfahren ist unbestritten neu und nach Überzeugung der Kammer auch erfinderisch, weil es im Gegenatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin um mehr geht, als einen bekannten Schneidtisch mit einer Schleifvorrichtung zu versehen. Erst die Anpassung und Auslegung der Steuerung auf das Schleifen vor dem Schneiden beschichteter Scheiben und an den Schneidvorgang unbeschichteter Scheiben durch Deaktivieren der Schleifscheibe eröffnet die Möglichkeit, an einem einzigen Tisch zwei Sorten Glas zu verarbeiten. Die nach Realisierung dieser Grundüberlegungen erzielbaren Vorteile sind überzeugend, da sie die Zwischenlagerung der geschnittenen/gebrochenen Scheiben entbehrlich machen, was einen überragenden betrieblichen Vorteil ergibt.

5.3. Weder (D1) noch die mündliche Vorbeschreibung setzen sich mit der Lösung der hier angesprochenen Aufgabe, den Sortiervorgang zu vereinfachen, auseinander, so daß der Fachmann auf kein nacharbeitbares Vorbild zurückgreifen konnte, sondern selbst erfinderisch tätig werden mußte. Das Verfahren nach Anspruch 1 erfüllt damit zusammen mit den von ihm abhängigen Verfahrensansprüchen die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

Ansprüche 6, 7 und 10

5.4. Änderungen

5.4.1. Die Beschwerdeführerin sieht in den unabhängigen Vorrichtungsansprüchen einen Verstoß gegen Artikel 123 EPÜ. Dem kann die Kammer aus den nachfolgenden Gründen nicht zustimmen:

5.4.2. Die erteilten Ansprüche 8, 9 und 12 als Vorläufer der geltenden unabhängigen Vorrichtungsansprüche enthalten jeweils die Angabe "zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche ...", was impliziert, daß alle Verfahrensmerkmale des vorgeordneten Verfahrensanspruches angesprochen sind. Eine Weglassung der zitierten Angabe und die photographische Auflistung der Verfahrensmerkmale des jeweils vorgeordneten Verfahrensanspruches wäre mit Sicherheit aus der Sicht des Artikels 123 EPÜ nicht zu beanstanden, weil nichts hinzugekommen und nichts weggelassen worden wäre.

5.4.3. Daraus folgt, daß die Angabe "zur Durchführung des Verfahrens ..." nicht nur faktisch, sondern auch in technischer Hinsicht eine Brücke zwischen Verfahrens- und Vorrichtungsanspruch herstellt d. h. alle Merkmale die im Zusammenhang mit dem Verfahrensanspruch offenbart sind, können jederzeit ohne Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ im Vorrichtungsanspruch herangezogen werden.

5.4.4. Folgende Textstellen der Beschreibung sind zudem als Offenbarungsquelle der Merkmale der unabhängigen Vorrichtungsansprüche von besonderem Interesse, vgl. EP-B1-0 517 176, Spalte 8, Zeilen 5 bis 8 und Zeilen 45 bis 58, so daß zusammenfassend kein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ vorliegt.

5.4.5. Da die Ansprüche 6, 7 und 10 alle Merkmale der erteilten Ansprüche 8, 9 und 12 beinhalten und die gewählte einteilige Anspruchsfassung am Schutzbereich nichts ändert und da in jedem Anspruch ein Merkmal hinzugekommen ist, vgl. Anspruch 6 "so daß auch eine nicht beschichtete Glasrohtafel geschnitten werden kann" bzw. Anspruch 7 und 10 "wobei die Schneidvorrichtung unter Auslassung der Funktion der Schleifvorrichtung betätigbar ist", kann auch kein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ gesehen werden, da ein zusätzliches Anspruchsmerkmal eine Einschränkung und keine Erweiterung des Schutzumfanges bedeutet.

5.5. Neuheit

Die Neuheit der Vorrichtung nach Anspruch 6, 7 und 10 ist jeweils gegeben und wurde auch von der Beschwerdeführerin und der Kammer nicht in Zweifel gezogen, so daß noch zu prüfen ist, ob vorgenannte Ansprüche auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

5.6. Erfinderische Tätigkeit

5.6.1. Die unabhängigen Ansprüche 6, 7 und 10 sind darauf abgestellt, daß sie das beschichtete Glas erst Schleifentschichten, dann Schneiden und Brechen, und daß sowohl beschichtetes als auch unbeschichtetes Glas, auf einem einzigen Tisch bearbeitet werden kann, was die im Abschnitt 5.1 angegebenen Vorteile bezüglich des Sortiervorganges eröffnet.

5.6.2. Die mündliche Offenbarung ist für den Gedanken relevant, erst beschichtetes Glas zu schleifen und dann zu schneiden; ein Bearbeiten von zwei Sorten Glas auf einem einzigen Tisch und die damit sich ergebenden Möglichkeiten der Zeiteinsparung und Verringerung des Logistikaufwandes sind dagegen nicht im Ansatz angesprochen.

5.6.3. Das vermeintliche Naheliegen der Gegenstände der Ansprüche 6, 7, und 10 kann sich somit nicht auf Stand der Technik stützen, sondern ist vielmehr ein Argumentieren in Kenntnis der Erfindung (ex post).

5.6.4. Vorgenannte ex post-Betrachtung der Beschwerdeführerin läßt überdies unbeachtet, daß erst einmal erkannt werden mußte, daß an ein und demselben Tisch zweierlei Sorten Glas verarbeitbar sind. Darüberhinaus war vom Fachmann dafür zu sorgen, daß dies auch vorrichtungsmäßig ermöglicht wird, nämlich durch Anpassung der Steuerung, dergestalt, daß die Schleifscheibe entsprechend der Glassorte und dem jeweils auszuführenden Arbeitsschritt, Schleifen und Schneiden bei beschichtetem Glas, und Schneiden bei unbeschichtetem Glas, angesteuert wird. Allein diese Überlegungen zeigen, daß eine Vielzahl von Schritten nötig war, um die Lösungsmerkmale für die geltende Aufgabe zu verwirklichen.

5.6.5. Aus dem Zusammenhang gerissen und in Kenntnis der Erfindung mag es naheliegend sein, gemäß Anspruch 6 die Schleif- bzw. Schneidvorrichtung austauschbar, gemäß Anspruch 7 hintereinander an der Brücke und gemäß Anspruch 10 nebeneinander und unabhängig voneinander arbeitend anzuordnen. Die Kenntnis der Erfindung stellt indes nicht die Basis der, anhand der das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit einer Erfindung zu beurteilen ist.

5.6.6. Zusammenfassend trifft es somit nicht zu, daß es lediglich der Auswahl aus wenigen Möglichkeiten bzw. der Zurückführung der Vorrichtung auf ihren Ursprungszustand (d. h. ohne Schleifvorrichtung) bedurft hätte, um die Gegenstände der Ansprüche 6, 7 und 10 zu erzielen.

5.6.7. Als Ergebnis der obigen Überlegungen ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, daß es erfinderischen Zutuns bedurfte, die Gegenstände der Ansprüche 6, 7 und 10 zu erzielen, Artikel 56 EPÜ, so daß auch diese Ansprüche und die davon abhängigen Ansprüche 8, 9 und 11 bis 13, die Weiterbildungen der Erfindung betreffen, Rechtsbestand haben können.

5.6.8. Auf dieser Anspruchsbasis ist das europäische EP-B1-0 517 176 in beschränktem Umfange aufrechtzuerhalten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen - Patentansprüche 1 bis 13 und angepaßter Beschreibung - sowie den Figuren 1 bis 7 gemäß der Patentschrift aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation