T 0676/98 () of 12.12.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T067698.20021212
Datum der Entscheidung: 12 Dezember 2002
Aktenzeichen: T 0676/98
Anmeldenummer: 90110848.0
IPC-Klasse: A61B 5/117
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Ermittlung von Oberflächenstrukturen
Name des Anmelders: Bicz, Wieslaw, et al
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderung)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 10. Februar 1998, mit der die europäische Patentanmeldung 90 110 848.0 mit den Ansprüchen 1 bis 10, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 1998 zurückgewiesen wurde.

II. Die Prüfungabteilung befand, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Druckschrift WO-A-87/05790 ("D1") nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Außerdem befand die Prüfungsabteilung, daß der unabhängige Anspruch 5 unklar sei und der Gegenstand dieses Anspruchs als auch der übrigen abhängigen Ansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Auch verstoße die Anmeldung gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) hat gegen diese Entscheidung die am 7. April 1998 eingegangene Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde per Fax am 12. Juni 1998 eingereicht.

IV. Zuletzt war folgende Antragslage gegeben:

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf folgender Grundlage zu erteilen:

- Ansprüche 1 und 2 wie eingereicht mit Schreiben vom 18. Oktober 2002

- Beschreibungsseiten 1 bis 3 und 5 bis 8 wie eingereicht mit Schreiben vom 05. Dezember 2002

- Beschreibungsseite 4 wie eingereicht mit Schreiben vom 12. Dezember 2002

- Zeichnung Figuren 1 bis 4 wie ursprünglich eingereicht.

Gemäß telefonischer Rücksprache wurden im Einverständnis mit der Anmelderin in den Ansprüchen 1 und 2 die Wörter "dadurch gekennzeichnet, daß" durch "wobei" ersetzt.

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Erfassung von oberflächennahen Strukturen von Objekten mit Hilfe von Ultraschall, wobei die gesamte Fläche des auf einer ebenen Auflageplatte aufliegenden Objektes, z. B. einer Fingerkuppe von Ultraschallwellen beschallt wird und die vom Objekt kommenden Wellen von Empfänger aufgenommen werden, wobei der gesamte Schallwellenverlauf bis zur Auflagefläche durch Flüssigkeit oder einen Festkörper erfolgt, wobei nur ebene Wellen gesendet und empfangen werden und zwar kontinuierlich oder als Impuls, die Ultraschallwellen so bemessen sind, daß sie etwa gleich oder bis zu 10 mal kürzer sind als die minimale oder maximale Periodenlänge des Ortsfrequenzspektrums des Objektes, eine direkte Messung der zurückgestreuten und reflektierten Wellen ohne Zwischenschaltung von Hilfsmitteln erfolgt, und wobei Sender (4) und Empfänger (5) nebeneinander auf einem gemeinsamen Träger (6) in einem Bogen um die Auflageplatte bewegbar angeordnet sind."

"2. Verfahren zur Erfassung von oberflächennahen Strukturen von Objekten mit Hilfe von Ultraschall, wobei die gesamte Fläche des auf einer ebenen Auflageplatte aufliegenden Objektes, z.B. einer Fingerkuppe von Ultraschallwellen beschallt wird und die vom Objekt kommenden Wellen von Empfänger aufgenommen werden, wobei der gesamte Schallwellenverlauf bis zur Auflagefläche durch Flüssigkeit oder einen Festkörper erfolgt, wobei nur ebene Wellen gesendet und empfangen werden und zwar kontinuierlich oder als Impuls, die Ultraschallwellen so bemessen sind, daß sie etwa gleich oder bis zu 10 mal kürzer sind als die minimale oder maximale Periodenlänge des Ortsfrequenzspektrums des Objektes, eine direkte Messung der zurückgestreuten und reflektierten Wellen ohne Zwischenschaltung von Hilfsmitteln erfolgt, und wobei Sender (23, 28) und Empfänger (24, 29) in konzentrischen Kreisen gegenüber der Auflageplatte angeordnet sind."

VI. Die Beschwerdeführerin brachte folgende Argumente vor:

Ausgehend von dem in D1 beschriebenen Verfahren sind weitergehende Modifikationen als von der Prüfungsabteilung zuerkannt zu beachten, damit die Erfindung erfolgreich funktioniert. Dazu gehört, daß die Wandler ebene Wellen senden und auch nur auf solche reagieren, und daß die Ultraschallwellen so bemessen sein müssen, daß sie gleich oder ca. bis zu 10 mal kürzer als das minimale oder maximale Ortsfrequenzspektrum des Objektes sind.

Läßt man, wie dies die Prüfungsabteilung ausführt, von der in Figur 8 in D1 gezeigten Konstruktion die Linse und den Spiegel einfach fort, so können keine verwertbaren Ergebnisse erreicht werden, da eine brauchbare Bildtransformation auf diesem Wege nicht möglich ist. Ohne die in den Ansprüchen 1 und 2 genannten zuzätzlichen technischen Merkmale können jedoch lediglich zufällige Interferenzmuster erhalten werden. Durch die Verwendung von Wandlern, die ebene Wellen senden und nur auf solche reagieren, läßt sich die Fouriertransformation des angelegten Objektes direkt messen. Weiterhin ist es notwendig, daß das Objekt nach bestimmten Winkeln abgetastet wird.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ

Aus folgenden Gründen sind die neue Ansprüche und die Beschreibung zulässig:

2.1. Die Ansprüche 1 und 2 enthalten die folgenden Merkmale, die nicht im ursprünglichen Anspruch 1 enthalten waren:

i) die gesamte Fläche des auf einer Auflageplatte aufliegenden Objektes, z. B. einer Fingerkuppe wird von Ultraschallwellen beschallt,

ii) der gesamte Schallwellenverlauf bis zu Auflagefläche erfolgt durch Flüssigkeit oder einen Festkörper,

iii) nur ebene Wellen werden gesendet und empfangen,

iv) und zwar kontinuierlich oder als Impuls,

v) die Ultraschallwellen sind so bemessen, daß sie etwa gleich oder bis zu 10 mal kürzer sind als die minimale oder maximale Periodenlänge des Ortsfrequenzspektrums des Objektes,

vi) eine direkte Messung der zurückgestreuten und reflektierten Wellen erfolgt ohne Zwischenschaltung von Hilfsmitteln,

vii) Sender und Empfänger sind nebeneinander auf einem gemeinsamen Träger in einem Bogen um die Auflageplatte bewegbar angeordnet, oder Sender und Empfänger sind in konzentrischen Kreisen gegenüber der Auflageplatte angeordnet.

2.2. Die Merkmale ii) bis v) und vii) sind in den ursprünglich eingereichten Unterlagen an den folgenden Stellen (siehe A Schrift) offenbart:

ii) Spalte 4, Zeilen 17 und 18 und ii) Spalte 5, Zeilen 17 bis 19.

iii) Spalte 2, Zeilen 4 bis 7 und 50 bis 55.

iv) Spalte 3, Zeilen 2 bis 5.

v) Spalte 1, Zeilen 40 bis 45.

vii) Spalte 4, Zeilen 33 bis 36 und ii) Spalte 5, Zeilen 14 bis 17.

Es geht weiterhin aus der Beschreibung der Konstruktion der Vorrichtung und aus den Figuren hervor, daß die gesamte Fläche des auf einer Auflageplatte aufliegenden Objektes von Ultraschallwellen beschallt wird und keine weiteren Hilfsmittel wie Linse oder Hologramm zwischen der Auflageplatte und dem Empfänger vorgesehen sind. Damit sind auch die Merkmale i) und v) offenbart. Die vorgenommenen Änderungen erfüllen damit die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.

2.3. Die Beschreibung wurde den neuen Ansprüchen angepasst und der nächstliegende Stand der Technik in Form von Druckschrift D1 wurde gewürdigt.

3. Klarheit

Die Zurückweisungsbeschluss befand, dass der damalige Vorrichtungsanspruch 5 unklar sei. Da die Vorrichtungsansprüche jetzt fallen gelassen wurden, ist dieser Beanstandungsgrund weggefallen.

4. Neuheit

Die Neuheit ist von der Prüfungsabteilung nicht bezweifelt worden. Auch seitens der Kammer ist kein Grund erkennbar, die Neuheit gegenüber dem genannten Stand der Technik in Frage zu stellen.

5. Erfinderische Tätigkeit

Die vorliegende Anmeldung bezieht sich auf ein Verfahren zur Erfassung von oberflächennahen Strukturen von Objekten mit Hilfe von Ultraschall, wobei die gesamte Fläche des auf einer Auflageplatte aufliegenden Objektes, z.B. einer Fingerkuppe, von Ultraschallwellen beschallt wird und die vom Objekt kommenden Wellen von Empfängern aufgenommen werden. Dabei erfolgt der gesamte Schallwellenverlauf bis zu Auflagefläche durch eine Flüssigkeit oder einen Festkörper. Auch sind die Ultraschallwellen so bemessen, daß sie etwa gleich oder kürzer sind als die minimale oder maximale Periodenlänge des Ortsfrequenzspektrums des Objektes.

5.1. Ein ähnliches Verfahren ist aus der Druckschrift D1 bekannt, von der die in Figur 8 gezeigte Vorrichtung und Verwendungsweise den nächstkommende Stand der Technik bildet.

5.2. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2 der Anmeldung unterscheidet sich von diesem Verfahren im wesentlichen dadurch, daß

- nur ebene Wellen gesendet und empfangen werden,

- eine direkte Messung der zurückgestreuten und reflektierten Wellen ohne Zwischenschaltung von Hilfsmitteln erfolgt, und

- Sender und Empfänger entweder nebeneinander auf einem gemeinsamen Träger in einem Bogen um die Auflageplatte bewegbar, oder in konzentrischen Kreisen gegenüber der Auflageplatte angeordnet sind.

Insbesondere zum zweitgenannten Unterschied ist festzustellen, daß die in Figur 8 von Druckschrift D1 gezeigte Vorrichtung Hilfsmittel wie eine Linse oder ein Hologrammm erfordert, wohingegen beim beanspruchten Verfahren nur reine Wandler verwendet werden und das Objekt nach bestimmten Winkeln abgetastet wird.

Diese unterscheidenden Merkmale führen dazu, daß erfindungsgemäß die Messung der in verschiedene Richtungen zurückgestreuten Schallwellen die Messung der Fouriertransformation des Objektes darstellt.

5.3. Erfindungsgemäß wird weiterhin ein auf einer ebenen Auflageplatte aufliegendes Objekt mit ebenen Wellenfronten beschallt und diese werden mit einem ebenen Empfänger empfangen. Wenn erfindungsgemäß der verwendete Wandler eine Wellenform sendet, die der Form der Auflagefläche für das Objekt entspricht, wird durch das Gerät eine Fouriertransformation des Objektes abgebildet, und nur so werden wiederholbare Ergebnisse geliefert.

Statt eine Fouriertransformation des Objektes mit Hilfe einer Linse durchzuführen, wie dies in der Optik allgemein üblich ist und auch in D1 beschrieben wird, ist es bei der vorliegenden Anmeldung weit wirkungsvoller, mit einem beweglichen oder mehreren feststehenden Wandlen ohne Zwischenschaltung einer Linse die oberflächennahen Strukturen der jeweiligen Objekte zu erfassen.

5.4. Es ist weder aus der Druckschrift D1 noch aus dem sonstigen Stand der Technik bekannt, den Ultraschallsender und der Empfänger beweglich oder ringförmig anzuordnen, wie dies im Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2 vorgeschrieben wird, um die angestrebten Ergebnisse ohne Zwischenschaltung von Hilismitteln wie Linsen zu erreichen. Die Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 und 2 beruhen somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Für den Zurückweisungsbeschluß der Prüfungsabteilung war im wesentlichen die Auffassung maßgeblich, man könne von der Konstruktion gemäß Figur 8 der Druckschrift D1 die Linse und den Spiegel einfach weglassen und gelange auf diese einfache Weise zur beanspruchten Erfindung.

Die Kammer teilt diese Betrachtungsweise nicht, denn wie es bereits ansprochen wurde gibt es keinen Hinweis im Stand der Technik, daß auch ohne eine Linse ein brauchbares Messergebnis erreicht werden kann. Die von der Prüfungsabteilung vorgebrachte Argumentation ist deshalb als unzulässige ex-post-facto Sichtweise abzulehnen.

6.1. Die ersten Anordnungen zur Erfassung oberflächennaher Strukturen von Objekten wie Fingerabdrücken verwendeten Licht und optische Elemente. Die Idee der Ultraschalluntersuchung von Objekten wurde direkt von den optischen Verfahren übernommen und dieses Wissen auf den Ultraschallbereich übertragen. In der Optik ist jedoch die Verwendung einer Linse unerlässlich, um eine Fouriertransformation eines Objektes abzubilden. Dementsprechend enthält die Vorrichtung in D1 (Figur 8) eine Linse. Ohne eine Linse wird nämlich nur ein kompliziertes und nicht verwertbares Interferenzmuster erhalten. Es war somit nicht zu erwarten, daß ohne Zuhilfnahme einer Linse brauchbare Ergebnisse erreicht werden können.

6.2. Die vorliegende Anmeldung geht von der Erkenntnis aus, daß wenn das Fourierspektrum der Streuung gemessen werden soll, die Messung theoretisch im Unendlichen durchgeführt werden müsste. Erfindungsgemäß hat es sich als möglich erwiesen, im Ultraschallbereich mit Hilfe von ebenen Wellen bei der Abtastung von Objekten mit einem Wandler, der sich auf einem Ring bewegt, oder mit mehreren, auf einem Ring fest montierten Wandlern die angesprochene Unendlichkeit zu simulieren.

7. Aus den obengenannten Gründen sind die Ansprüche aufgrund Artikel 52 (1) EPÜ gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche 1 und 2 wie eingereicht mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 (einteilige Form);

- Beschreibungsseiten 1 bis 3 und 5 bis 8 wie eingereicht mit Schreiben vom 05. Dezember 2002;

- Beschreibungsseite 4 wie eingereicht mit Schreiben vom 12. Dezember 2002;

- Zeichnung Figuren 1 bis 4 wie ursprünglich eingereicht.

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