T 0231/98 () of 18.1.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T023198.20010118
Datum der Entscheidung: 18 Januar 2001
Aktenzeichen: T 0231/98
Anmeldenummer: 94102051.3
IPC-Klasse: F16H 55/36
F16F 15/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer Riemenscheibe
Name des Anmelders: Firma Carl Freudenberg
Name des Einsprechenden: Herzing & Schroth GmbH & Co.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit, Haupt- und Hilfsantrag (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 94 102 051.3 wurde das europäische Patent Nr. 0 622 567 erteilt.

II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das Patent eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützte Einspruch, in dem die folgenden im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffenen Druckschriften

D1: US-A-2 722 138

D2: EP-B1-0 143 032

D3: EP-A1-0 126 489

D4: EP-A2-0 512 295

D5: DE-A1-2 745 508

genannt waren, führte zu der am 20. Januar 1998 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung, in der festgestellt wurde, daß das Patent unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 27. Februar 1998 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 27. April 1998 eingegangen.

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Beschwerdekammer zur Frage der erfinderischen Tätigkeit auf die aus den Druckschriften D2 bis D5 sowie der im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin genannten Druckschrift D6 (Noppen, R.: Neue Werkstoffanwendungen in der Fahrzeugtechnik, Proc. Fertigungstechnisches Kolloquium 1985, Stuttgart, 10. bis 11.10.1989. Berlin: Springer-Verlag, 1989, Seiten 67 bis 72) bekannten Spaltverfahren hingewiesen. Es sei demnach in der mündlichen Verhandlung zu erörtern, ob es für einen Fachmann naheliegend war, die bekannten Fertigungsschritte bei einem Gegenstand nach der D1 anzuwenden, wobei ggf. im Wege stehende Hindernisse zu berücksichtigen seien.

Am 18. Januar 2001 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Basis des Patentanspruchs vom 20. November 2000 aufrechtzuerhalten.

VI. Der Anspruch 1 in der Fassung gemäß Zwischenentscheidung (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Herstellung einer Riemenscheibe (1) mit im wesentlichen topfförmigem Profil, deren Riemenauflage (7) zumindest einseitig in axialer Richtung von einer einstückig angeformten Bordscheibe (2) begrenzt ist, und mit einem, mittels eines Dämpfungsrings (5) aus elastomerem Werkstoff mit der Riemenscheibe (1) verbundenen Trägheitsring (6), wobei die angeformte Bordscheibe (2) in axialer Richtung in einen Nabenring (3) übergeht, der mittels des Dämpfungsrings (5) mit dem Trägheitsring (6) verbunden ist, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:

- die Riemenauflage (7), die Bordscheibe (2) und der Nabenring (3) werden dadurch einstückig ausgebildet, daß der sich in radialer Richtung erstreckende Riemenscheibenkörper (1) zunächst gespalten und die dadurch erzeugten Teilbereiche jeweils in entgegengesetzter axialer Richtung so umgeformt werden, daß sich die Riemenauflage (7) in axialer Richtung erstreckt, und daß die Bordscheibe (2) im Bereich ihrer radialen Begrenzung der Riemenauflage (7) mit einem einstückig angeformten und in axialer Richtung entgegen der Riemenauflage (7) abgebogenen Nabenring (3) versehen wird, und

- im Anschluß an die Umformung in axialer Richtung einerseits die Profilierung der Riemenauflage (7) ausgebildet und andererseits der Torsionsschwingungsdämpfer (4) vervollständigt wird."

Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag enthält den gesamten Wortlaut des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag, an dessen Ende sich folgender Text anschließt:

"und der entgegen der Riemenauflage (7) umgeformte Nabenring (3) zur Vervollständigung des Torsionsschwingungsdämpfers (4) außen- und/oder innenumfangsseitig von dem Dämpfungs- (5) und dem Trägheitsring (6) umschlossen wird."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Aus der D1 seien Form und Gestalt der mit dem beanspruchten Verfahren herzustellenden Riemenscheibe bekannt und der Fachmann wisse, sowohl aus der Herstellung von Riemenscheiben sowie anderer Blechteile, daß diese aus einer Blechronde durch Spalten und Weiterverformung einstückig hergestellt werden könnten. In Kenntnis der Scheibe nach der D1 und des in D2 bis D6 nachgewiesenen Spaltverfahrens könne der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zu dem beanspruchten Herstellungsverfahren gelangen.

Insbesondere die D4 rege den Fachmann dazu an, das Spaltverfahren auch zur Fertigung einer Riemenscheibe mit Dämpfer einzusetzen. Es gebe keinerlei Probleme, die Scheibe gemäß D1 einstückig aus einer Ronde mit dem Spaltverfahren herzustellen. Die zweiteilige Riemenscheibe gemäß D1 verhalte sich schwingungstechnisch kaum anders als die mit unveränderter geometrischer Formgebung durch das Spaltverfahren hergestellte einstückige Scheibe nach dem Streitpatent. Dies gelte auch für eine eventuelle Rückkoppelung von Schwingungen innerhalb der Scheiben-Dämpferanordnung. Im Streitpatent seien keine weiteren Ausführungen bezüglich der Bordscheibe gemacht, die sowohl bei der Scheibe nach der D1 als auch bei der Scheibe gemäß Streitpatent die Verbindung zwischen dem dem Riemen zugeordneten Scheibenteil und dem dem Dämpfer zugeordneten Scheibenteil bildet. Die Begründung der erfinderischen Tätigkeit könne somit auch nicht darauf gestützt werden, daß dieser Bordscheibenteil zwecks Verhinderung der Rückkoppelung von Schwingungen in spezieller Weise ausgestaltet werde. Da somit hinsichtlich des Schwingungsverhaltens kein Unterschied zwischen der zweiteiligen Scheibengestaltung gemäß D1 und der einteilig hergestellten Scheibe nach dem Streitpatent bestehe, habe auch kein Hindernis bestanden, das den Fachmann vom Einsatz des Spaltverfahrens hätte abhalten können.

Die im Patentanspruch nach dem Hilfsantrag zusätzlich aufgeführten Merkmale bezüglich der Anbringung des Dämpferträgheitsringes seien ebenfalls schon bekannt, wie dies aus der D1 und der in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents genannten FR-A-2 341 073 ersichtlich sei. Die im Streitpatent beanspruchten Herstellungsverfahren seien demnach weder in der Fassung nach dem Hauptantrag noch nach dem Hilfsantrag erfinderisch.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentiert in etwa wie folgt:

Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik nach der D1 bestehe das gemäß Streitpatent zu lösende Problem darin, ein vereinfachtes Herstellungsverfahren für die Riemenscheibe anzugeben, wobei gute Schwingungseigenschaften der mit dem Schwingungsdämpfer versehenen Riemenscheibe erreicht werden sollen. Die aus den Entgegenhaltungen D2 bis D6 bekannten Spaltverfahren seien zur Herstellung konstruktiv anders gestalteter Riemenscheiben benutzt worden. Die D4 zeige im Gegensatz zum Streitpatent ein Verfahren zur Herstellung eines Viskosedämpfers mit an dessen Außenmantel angebrachten Riemenauflagen. Dabei könnten keine Rückkoppelungen von Schwingungen auftreten. Im Falle einer einteiligen Scheibenherstellung nach dem Spaltverfahren habe ein Fachmann befürchten müssen, daß die bei einer zweiteilig gefertigten Scheibe gemäß D1 vorhandene Abkoppelung der Schwingungen der Riemenscheibe vom Dämpfer aufgegeben werde und eine stärkere Rückkoppelung der Schwingungen die Folge sei. Es habe sich allerdings herausgestellt, daß dies infolge der bei der Scheibe nach dem Streitpatent vorhandenen Bordscheibe 2 nicht der Fall sei. Durch diese auch als seitliche Stütze für den Riemen dienende Bordscheibe werde die befürchtete Rückkoppelung von Schwingungen verhindert.

Daher hätten weder die D4 (aufgrund der völlig anderen Gestaltung der darin gezeigten Scheibe) noch die aus den weiteren Druckschriften an sich bekannten Spaltverfahren das beanspruchte Verfahren einem Fachmann nahelegen können.

Dies gelte auch für den Patentanspruch nach dem Hilfsantrag, in dem zusätzlich noch Maßnahmen zur Anordnung des Trägheits- und Dämpfungsrings aufgeführt seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Zulässigkeit der Änderungen

Die im Anspruch 1 enthaltenen Vorrichtungs- und Verfahrensmerkmale sind aus den ursprünglichen Unterlagen ableitbar. Die im Einspruchsverfahren im Anspruch vorgenommenen Änderungen haben offensichtlich zu einer Beschränkung des Schutzumfangs des erteilten Anspruchs 1 und nicht zu einer Erweiterung geführt.

Demnach bestehen keine Bedenken im Sinne von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

2.2. Neuheit

Keine der Entgegenhaltungen beschreibt die Gesamtheit der im Anspruch 1 definierten Verfahrensschritte, die zur Herstellung einer Scheibe mit der im Anspruch 1 ebenfalls angegebenen, an sich aus der D1 bekannten geometrischen Formgebung dienen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist unbestritten neu.

2.3. Erfinderische Tätigkeit

Riemenscheiben mit Trägheitsringen zur Torsionsdämpfung kommen im wesentlichen zur Dämpfung der Kurbelwellenschwingungen von Verbrennungsmotoren zur Anwendung und sind demnach dem Bereich der Zulieferer für die Kraftfahrzeughersteller zuzuordnen. Auf diesem Sektor ist man stets bestrebt, aus Kostengründen die Herstellung zu vereinfachen, wobei die Funktion des Werkstücks möglichst nicht beeinträchtigt werden soll. Dieses auch mit der Aufgabenstellung des Streitpatents angestrebte Ziel gehört zu den stetigen Vorgaben eines Fertigungsfachmannes und vermag daher nichts zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit beizutragen.

Die Druckschriften D2 bis D6 zeigen, daß es bei der Anwendung der spanlosen Umformtechnik zur Herstellung von Riemenscheiben, Riemenscheiben mit integrierten Dämpfern und von Radfelgen üblich ist, nach dem radialen Spalten von zylindrischen Ronden die beiden aufgespaltenen Teilbereiche unterschiedlich weiterzuverformen. Die dem Spaltvorgang folgenden Arbeitsschritte beschränken sich nicht nur auf symmetrische Nachbearbeitungsvorgänge, wie dies bei den Riemenscheiben nach D2 und D3 der Fall ist. Bei der Riemenscheibe mit integriertem Drehschwingungsdämpfer nach der D4 wird vielmehr einer der beiden Teilbereiche zur Bildung einer radialen Kammer für den Viskosedämpfer umgeformt, wobei (siehe den dortigen Anspruch 12) ggf. an deren Außenumfang noch eine Profilierung für einen Riemenantrieb vorgesehen werden kann. Die zur Herstellung von Scheibenrädern für Kraftfahrzeuge angewandte Spaltmethode nach der D5 und insbesondere nach der D6 zeigt auch Fertigungsfolgen, bei denen die beiden Teilsektoren nach ihrer Aufspaltung in entgegengesetzte Richtungen so weiterverformt werden, daß jeder der aufgespaltenen Teilbereiche eine eigene Profilierung erhält. Ein nach Fertigungsvereinfachung für eine Riemenscheibe mit einem Dämpfernabenring gemäß D1 strebender Fachmann wird demnach die bekannten Herstellungsverfahren nicht unbeachtet lassen und wird auch in Betracht ziehen, die bekannte Scheibe einstückig durch das bekannte Spaltverfahren aus einer Ronde fertigen, wobei dann nachfolgende Verformungsschritte das Werkstück in die vorbekannte Form bringen. Das Ausformen einer der beiden durch Spaltung gewonnenen Teilbereiche zwecks Bildung des den Dämpfer tragenden Nabenringes und die Profilierung der Riemenauflage am anderen Spaltungssektor sind Arbeitsschritte, die sich notwendig bei der Herstellung der bekannten geometrischen Endform der Scheibe ergeben.

Nach Überzeugung der Kammer stellt auch das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, der Fachmann habe befürchten müssen, daß die Funktionalität der Scheibe durch die einstückige Fertigung verschlechtert würde, kein Hindernis für die Auffindung des beanspruchten Verfahrens dar. Eine zweiteilig aufgebaute, durch zusätzliche Verbindungsmittel zu einer einzigen starren Einheit zusammengefaßte Scheibenanordnung dürfte sich bezüglich der Rückkoppelung von Schwingungen nicht wesentlich von einer einteiligen Ausführung unterscheiden, die die gleiche geometrische Gestaltung und vergleichbare Querschnitte aufweist. Der von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang betonte Bordscheibenteil 2 (Streitpatent), der sich radial nach außen von der Riemenauflage 7 zum Nabenring 3 für die Dämpferbefestigung erstreckt, ist auch bei der zweiteiligen Scheibe nach der D1 vorhanden, wie dies aus der Figur 4 (im Bereich des Bezugszeichens 13) ersichtlich ist. Insofern kann im Hinblick auf das Schwingungsverhalten zwischen der bekannten Scheibe nach der D1 und der durch das beanspruchte Verfahren herstellbaren einstückigen Scheibe kein Unterschied festgestellt werden, zumal auch in den Unterlagen des Streitpatents keinerlei Ausführungen über die Ausgestaltung des Bordscheibenbereichs 2 gemacht sind. Die Kammer vermag daher nichts zu erkennen, was den Fachmann davon hätte abhalten können, das bekannte Spalt- und Umformungsverfahren bei einer bekannten Scheibe nach der D1 anzuwenden.

Aus den vorstehend genannten Gründen kann der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und damit nicht als patentfähig angesehen werden.

3. Hilfsantrag

Das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von dem gemäß Anspruch 1 nach dem Hauptantrag dadurch, daß mehrere Möglichkeiten für den Anschluß des Trägheitsringes 6 an den Nabenring 3 ("außen- und/oder innenumfangsseitig umschlossen") zusätzlich in den Wortlaut des Anspruchs aufgenommen worden sind. Diese Anbringungsvarianten für den Trägheitsring sind zum Teil aus D1 und auch aus dem in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents weiter genannten Druckschriften bekannt, was auch von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde.

Das gemäß Hilfsantrag beanspruchte Herstellungsverfahren unterscheidet sich im übrigen nicht von dem nach dem Hauptantrag. Weitere Verformungsschritte im Hinblick auf der angegebenen Anbringungsvarianten für den Trägheitsring sind nicht angegeben.

Demnach gilt für den Patentanspruch nach dem Hilfsantrag ebenfalls die zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unter Punkt 2.3 vorgetragene Begründung mit dem Ergebnis, daß das beanspruchte Verfahren mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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