European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T038898.20010213 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 Februar 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0388/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92102268.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B66C 23/70 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Teleskopausleger für Fahrzeugkrane o. dgl. | ||||||||
Name des Anmelders: | LIEBHERR-WERK EHINGEN GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Prof. Karl Weber am Bach Mannesmann AG |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 102 268.7 wurde das europäische Patent Nr. 0 499 208 erteilt.
II. Von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden III) und dem weiteren Verfahrensbeteiligten (Einsprechenden I) gegen das Patent eingelegte, auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) unter anderem in Hinblick auf den Stand der Technik nach den Druckschriften DE-A-2 148 966 (D3) und DE-U-7 801 106 (D12) gestützte Einsprüche wurden mit der am 12. März 1998 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 14. April 1998 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 10. Juni 1998 eingegangen.
IV. Am 13. Februar 2001 wurde in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Der weitere Verfahrensbeteiligte ist nicht zur Verhandlung erschienen.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, das Patent aufgrund von in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen zu erteilen.
V. Der somit geltende einzige Patentanspruch hat folgenden Wortlaut:
"Teleskopausleger (2) für Krane, vorzugsweise Fahrzeugkrane, bestehend aus einem auf dem Fahrzeug bzw. dessen Oberwagen schwenkbar gelagerten äußeren Anlenkstück (1), in dem mehrere teleskopartig zusammenschiebbare und ausfahrbare Teleskopschüsse gehaltert sind, wobei jeder Schuß mit Lagerungen für den in diesem geführten Schuß versehen und mit diesem Schuß verriegelbar ist und wobei eine hydraulische Druckmittelkolbenzylinder-Einheit zum Aus- und Einfahren der einzelnen Schüsse vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Anlenkstück (1) und die Schüsse aus Profilen bestehen, von denen jedes in der horizontalen, auf das Fahrzeug geschwenkten Lage einen unteren runden (40) und einen oberen halbkastenförmigen (41) Teil aufweist, und deren gegeneinander gerichtete Schenkel (44, 45) miteinander verschweißt sind, daß der untere Profilteil (40) etwa die Form einer halben Ellipse mit durch den kleinen Radius gebildetem Scheitel besitzt, daß die Schenkel des unteren, runden Profilteils tangential an die geraden Schenkel (44, 45) des oberen Profilteils (41) anschließen und daß die Schenkel (44, 45) des oberen Profilteils (41) rechtwinkelig zu dem den Obergurt bildenden geraden Stegteil (46) stehen."
VI. Die Beschwerdeführerin begründete ihren Antrag wie folgt:
Dem Fachmann sei es nach der D3 bekannt gewesen, die Schüsse von Teleskopauslegern von Kranen aus unterschiedlich geformten miteinander verschweißten Halbprofilen zusammenzusetzen. Das obere Profilteil nach der D3 weise Schenkel auf, die rechtwinklig zu dem den Obergurt bildenden geraden Stegteil stehen und entspreche somit dem oberen Profilteil beim Streitpatent. Abweichend vom Streitpatent sei allerdings das untere Profilteil nicht ellipsenförmig ausgebildet. Bei den bekannten Teleskopauslegern habe sich die Kastenform für die Anordnung der Leitungen, Kabel und Zylinder innerhalb der Teleskopausleger als vorteilhaft erwiesen. Aus diesem Grunde sei die Mehrzahl der Teleskopausleger sowohl im oberen als auch im unteren Profilteil in Kastenform mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken ausgebildet worden. Es sei allerdings allgemein bekannt gewesen, daß die Beulsicherheit bei der Verwendung ebener Profilbereiche leide. Die elliptische Profilform sei hingegen in dieser Hinsicht optimal. Bei der D3 sei die Beulsicherheit des V-förmigen unteren Profilteils durch einen Längsknick verbessert worden. Bei anderen bekannten Konstruktionen, z. B. nach der D12, sei man bezüglich der Profilform einen Kompromiß eingegangen, indem eine Kastenform mit mehr oder weniger stark abgerundeten Ecken gewählt wurde, was die Anordnung der Innenteile der Teleskopausleger erleichterte. Dem Fachmann sei aber auch geläufig gewesen, daß bei Anwendung eines elliptischen Profilteils im Sinne der JP-A-2-62476 (D9) eine weitere Erhöhung der Beulsicherheit möglich ist. Bei konsequenter Verfolgung der an sich bekannten Aufgabenstellung, eine hohe Beulsicherheit zu garantieren, sei es demnach naheliegend gewesen, den unteren Profilteil des Teleskopauslegers gemäß D3 mit dem für maximale Beulsicherheit bekannten elliptischen Profil nach der D9 zu versehen. Dabei sei es für den Fachmann selbstverständlich, die freien Schenkel des elliptischen Profils tangential in die geraden Schenkel des oberen kastenförmigen Profilteils einlaufen zu lassen, um einen für die Festigkeit nachteiligen Knick des Profilverlaufs an der Schweißnaht zwischen den beiden Profilteilen zu vermeiden. Bei der naheliegenden Kombination eines oberen kastenförmigen und eines unteren elliptischen Profilteils hätten sich demnach die weiteren im Kennzeichen des geltenden Patentanspruchs angegebenen Merkmale von selbst ergeben. Der Gegenstand nach diesem Anspruch beruhe demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdegegnerin trug in etwa folgendes vor:
Gegenüber dem Stand der Technik nach der D3 betreffe das Streitpatent einen Teleskopausleger, bei dem durch die beanspruchte spezielle Gestaltung des unteren Profilteils ohne Verstärkung des Profils und Anbringung von Beulsteifen eine erhöhte Beulsteifigkeit erreicht werde. Der halbkastenförmige Obergurt könne optimal Zugspannungen und der Untergurt optimal Druckspannungen aufnehmen. Es seien zwar gemäß D9 elliptische Profile als optimale Formgebung für Beulsicherheit bekannt gewesen, allerdings komme dort das elliptische Profil sowohl für den Ober- als auch den Untergurt zur Anwendung, so daß im Gegensatz zum Streitpatent (mit dem dort im Obergurt vorhandenen kastenförmigen Profil) weniger Platz für die innerhalb des Teleskopauslegers anzuordnenden Leitungen, Zylinder usw. vorhanden sei. Außerdem sei das eine vollständige Ellipse wiedergebende Profil nach der D9 schwieriger herstellbar als das unsymmetrische Profil nach dem Streitpatent, bei dem nur der Untergurt elliptisch sei. Für die beanspruchte Profilaufteilung im Ober- und Untergurt gebe es im Stand der Technik kein Vorbild. Auch die D12 offenbare lediglich einen Profilquerschnitt, bei dem ein vollständiges Rechteckprofil mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken zur Anwendung komme und zudem nichts über Schweißstellen zwischen dem Ober- und dem Untergurt gesagt sei. Auch die in der angefochtenen Entscheidung genannte DE-A-2 410 379 enthalte keinen Hinweis auf die beanspruchte Formgebung, da dort die schalenförmig gewölbten oder rechteckig, rund oder oval ausgebildeten Ober- und Untergurtbleche über aus Gitterstäben gebildete Seitenwände miteinander verbunden seien. Die bekannten Lösungen seien immer auf halbem Wege zum Streitpatent stehen geblieben. Die beanspruchte Formgebung beruhe folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VIII. Der weitere Verfahrensbeteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht mehr geäußert.
Mit einer am 20. Dezember 2000 eingegangenen Telekopie hat ein am Verfahren nicht Beteiligter Einwendungen gegen das Patent vorgebracht.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Änderungen
Im geltenden Patentanspruch sind alle Merkmale der erteilten Ansprüche 1 bis 4 enthalten, die inhaltlich den ursprünglichen Ansprüchen 14 bis 17 in Verbindung mit dem Oberbegriff des ursprünglichen Anspruchs 1 entsprechen.
Der Patentanspruch ist demnach vom ursprünglichen Offenbarungsinhalt des Streitpatents gestützt und geht nicht über den Schutzumfang des erteilten Anspruchs hinaus, sondern ist offensichtlich weiter eingeschränkt. Der Patentanspruch entspricht demnach den Anforderungen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
Dies gilt ebenfalls für die dem geänderten Patentbegehren angepaßte Beschreibung und die Zeichnung.
3. Neuheit
Im Beschwerdeverfahren wurde die Neuheit des Gegenstandes nach dem geänderten Patentanspruch nicht in Frage gestellt. Ein Vergleich mit den einzelnen Druckschriften des aufgedeckten Standes der Technik ergibt ohne weiteres, daß die Neuheit gegeben ist.
4. Erfinderische Tätigkeit
Bei dem entsprechend dem Oberbegriff des Anspruchs des Streitpatents ausgebildeten Teleskopausleger nach der D3 weisen die einzelnen Teleskopschüsse ein im wesentlichen kastenartiges Profil auf, bei dem in der Ausführung gemäß Figur 2 ein ebener Obergurt mit darauf senkrecht stehenden, ebenfalls ebenen Seitenstegen vorgesehen ist. Der Untergurt weist zur Erhöhung der Beulsicherheit einen flach V-förmigen Querschnitt mit einem mittleren Längsknick auf. Nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ist dieser bekannte (von der Beschwerdegegnerin stammende) Teleskopausleger im Bereich seiner Schweißverbindungen durch zusätzliche, strebenartige, aussteifende Bleche verstärkt. Ausgehend von diesem Stand der Technik besteht die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin, den Teleskopausleger im Sinne einer großen Biegesteifigkeit und Beulunempfindlichkeit bei einfacher und wirtschaftlich herstellbarer Konstruktion zu verbessern.
Bei der gemäß dem Patentanspruch des Streitpatents ausgebildeten Profilierung wird der Untergurt einschließlich der unteren Bereiche der Seitenstege durch ein elliptisches Profil ersetzt, das bekanntermaßen eine optimale Beulfestigkeit aufweist.
Dadurch, daß im Gegensatz zu z. B. aus der D9 bekannten vollelliptischen Profilen beim Streitpatent der obere Profilteil als offener, rechtwinkliger Halbkasten ausgebildet ist, wird ein optimal zur Aufnahme der dort angreifenden Zugspannungen ausgelegter, ebener Obergurt verwirklicht. Der untere Profilteil weist hingegen im Bereich des Untergurtes und auch in den unteren Bereichen der Seitenstege eine elliptische Form auf, so daß diese insbesondere durch Beulkräfte gefährdeten Profilteile optimal gegen solche Belastungen gerüstet sind und für die Kraftweiterleitung in den Profilen ungünstige Knicklinien vermieden werden.
Des weiteren ist die Herstellung des beanspruchten Profils durch Verschweißung der kastenförmigen oberen und der elliptischen unteren Profilhälfte einfacher als die Herstellung eines vollelliptischen Profils nach der D9. Gegenüber dem gattungsgemäßen Teleskopausleger nach der D3 ergibt sich beim beanspruchten Gegenstand trotz der Verwendung des fertigungstechnisch aufwendigeren elliptischen Unterteils insofern noch ein Vorteil, als zusätzliche Beulsteifen eingespart werden können.
Es ist unbestritten, daß elliptische Profilteile eine optimale Sicherheit gegen Ausbeulen geben. Die Beschwerdeführerin hat dies im übrigen durch zahlreiche Beweismittel, wie Fachbücher, Richtlinien und Rechenbeispiele belegt. Bei geschlossenwandigen Vollprofilen für die Schüsse von Teleskopauslegern waren nur solche Profilformen bekannt, bei denen entweder vollsymmetrische Profile, wie z. B. Vollellipsen nach der D9 oder Kastenprofile mit ebenen Wandteilen und mehr oder weniger abgerundeten Ecken (z. B. D12) zur Anwendung kamen. Bekannte unsymmetrische Profile für vollwandige Teleskopausleger waren mit kastenartigen Profilhälften ausgestattet, bei denen die unteren Profilhälften einen V-förmig nach unten ausgeknickten Untergurt wie bei der genannten D3 oder einen unteren kastenförmigen Profilteil mit abgekanteten unteren Enden wie bei der DE-A-3 042 993 (D4) aufwiesen. Die durch V-förmige Ausknickung bzw. Eckabkantung erhöhte Beulsicherheit konnte, wie in den Figuren der D3 und D4 ersichtlich, noch zusätzlich durch erhöhte Wanddicken der unteren Profilteile verbessert werden.
Bei den Teleskopausleger-Schüssen nach der in der angefochtenen Entscheidung weiter genannten DE-A-2 317 595 kommen für den Unter- und den Obergurt vollwandige Präzisionsrohre oder schalenförmige Präzisionsrohrsegmente zur Anwendung, die über ebene aus Flachmaterial bestehende Mittelstege miteinander verbunden sind. Hieraus ergeben sich kastenförmige oder dreieckige Profilformen mit stark abgerundeten Ecken. Aus der ebenfalls in der angefochtenen Entscheidung genannten DE-A-2 410 379 sind Teleskopausleger-Schüsse mit schalenförmig gewölbten, rechteckigen, runden, ovalen oder prismatischen Ober- und Untergurten bekannt, deren Seitenwände über Gitterstäbe miteinander verbunden sind. Es werden dabei symmetrische kastenförmige oder prismatische (vgl. Figur 2) Gesamtprofile gebildet. Eine gezielte Verwendung von elliptischen Profilen ausschließlich zur Erhöhung der Beulsicherheit am Untergurt ist in diesen Druckschriften weder gezeigt noch in irgendeiner Weise erwähnt.
Aus dem Vorstehenden folgt, daß trotz des Wissens über die optimale Beulsteifigkeit von elliptischen Profilteilen keine der zahlreichen bekannten Ausführungen den Fachmann darauf hinführte, die beulsichere, elliptische Profilform im Sinne der Lehre des Patentanspruchs des Streitpatents einzusetzen.
Auch die Einwände des nicht am Verfahren beteiligten Dritten, die sich im wesentlichen auf theoretische Ausführungen und nicht zum Stande der Technik gehörenden Druckschriften stützen, vermögen das Naheliegen der beanspruchten Lehre nicht zu begründen.
Die Kammer kommt folglich zu dem Ergebnis, daß sich der Gegenstand nach dem Patentanspruch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt und als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist. Das Patent ist daher auf der Basis der geltenden geänderten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentanspruch und Beschreibung, wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2001,
Figuren 1 bis 2h des erteilten Patents.