T 0182/98 () of 11.6.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T018298.20020611
Datum der Entscheidung: 11 Juni 2002
Aktenzeichen: T 0182/98
Anmeldenummer: 91904674.8
IPC-Klasse: G21C 3/322
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Siedewasserkernreaktor und Kernreaktorbrennelement für diesen Siedewasserkernreaktor
Name des Anmelders: Framatome ANP GmbH
Name des Einsprechenden: ASEA BROWN BOVERI AB
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Patentinhaber (Beschwerdeführer) legte gegen die am 16. Dezember 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 517 750 (Anmeldenummer 91 904 674.8) eine am 12. Februar 1998 eingegangene Beschwerde ein und entrichtete gleichzeitig die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung ging am 24. April 1998 ein.

II. Der Einspruch war gegen das gesamte Patent aufgrund des Artikels 100 a) EPÜ eingelegt und im Hinblick auf Artikel 52 (1) und 56 EPÜ substantiiert worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünde. Sie berücksichtigte inter alia folgende Entgegenhaltung:

(D3) EP-B-0 260 602.

III. Die folgende Druckschrift wurde von dem Einsprechenden (Beschwerdegegner) mit dem Schriftsatz vom 18. Dezember 1998 eingereicht:

(D11) EP-A-0 308 701.

IV. Am 11. Juni 2002 wurde mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer einen Hilfsantrag vor, der nicht zugelassen wurde.

V. Der Beschwerdeführer beantragte, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: 1 bis 3, 6, eingereicht mit dem Schreiben vom 24. April 1998,

4, 5, 7 bis 9 des erteilten Patents,

Beschreibung: Spalten 1 bis 12 des erteilten Patents,

Abbildungen: Figuren 1 bis 12 des erteilten Patents.

Der Beschwerdegegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Der Anspruch 1 bezieht sich auf einen Siedewasserkernreaktor.

Der Wortlaut des Anspruchs 6 ist:

"Kernreaktorbrennelement eines nach einem der Ansprüche 1 bis 5 ausgebildeten Siedewasserkernreaktors,

dadurch gekennzeichnet,

daß im Inneren des Kastens keine steuerbaren Absorberelemente angeordnet sind,

daß die zu den Seitenwänden parallelen, Kernbrennstoff enthaltenden Brennstäbe jeweils durch eine Masche (25) eines Gitters geführt sind, das von zueinander parallelen Längsstegen (23) mit zu den Seitenwänden parallelen Seitenflächen und von die Längsstege kreuzenden Querstegen (24) mit zueinander parallelen Seitenflächen gebildet ist,

daß in den benachbarten Strömungsunterkanälen jeweils an der Kreuzungsstelle zweier Stege (110, 111) der erste (110) der beiden Stege zwei Schaufeln (101, 103) trägt, die an seiner dem Kühlmittelstrom abgewandten Kante beiderseits des zweiten Steges (111) angeordnet sind und eine räumlich gekrümmte, in Richtung des Kühlmittelstroms sich verjüngende Form aufweisen, und

daß beide Schaufeln in verschiedene Richtungen gekrümmt sind."

Der Anspruch 8 bezieht sich auf ein Kernreaktorbrennelement.

Die Ansprüche 2 bis 5, 7 und 9 sind abhängig.

VII. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge sei ein Siedewasserkernreaktor mit einem Druckwasserkernreaktor prinzipiell nicht zu vergleichen. In Druckwasserkernreaktoren sei die Anbringung von Schaufeln an den Gittern bekannt, um eine Vermischung des Kühlmittels zu erreichen, was dazu diene, örtliche Siedekrisen zu vermeiden. In Siedewasserkernrektoren (vgl. z. B. D3) würden Schaufeln ebenfalls verwendet, um eine turbulente Vermischung, also eine Homogenisierung, des Kühlmittels im Zweiphasenbereich des Reaktorkerns zu erzeugen. Die Anordnung von Schaufeln, die so gestaltet seien, daß ein ausgeprägter Drall in den Strömungsunterkanälen im zweiphasigen Bereich des Reaktorkerns entstehe, sei keinem der zitierten Dokumente zu entnehmen. Werde ein Drall doch erzeugt (vgl. z. B. D11), dann seien besondere Maßnahmen notwendig, denn der Stand der Technik zeige, daß die Anbringung von einfachen Schaufeln dazu nicht ausreiche.

VIII. Gemäß dem Beschwerdegegner sei die wesentliche Idee des Streitpatents darin zu sehen, Schaufeln an den Gittern eines Brennelements eines Siedewasserkernreaktors anzubringen, um einen Drall in den Strömungsunterkanälen zu erzeugen. Von den zwei im Stand der Technik bekannten Lösungen, d. h. Anbringung von geeigneten Schaufeln oder geschlossenen Einrichtungen (Turbolatoren) an einem Gitter, habe das Streitpatent einfach die erste gewählt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Bezüglich der Druckschrift D11 stellt die Kammer fest, daß sie relevant ist und der Beschwerdeführer keinerlei Einwände gegen deren Zulassung erhoben hat. Aus diesen Gründen wird D11 in das Verfahren eingeführt.

3. Der Anspruch 6 bezieht sich auf ein "Kernreaktorbrennelement eines nach einem der Ansprüche 1 bis 5 ausgebildeten Siedewasserkernreaktors". Der Anspruch 6 ist von den einen Siedewasserkernreaktor betreffenden Ansprüchen 1 bis 5 unabhängig, insofern er lediglich ein Brennelement zum Gegenstand hat. Darüber hinaus wird der Anspruch 6 so ausgelegt, daß das beanspruchte Brennelement für den Einsatz in einem Siedewasserkernreaktor geeignet ist. Dies bedeutet, daß der Anspruch 6 keine Merkmale eines Siedewasserkernreaktors enthält.

4. Die Druckschrift D3 offenbart ein Kernreaktorbrennelement eines Siedewasserkernreaktors (vgl. Spalte 4, Zeilen 38 bis 42). Das Brennelement weist einen Kasten auf (vgl. Spalte 4, Zeilen 42 bis 47), in dessen Inneren keine steuerbaren Absorberelemente angeordnet sind. Zu den Seitenwänden des Brennelements parallele, Kernbrennstoff enthaltende Brennstäbe sind jeweils durch eine Masche von Gittern geführt, die von zueinander parallelen Längsstegen und von die Längsstege kreuzenden, zueinander parallelen Querstegen gebildet sind (vgl. Figuren 1 und 6). Jeweils vier Brennstäbe, die in zwei benachbarten Längsreihen und zwei benachbarten Querreihen stehen, bilden einen Strömungsunterkanal für das Kühlmittel. In benachbarten Strömungsunterkanälen, jeweils an der Kreuzungsstelle zweier Stege trägt der erste der beiden Stege zwei Schaufeln, die an seiner dem Kühlmittelstrom abgewandten Kante beiderseits des zweiten Steges angeordnet sind, die eine in Richtung des Kühlmittelstroms sich verjüngende Form aufweisen und in verschiedene Richtungen gerichtet sind (vgl. Figuren 6 bis 9).

Folglich unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 6 von dem aus D3 bekannten Kernreaktorbrennelement lediglich dadurch, daß die Schaufeln eine räumlich gekrümmte Form aufweisen.

5. Gemäß D3 (vgl. Spalte 2, Zeilen 12 bis 27) haben die Schaufeln die Funktion, eine turbulente Vermischung, also eine Homogenisierung, des Kühlmittels im Zweiphasenbereich der Reaktorkerns zu erzeugen. Damit wird die kritische Heizflächenbelastung, insbesondere im Inneren des Brennelements, bei geringem Anstieg des Druckabfalls verbessert. Darüber hinaus sind die Schaufeln als Leitflächen in der starken Strömung, die im Kern eines Siedewasserkernreaktors herrscht, einer hohen mechanischen Belastung unterworfen, so daß die Gefahr besteht, daß sie brechen.

Ausgehend von dem aus D3 bekannten Kernreaktorbrennelement besteht also die zu lösende technische Aufgabe darin, den von den Schaufeln verursachten Druckabfall noch mehr zu senken. In der Tat ist diese Aufgabe aus dem Streitpatent (vgl. Spalte 3, Zeilen 55 bis 57 und Spalte 4, Zeilen 5 bis 13) ableitbar, in dem ein erhöhter Druckverlust als ein Nachteil der Erzeugung von hingegen so vorteilhaften Turbulenzen angesehen wird. Ferner besteht die Aufgabe darin, die Bruchgefahr der Schaufeln zu verringern.

6. Die räumlich gekrümmte Form der Schaufeln stellt die Lösung der gestellten Aufgabe dar. Eine derartige Lösung ist von einem hydrodynamischen Gesichtspunkt naheliegend, denn es ist bekannt, daß gekrümmte Schaufeln einen niedrigeren Widerstand dem Strom des Kühlmittels leisten, was zu einer Senkung des Druckabfalls und zu einer besseren Verteilung der mechanischen Belastung führt.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 6 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Aus diesem Grund wird dem Antrag des Beschwerdeführers nicht stattgegeben.

8. Zu einem späten Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung, nachdem die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit bereits ausreichend erörtert worden waren, legte der Beschwerdeführer einen Hilfsantrag mit der Begründung vor, daß die Notwendigkeit einiger Änderungen der Ansprüche nur zu jenem Zeitpunkt ihm klar wurde. Seinen Erläuterungen zufolge bezweckten die vorgenommenen Änderungen eine bessere Abgrenzung des Gegenstands der Ansprüche 1 und 5 gegenüber dem sich aus D11 ergebenden Stand der Technik.

Der Beschwerdegegner erhob die Einwände gegen die Zulassung des Hilfsantrags des Beschwerdeführers, daß der Zeitpunkt der Einreichung sehr verspätet war und der Sachverhalt seit der Ladung für die mündliche Verhandlung unverändert war.

Unter den Kriterien, die die Beschwerdekammern bezüglich der Zulassung von verspätet eingereichten Anträgen entwickelt haben, sind die Fragen besonders zu erwähnen, ob die verspätete Einreichung begründet ist, und ob es sich bei diesen Anträgen um ernstzunehmende Versuche zur Ausräumung erhobener Einwände handelt.

Im vorliegenden Fall ist die verspätete Einreichung unbegründet. Die Erklärung des Beschwerdeführers, daß er die Vorlegung des Hilfsantrags zu einem früheren Zeitpunkt für nicht notwendig hielt, ist nicht ausreichend. Wie der Beschwerdegegner richtig feststellte, war der Sachverhalt seit der Ladung für die mündliche Verhandlung unverändert, so daß der Beschwerdeführer keinen Anlaß hatte, das Patent nochmals und so spät zu ändern. Darüber hinaus bezweckte der Beschwerdeführer mit den Änderungen, eine Abgrenzung des Gegenstands der Ansprüche 1 und 5 gegenüber D11. Selbst wenn eine derartige Abgrenzung notwendig gewesen wäre, hätten die vorgenommenen Änderungen den erhobenen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit in bezug auf andere Entgegenhaltungen, wie z. B. D3, nicht ausräumen können.

Aus diesen Gründen wurde der in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer vorgelegte Hilfsantrag nicht zugelassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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