T 0184/98 (Kupferphthalocyanin/BASF) of 20.3.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T018498.20010320
Datum der Entscheidung: 20 März 2001
Aktenzeichen: T 0184/98
Anmeldenummer: 90106450.1
IPC-Klasse: C09B 67/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von für pastöse Druckfarben geeignetem Kupferphthalocyanin
Name des Anmelders: BASF Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Sun Chemical Corporation
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 69(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Lösung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 16. Februar 1998 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die am 18. Dezember 1997 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, daß das europäische Patent Nr. 0 392 334 in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.

Insbesondere war die Einspruchsabteilung der Meinung, aus keinem der zitierten Dokumente gehe hervor, daß durch die Verwendung eines Harzes bei der Vermahlung des Rohpigments und die Verwendung desselben Harzes in der Herstellung der Druckfarbe Vorteile zu erwarten gewesen wären.

II. Vor der Beschwerdekammer fand am 20. März 2001 eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) als einzigen Antrag einen Anspruch mit folgendem Wortlaut einreichte:

"Verwendung einer Kupferphthalocyanin-Harz-Mischung zur Herstellung von pastösen (hochviskosen) Druckfarben, wobei die Kupferphthalocyanin-Harz-Mischung durch Kugelvermahlung von rohem Kupferphthalocyanin mit einem Teil des für die Herstellung der Druckfarbe benötigten phenolmodifizierten Kolophoniumharzes erhalten wird, und zwar in einer Menge von 0,5 bis 10 Gew.-%, bezogen auf das rohe Kupferphthalocyanin, und wobei das Kupferphthalocyanin eine Primärteilchengröße von maximal 1. µm und einen Gehalt von -Modifikation nicht höher als 60% aufweist, indem man die erhaltene Kupferphthalocyanin-Harz-Mischung mit einem Bindemittel aus dem für die Druckfarbe benötigten phenolmodifizierten Kolophoniumharz und Mineralöl und gegebenenfalls mit Zuschlagsstoffen in einer Rührwerkskugelmühle dispergiert."

III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat im wesentlichen geltend gemacht, der geltende Anspruch erfülle nicht das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ, da aus dem Wortlaut nicht deutlich hervorgeht, daß bei der Kugelvermahlung und im zur Herstellung der Druckfarbe verwendeten Bindemittel dasselbe phenolmodifizierte Kolophoniumharz verwendet werde.

Weiterhin hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, die beanspruchte Verwendung sei durch die Gesamtlehre der Druckschriften

(1) GB-A-1 224 627 und

(4) JP-A-63-81168, in Form der englischen Übersetzung,

nahegelegt.

IV. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, der geltende Anspruch erfülle das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ. Er werde auch durch die Gesamtlehre der Druckschriften (1) und (4) nicht nahegelegt, da dem Dokument (1) zu entnehmen sei, ein ausreichend dispergierbares Pigment werde nur dann erreicht, wenn bei der Vermahlung 100 bis 800 Gew.-% Harz, bezogen auf das rohe Pigment, verwendet werde, und aus dem Dokument (4) gehe hervor, ein ausreichend dispergierbares Pigment könne nur durch Trockenvermahlung mit einem Harz und anschließender Wärmebehandlung mit Butylcellosolve erreicht werden.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 392 334.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis ihres während der mündlichen Verhandlung überreichten Hauptantrags aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

2.1. Bei der Prüfung, ob der Verwendungsanspruch in der Weise geändert wurde, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 123 (2) EPÜ), ist lediglich die Frage wesentlich, ob jedes Merkmal und seine Kombinationen unmittelbar und eindeutig der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen sind. Bei dieser Prüfung ist der von der Beschwerdeführerin im Punkt III erhobene Einwand, der den Umfang des Schutzbereiches des Streitpatents gemäß Artikel 69 (1) EPÜ betrifft, irrelevant.

2.2. Die Verwendung eines ein Harz enthaltenden Kupferphthalocyanins zur Herstellung von pastösen Druckfarben ist im ursprünglich eingereichten Anspruch 4 beschrieben. Auf der Seite 1, Zeilen 6 bis 10 und 42 bis 45, der Anmeldung in der eingereichten Fassung ist die Kugelvermahlung von rohem Kupferphthalocyanin mit einem Teil des für die Herstellung der Druckfarbe benötigten Harzes, nämlich 0,5 bis 10 Gew.-%, bezogen auf das rohe Kupferphthalocyanin, beschrieben. Aus den Zeilen 8 bis 11. der Anmeldung in der eingereichten Fassung geht hervor, daß das aus der Kugelvermahlung erhaltene Kupferphthalocyanin eine Primärteilchengröße von maximal 1. µm und einen Gehalt von -Modifikation nicht höher als 60% aufweist. Der Seite 2, Zeilen 2 bis 4 und 23 bis 27 der Anmeldung in der eingereichten Fassung ist zu entnehmen, daß zur Herstellung der Druckfarbe das aus der Kugelvermahlung erhaltene Kupferphthalocyanin in einem Mineralöl/Bindemittel-System, gegebenenfalls mit Zuschlagstoffen, in einer Rührwerkskugelmühle dispergiert wird. In den Zeilen 13 bis 15 und 17 bis 21 auf Seite 2 der Anmeldung in der eingereichten Fassung ist beschrieben, daß als Harze phenolmodifizierte Kolophoniumharze geeignet sind. Somit sind alle Merkmale des Anspruchs sowie die Kombination dieser Merkmale in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart.

Der geltende Verwendungsanspruch ist im Vergleich zum erteilten Verwendungsanspruch 4 eingeschränkt worden, wodurch sein Schutzbereich nicht über den des erteilten Patents hinausgeht. Dies ist nicht bestritten worden.

Die Kammer kommt somit zu dem Schluß, daß der einzige geltende Anspruch die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt.

3. Neuheit

Da nach Feststellung der Kammer die beanspruchte Verwendung der anspruchsgemäßen Kupferphthalocyanine zur Herstellung von pastösen Druckfarben nirgendwo vorbeschrieben ist, ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs neu. Da dies von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Es wird von den Parteien nicht mehr bestritten, daß für die beanspruchte Verwendung die Druckschrift (1) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, das auch in Spalte 1, Zeile 27 des Streitpatents zitiert wird.

Druckschrift (1) betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Pigment-Harz Dispersionen, die in der Herstellung von pastösen Druckfarben verwendet werden können. Dabei wird ein Rohpigment mit einer Teilchengröße von 40 bis 50. µm durch Vermahlung in Gegenwart eines Harzes in seine Pigmentform (Teilchengröße 0,1 bis 1 µm) überführt und dasselbe Harz wird in der anschließenden Dispergierung der Pigment-Harz-Mischung verwendet (Seite 1, Zeilen 11 bis 32, 45 bis 51 und 69 bis 74). Als geeignete Pigmente werden Phthalocyanine und als geeignete Harze werden phenolmodifizierte Kolophoniumharze erwähnt (siehe Seite 1, Zeile 83, und Seite 2, Zeilen 14 und 15). Weiterhin ist der Seite 1, Zeilen 33 bis 56, zu entnehmen, daß bei der Herstellung der Pigment-Harz Dispersionen durch das dort beschriebene Verfahren ein zusätzlicher Verfahrensschritt zur Vermischung des Pigmentes in seiner Pigmentform mit einem Harz vermieden wird.

4.2. Ausgehend von der Lehre der Druckschrift (1) lag dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, die Verwendung weiterer Kupferphthalocyanin Pigment-Harz-Mischungen zur Herstellung von pastösen Druckfarben zur Verfügung zu stellen.

4.3. Zur Lösung dieser Aufgabe wird die im Anspruch definierte Verwendung einer Kupferphthalocyanin-Harz-Mischung mit 0,5 bis 10 Gew.-% Harz zur Herstellung von pastösen Druckfarben vorgeschlagen.

Durch Beispiel 1 des Streitpatentes wird glaubhaft gemacht, daß durch die Verwendung patentgemäßer Kupferphthalocyanin Pigment-Harz-Mischungen pastöse Druckfarben hergestellt werden können. Dies ist von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden.

4.4. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, diese Aufgabe durch die in der Anspruch definierte Verwendung zu lösen.

4.5. Die Beschwerdeführerin argumentierte, eine solche Anregung sei der Gesamtlehre der Druckschriften (1) und (4) zu entnehmen, da die Kugelvermahlung von Kupferphthalocyanin in Anwesenheit eines phenolmodifizierten Kolophoniumharzes aus der Druckschrift (1) und die Trockenvermahlung von Kupferphthalocyanin mit 2 bis 50 Gew.-%, bevorzugt 5 bis 30. Gew.-% eines Kolophoniumharzes, bezogen auf das Kupferphthalocyanin, aus der Druckschrift (4) bekannt gewesen sei.

Obwohl auf der Seite 2, Zeilen 19 bis 27, der Druckschrift (1) beschrieben ist, daß das Gewichtsverhältnis Harz/Rohpigment im allgemeinen viel höher als in dem anspruchsgemäßen Bereich ist, nämlich 100 bis 800, bevorzugt 150 bis 600 Gew.-%, bezogen auf das Rohpigment, war die Beschwerdeführerin der Meinung, die beanspruchte Verwendung sei durch die Lehre der Druckschrift (1) nahegelegt, da diesem Abschnitt auch zu entnehmen war, daß das Gewichtsverhältnis nicht kritisch sei.

Dem kann jedoch die Kammer nicht folgen. Die Lehre der Druckschrift (1) besagt zwar ganz allgemein, daß das Gewichtsverhältnis nicht kritisch sei, indessen kann dies nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur in Zusammenhang mit der vollständigen Lehre der Druckschrift. Dem gleichen Abschnitt, nämlich der Seite 2, Zeilen 27 bis 29, ist zu entnehmen, daß es bei niedrigeren Harz/Rohpigment Gewichtsverhältnissen (d. h.: niedriger als 100 Gew.-%, bezogen auf das Rohpigment) zunehmenderweise schwierig wird, annehmbare Dispersionen herzustellen. Ein Fachmann konnte somit die Lehre der Druckschrift (1) im Hinblick auf dieser Abschnitt nur so auslegen, daß das Gewichtsverhältnis Harz/Rohpigment nicht kritisch ist, soweit es nicht niedriger als 100 Gew.-%, bezogen auf das Rohpigment ist.

Somit wurde dem Fachmann durch die Lehre der Druckschrift (1) davon abgeraten, ein Harz in der patentgemäß niedrigen Menge von 0,5 bis 10 Gew.-%, bezogen auf das rohe Kupferphthalocyanin, mit dem Rohpigment zu vermahlen.

4.6. Druckschrift (4) betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Kupferphthalocyanin-Pigment mit einer annehmbaren Dispergierbarkeit durch Trockenvermahlung des Kupferphthalocyanins mit 2 bis 50 Gew.-%, bevorzugt 5. bis 30 Gew.-%, bezogen auf das Kupferphthalocyanin, eines Kolophoniumharzes und anschließende Behandlung mit einer Mischung von Wasser und Butylcellosolve bei 50 bis 100 C (Seite 3, dritter und vorletzter Absatz). Gemäß Seite 6, erster Absatz, hat das so erhaltene Kupferphthalocyanin eine ausreichende Dispergierbarkeit, so daß es in Offset-Druckfarben verwendet werden kann.

Gemäß der Lehre der Druckschrift (4) wird eine ausreichende Dispergierbarkeit nur dann erreicht, wenn nach der Trockenvermahlung eine Wärmebehandlung mit Butylcellosolve erfolgt. Somit konnte ein Fachmann dieser Druckschrift nicht entnehmen, daß die Dispergierbarkeit des aus der Trockenvermahlung enthaltene Kupferphthalocyanin-Pigments für die direkte Einarbeitung in Druckfarben ausreichend war. Darüber hinaus gibt es in Druckschrift (4) keinen Hinweis, wie Kupferphthalocyanin-Pigmente mit ausreichender Dispergierbarkeit zur Einarbeitung in pastösen Druckfarben hergestellt werden können; auch wird ein phenolmodifiziertes Kolophoniumharz nirgendwo erwähnt.

Somit konnte ein Fachmann dieser Druckschrift keinen Hinweis zu der beanspruchten Verwendung entnehmen und hatte auch keinen Grund, die Lehre der Druckschrift (4) in Betracht zu ziehen, geschweige denn mit der Lehre der Druckschrift (1) zu kombinieren.

4.7. Daraus folgt, daß die beanspruchte Verwendung nicht durch den zitierten Stand der Technik nahegelegt wird und daß der einzige Anspruch das Erfordernis der erfinderische Tätigkeit gegenüber dem zur Verfügung stehenden Stand der Technik erfüllt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgendem Anspruch und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen:

- Anspruch 1: wie überreicht während der mündlichen Verhandlung.

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