T 0734/98 () of 4.7.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T073498.20000704
Datum der Entscheidung: 04 Juli 2000
Aktenzeichen: T 0734/98
Anmeldenummer: 94920944.9
IPC-Klasse: A47C 7/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verstellvorrichtung in einem Sitz für eine in einer mit dem Sitz verbindbaren Lehne angeordnete Becken- und/oder Lordosenstütze mit einer sie verbindenden Bowdenzuganordnung
Name des Anmelders: Klingler, Knud, Dr.
Name des Einsprechenden: Younglfex AG
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die am 17. Juni 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 0 706 338 die am 20. Juli 1998 eingegangene Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde mit dem am 22. Oktober 1998 eingegangenen Schriftsatz eingereicht.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent in Hinblick auf Artikel 100 a) und b) EPÜ angefochten worden.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruches 1 zwar ausführbar, in Hinblick auf folgende zum Stand der Technik genannte Druckschriften jedoch nicht erfinderisch sei:

D1: GB-A-2 013 487

D4: GB-A- 765 877

III. Nach einer Mitteilung der Beschwerdekammer hat der Beschwerdeführer einen Satz von Ansprüchen als Basis für einen Hilfsantrag I eingereicht.

Am 4. Juli 2000 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, zu der die Beschwerdegegnerin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist. Die Verhandlung wurde gemäß Regel 71 (2) EPÜ ohne sie fortgesetzt. Während dieser Verhandlung hat der Beschwerdeführer einen Satz von Ansprüchen als Basis für einen Hilfsantrag II eingereicht.

IV. Der Patentanspruch 1 des Hauptantrages des Beschwerdeführers hat folgenden Wortlaut:

"Verstellvorrichtung in einem Sitz für eine in einer mit dem Sitz verbindbaren Lehne angeordnete Becken- und/oder Lordosenstütze mit einer sie verbindenden Bowdenzuganordnung (10), wobei die Verstellvorrichtung eine in einem Gehäuse (1) geführte, axial bewegliche Gewindespindel (2), einen Gewindering (4) und einen Verstellgriff (3) enthält und das Gehäuse (1) und die Gewindespindel (2) je eine axiale miteinander fluchtende zentrale Bohrung (6,7) für die Durchführung des Seilzugs (9) der Bowdenzuganordnung (10) aufweist, wobei die zentrale Bohrung (7) in der Gewindespindel (2) in einen zum Verstellgriff (3) gerichteten Innenraum (13) zur Aufnahme für den Nippel (14) des einen Seilzugendes mündet,

dadurch gekennzeichnet, daß

in der Seitenwand des Gehäuses (1) eine radiale Öffnung (11) und in der Seitenwand der Gewindespindel (2) eine im Bereich der Halterung für den Nippel (14) mündende Querbohrung (12) ausgeführt sind, wobei die radiale Öffnung (11) mit der Querbohrung (12) in einer gegenseitigen Stellung des Gehäuses (1) und der Gewindespindel (2) miteinander fluchten und einen gemeinsamen Durchgang bilden, der die Durchführung des Nippels (14) ermöglicht, wobei die Öffnung (11) und die Querbohrung (12) jeweils durch einen in einer gemeinsamen Ebene ausgeführten Durchgang des Seilzugs (9) ermöglichenden Schlitz (15 bzw. 16) mit der zentralen Bohrung (6 bzw. 7) verbunden sind."

V. Der Beschwerdeführer sieht den nächstkommenden Stand der Technik in einer Verstellvorrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruches 1. Eine derartige Verstellvorrichtung sei bereits seit ca. 15 Jahren bekannt gewesen und bei Sitzen mit einer verstellbaren Lehne eingebaut worden. Bei dieser Vorrichtung sei der Bowdenzug zunächst durch den zum Verstellgriff gerichteten Innenraum des Gehäuses hindurchgeführt und in die vorgefertigte Lehne eingebaut worden. Die mit Bowdenzug und der damit zusammengebauten Verstellvorrichtung ausgestattete Lehne sei dann zur Endmontage mit dem Sitz ausgeliefert worden, wobei dann der Verstellgriff samt Verstellvorrichtung am Sitz befestigt worden sei. Abgesehen von der Gefahr einer Beschädigung des aus der Lehne herausragenden Bowdenzuges mit dem Verstellgriff samt Verstellvorrichtung, sei auch die Endmontage (Lehne-Sitz) umständlich gewesen. Die Aufgabe der Erfindung sei daher darin zu sehen, Sitz und Lehne so vorzufertigen, daß sie in einfacherer Weise zusammengebaut werden können. Bereits in der Idee den Verstellgriff samt Verstellvorrichtung zunächst am Sitz und den Bowdenzug davon getrennt an der Lehne anzuordnen und beide Teile (Verstellvorrichtung-Bowdenzug) erst bei der Endmontage zusammenzubauen, sei ein Anhaltspunkt für eine erfinderische Tätigkeit zu sehen. Ausgehend von dem genannten Stand der Technik hätte ein Fachmann keine Veranlassung gehabt, die Verbindungs-Einrichtung von Bowdenzügen nach der Druckschrift D4 mit einer Verstellvorrichtung eines Sitzes mit einer Lehne in Verbindung zu bringen. Auch die Druckschrift D1 hätte dazu keinen Anhaltspunkt gegeben. Diese Druckschrift D1 zeige nicht einmal eine Vorrichtung mit sämtlichen Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruches 1. Der Gegenstand des Anspruches 1 des Hauptantrages sei daher erfinderisch.

Der Fachmann könne aus dem vorliegenden Stand der Technik auch nicht die Vorrichtungen nach den Ansprüchen 1. der Hilfsanträge I und II in naheliegender Weise ableiten.

VI. Anträge

Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit folgenden Unterlagen:

Hauptantrag: Wie ursprünglich erteilt.

Hilfsantrag I: Wie am 5. Juni 2000 eingereicht, oder

Hilfsantrag II: Wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdegegnerin hat mit Schreiben vom 28. März 2000 ihre Anträge und ihre dem Beschwerdeführer widersprechenden Argumente zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit (Hauptantrag)

Weder die vom Beschwerdeführer angegebene offenkundig vorbenutzte Verstellvorrichtung (Oberbegriff des Anspruches 1) noch die in den Druckschriften D1 und D4 offenbarten Vorrichtungen, weisen sämtliche Merkmale des Anspruches 1 auf. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ist daher neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

3. Nächstkommender Stand der Technik (Hauptantrag)

Der nächstkommende Stand der Technik ist derjenige, wie er im Oberbegriff des Anspruches 1 angegeben ist und nach Angabe des Beschwerdeführers offenkundig vorbenutzt wurde. Dies wurde nicht nur während der mündlichen Verhandlung durch den Beschwerdeführer bestätigt, sondern hat auch eine Basis in der internationalen Anmeldung WO-A-95/01115, Seite 1, 3. Absatz.

Die Druckschrift D1 andererseits beschreibt zwar eine Verstellvorrichtung in einem Sitz, die für eine in einer mit dem Sitz verbindbaren Lehne angeordnete Becken- und/oder Lordosenstütze (1) vorgesehen und mit einer sie verbindenden Bowdenzuganordnung (11,12) ausgestattet ist, wobei die Verstellvorrichtung eine axial bewegliche Gewindespindel (13), einen Gewindering (im Verstellgriff) und einen Verstellgriff (14) enthält, doch unterscheidet sich diese Vorrichtung bereits von der im Oberbegriff des Anspruches 1 angegebenen Verstellvorrichtung dadurch, daß die Gewindespindel in einem Gehäuse geführt ist, daß das Gehäuse und die Gewindespindel je eine axiale miteinander fluchtende zentrale Bohrung für die Durchführung des Seilzugs der Bowdenzuganordnung aufweist und daß die zentrale Bohrung in der Gewindespindel in einen zum Verstellgriff gerichteten Innenraum zur Aufnahme für den Nippel des einen Seilzugendes mündet.

4. Aufgabe und Lösung (Hauptantrag)

4.1. Aufgabe:

Die Aufgabe der Erfindung besteht darin bei einer gattungsgemäßen Verstellvorrichtung (vgl. offenkundig vorbenutzte Verstellvorrichtung) Sitz und Lehne so vorzufertigen, daß ihr Zusammenbau vereinfacht wird.

4.2. Lösung:

Zur Lösung dienen die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale. Dadurch ist es möglich einerseits den Sitz mit dem Verstellgriff samt Verstellvorrichtung und andererseits die Lehne mit dem vollständigen Bowdenzug gesondert vorzufertigen. In einfacher Weise kann dann bei der Endmontage die vorgefertigte Lehne mit dem Sitz verbunden werden, wobei das eine Ende des Bowdenzuges mit dem Nippel in das als Gehäuse ausgebildete Gegenstück mit wenigen Handgriffen eingeführt wird.

5. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

5.1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist zunächst zu berücksichtigen, daß es sich bei dem beanspruchten Gegenstand um einen Massenartikel handelt, bei dem durch einfach erscheinende Änderungen eine beachtliche Wirkung erzielt werden kann.

5.2. Von der als offenkundig vorbenutzt angegebenen Verstellvorrichtung unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruches 1 durch seine im kennzeichnenden Teil angeführten Merkmale. Aus diesem in der Patentschrift beschriebenen und vom Beschwerdeführer erläuterten Stand der Technik kann keine Anregung entnommen werden, den Verstellgriff samt Verstellvorrichtung getrennt vom Bowdenzug anzuordnen und die Teile erst bei der Endmontage von Sitz und Lehne zu verbinden. Selbst wenn der Fachmann die Gefahr einer Beschädigung des aus der Lehne herausragenden Bowdenzuges mit dem daran angebrachten Verstellgriff mit Gehäuse erkannt und zudem eine Vereinfachung der Montage angestrebt hätte, wäre er nicht ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruches 1 gekommen, da zur Überwindung dieses Problems und zur Lösung dieser Aufgabe eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Auswahl standen und zu der speziellen Ausführung nach Anspruch 1 kein Anhaltspunkt gegeben ist.

5.3. Die Druckschrift D4 beschreibt zwar eine Verstellvorrichtung mit einer Bowdenzuganordnung, bei der durch eine seitliche Öffnung (14) eines Gehäuses ein Nippel eines Bowdenzugendes in eine Bohrung (11) eines Verstellblockes (10) eingeführt und durch Drehung um 90 in die Verstellrichtung verschwenkt werden kann, doch handelt es sich hier allgemein um eine Bowdenzugkupplung, die in keiner Verbindung zu einer Verstellvorrichtung in einem Sitz steht, geschweige denn zu der Problematik des Zusammenbaus Sitz-Lehne. Um zum Gegenstand des Anspruches 1 zu gelangen, müßte zunächst erkannt werden, die offenkundig vorbenutzte Vorrichtung so auszubilden, daß der Verstellgriff samt Verstellvorrichtung einerseits und der Bowdenzug andererseits für den Zusammenbau von Sitz und Lehne getrennt angeordnet werden können. Erst dann wird eine Suche nach einer Zusammenbaumöglichkeit Bowdenzug-Verstellvorrichtung notwendig. Zu dieser getrennten Anordnung ist jedoch auch durch die Druckschrift D4 keine Anregung gegeben. Überdies würde eine einfache Übertragung von Teilen aus der Vorrichtung nach der Druckschrift D4, wie der Schiebeblock (10), auf die offenkundig vorbenutzte Vorrichtung nicht zum Gegenstand des Anspruches 1 führen.

5.4. Auch in der Druckschrift D1, die eine Verstellvorrichtung für Sitze mit Lehne betrifft, ist kein Hinweis zu erkennen der zum Gegenstand des Anspruches 1 führen könnte. Bei dieser Vorrichtung ist eine Gewindespindel in den Gewindering eines Verstellgriffes eingesetzt und wird zur Verstellung eines Bowdenzuges durch Drehen des Griffes axial verstellt. Über Einzelheiten des Zusammenbaues von Sitz und Lehne sind in dieser Druckschrift keine Angaben gemacht, so daß daraus auch nicht die Problematik der Anordnung des Verstellgriffes und des Bowdenzuges beim Zusammenbau von Sitz und Lehne zu erkennen ist. Überdies würde die dort gezeigte Spindel nicht zu einer Spindel mit einem zum Verstellgriff gerichteten Innenraum führen, in dem seitlich ein Nippel des Bowdenzuges einführbar ist, da die Spindel als Vollkörper ausgebildet ist und der Bowdenzug offensichtlich direkt mit der Spindel verbunden ist, wie aus der Zeichnung zu vermuten ist. Auch diese Druckschrift kann daher die Vorrichtung nach Anspruch 1 nicht nahelegen.

5.5. Der Gegenstand des Anspruches 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Das Patent kann deshalb in der erteilten Fassung aufrechterhalten werden.

7. Da dem Hauptantrag stattgegeben wurde, braucht auf die Hilfsanträge I und II nicht mehr eingegangen zu werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird aufrechterhalten wie erteilt.

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