T 0784/98 () of 13.9.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T078498.20000913
Datum der Entscheidung: 13 September 2000
Aktenzeichen: T 0784/98
Anmeldenummer: 92810487.6
IPC-Klasse: B60J 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lösbare Klebeverbindungen, Verfahren zu deren Herstellung und Verwendung von Vorrichtungen zum Lösen solcher Klebeverbindungen
Name des Anmelders: Gurit-Essex AG
Name des Einsprechenden: Henkel KGaA Patente (TTP)
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 810 487.6 ist am 14. August 1996 das europäische Patent Nr. 0 521 825 erteilt worden.

Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Lösbare Klebeverbindung, bei welcher die Verbindung der beiden miteinander verbundenen Teile (110, 114; 210, 214; 310, 314; 410, 414, 510, 514; 610, 614; 710, 714; 810, 814) mittels mindestens einer dazwischen eingebrachten Kleberaupe (112; 212; 312, 313; 412, 413; 512; 612, 613; 712A, 712B, 713; 812, 813) bewerkstelligt ist, und welche mittels eines erhitzbaren polymeren Trennelementes lösbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein separates, durch Strom- oder Strahlungszufuhr erhitzbares thermoplastisches Trennelement (118; 218; 318; 418; 518; 612; 718; 818) an oder in der Kleberaupe (112; 212; 512) bzw. einer der Kleberaupen (418; 712A, 712B; 813) vorgesehen ist oder dass eine der Kleberaupen selbst (612) als solches ausgebildet ist, wobei das Trennelement beim Erhitzen bei einer Temperatur, bei welcher die betreffende Kleberaupe (112, 212, 418, 512, 612, 712A, 712B, 812) noch nicht geschädigt wird, die Haftung an den anliegenden Teilen der Verbindung verliert oder zerstört wird und dabei die anliegenden Teile der betreffenden Kleberaupe (112, 212, 418, 512, 612, 712A, 712B, 812) freigibt, so dass die betreffende Kleberaupe nach dem Lösen für ein Wiederverkleben des mit dieser verbundenen gebliebenen Teiles (114; 214; 314; 414; 510; 610; 714; 814) brauchbar bleibt, und wobei das thermoplastische Trennelement aus einem Material besteht, das aus der folgenden Gruppe ausgewählt ist:

- Polyolefine, insbesondere Polyethlene, ataktische

Polypropylene, Polybutene und deren Copoymere;

- Ethylen-Vinylacetat-Copolymere;

- Ethylen-Acrylsäure-Copolymere;

- Ethylen-Methacrylsäure-Copolymere und entsprechende Metallsalze;

- gepfropfte und/oder segmentierte Ethylen-Vinylacetat-Copolymere;

- Ethylen-Propylen-Dien-Copolymere;

- thermoplastische Polyurethane;

- gesättigte Polyester und Copolyester;

- Polyamide und Copolyamide;

- Polyacrylate und Polymethacrylate; und

- Triblock- oder Biblock-Copolymere, insbesondere aus Polyamid-, Polyester- und/oder Polyether-Blöcken oder Polystryrol-, Polybutadien- und Polyisobutylen-Blöcken."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Klebeverbindung nach dem Anspruch 1, der unabhängige Anspruch 14 sowie die davon abhängigen Ansprüche 15 bis 27 Verfahren zur Herstellung einer lösbaren Klebeverbindung und die unabhängigen Ansprüche 28 bis 30 sowie der vom letzteren abhängige Anspruch 31 die Verwendung von verschiedenen Hitzequellen, um die lösbare Verbindung zu trennen.

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt. Sie beantragte, das Patent wegen mangelnder Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) in vollem Umfang zu widerrufen.

Zur Stützung ihres Vorbringens verwies sie u. a. auf den Stand der Technik nach dem folgenden Dokument:

(D1) DE-C-3 501 490.

III. Mit ihrer am 15. Juni 1998 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen.

Die Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß keinem der zitierten Dokumente das erfindungswesentliche Merkmal entnommen werden könne, daß die Kleberaupe nach dem Lösen für ein Wiederverkleben des mit dieser verbunden gebliebenen Teiles brauchbar bleibe, also der verwendete Klebstoff seine Klebkraft in ausreichendem Maße beibehalte.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 11. August 1998 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdebegründung ist am 14. Oktober 1998 eingegangen. In der Beschwerdebegründung verwies die Beschwerdeführerin auf zwei weitere Dokumente zum Stand der Technik, und zwar:

(10a) Technisches Datenblatt "Terostat-8591" vom 16. August 1989

(10b) Technisches Datenblatt "Terostat-8590" vom 6. August 1990.

V. Mit Schreiben vom 15. Februar 1999 teilte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit, daß sie auf eine ausführliche Stellungnahme zur Beschwerdebegründung verzichte und sich der Begründung der angefochtenen Entscheidung vollumfänglich anschließe. Sie beantragte, aufgrund der Aktenlage zu entscheiden und die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. In einer Mitteilung vom 27. August 1999 äußerte die Kammer ihre Bedenken gegen die Auslegung des Anspruchs 1 durch die Einspruchsabteilung dahingehend, daß die Kleberaupe nach dem Lösen noch eine ausreichende Klebkraft für ein Wiederverkleben aufweisen müsse. Sie vertrat die vorläufige Auffassung, daß bei sachgemäßer Auslegung des Anspruchs 1 dessen Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik nach den Dokumenten D1, D10a und D10b nicht erfinderisch sei.

Der unabhängige Verfahrensanspruch 14 und die unabhängigen Verwendungsansprüche 28 bis 30 beinhalteten, soweit erkennbar, nichts von eigenständiger erfinderischer Bedeutung.

VII. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 hat die Beschwerdeführerin zustimmend zu der Mitteilung der Kammer Stellung genommen. Eine Stellungnahme der Beschwerdegegnerin ist hierzu nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.

2. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber dem am nächsten kommenden Stand der Technik nach dem Dokument D1 hat die Einspruchsabteilung die Angabe im kennzeichnenden Teil des Anspruchs, daß die Kleberaupe "nach dem Lösen für ein Wiederverkleben des mit dieser verbundenen gebliebenen Teiles brauchbar bleibt", dahingehend verstanden, daß die Kleberaupe nach dem Lösen noch eine ausreichende Klebkraft aufweisen müsse. Für diese Interpretation des Anspruchs findet die Kammer keine Stütze in der Patentschrift. Dort wird vielmehr lediglich gesagt, vgl. z. B. Zeilen 7 bis 9, Seite 5, daß "die freiliegende Oberfläche der Kleberaupe gleichmäßig und eben ist, so daß diese nicht mehr nachgearbeitet werden muß, wenn eine neue Glasscheibe eingeklebt wird". Nach Auffassung der Kammer schließt daher das "Brauchbarbleiben für Wiederverkleben" die Situation ein, wo im Reparaturfall eine neue Glasscheibe auf die geeignete freiliegende Oberfläche der Rest-Kleberaupe geklebt wird, wie dies in den Dokumenten 10a und 10b vorgeschlagen wird.

Es ist unbestritten, daß das Dokument D1 eine lösbare Klebeverbindung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbart, bei welcher ein separates durch Stromzufuhr erhitzbares thermoplastisches Trennelement an der Kleberaupe vorgesehen ist, vgl. insbesondere Spalte 1, Zeilen 29 bis 34. Beim Erhitzen des Trennelements auf eine Temperatur, bei welcher die betreffende Kleberaupe noch nicht geschädigt wird, vgl. Spalte 2, Zeilen 44 bis 53, verliert das Trennelement die Haftung an den anliegenden Teilen der Verbindung. Vorzugsweise wird ein Thermoplast mit einer Schmelztemperatur zwischen 140 C und 200 C benutzt, vgl. Anspruch 7.

Aus den oben erläuterten Gründen kann die Kammer der Einspruchsabteilung in ihrer Argumentation nicht folgen, daß der im Dokument D1 vorgeschlagene irreversibel aushärtende Klebstoff, insbesondere Polyurethankleber, nach dem Lösen der Verbindung mangels Klebkraft für ein Wiederverkleben nicht brauchbar sein könnte. Allerdings hängt die Brauchbarkeit der Rest-Kleberaupe für diesen Zweck von der Beschaffenheit ihrer freiliegenden Oberfläche ab. Hierüber wird im Dokument D1 nichts ausgesagt. Angesichts der Tatsache, daß die Wiederverwendung der Rest-Kleberaupe eines Polyurethanklebers zum Einkleben einer neuen Glasscheibe grundsätzlich bekannt war, vgl. die Dokumente 10a und 10b, lag es für den Fachmann nahe, einen geeigneten Thermoplast mit einer aus dem Dokument D1 bekannten Schmelztemperatur zwischen 140 C und 200 C auszuwählen. Die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführte Liste von Thermoplasten stellt nicht mehr als eine Aufzählung aller gängiger Thermoplaste in besagtem Schmelzbereich dar.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), so daß das Patent schon aus diesem Grund nicht Bestand haben kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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