European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T080498.20010509 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 09 Mai 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0804/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95909787.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61C 1/07 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung, Verfahren und Hilfsmittel zur Ultraschallpräparation von menschlichen oder tierischen Hart- oder Weichgeweben und von Zahn- oder Knochenersatzmaterialien sowie hiermit erhaltene Objekte | ||||||||
Name des Anmelders: | Hahn, Rainer, Dr. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Neuheit (ja, nach Änderungen) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Mit Entscheidung vom 6. März 1998 wies die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 95 909 787.4 (internationale Veröffentlichungsnummer WO 95/22938) im wesentlichen auf der Grundlage des Artikels 54 (3) EPÜ mit der Begründung zurück, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber der Lehre der früheren europäischen Patentanmeldung EP-A-0 594 541 (Druckschrift D1) nicht neu. Außerdem wurde gegen das Verfahren zur Verwendung der Vorrichtung ein Einwand nach Artikel 52 (4) EPÜ erhoben, da es sich dabei um ein Verfahren zur therapeutischen oder chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers handle.
II. Mit dem am 5. Mai 1998 eingegangenen Schreiben legte der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Zusammen mit der Beschwerdebegründung, eingegangen am 11. Juli 1998, wurden geänderte Patentansprüche eingereicht.
III. In einer Mitteilung vom 2. Februar 2001 zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung wies die Kammer darauf hin, daß einigen der geänderten Anspruchsfassungen nicht das Prioritätsdatum der Anmeldung zuerkannt werden könne, da diese Merkmale enthielten, die durch die Prioritätsunterlagen DE-A1-4 406 323 nicht gedeckt seien. Somit bilde die Druckschrift D1 zum einen einen Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (3) EPÜ für die von der Prioritätsunterlage gedeckten Ansprüche und zum anderen einen Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ für die von der Prioritätsunterlage nicht gedeckten Ansprüche, gegen die somit Einwände wegen mangelnder Neuheit als auch wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erhoben werden könnten.
IV. Am 9. Mai 2001 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer einen neuen Satz von Ansprüchen vorlegte, der alle früheren Anträge ersetzte.
V. Der Vorrichtungsanspruch 1 lautet wie folgt:
"Vorrichtung zur Ultraschallpräparation von menschlichem oder tierichem Hart- oder Weichgewebe oder von Zahn- oder Knochenersatzmaterialien mit einem Ultraschall-Schwingungsgenerator (16) sowie einem durch diesen angetriebenen Werkzeug (36), bei der zwischen dem Schwingungsgenerator (16) und dem Werkzeug ein Schall-Umlenkkopf (28) vorgesehen ist, der ein parallel zur Längsachse (H) des Schwingungsgenerators (16) bewegliches getriebenes Eingangselement (33) und ein treibendes Ausgangselement (34) aufweist, wobei letzteres längs einer Achse (W) beweglich ist, die mit der Achse des Schwingungsgenerators einen Winkel von 60 bis 120 bildet, und bei der das Werkzeug (36) mit dem treibenden Ausgangsteil (34) des Umlenkkopfes (28) verbunden ist, wobei der Umlenkkopf (28) einen Schwingkörper aufweist, der die Form eines Ringes, einer Scheibe oder einer Hohlkugel hat und der eine mit der Arbeitsfrequenz des Schwingungsgenerators (16) übereinstimmende Resonanzfrequenz aufweist, wobei der Durchmesser des Schwingkörpers kleiner als 30 mm, vorzugsweise kleiner als 20 mm ist."
VI. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte der Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Ansprüche 1 bis 33, wie in der mündlichen Verhandlung überreicht,
- eine anzupassende Beschreibung,
- Figuren wie ursprünglich überreicht.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Bezüglich der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Änderungen der Ansprüche 1 bis 33 hat die Kammer keine Einwände hinsichtlich der Klarheit der Ansprüche und ihrer Stützung durch die Beschreibung (Artikel 84 EPÜ).
Auch ist die Anmeldung nicht in der Weise geändert worden, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 123 (2) EPÜ).
3. Neuheit
Bei Druckschrift D1 handelt es sich um eine frühere europäische Patentanmeldung, deren Veröffentlichungstag (27. April 1994) zwischen dem Prioritätsdatum (27. Februar 1994) und dem Anmeldedatum (27. Februar 1995) der vorliegenden Anmeldung liegt. Somit ist die Druckschrift D1 als Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (3) EPÜ zu bewerten und darf deshalb gemäß Artikel 56 Satz 2 EPÜ nur bei der Prüfung der Neuheit des Anspruchsgegenstandes in Betracht gezogen werden. Dazu muß allerdings das Prioritätsdatum der vorliegenden Anmeldung wirksam beansprucht sein. Sollte dies nicht der Fall sein, so gilt Druckschrift D1 als Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ, denn die von den Prioritätsunterlagen nicht gedeckten Teile der Anmeldung besitzen ein eigenes Anmeldedatum.
Im vorliegenden Fall belegen die Prioritätsunterlagen (DE-A1-4 406 323) die Seiten 1 bis 21 und das Ausführungsbeispiel nach den Abbildungen 1 und 2 der vorliegenden Anmeldung. Die verbleibenden Abbildungen 3 bis 18 und die entsprechenden Textpassagen sind jedoch in den Prioritätsunterlagen nicht enthalten, so daß ihnen das beanspruchte Prioritätsdatum nicht zuerkannt werden kann.
Anspruch 1 umfaßt nur Merkmale, die von der Anmeldung wirksam gestützt und von der Prioritätsunterlage gedeckt sind. Insbesondere werden die verschiedenen Formen des Umlenkkopfs, der Umlenkwinkelbereich (60 bis 120 ) und der Durchmesser des Schwingkörpers (weniger als 30 mm) in den Prioritätsunterlagen beschrieben (siehe Spalte 4, Zeile 55 bis Spalte 5, Zeile 11). Außerdem wurden die im Anspruch 1 genannten Bezugszeichen auf die in den Abbildungen 1 und 2 enthaltenen Zeichen begrenzt. Daher wird dem Gegenstand des Anspruchs 1 das Prioritätsdatum der Anmeldung zuerkannt. Es ist deshalb ausschließlich zu prüfen, ob der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber der Lehre von Druckschrift D1 neu ist.
Druckschrift D1 offenbart ein Ultraschall-Bearbeitungsgerät, bei dem der Umlenkkopf einen ringförmigen Schwingkörper (Sonotrode) umfaßt. Die Beschreibung von D1 enthält aber keinerlei Größenangaben. Das in den Anspruch 1 aufgenommene Merkmal "wobei der Durchmesser des Schwingkörpers kleiner als 30 mm, vorzugsweise kleiner als 20 mm ist" reicht somit aus, um die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Lehre von Druckschrift D1 zu gewährleisten. Im übrigen trägt dieses Merkmal auch zur Lösung des in der Anmeldung (Seite 7, Zeilen 18 - 27) dargelegten Problems bei, nämlich den Einsatz der beanspruchten Vorrichtung in schwer zugänglichen Bereichen des intraoralen Raumes zu ermöglichen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu im Sinne des Artikels 54 (1) und (3) EPÜ.
4. Zurückverweisung der Sache
Die vorliegenden Ansprüche enthalten den Mangel fehlender Neuheit gegenüber der Lehre von Druckschrift D1, der den alleinigen Zurückweisungsgrund für die beanspruchte Vorrichtung bildete, nicht mehr. Im Prüfungsverfahren ist jedoch noch nicht beurteilt worden, ob der Anspruchsgegenstand gegenüber dem im Recherchenbericht genannten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Ansprüche erfordern somit noch eine weitere Prüfung auf das Vorliegen der in Artikel 52 in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ aufgeführten Erfordernisse für die Patentierbarkeit. Im Hinblick auf den Grundsatz der Entscheidung in zwei Instanzen hält es die Kammer für geboten, daß diese weitere Prüfung von der Prüfungsabteilung durchgeführt wird.
In diesem Zusammenhang wird noch darauf hingewiesen, daß die Lehre von Druckschrift D1 zwar nicht zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des vorliegenden Anspruchs 1 herangezogen werden darf. Sie könnte jedoch bei der Prüfung, ob die in den abhängigen Ansprüchen enthaltenen Kombinationen, welche sich auf nicht in den Prioritätsunterlagen enthaltene weitere Ausführungsformen der in Anspruch 1 genannten Vorrichtung beziehen, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, eine Rolle spielen.
Unter den vorliegenden Umständen macht die Kammer deshalb von der Befugnis gemäß Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch, die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.