T 0775/98 () of 18.9.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T077598.20000918
Datum der Entscheidung: 18 September 2000
Aktenzeichen: T 0775/98
Anmeldenummer: 94909101.1
IPC-Klasse: B23Q 39/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Drehmaschine mit zwei Werkstückspindeln
Name des Anmelders: PCC Pittler Maschinenfabrik GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin hat gegen die am 25. März 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Anmeldung Nr. 94 909 101.1 am 22. Mai 1998 Beschwerde eingelegt.

Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den in den Dokumenten

D1: SU-A-1 646 784 (mit der deutschen Übersetzung D1a) und

D3: DE-A-3 812 642

beschriebenen Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Nach Auffassung der Prüfungsabteilung offenbart D1 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 sowie drei der vier Merkmale des kennzeichnenden Teils, so daß der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von der aus D1 bekannten Drehmaschine lediglich dadurch unterscheidet, daß mehrere Werkzeugträger an der Frontseite der Maschine vor den Spindeln angeordnet sind. Es sei jedoch eine allgemein bekannte Maßnahme, Zwei- oder Mehrspindeldrehmaschinen mit gegenüberliegend angeordneten Spindeln mit mehreren Werkzeugträgern, insbesondere der Zahl der Spindeln entsprechend, zu versehen, wie z. B. in der D3 gezeigt werde. Der Fachmann würde ihre Aufnahme in die in D1 beschriebene Drehmaschine daher als eine übliche, im Rahmen normalen fachlichen Handelns liegende Maßnahme ansehen.

II. Mit der am 3. August 1998 eingegangenen Beschwerdebegründung wurden noch folgende Dokumente eingereicht:

D4: ein Prospekt (undatiert) "Pittler Petra CNC-Frontdrehmaschinen" der Pittler Maschinenfabrik, Langen bei Frankfurt/M., DE,

D5: die Kopie eines Prospekts "Brinkmann" Doppelspindel CNC-Drehautomat DC250-2, der Gebr. Brinkmann GmbH, Detmold-Remmighausen, DE und

D6: ein Gutachten von Prof. Dr.-Ing. Müller vom Institut für Maschinenwesen der TU Clausthal, datiert 23. Juli 1998.

III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Zurückweisung der Anmeldung aufzuheben und ein Patent entweder auf der Basis der Unterlagen gemäß Haupt- oder Hilfsantrag zu erteilen:

Die Unterlagen des Hauptantrags sind:

Ansprüche: 1, eingereicht mit Schreiben vom 31. Juli 1997,

2. bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 30. Oktober 1996;

Beschreibung: Seiten 1, 2, 4 eingereicht mit Schreiben vom 30. Oktober 1996,

Seite 3, eingereicht mit Schreiben vom 31. Juli 1997,

Seite 6, eingereicht mit Schreiben vom 3. August 1998,

Seiten 5, 7, 8, 9 in der ursprünglich eingereichten Fassung;

Zeichnungen: Seite 1/1 in der ursprünglich eingereichten Fassung.

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Drehmaschine mit zwei Werkstückspindeln (28, 30), die jeweils in einem Spindelkasten (24, 26) drehbar gelagert und in oder mit diesem in Richtung der Spindelachse verschieblich sind, wobei sie mit ihren Werkstückspanneinrichtungen gegeneinander weisen und die Spindelkästen (24, 26) jeweils auf einer sich quer zur Spindelachse erstreckenden Führung (12, 14) auf einem Maschinenbett (10) zwischen einem Arbeitsbereich, in welchem durch Verfahren auf den Führungen (12, 14) und axiale Verschiebung der Werkstückspindeln (28, 30) im Zusammenwirken mit einem von einem Werkzeugsträger (32, 34) ortsfest gehaltenen Werkzeug (36, 38) eine Drehbearbeitung von Werkstücken (46) stattfindet, und einer Übergabeposition (40) verfahrbar sind, in welcher Werkstücke (46) unmittelbar von der einen auf die andere, fluchtend gegenüberliegende Werkstückspindel (28, 30) übergebbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß sich die Führungen (12, 14) von der Front- und Bedienungsseite der Maschine, von wo aus die Arbeitsbereiche zugänglich sind, nach hinten erstrecken, die Arbeitsbereiche an der Front- und Bedienungsseite im wesentlichen direkt gegenüberliegend und die Werkzeugträger (32, 34) an der Frontseite vor den Spindeln (28, 30) angeordnet sind, und sich die Übergabeposition (40) hinter den Arbeitsbereichen befindet."

IV. Zur Stützung ihrer Anträge hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

In Abweichung zur Meinung der Prüfungsabteilung sei es im Hinblick auf die D4 und D5 für den Fachmann eindeutig, daß die "Front- und Bedienungsseite" der Maschine gemäß D1 parallel zu den Längsführungen liege. Da weiter die hintere Stirnseite der Maschine gemäß D1, wo eine Stütze und ein feststehender Schaltschrank den Arbeitsbereich versperrten, keinesfalls die "Front- und Bedienungsseite" sein könne, ergebe sich, daß auch alle kennzeichenden Merkmale im Vergleich zu der in D1 offenbarten Maschinen neu seien.

Weder die D1, noch die D2, noch die in der ursprünglichen Anmeldung zitierte Entgegenhaltung D3 offenbare die beanspruchte neue Bauart einer Drehmaschine. Da der weiter ermittelte Stand der Technik diese Bauart auch nicht nahelege, erfülle die beanspruchte Drehmaschine auch das Erfordernis bezüglich einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen

2.1. Der Anspruch 1 basiert auf den Merkmalen des Anspruchs 1 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, und enthält folgende Änderungen:

a) das Merkmal "Arbeitsposition" der Spindeln im Oberbegriff des Anspruchs 1 der ursprünglichen Anmeldung, Zeile 8, wurde im Einklang mit dem kennzeichnenden Teil des ursprünglichen Anspruchs 1 durch "Arbeitsbereich" ersetzt,

b) eine Korrektur in Zeile 1 des Anspruchs 1, nach der "Werkzeugspindeln" (28, 30) durch "Werkstückspindeln (28, 30)" ersetzt wurde (siehe auch den kennzeichnenden Teil des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1),

c) die Übertragung des Merkmals "die Werkstückspindel (28, 30) durch Verfahren auf den Führungen ... zusammenwirken" aus dem kennzeichnenden Teil des ursprünglichen Anspruchs 1 (Zeilen 14 bis 18) in den Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1;

d) weitere Spezifizierungen, nach denen

- die Führungen von der Front- und Bedienungsseite der Maschine, von wo aus die Arbeitsbereiche zugänglich sind, sich nach hinten erstrecken...,

- die Arbeitsbereiche an der Front- und Bedienungsseite sich im wesentlichen direkt gegenüberliegen,

- die Werkzeugträger, deren Werkzeug ortsfest gehalten ist (Oberbegriff), an der Frontseite vor den Spindeln angeordnet sind, und

- sich die Übergabeposition hinter den Arbeitsbereichen befindet.

Diese Merkmale finden ihre Stütze auf Seite 4, Zeilen 14 bis 17, Seite 6, Absatz 3, Seite 7, Absatz 2 und Anspruch 3 der Patentanmeldung in der eingereichten Fassung.

2.2. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den abhängigen Ansprüchen 2 und 4 bis 6 der ursprünglichen Patentanmeldung.

2.3. Die Seiten 1 bis 4 und 6 der Beschreibung wurden an den neuen Wortlaut des Anspruchs 1 angepaßt und die D1 wurde kommentiert.

2.4. Keine der vorgenannten Änderungen gibt somit Anlaß zu einer Beanstandung nach Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Klarheit des Anspruchs 1

3.1. Die Seite der Drehmaschine, die der "Front- und Bedienungsseite der Maschine, von wo aus die Arbeitsbereiche zugänglich sind" entspricht, befindet sich gemäß der Beschreibung der Anmeldung im Vordergrund der Figur 1/1 der Anmeldung, d. h. dort, wo die zwei Werkzeugträger (32, 34) ortsfest angeordnet sind. Wie von der Beschwerdeführerin überzeugend nachgewiesen wurde (siehe auch D4 bis D6) ist es üblich, daß sich die Bedienungs- und Frontseite an der Seite einer Mehrspindeldrehmaschine befindet, von der aus sämtliche Spannfutter und Werkzeuge in Griffweite erreichbar sind, um die genannten Handarbeitsvorgänge im Arbeitsraum zu ermöglichen (siehe z. B. D4, Seiten 2, 3 und Seite 7, Bild 14).

Die Position der "Front- und Bedienungsseite" der beanspruchte Drehmaschine ist daher für den Fachmann eindeutig definiert.

3.2. Aus Anspruch 1 ist weiter ersichtlich, daß jeder Werkstückspindel aufgrund von dem ihr zugeordneten ortsfest gehaltenen Werkzeug nur ein einziger Arbeitsbereich (bzw. eine einzige Bearbeitungsstelle) zugeordnet ist.

3.3. Daher erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls die Bedingungen von Artikel 84 EPÜ in bezug auf Klarheit des beanspruchten Gegenstandes.

4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

4.1. D1, auf die sich der Oberbegriff des Anspruchs 1 bezieht, ist als der nächstkommende Stand der Technik anzusehen.

Diese Druckschrift offenbart eine Drehmaschine mit zwei auf Längsschlitten verfahrbaren Werkstückspindeln, wobei die Werkzeuge ortsfest an einem parallel zur Längsschlittenführung (3, 4) angeordneten Werkzeughalter (12) angeordnet sind.

4.2. Es wird bei dieser bekannten Drehmaschine als nachteilig angesehen, daß die Beobachtung der Arbeitsabläufe und die Bedienung erschwert sind, weil sie bedingt durch die Anordnung des Werkzeughalters von beiden gegenüberliegenden Längsseiten des Maschinenbetts aus erfolgen müssen.

4.3. Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe ist daher darin zu sehen, wie in der Patentanmeldung auf Seite 3, dritter Absatz angegeben, eine Drehmaschine mit zwei Werkstückspindeln der eingangs genannten Art zu schaffen, welche, gemessen an ihrer Arbeitskapazität, einen sehr einfachen Aufbau hat und eine gute Beobachtungsmöglichkeit und Zugänglichkeit der Spindeln im Arbeitsbereich gewährleistet.

4.4. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1 gelöst, und insbesondere durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebene Anordnung der Führungen, Werkzeugträger, Spindeln und Übergabeposition der Werkstücke zueinander.

4.5. Durch diese Merkmale wird erreicht, daß die beiden sich direkt gegenüberliegenden Arbeitsbereiche in bezug auf die Werkzeuge nur eine Bearbeitungsstelle haben und nicht, wie in der D1, mehrere solche Bearbeitungsstellen entlang der Längsführungen. Weil die Werkzeugträger an der Frontseite vor den Spindeln ortsfest aufgestellt sind, wird eine gute Beobachtungsmöglichkeit erreicht und zudem eine bessere Zugänglichkeit zu den Spindeln im Arbeitsbereich gewährleistet, bei einem vereinfachten Aufbau der Maschine.

Gemäß dieser Merkmale ergibt sich folgende spezielle Reihenfolge von Komponenten der Drehmaschine entlang der Längsführungen von der Frontseite nach hinten:

1) die Front- und Bedienungsseite (senkrecht zu den Längsführungen),

2) die Werkzeugträger mit feststehenden Werkzeugen,

3) die Arbeitsbereiche bzw. Bearbeitungsstellen, und

4) die Übergabeposition (für die Werkstücke).

4.6. Ein solcher neuer Aufbau einer Zweispindel-Drehmaschine ist weder in der D1 noch in der D2 oder D3 offenbart und ist hieraus auch nicht herleitbar.

4.6.1. In der D1 ist mit Bezug auf Punkt 3 weiter oben, die Front- und Bedienungsseite parallel zu den Längsführungen anzuordnen, so daß die hintere Stirnseite der Maschine nicht als Front- und Bedienungsseite angesehen werden kann. Die vier hintereinander angeordneten Arbeitsbereiche erstrecken sich über die Längsführungen und können dem Fachmann keine objektive Anregung vermitteln, diese Struktur in einer Weise zu ändern, die zum beanspruchten Aufbau führen könnte.

4.6.2. In der Maschine gemäß D2 stehen die zwei Spindeln senkrecht, wobei die zwei Arbeitsbereiche nicht gegenüberliegend angeordnet sind. Der Aufbau betrifft eine andersartige Maschine mit entsprechend anderen Problemen, wie z. B. die Beobachtung vom Arbeitsverlauf, die wegen der fallenden Späne von der oberen Spindel in den Arbeitsbereich der unteren Spindel erschwert wird. Auch diese Druckschrift kann dem Fachmann nichts in Richtung der beanspruchten Drehmaschine vermitteln.

4.6.3. In der D3 verläuft die Front und Bedienungsseite zwar parallel zu den Spindelachsen; da die Spindeln aber nur in Richtung ihrer Spindelachse verschiebbar sind, erstrecken sich die Arbeitsbereiche nicht von vorn nach hinten. Außerdem sind die Werkzeuge nicht ortsfest angeordnet, sondern auf Werkzeugsupports von hinten nach vorne bewegbar.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß auch die D3 keinen Hinweis auf den neuen Aufbau einer Mehrspindel- Drehmaschine nach Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag gibt.

4.6.4. Die weiter im Recherchenbericht genannten Dokumente sind weniger relevant als die D1 bis D3 und können dem Fachmann daher ebenfalls keinen Hinweis auf die beanspruchte Drehmaschine vermitteln.

4.7. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht und somit patentfähig ist.

5. Da der Hauptantrag gewährbar ist, erübrigt es sich auf den Hilfsantrag einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung ein Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche: 1, eingereicht mit Schreiben vom 31. Juli 1997,

2. bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 30. Oktober 1996;

Beschreibung: Seiten 1, 2, 4, eingereicht mit Schreiben vom 30. Oktober 1996,

Seite 3, eingereicht mit Schreiben vom 31. Juli 1997,

Seite 6, eingereicht mit Schreiben vom 3. August 1998,

Seiten 5, 7, 8, 9 in der ursprünglichen Fassung;

Zeichnungen: Seite 1/1 in der ursprünglich eingereichten Fassung.

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