European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T066998.20000627 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 Juni 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0669/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90710034.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01R 13/03 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Elektrisches Steckverbinderpaar | ||||||||
Name des Anmelders: | Stolberger Metallwerke GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Wieland-Werke AG | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer hat gegen das europäische Patent Nr. 0 443 291 Einspruch eingelegt. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs.
II. Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:
"Elektrisches Steckverbinderpaar, dessen Steckerelemente (Steckhülse, Stecker) aus einem mit Zinn oder einer Zinnlegierung beschichteten Basiswerkstoff bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß der Basiswerkstoff eines Steckerelements mit Reinzinn oder einer Zinn-Blei-Legierung beschichtet ist, während das andere Steckerelement eine auf schmelzflüssigem Wege aufgebrachte, härtere Oberflächenbeschichtung aus einer Legierung aufweist, die 0,1 bis 10 Gew.% mindestens eines der Elemente aus der Gruppe Silber, Aluminium, Silizium, Kupfer, Magnesium, Eisen, Nickel, Mangan, Zink, Zirkonium, Antimon, Rhodium, Paladium und Platin, Rest Zinn einschließlich unvermeidbarer Verunreinigungen und geringer Desoxidations- und Verarbeitungszusätze, enthält."
Die Ansprüche 2 bis 6 sind auf Anspruch 1 rückbezogen. Gemäß Anspruch 3 besteht die härtere Oberflächenbeschichtung aus einer Zinnlegierung, die 0,1 bis 8,5 Gew.-% mindestens eines der Elemente aus der in Anspruch 1 genannten Gruppe enthält, wobei ein Teil des Zinngehalts gegebenenfalls durch bis zu 40 Gew.-% Blei ersetzt ist. Gemäß Anspruch 4 kann bis zu 0,5 Gew.-% Phosphor in der härteren Oberflächenbeschichtung enthalten sein.
III. In der Beschwerdebegründung wurden aus den im Einspruchsverfahren zum Stand der Technik zitierten Dokumenten lediglich folgende Dokumente zur Stützung des Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit herangezogen:
D12: Fachbuch: "UNDERSTANDING COPPER ALLOYS - The Manufacture and Use of Copper and Copper Alloy Sheet and Strip", Kapitel 9, Seiten 136 bis 145, Herausgeber J. Howard Mendenhall; Olin Brass, East Alton, Illinois (1977)
D14: DKI-Tagungsband: "2. Symposium Kupfer-Werkstoffe Eigenschaften Verarbeitung Anwendung" in Berlin, am 20. und 21. Oktober 1988; Seiten 1 bis 10, sowie Literatur-Nachweis, Tabellen 1 bis 3, Bilder 1 bis 10.
IV. Die Argumente des Beschwerdeführers (Einsprechenden) lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Angesichts der im Streitpatent auftretenden Fragestellungen und Probleme, sei der zuständige Fachmann ein Metallurge. Dieser Fachmann würde aufgrund seiner Fachkenntnisse den Dokumenten D12 und D14 weitergehende Informationen entnehmen, soweit sie nicht ohnehin aus diesen Schriften herauszulesen seien. Vor allen Dingen könne die Frage der Zieh- und Steckkräfte nicht isoliert betrachtet werden.
D12 befasse sich mit allen bei elektrischen Kontakten auftretenden Problemen. Zwar erwähne D12, daß die elektrische Leitfähigkeit reinen und damit relativ weichen Goldes besser sei als die einer härteren Goldlegierung, aber es ergebe sich aus Seite 140 dieses Dokuments, daß bei keinen allzu hohen Anforderungen billigere Kontaktmaterialien, nämlich Zinn- und Zinn-Blei-Überzüge in Betracht zu ziehen seien. Aus Tabelle 9.2 von D12 sei zu erkennen, daß für Buchse und Stift die Materialien "Tin over copper, reflowed" und "Tin" bzw. "Tin, reflowed" und "Tin" Anwendung fänden, wobei "Tin, reflowed" nichts anderes als eine Legierung darstelle. Informationen zur Größe der Zieh- und Steckkräfte entnehme der Fachmann unschwer der Tabelle 9.4. auf Seite 143. Lasse man in dieser Tabelle Gold außer Betracht, so stelle der Fachmann fest, daß niedrige Zieh- und Steckkräfte dann erreicht würden, wenn das eine Element eine härtere Oberflächenbeschichtung aufweise. Gehe man daher von einem mit den erforderlichen Kenntnissen auf metallurgischem Gebiet ausgestatteten Fachmann aus, so erschließe sich diesem bereits aus der D12 die zum Gegenstand des Streitpatents führende Lehre.
Das Dokument D14 erläutere die grundsätzliche Problematik bei elektrischen Steckkontakten, stelle die verschiedenen Beschichtungsverfahren einander gegenüber und gehe dabei darauf ein, daß beim schmelzflüssigen Tauchverfahren eine vom Bandwerkstoff abhängige intermetallische Phase und damit eine härtere Beschichtung entstehe. Es folge aus D14, daß die Diffusionsprozesse Ursache dafür seien, daß eine Härtung auch bei einer galvanisch aufgebrachten Beschichtung durch nachträgliche Wärmebehandlung erfolge.
Daher erscheine die Lehre des Streitpatents durch die Dokumente D12 und D14 nahegelegt, wenn nicht vorweggenommen.
V. Die Argumente des Beschwerdegegners lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zwar verfüge ein Fachmann, der sich auf das Gebiet der elektrischen Steckverbinder spezialisiert habe, über gewisse Erfahrungen über Steck- und Ziehkräfte. Es wäre jedoch vermessen, diesem Fachmann spezifische metallurgische Kenntnisse zuzubilligen.
Aus der Textstelle auf Seite 140 und der Tabelle 9-4 von D12 sei nur zu entnehmen, daß Zinn- oder Zinn-Blei-Beschichtungen an einer Steckhülse im Zusammenwirken mit Stahlsteckern höhere Steck- und Ziehkräfte erforderten als eine mit Gold beschichtete Steckhülse. Damit vermittle D12 nicht die Lehre, Beschichtungen unterschiedlicher Härte an den beiden Steckerelementen eines Steckverbinderpaars vorzusehen, um die Steck- bzw. Ziehkräfte zu senken.
Das von dem Beschwerdeführer erwähnte Wiederaufschmelzen einer durch Galvanisieren aufgebrachten Schicht habe absolut nichts zu tun mit dem im Anspruch 1 des Streitpatents erwähnten schmelzflüssigen Auftrag einer bestimmten Legierung. "Tin, reflowed" sei eine wieder aufgeschmolzene Zinnschicht und auf keinen Fall eine Legierung.
D14 offenbare Beschichtungsvarianten an Steckerelementen, bei denen Zinn und Antimon zur Anwendung gelangten. Ein Hinweis, diese Beschichtungen in der Zuordnung Steckerhülse-Stecker anzuwenden, sei D14 nicht entnehmbar.
VI. Der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, und das europäische Patent zu widerrufen.
VII. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
Die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes ist gegeben, da keines der im Beschwerdeverfahren zum Stand der Technik zitierten Dokumente D12, D14 ein Steckverbinderpaar offenbart, bei dem der Basiswerkstoff eines Steckerelementes mit Reinzinn oder einer Zinn-Blei-Legierung beschichtet ist, während das andere Steckerelement eine auf schmelzflüssigem Wege aufgebrachte, härtere Oberflächenbeschichtung aus einer Zinn-Legierung aufweist.
3. Es bleibt die Frage, ob der Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
4. Nächstliegender Stand der Technik
Elektrische Steckverbinderpaare nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents sind aus Dokument D12 bekannt. Da dieses Dokument Steckverbinderpaare offenbart, deren Steckerelemente verschieden beschichtet sind, darunter einige Paare, bei denen beide Steckerelemente mit Zinn oder einer Zinn-Legierung beschichtet sind, ist es als der nächstliegende Stand der Technik zu betrachten.
5. Aufgabe und Lösung
5.1. Vom Dokument D12 ausgehend, liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein elektrisches Steckverbinderpaar zur Verfügung zu stellen, das ausgezeichnete Eigenschaften, insbesondere im Hinblick auf niedrige Steck- und Ziehkräfte, aufweist (siehe auch die Beschreibung des Streitpatents, Spalte 1, Zeilen 36 bis 41).
5.2. Gemäß Anspruch 1 wird diese Aufgabe dadurch gelöst, daß
a) der Basiswerkstoff eines Steckerelements mit Reinzinn oder einer Zinn-Blei-Legierung beschichtet ist, während das andere Steckerelement eine härtere Oberflächenbeschichtung aufweist,
wobei
b) die härtere Oberflächenbeschichtung eine auf schmelzflüssigem Wege aufgebrachte Legierung ist,
c) die 0,1 bis 10 Gew.-% mindestens eines der Elemente aus der Gruppe Silber, Aluminium, Silizium, Kupfer, Magnesium, Eisen, Nickel, Mangan, Zink, Zirkonium, Antimon, Rhodium, Paladium und Platin, Rest Zinn einschließlich unvermeidbarer Verunreinigungen und geringer Desoxidations- und Verarbeitungszusätze enthält.
Angesichts der Ansprüche 3 und 4 muß jedoch "Rest Zinn" so verstanden werden, daß es durch bis zu 40 Gew.-% Blei ersetzt werden kann und bis zu 0,5 Gew.-% Phosphor enthalten kann.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1. Dokument D12
6.1.1. D12 beschäftigt sich mit Kupfer und Kupfer-Legierungen als Basiswerkstoff für elektrische Kontakte (siehe Seiten 136 und 137 und Tabelle 9-1) und Beschichtungen aus verschiedenen Materialien. In Tabelle 9.2 sind Steckverbinderpaare aufgeführt, u. a. einige, deren Steckhülse und Stecker verschieden beschichtet sind: z. B. Hülse mit Zinn, wieder aufgeschmolzen ("reflowed"), Stecker mit Zinn; Hülse mit Zinn oder Zinn/Blei, Stecker mit Gold.
6.1.2. In Tabelle 9.4 sind Angaben über die Steck- und Ziehkräfte für einen Stecker aus Stahl in Abhängigkeit des Materials der Oberflächenbeschichtung der Steckhülse offenbart, wobei für Gold und Zinn/Blei die niedrigsten Steckkräfte genannt sind. In D12 wird Gold für die Beschichtung von Steckerelementen bevorzugt, weil es die besten Eigenschaften im Hinblick auf die Reaktionen mit anderen Metallen und mit der Atmosphäre besitzt und die geringsten Steck- und Ziehkräfte zeigt. In D12 wird außerdem zum Ausdruck gebracht, daß auch Zinn und Zinn-Blei-Legierungen eingesetzt werden können, wenn die Kosten wichtig und die Anforderungen nicht zu streng sind (Seite 140, Zeilen 1 bis 24). D12 gibt keinen Hinweis - auch nicht implizit -, Beschichtungen unterschiedlicher Härte an den beiden Elementen eines Steckverbinderpaares einzusetzen, um die Steck- und Ziehkräfte zu senken. Die Tabelle 9-2 betrifft den Einfluß verschiedener Umgebungsbedingungen auf den Kontaktwiderstand (Korrosion). Hinweise hinsichtlich der Steck- und Ziehkräfte vermittelt diese Tabelle nicht. Die Tabelle 9-4 offenbart lediglich unterschiedliche Steck- und Ziehkräfte in Verbindung mit Stahlstiften, woraus der Fachmann die Lehre entnimmt, bei erwünschten geringen Steck- und Ziehkräften Gold zu verwenden, wogegen Beschichtungen mit Zinn oder Zinn-Blei-Legierungen zu höheren, wenn auch vertretbaren, Steck- und Ziehkräften führen.
6.1.3. Der Abschnitt "METHODS OF PLATING - METAL DIPPING" auf den Seiten 140 bis 142 von D12 erwähnt, daß eine auf schmelzflüssigem Wege (dip coating in a molten bath of another metal) aufgebrachte Oberflächenbeschichtung von Metallen mit niedrigen Schmelzpunkten auf einem der Steckerelemente vorgesehen werden kann, aber nicht, daß diese Beschichtung aus einer härteren Legierung als die des anderen Steckerelements besteht, oder daß sie 0,1 bis 10 Gew.-% mindestens eines der Elemente aus der im Anspruch 1 angeführten Gruppe enthalten könnte.
6.1.4. Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, daß Dokument D12 dem Fachmann die Kombination der im obigen Abschnitt 5.2 aufgeführten Merkmale a), b) und c) nicht nahelegt.
6.2. Dokument D14
In diesem Dokument ist unter anderem erwähnt, daß es bei Auflagen aus Reinzinn oder einer Zinn-Blei-Legierung auf Kupfer als Grundwerkstoff bekannt ist, im Fall von Steckverbindern die ganze Auflage durch eine Wärmebehandlung in die intermetallische Phase umzuwandeln, um die Härte zu erhöhen und somit die Steckkraft zu reduzieren. Beschichtung mit Zinn-Antimon-Legierungen sind auch erwähnt. Aber D14 gibt keinen Hinweis - auch nicht implizit -, Beschichtungen unterschiedlicher Härte an den beiden Elementen eines Steckverbinderpaares einzusetzen, um die Steck- und Ziehkräfte zu senken.
7. Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, daß sich das elektrische Steckverbinderpaar nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht in naheliegender Weise aus dem herangezogenen Stand der Technik ergibt und daher als erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ anzusehen ist. Das Patent hat mithin in der erteilten Fassung Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.