T 0706/98 () of 23.1.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T070698.20010123
Datum der Entscheidung: 23 Januar 2001
Aktenzeichen: T 0706/98
Anmeldenummer: 94118126.5
IPC-Klasse: C08K 5/25
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 700 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wäßrige Polymerdispersionen als Bindemittel für blockfeste, kratzfeste und chemikalienbeständige Beschichtungen
Name des Anmelders: Clariant GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Patentanspruch - Anspruchskategorie - Klarheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende am 11. März 1998 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 16. Januar 1998, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 94 118 126.5, angemeldet am 17. November 1994 unter Beanspruchung einer DE Priorität vom 30. November 1993 und veröffentlicht unter der Nr. 0 655 481, zurückgewiesen wurde.

Die Beschwerdegebühr wurde gleichzeitig mit der Einlegung der Beschwerde entrichtet; die schriftliche Beschwerdebegründung ist am 22. Mai 1998 eingegangen.

II. Die angefochtene Entscheidung beruhte auf der neun Ansprüche umfassenden Anspruchsfassung der Erstunterlagen. Die unabhängigen Ansprüche 1, 7 und 8 lauteten:

"1. Wäßrige Dispersion mit einer MFT von 0 bis 50 C, enthaltend mindestens ein Carbonylgruppen-haltiges weiches Latexpolymer A mit einer MFT unterhalb von 20. C, mindestens ein hartes Latexpolymer B mit einer MFT oberhalb von 25 C und mindestens ein polyfunktionelles Carbonsäurehydrazid C."

"7. Verfahren zur Herstellung von wäßrigen Mischungen nach Anspruch 1 durch Abmischen mindestens einer ein zuvor durch Emulsionspolymerisation synthetisiertes Latexpolymer A enthaltenden Dispersion, mindestens einer ein zuvor durch Emulsionspolymerisation synthetisiertes Latexpolymer B enthaltenden Dispersion und mindestens eines polyfunktionellen Carbonsäurehydrazids C."

"8. Verwendung der wäßrigen Dispersion nach Anspruch 1 als Bindemittel für Klarlacke und pigmentierte Beschichtungssysteme."

Die Ansprüche 2 bis 6 waren von Anspruch 1, der Anspruch 9 von Anspruch 8 abhängig.

III. Die angefochtene Entscheidung stellte fest, daß Anspruch 1 den Bestimmungen des Artikels 84 EPÜ nicht genüge, weil die Latexpolymeren A und B aus Gründen der Polymerisationskinetik zwangsläufig jeweils Mischungen von Copolymermolekülen verschiedenen Aufbaus und Molekulargewichts enthalten müßten, so daß die Latexpolymeren A und B wegen ihrer Monomergleichheit in der beanspruchten wäßrigen Dispersion nicht als Individuen identifizierbar seien und zwar auch dann nicht, wenn zwei verschiedene Glasübergangstemperaturen Tg nachweisbar seien.

Daraus folge auch, daß der Gegenstand von Anspruch 1 sowohl gegenüber den nur aus einem Copolymerisat hergestellten Dispersionen gemäß D1: EP-A-0 300 378, als auch gegenüber den aus zwei Copolymerisaten hergestellten Dispersionen gemäß D2: EP-A-0 296 487 nicht neu sei.

Dem Anspruchsgegenstand mangle es aber auch an erfinderischer Tätigkeit, weil es naheliege, die Kratzfestigkeit, Blockfestigkeit und Chemikalienfestigkeit der aus D4: EP-A-0 466 409 bekannten, eine niedrige Mindestfilmtemperatur (MFT) aufweisenden Dispersionen durch die aus D1 und D2 bekannte Dihydrazidvernetzung über carbonylgruppen-haltige Comonomere zu verbessern.

IV. Während die Beschwerdeführerin im schriftlichen Beschwerdeverfahren zunächst an den Produktansprüchen festhielt, zog sie diese im Laufe der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2001 zugunsten folgenden einzigen Verfahrensanspruchs zurück:

"1. Verfahren zur Herstellung von bei Raumtemperatur selbstvernetzenden wässrigen Dispersionen mit einer MFT von 0 bis 50 C durch Abmischen mindestens eines carboxylgruppenhaltigen weichen Latexpolymers A mit einer MFT unterhalb von 20 C und mindestens eines harten Latexpolymers B mit einer MFT oberhalb von 25 C sowie mindestens eines polyfunktionellen Carbonsäurehydrazids C, wobei das Mengenverhältnis von A:B 70:30 bis 30:70 beträgt, und wobei das Latexpolymer A durch Emulsionspolymerisation von jeweils gegebenenfalls auch mehreren Monomeren aus den Gruppen

a) 99 bis 60 Gew.-% Acrylsäureester, Methacrylsäureester, Styrol, Styrolderivate,

b) 0,5 bis 5 Gew.-% alpha,beta-ungesättigte Monocarbonsäuren, alpha,beta-ungesättigte Dicarbonsäuren,

c) 0,5 bis 30 Gew.-% Carbonylgruppen-haltige alpha,beta-ungesättigte Verbindungen,

d) 0 bis 5 Gew.-% alpha,beta-ungesättigte Carbonsäureamide hergestellt wird

und das Latexpolymer B durch Emulsionspolymerisation von jeweils gegebenenfalls auch mehreren Monomeren aus den Gruppen

a) 99,5 bis 70 Gew.-% Acrylsäureester, Methacrylsäureester, Styrol, Styrolderivate,

b) 0,5 bis 5 Gew.-% alhpa,beta-ungesättigte Monocarbonsäuren, alpha,beta-ungesättigte Dicarbonsäuren,

c) 0,5 bis 10 Gew.-% Carbonylgruppen-haltige alpha,beta-ungesättigte Verbindungen,

d) 0 bis 5 Gew.-% alpha,beta-ungesättigte Carbonsäureamide hergestellt wird,

und das molare Verhältnis der über C eingebrachten Hydrazidgruppen zur Summe der in A und B über Monomere c) eingeführten Carbonylgruppen 1:10 bis 10:1 beträgt."

V. Die von der Beschwerdeführerin im schriftlichen und mündlichen Verfahren vorgebrachten Argumente können, soweit sie für den gültigen Verfahrensanspruch relevant sind, wie folgt zusammengefaßt werden:

Das beanspruchte Verfahren sei neu gegenüber den in den Entgegenhaltungen D1, D2, D3 (EP-A-0 184 091) und D4 offenbarten Verfahren und beruhe demgegenüber auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Insbesondere hätte der Fachmann nicht erwarten können, daß die Vernetzung der aus D4 bekannten Latexmischsysteme mittels der in D1, D2 und D3 offenbarten Carbonyl/Hydrazid-Methode zu einer Verbesserung der Blockfestigkeit, Kratzfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit der resultierenden Lackfilme führen würde. Diese vorteilhaften Effekte seien durch die Prüfergebnisse einerseits gemäß Tabelle 1 der Anmeldung und anderseits gemäß der in dem mündlichen Verhandlung vorgelegten Nacharbeitung des Beispiels 2 von D2 belegt.

Es könne somit festgestellt werden, daß der Gegenstand des Anspruchs die vorliegende technische Aufgabe in überraschender Weise löse.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Patentanspruchs zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Der einzige Anspruch basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 7 in Kombination mit den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 5 sowie auf der Offenbarung des ersten Absatzes, Seite 1 der ursprünglichen Beschreibung ("bei Raumtemperatur selbstvernetzend").

Die Bedingung des Artikels 123 (2) EPÜ ist somit erfüllt.

3. Deutlichkeit

Da die Unterscheidbarkeit der beiden Latexpolymeren A und B im gültigen Verfahrensanspruch - im Gegensatz zum ursprünglichen Produktanspruch 1 - nicht zweifelhaft ist, entspricht der Anspruch dieser Bedingung des Artikels 84 EPÜ.

4. Stand der Technik

4.1. Entgegenhaltung D1

Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft die Verwendung einer wäßrigen Dispersion, enthaltend (A) ein carbonylgruppenhaltiges Copolymerisat aus monoolefinisch ungesättigten Verbindungen, von denen mindestens 10. Gew.-% mit Hydrazidgruppen reagierende Carbonylgruppen aufweisen, und (B) ein Polyhydrazid, als Unterbelag eines mehrschichtigen Überzugs auf einem Substrat.

Gemäß Spalte 1, Zeilen 38 bis 48 sind die Dispersionen lagerstabil, vernetzen erst bei Herstellung der Filme, die eine ausgezeichnete Glanzhaltung nach Schwitzwasser-belastung und eine hohe Aromatenfestigkeit aufweisen.

4.2. Entgegenhaltung D2

Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft lagerstabile wäßrige Polymerdispersionen erhältlich durch Dispergierung eines Gemisches aus 15 bis 50 Gew.% eines Copolymerisates (A) aus

(I) 1,5 bis 15 Gew.% copolymerisierbarer Verbindungen mit 3 bis 10 Kohlenstoffatomen, die eine Carboxyl- oder Carbonsäureanhydridgruppe enthalten,

(II) 30 bis 98,5 Gew.% C-1- bis C-20-Alkylacrylate oder -methacrylate,

(III) 0 bis 60 Gew.% Vinylaromaten,

(IV) 0 bis 20 Gew.% copolymerisierbarer Carbonylverbindungen,

(V) 0 bis 20 Gew.% weiterer, unter (I) bis (IV) nicht genannter copolymerisierbarer organischer Verbindungen und

50. bis 85 Gew.% eines Copolymerisates (B) aus 40. bis 100 Gew.% der Monomeren (II) und 0. bis 60 Gew.% eines oder mehrerer der Monomeren (III) bis (V)

mit der Maßgabe, daß die Copolymerisate (A) und (B) zusammen bis zu 65 Gew.% solcher Alkyl(meth)acrylate (II) als Aufbaukomponente enthalten, deren Homopolymerisate Glastemperaturen unter 0 °C aufweisen und daß mindestens eines der Copolymerisate (A) oder (B) die Monomeren (IV) als Aufbaukomponente enthält, in Wasser unter Zusatz von Ammoniak und einem Polyhydrazid (C).

Die Herstellung der Dispersionen erfolgt durch Versetzen der zunächst durch konsekutive Polymerisation der Komponenten A und B hergestellten Polymerisatlösungen mit Ammoniak, Verdünnen mit Wasser sowie Entfernen des Lösungsmittels (Spalte 5, Zeilen 9 bis 13, 27 bis 36).

Gemäß Spalte 1, Zeilen 40 bis 46 bestand für D2 die Aufgabe, Dispersionen bereitzustellen, die lagerstabil, frei von Emulgatoren und von flüchtigen Monoketonen/ Monoaldehyden sind zur Herstellung von vernetzten, blockfesten und mit organischen Lösungsmitteln nicht vollständig wiederauflösbaren Filmen.

4.3. Entgegenhaltung D3

Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von wäßrigen Polymer-Dispersionen, die eine niedrige Filmbildetemperatur aufweisen und Filme mit hoher Blockfestigkeit bilden, durch mehrstufige Emulsionspolymerisation von

- monoolefinisch ungesättigten Monomeren A, deren Homopolymerisate eine Glastemperatur von 0 bis -72 C haben,

- monoolefinisch ungesättigten Monomeren B, deren Homopolymerisate eine Glastemperatur von 80 bis 140 C haben,

- 0 bis 6 Gew.-% monoolefinisch ungesättigten Monomeren C, die Carboxyl- und/oder Carbonamidgruppen aufweisen

- und 0 bis 10 Gew.-% monoolefinisch ungesättigten, Carbonylgruppen aufweisenden Monomeren D,

wobei in einer ersten Stufe 1 bis 10 Gew.-% eines Monomerengemisches (I), das zu 75 bis 98 Gew.-Teilen aus Monomeren A besteht, polymerisiert werden, danach der Rest des Monomerengemisches (I) und zuletzt noch ein zu 75. bis 98 Gew.-Teilen aus Monomeren B bestehendes Monomerengemisch (II) zupolymerisiert werden, wobei der fertigen Polymerdispersion, wenn das Polymer Monomere D einpolymerisiert enthält, Hydrazide aliphatischer Dicarbonsäuren in einer Menge von 0,5 bis 1. Mol je Mol Carbonyl-Monomeres zugesetzt werden (cf. Spalte 9, Beispiel 6).

Die erhaltenen Polymerdispersionen haben ohne Zusatz von Filmbildehilfsmitteln Filmbildetemperaturen im Bereich von 5 bis 40 C und ergeben Filme, die - auch in Abwesenheit einer Carbonyl/Hydrazid-Vernetzung (cf. Beispiele 1 bis 9) - praktisch unmittelbar nach dem Trocknen blockfest sind (Spalte 5, Zeilen 53 bis 50).

4.4. Entgegenhaltung D4

Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft einen filmbildenden polymeren Binder enthaltend eine Mischung aus 20 bis 60 Gew.-% mindestens eines harten Emulsionspolymeren mit einer Tg über 20 C und 80 bis 40. Gew.-% mindestens eines weichen Emulsionpolymeren mit einer Tg unter 20 C.

Dieser Binder wird in wäßrigen Beschichtungs-Zusammensetzungen eingesetzt, die bei niedrigen Temperaturen aufgetragen werden können und gute Blockresistenz aufweisen. Das weiche Emulsionspolymere bildet die kontinuierliche Phase und bestimmt daher die "Minimale Filmbildungstemperatur" (MFT) der Zusammensetzung, während das harte Emulsionspolymere für eine gute Blockfestigkeit und Härte sorgt (Seite 3, Zeilen 9 bis 56).

5. Neuheit

Gegenüber den Entgegenhaltungen D1, D2 und D3 ist das Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch durch den Vorgang des Abmischens zweier separat hergestellter Polymerlatices neu: gemäß D1 erfolgt die Herstellung der wäßrigen Dispersion einstufig, gemäß D2 wird ein zweites Copolymerisat in Gegenwart der Lösung eines ersten Copolymerisats hergestellt und die resultierende Lösung in eine wäßrige Dispersion umgewandelt, gemäß D3 wird ein zweites Copolymerisat in Gegenwart der wäßrigen Dispersion eines ersten Copolymerisats emulsionspolymerisiert.

Das Verfahren gemäß D4 sieht zwar das Abmischen zweier separat hergestellter Polymerlatices vor, keiner der beiden Latices enthält aber mit Polyhydraziden vernetzbare Carbonylgruppen, und entsprechend enthält die fertige Dispersion auch keinen derartigen Zusatz.

6. Nächstliegenden Stand der Technik, Aufgabe und Lösung

6.1. Die Entgegenhaltung D4 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar, weil sie - wie die vorliegende Anmeldung - die Herstellung von Polymerdispersionen offenbart, die eine niedrige Filmbildetemperatur (MFT) aufweisen und Filme mit hoher Blockfestigkeit bilden (Spalte 1, Zeilen 1 bis 5).

6.2. Demgegenüber besteht die der vorliegenden Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung solcher Dispersionen, die außerdem eine verbesserte Kratzfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit aufweisen (Seite 2, Zeilen 9 bis 15 der Anmeldung).

6.3. Diese Aufgabe soll anmeldungsgemäß dadurch gelöst werden, daß die beiden Latexpolymeren (A und B) jeweils carbonylgruppenhaltige alpha,beta-ungesättigte Comonomereinheiten enthalten, und die wäßrige Dispersion, die durch deren Abmischen gebildet wird, entsprechend ein polyfunktionelles Carbonsäurehydrazid (C) enthält.

6.4. Ein Vergleich der Testergebnisse für die Beispiele 1 ("erfindungsgemäß") und 3 (Vergleichsbeispiel ohne Carbonyl/Hydrazid-Vernetzung analog D4) zeigt, daß die in 6.2 definierte technische Aufgabe durch die im vorstehenden Punkt 6.3 aufgeführten Maßnahmen gelöst wird. Dies umsomehr als nicht nur die Kratzfestigkeit und die chemische Widerstandsfähigkeit verbessert erscheinen, sondern auch die (gemäß D4 schon gute) Blockfestigkeit und Pendelhärte:

Eigenschaft...........Beispiel.1....Vergleichsbeispiel.3

Blockfestigkeit.........Note 1...........Note 2

Kratzfestigkeit.........sehr gut.........ausreichend

Pendelhärte [s]............31...............24

Chemische...............sehr gut.........mangelhaft

Widerstandsfähigkeit..................................

7. Naheliegen

Wie im folgenden dargelegt, ließen weder der vorliegende Stand der Technik, noch das allgemeine Fachwissen eine Verbesserung der in Frage stehenden Eigenschaften als Folge der erfindungsgemäßen Maßnahme (gemäß 6.3 supra) erwarten.

7.1. Die Entgegenhaltung D1 kann den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs schon deshalb per se nicht nahelegen, weil sie ein Abmischen von zwei getrennt hergestellten Emulsionspolymerisaten nicht vorsieht. Bezüglich der Offenbarung des Merkmals "Carbonyl/Hydrazid Vernetzung" und der daraus ableitbaren Lehre, gelten die in den folgenden Punkten 7.2 bis 7.4 zu D2, D3 und zum allgemeinen Fachwissen gemachten Aussagen, daß nämlich ein Hinweis fehlt, daß dieses Merkmal zur Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe (cf. Punkt 6.2 supra) beitragen könnte. Insbesondere enthält D1 keine Aussage zur Kratzfestigkeit der Filme, im Vordergrund der Eigenschaften steht bei D1 vielmehr die Glanzhaltung nach Schwitzwasserbelastung (Spalte 1, Zeilen 46 bis 48; Spalten 5 und 6, Beispiel 4, insbesondere Spalte 6, Zeilen 41 bis 50).

7.2. Die Entgegenhaltung D2 offenbart zwar wäßrige Polymerdispersionen aus in situ hergestellten Copolymerisatgemischen, die mittels Carbonyl/Hydrazid-Reaktion zu blockfesten und in organischen Lösungsmitteln nicht vollständig wiederauflösbaren Filmen vernetzt werden können, auch diese Entgegenhaltung kann dem Fachmann aber keine Anregung zur Verbesserung der Kratzfestigkeit von derartigen Filmen geben. Insbesondere enthält sie keinen Hinweis, demzufolge der Fachmann von der Übertragung der Carbonyl/Hydrazid Vernetzungsmethode auf die in D4 offenbarten Dispersionen eine Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe (cf. Punkt 6.2 supra) erwarten könnte.

Auch die Tatsache, daß die gemäß D2 verwendeten Copolymerisate sich von den gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik in D4 (und auch anmeldungsgemäß) eingesetzten durch deren Herstellung in Lösung anstelle Emulsion unterscheiden, steht dem Naheliegen einer Kombination von Merkmalen dieser beiden Entgegenhaltungen entgegen, weil die unterschiedlichen Polymerisationstechniken zwangsläufig auch zu unterschiedlichen Polymerstrukturen und damit zu unterschiedlichen Polymereigenschaften führen.

Aber selbst bei Ausschalten dieses Unterschieds gemäß der von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Nacharbeitung des Beispiels 2 von D2 unter Herstellung der Copolymerisate durch Emulsionspolymerisation, weisen daraus bereitete Filme, trotz Carbonyl/Hydrazid Vernetzung, unbefriedigende Werte der Blockfestigkeit und der chemischen Widerstandsfähigkeit auf:

Blockfestigkeit.....................mäßig

Kratzfestigkeit.....................mäßig

chemische Widerstandfähigkeit.......mangelhaft

Pendelhärte [s].....................30

Auch unter diesen Umständen kann der Fachmann eine besondere Relevanz der Carbonyl/Hydrazid Vernetzung zur Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe somit nicht ableiten.

Darüber hinaus rät D2 dem Fachmann explizit vom anmeldungsgemäß gewählten Weg des Abmisches zweier getrennt hergestellter Copolymerisate ab, wenn in Spalte 5, Zeilen 19 bis 26 ausgeführt wird, daß mit einem solchen Wechsel der Herstellungsmethode (von der gemäß D2 praktizierten stufenweisen in situ Copolymerisation der beiden Copolymerisate (A und B)) "im allgemeinen ungünstigere anwendungstechnische Eigenschaften, wie z. B. geringere Stabilität und ungünstigeres Fließverhalten" einhergehen.

7.3. Zwar liegt die Entgegenhaltung D3 wegen ihrer Verwendung der Methode der Emulsionspolymerisation zur Herstellung der wäßrigen Dispersion dem Gegenstand der vorliegenden Anmeldung verfahrensmäßig näher als D2, derzufolge die Polymerisation in Lösung stattfindet, auch D3 kann dem Fachmann aber keine Anregung dahingegehend vermitteln, daß durch eine zusätzliche Carbonyl/Hydrazid Vernetzung die vorliegende technische Aufgabe gelöst werden kann.

Diese Schlußfolgerung leitet sich einerseits daraus ab, daß D3 weder die Kratzfestigkeit, noch die chemische Widerstandsfähigkeit der hergestellten Beschichtungen diskutiert, und anderseits daraus, daß gemäß Beispiel 6 von D3 (cf. Spalte 9, Zeilen 15 bis 27) eine zusätzliche Carbonyl/Hydrazid Vernetzung nicht zu einer Verbesserung der Blockfestigkeit führt.

Somit konnte der Fachmann auch aus D3 keine Anregung zur anmeldungsgemäßen Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe erhalten (cf. Punkte 6.2 und 6.3 supra).

7.4. Weiters kann auch aus dem allgemeinen Fachwissen des Polymerchemikers, wonach eine Polymervernetzung grundsätzlich zu einer Erhöhung der Härte und chemischen Widerstandsfähigkeit führen sollte, im vorliegenden Fall nicht auf ein Naheliegen der erfindungsgemäßen Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe geschlossen werden.

Wie folgend dargelegt, kann nämlich beim in Frage stehenden Vernetzungssystem Carbonyl/Hydrazid ein Gleichlauf der Eigenschaften "Härte" und "Kratzfestigkeit" ebensowenig vorrausgesetzt werden, wie ein Gleichlauf der Eigenschaften "Härte" und "chemische Widerstandsfähigkeit".

Ein Vergleich der Werte der Kratzfestigkeit und der Pendelhärte der Beispiele 1 und 2 in Tabelle 1 (Seite 15) der vorliegenden Anmeldung zeigt nämlich, daß diese beiden Eigenschaften nicht synchron verlaufen; vielmehr weist der Film gemäß Beispiel 2 trotz etwas höherer Pendelhärte eine schlechtere Kratzfestigkeit auf.

Analog zeigt ein Vergleich der Werte der chemischen Widerstandsfähigkeit der Beispiele 3 und 4 in Tabelle 1 ein besseres Ergebnis für den gemäß Pendelhärte weicheren Film.

7.5. Der Gegenstand des einzigen Anspruchs ist somit durch den verfügbaren Stand der Technik nicht nahegelegt.

8. Obwohl der einzige Anspruch somit die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, kann ein Patent noch nicht erteilt werden, weil es dazu noch einer sorgfältigen Anpassung der Beschreibung an den erheblich geänderten Wortlaut dieses Anspruchs bedarf. Zu diesem Zweck wird die Sache im Sinne von Artikel 111 (1) EPÜ an die Vorinstanz zurückverwiesen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Anordnung ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs und einer noch anzupassenden Beschreibung.

Quick Navigation