European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T016898.20001221 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 Dezember 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0168/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92122121.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21D 1/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Richten von Blech | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS Demag AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | CLECIM | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung, Hauptantrag (bejaht) Änderungen - Anspruchserweiterung, Hilfsantrag 1 (verneint) Neuheit, Hilfsantrag 1 (verneint) Änderungen - Anspruchserweiterung, Hilfsantrag 2 (verneint) Neuheit, erfinderische Tätigkeit, Hilfsantrag 2 (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 122 121.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 551 658 erteilt.
II. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit) im Hinblick auf den Stand der Technik u. a. nach den Druckschriften
D1: JP-A-62-203616
D2: US-A-2 852 065
D3: DE-C-3 308 616
und Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit) sowie Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Änderungen) gestützte Einspruch führte zum Widerruf des Patents mit der am 23. Januar 1998 zur Post gegebenen Entscheidung.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 11. Februar 1998 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 29. Mai 1998 eingegangen.
IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Beschwerdekammer im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ die für eine Bewertung der ursprünglichen Offenbarung relevanten Stellen der ursprünglichen Unterlagen benannt. Weiterhin wurde im Zusammenhang mit der Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit auf den in Rede stehenden Stand der Technik verwiesen.
Am 21. Dezember 2000 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise mit geänderter Beschreibung gemäß Hilfsantrag 1 vom 27. Mai 1998, weiter hilfsweise auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anspruchs 1 bzw. mit den Unterlagen gemäß Hilfsantrag 2A vom 10. November 2000 oder Hilfsantrag 3 vom 27. Mai 1998.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Richten von Blech, bei dem das Blech durch von mehreren, einzeln anstellbaren oberen und unteren Richtrollen (12, 15) gebildeten, entsprechend dem Blechquerschnitt und der Nennblechfestigkeit eingestellten Richtspalten gefördert und nach anfänglicher Maximalverformung nachfolgend mit abnehmendem Verformungsgrad mehrfach wechselseitig gebogen wird, wobei der Richtbereich einer Richtmaschine (1) hin zu dickeren Blechen mittels einer bei über die Nennblechdicke des Richtbereichs hinausgehenden Blechdicken geringeren Anzahl im Eingriff befindlicher Richtrollen (12, 15) und somit größerer Richtrollenteilung erweitert wird, dadurch gekennzeichnet, daß durch gezieltes Anheben einzelner oberer bzw. gezieltes Absenken einzelner unterer Richtrollen (12, 15) unterschiedliche Teilungen zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen (12, 15) eingestellt werden."
Die Fassung der Unterlagen nach dem Hilfsantrag 1 entspricht derjenigen nach dem Hauptantrag, wobei lediglich in der Beschreibung in Spalte 2 Streichungen vorgenommen wurden.
Der gemäß Hilfsantrag 2 in der mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2000 vorgelegte Anspruch 1 lautet wie folgt (wobei offensichtliche Schreibfehler berichtigt wurden):
"Verfahren zum Richten von Blech, bei dem das Blech durch von mehreren, einzeln anstellbaren oberen und unteren Richtrollen gebildete, entsprechend dem Blechquerschnitt und der Nennblechfestigkeit eingestellte Richtspalte gefördert und nach anfänglicher Maximalverformung nachfolgend mit abnehmendem Verformungsgrad mehrfach wechselseitig gebogen wird, wobei der Richtbereich einer Richtmaschine hin zu dickeren Blechen mittels einer bei über die Nennblechdicke des Richtbereichs hinausgehenden Blechdicken geringeren Anzahl im Eingriff befindlicher Richtrollen und somit größerer Richtrollenteilung erweitert wird, dadurch gekennzeichnet, daß durch Anheben einzeln anstellbarer oberer bzw. Absenken einzeln anstellbarer unterer Richtrollen insofern unterschiedliche Teilungen eingestellt werden, als die Abstände zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen in einer Einstellung der Richtmaschine nicht alle gleich sind."
Bezüglich der Unterlagen gemäß Hilfsantrag 2A vom 10. November 2000 und Hilfsantrag 3 vom 27. Mai 1998 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Anspruch 1 sowie der strittige Text in Spalte 2 ab Zeile 13 der Patentschrift seien vom Offenbarungsinhalt der ursprünglichen Unterlagen, insbesondere den Textstellen der EP-A-551 658, Spalte 2, Zeile 12 ff., Spalte 3, Zeilen 29 bis 38 und Zeilen 53 bis 57 sowie Spalte 5, Zeilen 27 bis 49 gestützt. Vor allem in Spalte 3 ab Zeile 29 sei auf die veränderlichen Hebelverhältnisse verwiesen, was gleichbedeutend mit einer Mischteilung bzw. ungleichen Abstände für die Rollen sei, zumal auch in Spalte 5, Zeilen 48 und 49 auf die ungleichen Rollenteilungen verwiesen sei. Diese Formulierung mache nur dann einen Sinn, wenn sie sich auf ein und dieselbe Einstellung der Maschine beziehe. Aus der Figur 2 und der zugehörigen Beschreibung sowie auch aus den ursprünglichen abhängigen Ansprüchen 4, 5, 8. und 9 ergebe sich ebenfalls zweifelsfrei, daß die Richtrollen bei ein und derselben Maschineneinstellung unterschiedliche Abstände aufwiesen. Das Streitpatent entspreche demnach in allen vorgelegten Fassungen den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 nach dem Haupt- und Hilfsantrag sei somit nur in dem Sinne auszulegen, daß sich die "unterschiedlichen Teilungen" auf eine Einstellung bezögen. Andernfalls wäre das Anspruchskennzeichen nur eine Wiederholung des Inhalts des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Der Anspruch 1 nach den Haupt- bzw. dem Hilfsantrag 1 sei demnach nur so zu verstehen, wie dies im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 deutlicher formuliert sei, nämlich daß die Abstände zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen nicht alle gleich sind.
Da dies unbestritten aus keiner der Entgegenhaltungen bekannt sei, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nach allen Anspruchsfassungen neu.
Die aus dem Jahre 1958 stammende D2, der an mehreren Stellen zu entnehmen sei, daß der Abstand zwischen den Richtrollen gleich sei, zeige, daß bei einer auf eine verbesserte Betriebsweise der Rollenrichtmaschine ausgerichteten Aufgabenstellung als Lösung ein unterschiedlicher Abstand nicht in Betracht gezogen wurde. Auch die 30 Jahre jüngere D1 zeige, daß keine weitere Entwicklung stattgefunden habe, denn auch bei diesem Stand der Technik werde, nach einem Abheben eines Teils der Richtrollen, ein gleicher Richtrollenabstand wieder durch eine Schlittenverschiebung hergestellt. Bei der Rollenrichtmaschine nach der D3 seien immer alle Rollen im Einsatz. Es handle sich im Gegensatz zum Streitpatent um ein kontinuierliches Regelverfahren, bei dem keine der Rollen völlig außer Eingriff komme. Auch unterscheide sich die der D3 zugrundeliegende Aufgabenstellung grundsätzlich von derjenigen beim Streitpatent. Da folglich der Stand der Technik keine Anregung im Sinne des Streitpatents zu geben vermöge, beruhten die Verfahren nach allen Fassungen des Anspruchs 1 auch auf erfinderischer Tätigkeit.
VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:
Der ursprünglichen Beschreibung sei nichts darüber zu entnehmen, daß mit dem Merkmal "unterschiedliche Rollenteilungen" unterschiedliche Abstände der Richtrollen bei einer Maschineneinstellung gemeint seien. Der in Spalte 5, Zeilen 48, 49 der EP-A-551 658 enthaltene Satz, daß "die Rollenteilungen nicht alle gleich zu sein brauchten", beschreibe lediglich eine theoretische Möglichkeit und betreffe nicht den Gegenstand des Streitpatents, bei dem unter dem Vergrößern der Teilungen eine Verdoppelung aller Richtrollenabstände zu verstehen sei. Es sei im Streitpatent auch nirgends gesagt, daß sich die unterschiedlichen Richtrollenabstände auf eine einzige Einstellung beziehen müsse. Was die Ausführungsbeispiele nach der Figur 2 betreffe, so seien bei den dort mit besonders vorteilhaft bezeichneten Einstellungen nur die jeweils ersten beiden Richtrollen immer im Eingriff ebenso wie die jeweils fünfte und achte Richtrolle. Wenn man von den ersten Rollen absehe, die dem Einzug des Blechs dienten, dann seien die Richtrollenabstände innerhalb der Vorrichtung beim Streitpatent ebenfalls immer gleich und eine Mischteilung liege auch bei den Ausführungsbeispielen nicht vor. Unterschiedliche Richtrollenabstände seien demnach ursprünglich nicht offenbart und die auf sogenannte "Mischteilungen" abgestellten Merkmale des nunmehr in verschiedenen Fassungen vorliegenden Anspruchs 1 sowie des Textes in Spalte 2 des Streitpatents stellten einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.
Der für den Hauptantrag und den Hilfsantrag 1 gleichlautende Anspruch 1 des Streitpatents sei durch den Stand der Technik sowohl nach der D1 als auch nach der D2 neuheitsschädlich vorweggenommen, denn mit den daraus bekannten Richtmaschinen würden bei verschiedenen Maschineneinstellungen unterschiedliche Teilungen zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen eingestellt. Dies werde dadurch erreicht, daß in einer neuen Einstellung alle Richtrollenabstände im selben Maße vergrößert werden, wozu ein Anheben bzw. Absenken oberer und unterer Richtrollen stattfinde.
Nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 sollen die Abstände zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen in einer Einstellung der Richtmaschine nicht alle gleich sein. Dies treffe nur bedingt auf die Ausführungsbeispiele nach Figur 2 des Streitpatents zu, denn dort unterscheide sich, jedenfalls bei den bevorzugten Beispielen, im wesentlichen nur der Abstand zwischen den ersten beiden Richtrollen von den übrigen unter sich gleichen Richtrollenabständen. Gehe man jedoch davon aus, daß die Anspruchslehre vom Stand der Technik nicht neuheitsschädlich vorweggenommen sei, dann beruhe sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn es sei für einen Fachmann naheliegend, unterschiedliche Richtrollenabstände vorzusehen, zumal es aus der D3 schon bekannt sei, die oberen und unteren Richtrollen einzeln und unabhängig voneinander anzuheben. Ausgehend von der D1 bzw. D2, denen die gleiche Aufgabenstellung wie beim Streitpatent zugrunde liege, bedürfe es keiner erfinderischen Tätigkeit über die bekannte Maßnahme, alle Walzen einstellbar zu machen, zu unterschiedlichen Abständen innerhalb einer einzigen Maschineneinstellung zu kommen.
Diese Begründung für die fehlende erfinderische Tätigkeit gelte auch für den Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2A.
Die Anwendung des naheliegenden Richtverfahrens für Richtmaschinen mit sechs, acht, neun, zehn, elf oder zwölf Rollen sei für den Fachmann ebenfalls naheliegend, so daß auch die in den unabhängigen Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 3 aufgeführten Verfahren nicht als erfinderisch anzusehen seien.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Hauptantrag (Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt)
2.1. Zulässigkeit der im Verfahren vor der Prüfungsabteilung vorgenommenen Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
2.1.1. Anspruch 1
Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung geht im Oberbegriff vom Gesamttext des ursprünglichen Anspruchs 1 aus. Der erste Teilsatz im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1, nämlich die Wortfolge "durch gezieltes Anheben einzelner oberer bzw. gezieltes Absenken einzelner unterer Richtrollen (12, 15)" ist sinngemäß im ursprünglichen Anspruch 3 offenbart, nach dem einzeln anstellbare obere und untere Richtrollen abgesenkt bzw. angehoben werden. Der weitere Text des Anspruchskennzeichens, wonach "unterschiedliche Teilungen zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen (12, 15) eingestellt werden", ist aus der ursprüngichen Beschreibung Seite 5, 2. Absatz, Zeilen 4 bis 7 zu entnehmen ("um über verschiedene Rollenteilungen eine bessere Anpassung an das Richtprogramm zu ermöglichen, braucht lediglich ein Teil der Richtrollen angehoben bzw. abgesenkt zu werden").
Die sprachliche Formulierung des erteilten Anspruchs 1 läßt offen, ob
a) sich der Begriff "unterschiedliche Teilungen" auf einen Vergleich der Teilungen bei verschiedenen Richtrolleneinstellungen bezieht, wobei, wie z. B. beim Stand der Technik nach Figur 2 der D1, in einer zweiten Einstellung die Teilung unter Aufrechterhaltung der Symmetrie, im Vergleich zur ersten Einstellung lediglich vergrößert wird oder
b) der Begriff "unterschiedliche Teilungen" so zu verstehen ist, daß die Rollenabstände zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen bei ein und derselben Einstellung der Richtmaschine nicht alle gleich sind.
Diese beiden Möglichkeiten a) und b) offenbaren sich einem Fachmann beim Lesen der ursprünglichen Unterlagen aus folgenden Gründen:
Einerseits ist die Anspruchsauslegung b), nämlich die auf ein und dieselbe Einstellung gestützte unterschiedliche Teilung, indirekt dem Text auf Seite 5 der ursprünglichen Beschreibung, Zeilen 2 bis 6 zu entnehmen, wo angegeben ist: "..., lassen sich die Hebelverhältnisse bei dem erweiterten Richtsystem durch das Absenken bzw. Anheben der zu diesem Zweck vorzugsweise einzeln anstellbaren oberen und unteren Richtrollen z. B. so verändern, daß die größte Kraft an der einlaufseitig befindlichen zweiten Rolle auftritt". Eine unterschiedliche Rollenteilung bei ein und derselben Einstellung ist auch bei den Anstellbeispielen nach der Figur 2 der ursprünglichen Unterlagen vorhanden, wobei auch die ursprünglichen abhängigen Ansprüche 4 bis 9 einige der in der Figur 2 gezeigten Ausführungsbeispiele zum Gegenstand haben.
Andererseits muß ein fachmännischer Leser aus dem letzten Satz des ersten Absatzes auf Seite 8 der ursprünglichen Beschreibung, "die Rollenteilungen brauchen nicht alle gleich zu sein", den Schluß ziehen, daß zwar ungleiche Rollenteilungen innerhalb einer Einstellung zulässig sind, andererseits aber nach einer Neueinstellung der Maschine in der Regel die Rollenteilungen im Vergleich zur vorherigen Einstellung unterschiedlich, aber untereinander gleich, d. h. symmetrisch bleiben sollen, was die Lösungsmöglichkeit a) darstellt.
Der beim Streitpatent in Spalte 2, Zeilen 13 bis 41 gegenüber den ursprünglichen Unterlagen zusätzlich eingefügte Text beschränkt zwar die "Erfindung" auf die Möglichkeit b) durch die Formulierungen "unterschiedlichen Hebelverhältnissen" und "Mischteilungen". Die Einfügung dieses Textteils ist jedoch, wie nachfolgend unter 2.1.2 erläutert, aus Gründen von Artikel 123 (2) EPÜ unzulässig.
Aus dem Vorstehenden folgt, daß unabhängig davon, ob der Anspruch 1 als beide Möglichkeiten a) und b) oder nur die Möglichkeit b) umfassend ausgelegt wird, in der erteilten Fassung den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) EPÜ entspricht.
2.1.2. Beschreibung
Der Text in Spalte 2, Zeilen 13 bis 41 (ab "Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde...") des Streitpatents ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht enthalten. In diesem Textteil sind nähere Angaben bezüglich des erfindungswesentlichen Anspruchsmerkmals "unterschiedliche Teilungen" gemacht, wobei für das beanspruchte Verfahren nicht unerhebliche Angaben wie "ohne den Walzenstuhl verschieben zu müssen" und zusätzliche physikalische Wirkungen angegeben sind. Des weiteren sind auch im Einzelnen nicht näher definierte und in den ursprünglichen Unterlagen nicht genannte Fachbegriffe, wie"Mischteilungen" aufgeführt.
Da diese über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehenden Angaben unmittelbar das für die Definition der Erfindung wesentliche Merkmal "unterschiedliche Teilungen" betreffen und demnach gemäß Artikel 69 (1) Satz 2 zur Auslegung der Patentansprüche von Bedeutung sind, stellen sie eine unzulässige Änderung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ dar.
Die gemäß Hauptantrag geltenden, erteilten Unterlagen entsprechen demnach nicht den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Hilfsantrag 1 (Fassung mit geänderter Beschreibung, ansonsten mit den erteilten Unterlagen)
3.1. Zulässigkeit der Änderungen
3.1.1. Ansprüche
Die Zulässigkeit des gegenüber dem Hauptantrag unveränderten Anspruchs 1 ist aus den unter Absatz 2.1.1 dargelegten Gründen gegeben.
Die im Wortlaut ebenfalls unverändert in der erteilten Fassung geltenden Ansprüche 2 bis 8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 4 bis 9 und sind demnach ebenfalls im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden.
3.1.2. Beschreibung
Nach dem Hilfsantrag 1 entspricht die Beschreibung der erteilten Fassung, wobei jedoch der unter dem Absatz 2.1.2. als unzulässige Änderung anzusehende Textteil in Spalte 2, beginnend mit "Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde...." bis Zeile 41, endend mit "...wieder auftritt," sowie das Wort "weiterhin" in Spalte 2, Zeile 42 gestrichen sind.
Aufgrund der Streichung dieses Textteiles ist die Beschreibung gemäß Hilfsantrag 1 im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden.
3.1.3. Die Unterlagen nach dem Hilfsantrag 1 entsprechen demnach in ihrer Gesamtheit den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ.
3.2. Neuheit
Infolge der Streichung des den Anspruch 1 beschränkenden Textteils der erteilten Beschreibung ist der Anspruch 1 nur noch im Sinne der ursprünglichen Beschreibung auszulegen, wie dies im Abschnitt 2.1.1 im einzelnen erläutert ist. Der Anspruch 1 umfaßt demnach beide Lösungsalternativen a) und b), von denen die erste (a)) die Angabe "unterschiedliche Teilungen" auf verschiedene Maschineneinstellungen bezieht. Der Anspruch 1 schließt somit auch eine Richtrollenneueinstellung mit einer geänderten Teilung mit unter sich gleichen Richtrollenabständen ein.
Die Tatsache, daß in den Figuren und ihrer Beschreibung nur unterschiedliche Richtrollenteilungen bei ein und derselben Maschineneinstellung gezeigt sind, widerspricht der obigen Feststellung nicht, da, wie bereits erwähnt, der mit der ursprünglichen Fassung (Seite 8, erster Absatz, letzter Satz) übereinstimmende Satz in Spalte 6, Zeilen 19, 20 der geltenden Figurenbeschreibung zum Ausdruck bringt, daß die Rollenteilungen nicht alle gleich zu sein "brauchen", worunter offensichtlich verstanden werden muß, daß sie in der Regel gleich sein können. Auch die Fassung des Oberbegriffs des Anspruchs 1 widerspricht dieser Auslegung nicht, denn die Angabe "wobei der Richtbereich ... mittels einer ... somit größeren Richtrollenteilung erweitert wird" ist nicht gleichbedeutend mit der technischen Lehre des Anspruchskennzeichens.
Die Lösungsalternative a) des Anspruchs 1 ist jedoch unbestritten aus dem Stand der Technik nach der D1 bzw. der D2 bekannt. Dort wird nämlich aus Gründen der Verbesserung der Betriebsweise einer Rollenrichtmaschine in verschiedenen Maschineneinstellungen eine unterschiedliche Teilung eingestellt.
Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 ist demnach nicht neu.
4. Hilfsantrag 2
4.1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
4.1.1. Anspruchsfassung
Der Anspruch 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruchs 1 im wesentlichen dadurch, daß in seinem kennzeichnenden Teil die Wortfolge aus dem erteilten Anspruch 1 "unterschiedliche Teilungen zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen (12, 15) eingestellt werden" ersetzt wurde durch die Wortfolge "insofern unterschiedliche Teilungen eingestellt werden, als die Abstände zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen in einer Einstellung der Richtmaschine nicht alle gleich sind".
Durch diese Änderung ist der Anspruch 1 eindeutig auf die Lösungsvariante b) (vgl. Absatz 2.1.1) beschränkt.
Die Offenbarung der bei einer Einstellung der Richtmaschine ungleiche Abstände aufweisenden Teilungen stützt sich, wie unter Punkt 2.1.1 schon dargelegt, im wesentlichen auf den ursprünglichen Beschreibungstext Seite 5, 1. Absatz sowie auf die technische Lehre nach den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 9 sowie die in der Figur 2 veranschaulichten Rolleneinstellungen, bei denen offensichtlich die Abstände zwischen den im Eingriff befindlichen Richtrollen nicht alle gleich sind.
Die Lehre des Anspruchs 1 entspricht somit den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ.
Dies trifft ebenfalls für die abhängigen Ansprüche 2 bis 8. zu, die den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 4 bis 9 entsprechen.
4.1.2. Sonstige Unterlagen
In der Beschreibungseinleitung wurde die geänderte Formulierung des Anspruchs 1 berücksichtigt, wobei, ebenso wie bei der Beschreibung nach dem Hilfsantrag 1 (vgl. Punkt 3.1.2) der unzulässige Beschreibungstext in den erteilten Unterlagen Spalte 2, Zeilen 13 bis 41 gestrichen wurde. Die Beschreibung entspricht daher ebenso wie die unveränderte Zeichnung den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ.
4.2. Zulässigkeit der Änderungen im Anspruch 1 in Hinblick auf Artikel 123 (3) EPÜ
Im Anspruch 1 sind mit Ausnahme des vor den Begriffen "Anheben" und "Absenken" gestrichenen Wortes "gezieltes" noch alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 enthalten.
Die Streichung des Wortes "gezieltes" hat den Schutzumfang des erteilten Anspruchs nicht erweitert, denn die den Begriff "unterschiedliche Teilungen" ergänzende Einfügung im geltenden Anspruch 1 stellt einengend klar, zu welchem Zweck das Anheben und Absenken einzelner oberer bzw. unterer Richtrollen erfolgt.
Demnach entspricht der geänderte Anspruch 1 auch den Anforderungen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ.
4.3. Neuheit
Bei den gemäß D1 und D2 zur Anwendung kommenden Richtverfahren sind bei jeder Einstellung der Richtmaschine trotz des Außerineingriffbringens mehrerer Richtrollen immer gleiche Abstände zwischen den sich noch im Eingriff befindlichen Richtrollen vorhanden. Dies gilt auch für die Richtmaschine nach der D3, bei der zwar die Richtwalzeneinstellungen aus ermittelten Meßwerten fortlaufend korrigiert werden, wobei allerdings immer alle Rollen im Eingriff gehalten werden. Die Abstände der im Eingriff befindlichen Rollen ändern sich demnach während des Richtbetriebes nicht. Im übrigen ist der D3 kein Hinweis zu entnehmen, daß die in der Zeichnung mit gleichen Abständen dargestellten Richtrollen ungleiche Abstände haben sollen.
Das Verfahren nach dem Anspruch 1 ist demnach unbestritten neu.
4.4. Erfinderische Tätigkeit
Die D2 zeigt, daß schon 34 Jahre vor dem Prioritätstag des Streitpatents die Teilungen einer Richtrollenmaschine durch Richtrollenverstellung verändert wurden, wobei durch eine sich an die Rollenanhebung bzw. -absenkung anschließende Rollenstuhlverschiebung wieder gleiche Rollenabstände hergestellt wurden. Die bekannte Verstellung diente bei der D2 ebenso wie beim Streitpatent dazu, den Richtbereich für Bleche unterschiedlicher Dicke zu erweitern.
Weiterhin beweist die D1, daß noch kurz vor dem Prioritätstag des Streitpatents eine solche Teilungsänderung unter Aufrechterhaltung symmetrischer Rollenabstände angewandt wurde.
Der D3 liegt als Aufgabenstellung zugrunde, ein Verfahren mit einer verbesserten Richtqualität zu schaffen, bei dem insbesondere mit einer geringen Anzahl von Verformungen gleichmäßig plane Bleche bei Verwendung einer konstruktiv einfachen und betriebssicheren Vorrichtung erreichbar sind. Der Gedanke, durch unterschiedliche Rollenabstände den Richtbereich für unterschiedlich dicke Bleche zu vergrößern, ist in der D3 nicht erwähnt. Diese Druckschrift vermag demnach einen Fachmann auch nicht dazu anregen, die aus der D1 und der D2 bekannten Richtverfahren im Sinne des Streitpatents abzuwandeln.
Aufgrund dieser Betrachtungen kommt die Beschwerdekammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Das Patent hat somit auf der Basis des Hilfsantrags 2 Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Anspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Ansprüche 2 bis 8, eingereicht am 29. Mai 1998 zum Hilfsantrag 2,
Beschreibung, Spalten 1 und 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung zum Hilfsantrag 2, Spalten 3 bis 7. wie erteilt,
Zeichnungen wie erteilt.